Mittwoch, 31. August 2011

Antiquar intern - das Licht leuchte uns vom Niederrhein


http://www.boersenblatt.net/453832/template/bb_tpl_antiquariat/

Man darf gespannt sein auf "antiquar intern". Die näheren Umstände, die zur Gründung dieses xyten Versuchs eines Informationsdienstes für Antiquare geführt haben, kennen wir nicht. Ein Blick auf die Urheber, allen voran ein hier nicht zu nennender Düsseldorfer Kollege, belehrt uns, daß wir die näheren Umstände auch nicht kennen  s o l l e n. Jene unselige Geheimniskrämerei, die zur Marginalisierung der Genossenschaft geführt hat und ihr mehr geschadet hat als alle anderen Fehlplanungen, sie wird auf geradezu brutale Weise fortgeführt.

Nur unser Düsseldorfer Obergeheimnisträger kann auf die Idee kommen, schon in die Eingangsseite des neuen Dienstes eine so charmante Kennwortmaske hineinzuknallen, daß normale Gemüter jede, aber auch jede Lust verlieren, sich diesem westfälischen Geheim-Thing unter der Femelinde anzuschließen.

Die Kunst, verehrter Heinrich-Heine-Kollege, besteht darin, einen kleinen vertraulichen Bereich zu schützen, alles andere aber transparent darzustellen. Wie schon in der Xing-Gruppe gehen durch Ihre Natozaun-Abgrenzungen alle  G o o g l e - Vorteile verloren. Zugleich verbauen sich die Antiquare damit  ein weiteres Mal die Chance, eine verständnisvolle Öffentlichkeit zu mobilisieren (das reicht von der FAZ bis zum Bibliotheksverband, vom Kartellamt bis zu den Bibliophilen-Vereinen), schlimmer noch zementieren Sie so die Ausgrenzung von gut 800 Antiquaren, die Xing, dem Verband und der Rumpf- und Restgenossenschaft eher fernstehen.

Daß sich der alte Freund des Edelantiquariats, Björn Biester, in letzter Zeit ohehin fast sprachlos geworden, mit Sympathie dem neuen Gebilde zuneigt, darf uns nicht verwundern. Es ist ja in seinem Sinn geplant - wer selber den Antiquaren verbietet, seine Texte mit noch so bescheidenen Kommentaren zu versehen, für den ist der Schritt zum Geheimforum auch nicht mehr weit.

Tatsächlich könnten die Antiquare am Niederrhein und in Berlin mit einem  o f f e n e n  Informationsdienst die Bedürfnisse der Antiquare und ihrer Kunden perfekt abdecken. Das Börsenblatt des deutschen Buchhandels, Fachsparte Antiquariat, mißbraucht seinen Netzdienst seit Monaten dazu, kleine Informationshäppchen zu alledem zu bringen, was kein Antiquar wissen will. Die brennenden aktuellen Fragen aber werden dort liebevoll verhehlt. Haben wir aus Frankfurt je wieder etwas gehört von der Amazon-Abebooks-ZVAB-Monopolkrake, mochte man uns informieren über den Stand der Ladenbündnisidee im Internet, kam je auch nur der Hauch einer  I d e e, eines Planungsansatzes über den Main zu uns?

Ich begrüße den neuen Informationsdienst - er kann gerade wegen der unbegreiflichen Trägheit des Börsenblatts viel Gutes bewirken. Vorausgesetzt, die Zugangssperre bleibt, so sehr auch unsere Obergeheimniskrämer von der Bergstraße über das Bergische Land bis zu diversen Berliner Hügeln aufkreischen mögen, auf wichtige Interna beschränkt. Leute, gebt  G o o g l e  und en  M e d i e n  freien Zutritt, auch zu den Diskussionen! Nehmt euch nicht Biesters Inquisitionsmaulkorb zum Vorbild, der den ohnehin durch die Kürze seiner Texte schon gequälten Leser noch mit  R e d e v e r b o t  zudeckelt.

Nun fangt an - f r e i,  o f f e n,  e h r l i c h,  f u r c h t l o s.

Meine größte Sorge ist übrigens der betrübliche Fakt, daß aus eurer bekannten Vertuschungsriege keine Seele schreiblustig ist. Es wird nichts draus, wenn Ihr euch nicht das Weinbrennersche Debakel vor Augen haltet - schöne Pläne machen, aber kaum eine Zeile schreiben... Mobilisiert daher Kollegen wie Stormchen, Pardun, Plocher und Kretzer. Ö f f n e t  euren Geist - und euer neues Medium.


Das Bild zeigt die Wahrheit in den Händen der Geheimen Inquisition, oder so ähnlich. 

Freitag, 26. August 2011

Carl Schmitt, Björn Biester, Piet Tommissen, der Börsenverein und die Neue Rechte




"Auch die internationale Diffamierungsindustrie, die dazu verdammt ist, Schmitts Ruhm rastlos zu mehren, wäre ohne To m m i s s e n   von einer noch traurigeren Gestalt." Junge Freiheit 17.3.2000


Carl Schmitt ist aus dem Kernbereich der Staatslehre, der Rechts- und Staatsphilosophie nicht wegzudenken. Er hat wichtige Impulse gesetzt und zählt zu den Größten seines Fachs. - Dennoch hat er selbst sein Leben und seine Lehre in widerlicher Weise beschmutzt und  v e r g i f t e t.  (Meinung des Verfassers)



1)
Lassen Sie mich mit einer persönlichen Erinnerung beginnen. Vor nun schon gut 25 Jahren erwarb ich den Altbestand des Juristischen Seminars der Reichsuniversität Straßburg, aufgebaut 1941-1944. In mehreren tausend Bänden rekonstruierte ich das Institut in meiner Wohnung, katalogisierte die Bestände und bot sie in umfangreichen Listen den Fachbibliotheken im In- und Ausland an. Während ich bei Durchsicht der juristischen Berufs- und Fachpresse v o r  1933 mehr und mehr den Hut zog vor dem hohen Stand der deutschen Rechtspflege, erfüllte mich die fachjuristische Literatur n a c h jenem schicksalhaften Januar 1933 in zunehmendem Maß mit  E k e l.

Auch als Nebenfachjurist und Sozialist konnte ich aus den Fachtexten erkennen, welche Katastrophe damals über die deutsche Rechts- und Staatswissenschaft hereingebrochen war.

Man machte viele Aufsätze, etwa die häufig anzutreffenden von Freisler, schon an ihrem  S t i l  fest, der jene typische scheußliche Mischung aus einer Blut- und Boden-Neusprache bot.  E i n  Fachgelehrter aber schrieb, ob in er von ihm verantworteten DJZ oder in den Veröffentlichungen der Akademie und des Rechtswahrerbunds, ein ausgezeichnetes, in der Form perfektes Deutsch, vor dessen Hintergrund die darin vertretenen unsäglichen NS-"Rechts" - und "Staats"-Ideen um so  p e r f i d e r  wirkten.

Dieser  p e r f i d e  juristische Schöngeist war Carl Schmitt.

Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hatte damals, aber ich las mich monatelang ein in seine Texte aus diesen Jahren der großen Verfinsterung, ich lernte ihn zu hassen, zu fürchten, zu verachten. Wenn es einen brandgefährlichen Steigbügelhalter, Helfershelfer, Wegbereiter und Lakaien Adolf Hitlers im Bereich des allgemeinen und des Staatsrechts gab - dann Carl Schmitt.

Irgendwann waren die tausende von Zeitschriftenbänden verkauft, andere Tagespflichten beanspruchten meine Aufmerksamkeit, der Haß gegen dieses ebenso kluge wie schöngeistige, b ö s e  Prinzip Carl Schmitt verblaßte. Bis ich - ähnlich wie Kollege Wimbauer gelegentlich auf Ausflügen in die rechte Szene verirrt gewesen  - eine lange Diskussion mit einem Journalisten, dessen Namen peinlicherweise an eine düstere Figur des Reichssicherheitshauptamts erinnert, über Carl Schmitt vom Zaun brach. Ich stellte fest, daß mein Alptraum, jene fürchterlichen Aufsätze in den Jahren des Schreckens - heute offenbar verleugnet, umgelogen, verfälscht und ver-heuchelt wurden, daß diesem scheußlichen Verführer, diesem Totengräber der Demokratie, masochistischem Stiefellecker einer verbrecherischen politischen Hochstaplergruppe - mit treuherzigem Blick nun wieder geistige Fackelzüge gebracht werden, daß er mit dem ähnlich zwielichtigen Jünger Hand in Hand aufs Denkmal gestellt und einer staunenden "neuen" Jugend zur Nacheiferung empfohlen wird.

Ich erinnere mich, das noble Lokal, in dem wir diskutierten, durch einige Brüll- und Urlaute des Ärgers und des Abscheus sehr erschreckt zu haben.

Seither bin ich aufmerksam bei allem, was mit Carl Schmitt unternommen wird. Bei näherem Hinsehen sind das fast immer jene unangenehmen Herren der schicken neuen Rechten, die Du natürlich nicht greifen, nicht festmachen kannst.

Mir persönlich erscheinen die antisemitischen Äußerungen Schmitts am widerlichsten, weil hier ein ungebremster  b ö s e r  Vernichtungswille, eine Bereitschaft zur Hilfestellung zu  H e n k e r s d i e n s t e n  durchbricht, etwa auf der im Oktober 1936 unter seiner Leitung durchgeführte Tagung "Das Judentum in der Rechtswissenschaft". Es reicht nicht aus, irgendwelche Zusammenfassungen oder Lexikonartikel dazu zu lesen: Ziehen Sie die Originaltexte Schmitts, vor allem im Zeitschriftenbereich, hinzu.

Daß er sich mit dem Amt Rosenberg und der SS auseinanderzusetzen hatte, darf ich - hier durchaus passend - so werten: Pack schlägt sich - Pack verträgt sich. Und bar jeder Würde biederte sich Schmitt auch nach seiner parteiinternen Kaltstellung seinem Führer an, bis zum letzten Kriegsjahr. "Aktion Ritterbusch" - sapienti sat.

Wiki sagt den Rest, der zu sagen bleibt, so prägnant, daß ich ihn hier unverändert an den Schluß des Kapitels setze: "Da Schmitt sich nie von seinem Wirken im Dritten Reich distanzierte, blieb ihm eine moralische Rehabilitation, wie sie vielen anderen NS-Rechtstheoretikern zuteil wurde (zum Beispiel Theodor Maunz oder Otto Koellreutter), versagt".

2.
Nun hat ein vermutlich ehrenwerter Mensch, Piet Tommissen, seines Zeichens Volkswirtschaftler in Belgien, anstatt Briefmarken zu sammeln - - Carl Schmitt gesammelt. Jedes Brieflein, jede Postkarte, einfach alles. Wir kennen solche Naturen, als Antiquar sind wir alle in Gefahr, die Grenzen des Sinnvollen zu überschreiten und dort zu bewahren, wo wir lieber anderes, Wichtigeres hätten behüten und sammeln sollen. Google hat in Auszügen einen der Tommissen-Bände zugänglich gemacht - ich Unglückswurm stoße natürlich gleich auf einen offenen N a c h kriegs-Postkartentext, indem er von Angriffen gegen ihn "mit dem Schächtmesser" spricht.

Lieber Herr Tommissen! Wenn ich im Laufe meines Sammelns auf eine solche Karte stoße, dann besuche ich den Verfasser, spucke ihm vor die Füße, verachte ihn als Mensch und rede von Stund an kein Wort mehr mit ihm. Sie haben weiter gesammelt... Wie wollen wir das nennen - masochistische wissenschaftliche Heldenverehrung, partielle Betriebsblindheit, törichte Förderung böser Geister?

Warum wir das alles schreiben, und was es mit dem Antiquariat zu tun hat?

Björn Biester, Redakteur beim Börsenblatt des Buchhandels, Netzdienst Antiquariat, ist in das Carl-Schmitt-Fettnäpfchen getreten. Wie wir ihn zu kennen glauben, wird er eher nächtens über den Main schwimmen als ein Jota seines Textes zurückzunehmen (Link zum Börsenblatt des Buchhandels).

"Bibliograf (sic) des wegen seiner Betätigung während des "Dritten Reiches" umstrittenen Staatsrechtlers Carl Schmitt".

Hochverehrter Dr. Biester! Erstens ist Carl Schmitt in Sachen Drittes Reich nicht etwa umstritten, sondern in dieser Hinsicht ist er zurecht  verfemt und verachtet. Er ist geistig und zum Teil sogar taktisch-organisatorisch mitschuldig an der Ermordung vieler Millionen Menschen, er war Wegbereiter und Unterstützer des Teufels in Person. Und wie halb Europa unseren Führer und sein Regime verflucht hat, so ist auch Carl Schmitt seither mit einem Makel behaftet, den keine wissenschaftliche Leistung von ihm nehmen kann.

Sie wissen auch, daß Carl Schmitt heute von der Neuen Rechten als Flagschiff mißbraucht wird. Angesichts dieser Situation ist es nicht gut, nur in einem Nebensatz anzudeuten, er sei "wegen seiner Betätigung während des "Dritten Reiches" umstritten ". Viel tiefer geht seine Schuld, er hat sich nicht nur "betätigt", er hat geistige Brunnenvergiftung der verhängnisvollsten Art betrieben, er hat den H e n k e r n  das ideologische Rüstzeug geliefert.

Nun können Sie im Börsenblatt schreiben, was Sie wollen, der bekannt erzkonservative Börsenverein des Deutschen Buchhandels segnet es schon ab. Ich nehme ihnen nur persönlich übel, daß Sie eine fürchterliche Zeit in mir wieder heraufbeschworen haben - jenes Durchsehen der juristischen Fachpresse auf die Texte Carl Schmitts.

An Ihre Adresse der Rat: Das Böse, das Scheußliche muß man in der Publizistik beim Namen nennen. Sie verbieten ja noch, wie zum Hohn, qua ausgeschalteter Kommentarfunktion jede demokratische Kritik an Ihren Ausführungen. Die Buchhändler, die Verleger dürfen kommentieren - wir Antiquare aber erhalten vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Segnungen Carl Schmitts angepriesen mit der Schweigebirne der Inquisition im Mund.

Die ständischen Antiquare hören schicksalhaft und völkisch dem Raunen Björn Biesters zu und müssen schweigen. Fahne voran.

Das alles hätte Carl Schmitt sehr gefallen...


Dank für das Foto an das "Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz", das die Rechte daran besitzt

Mittwoch, 10. August 2011

Wo bleibt die Berufspresse für das Antiquariat?





Die Antiquare, gleichgültig in welcher Schicht des Gewerbes sie arbeiten, erwarten von ihrer Berufspresse keine Hofberichterstattung. Sie sind, trotz bekannter Klatschsucht, nicht sehr interessiert an "Veränderungen im Gewerbe", vor allem dann nicht, wenn solche Gewerbeberichte nicht zum Anlaß zu Problemanalysen genommen werden, sondern dümmlich-naiv abschildern, was wo wie eröffnet oder geschlossen worden ist, welche Messe wie stattfindet, welche Datenbank von wem gekauft wurde.

Was die Antiquare brauchen und wollen, sind Problemanalysen, möglichst solche, die für sie im Beruf unmittelbar umsetzbar sind. Mit theoretischem oder polemischem, womöglich noch langhin ausgebreiteten Gedankenspielen langweilt und ärgert man sie nur. Noch tödlicher wirken auf sie Fremdwortkaskaden und Übernahmen aus für sie ganz fremden Fachgebieten.

So gesehen sind weder Biesters Leistungen (erster Absatz) zur Zeit besonders hilfreich, noch können Mulzer und Pardun (zweiter Absatz) die Antiquare erfreuen.

Vor zwei Holzwegen sei gewarnt: Interviews in jeder Form liest man zunächst mit Interesse, nicht nur in der leider wieder verschwundenen Video-Form, sondern auch als längeres Tiefeninterview. Aber ein Ersatz für das, was die Berufspresse wirklich leisten sollte, sind sie nicht. Ein Kollegeninterview ist in der Regel nicht viel mehr als die Plauderei am Messestand, in der  e i n  Standpunkt herübergebracht wird, aber keine Probleme gelöst werden.

Zum anderen, das geht nun an Parduns und meine Adresse, hat die Unlust der Antiquare, Theorie zu betreiben, nichts zu tun mit Dummheit oder mangelnder Bildung. Wenn ich mitunter mangelnde "Geistigkeit" bei den Kollegen beklage, dann ist das in der Regel reine Zweckpolemik, um jene fürchterliche Zeitvernutzung anzuprangern, in die die Antiquare so lang eingebunden sind - bis sie modernere, bessere Titelaufnahme- und Absatzstrategien ersinnen und einführen.

Weil sich Antiquare aller Schichten im sozialen Feld bemerkenswert unklug und fast immer äußerst ungeschickt bewegen, sind sie noch lang nicht zu unterschätzen. Es handelt sich, das gilt für alle Schichten des Gewerbes, eben oft um Außenseiter, um Sonderlinge, um Randfiguren der Gesellschaft. Bei näherem Hinsehen sind fast alle abgebrochene Existenzen. Die es nicht sind, die mit Stolz auf geradlinige kaufmännische Ausbildungsgänge zu verweisen pflegen - das sind nach meinem vielleicht etwas schiefen Eindruck die einzigen wirklich unerfreulichen Gestalten in unserem Gewerbe.

Wir erinnern uns mit Rührung, wie Stormchen mit seinem Antiquariatsanzeiger brav und treu "Berichterstattung" durchexerziert hatte, auch haben wir noch das reihenweise "Schütteln der Köpfe" vor Augen, als uns Pardun in den ersten Schritten mit (jedenfalls mir) völlig unbegreiflichen Oberseminarsitzungen zu quälen gedachte im Soloantiquar.

Mit tiefem Bedauern verfolgen wir heute im Archiv des Börsenblatts den Niedergang der Biesterschen Diskussionskultur, der seinen Netzdienst innerhalb von zwei Jahren von einer hochinteressanten, offenen Problemdiskussionszentrale zu einem unsäglich öden und zahmen Berichtsblättchen niederführen mußte, wohl auf höhere Anweisung, denn freiwillig kann niemand solche Grausamkeiten begehen wollen.

Wir kommen nun zur Nutzanwendung und stellen fest, daß Pardun trotz all seiner Ungeschicklichkeiten, von der Titelwahl über die graphische Darstellung bis zur unsäglichen Terminologie dem rechten Weg am nächsten ist:

Antiquare wollen - in allen ihren Schichten - eine Berufspresse, die ihre  P r o b l e m e  schlicht und ergreifend gesagt  l ö s t.

Das ist natürlich nur in Häppchen zu machen, man muß stellvertretend für die Kollegen die Sachverhalte mit sich selber durchdiskutieren und mehrere Wege bedenken, ausprobieren, in Rechnung stellen. Im Kopf des Redakteurs muß die Diskussion stattfinden und er soll, kein leichtes Unterfangen, seine unfertigen Gedankengänge auch jeweils ehrlich darstellen.

Ich stimme inzwischen, leidgeprüft, Biesters Ansicht bei, daß es wenig Sinn macht, ein neues Forum aufzumachen, das der Diskussion der Antiquare dienlich sein würde. Wenn Antiquare diskutieren, kommt zunächst zwischen ausführlicher Selbstdarstellung und rauhbauziger Flegelei wenig heraus. Als mich Weinbrenner noch nicht aus seinem Forum expediert hatte, erinnere ich mich an Auseinandersetzungen auf hohem Niveau (etwa die Beiträge von Kretzer), die sich ebenso totgelaufen hatten wie die stellenweisen Erkenntnisschübe kluger Kolleginnen in den Amazon- und anderen Kistenschieberforen. Beides verlief im Sande, war vergeudet, weil die Strukturierung, die Führung, die Leitung fehlt in solchen Foren.

Das hat, alles in seinem Kopf, der Redakteur der Berufspresse zu leisten.

Interessant ist eine Beobachtung, die im Zusammenhang mit der Amazon-Abebooks-ZVAB-Monopolfrage wieder aktuell werden könnte: In dem Jahr vor der Gründung der Genossenschaft hatten wir eine gute, fruchtbare, konstruktive Auseinandersetzung im Hess-Forum, die wohl kein Kollege seither vergessen hat. Daraus ergibt sich für mich, daß w e n n  einmal eine aktuelle Frage einen bestimmten Ausgestaltungsgrad, eine gewisse Dringlichkeit erreicht hat,  d a n n  auch die seltsamen Existenzen im Antiquariat gut, fruchtbar, interessiert miteinander diskutieren können.

Wenn also eine Berufspresse die Sachdiskussion der  P r o b l e m e  des Berufs bis zu einem bestimmten Punkt redaktionell hat gut führen können - das Börsenblatt war vor zwei, drei Jahren unter Biester soweit gekommen - , dann ist auch ein Diskussionsmedium für Antiquare nützlich und möglich. Vorher aber nicht.

Fazit: Die Berufspresse für die Antiquare muß jetzt und hier eine Problemerörterungs- und Problemlösungspresse sein.







Montag, 8. August 2011

Schöne Aussichten > Antiquare in der Zucht von Abebooks



Unser Bild zeigt Jungantiquar Schäflein-Cottbus beim Einüben des Merkverses: "Du bist nichts, Abebooks ist alles". Es tatzt Amazon-CEO Francesco Gierig

https://tomfolio.pbworks.com/w/page/22340463/About-Abebooks




Das Internet ist randvoll mit Kritiken und Enthüllungen über die Geschäftspolitik von Abebooks. Ich halte es nicht für sinnvoll, diese Materialien hier zusammenzuführen, der Sachverhalt ist allzu offenkundig.


Stellvertretend für viele ähnliche Äußerungen bringe ich Auszüge aus dem drei Jahre alten Posting einer Kollegin (Hervorhebungen durch mich):

    
About Abebooks
by novelshoppe88

(...) Abebooks (i.e., ABE or Advanced Book Exchange), one of the first online used book selling databases for independent booksellers and now a world-wide company, has once again reached into our pockets. Give ‘em an inch and they’ll take a mile, they say. And Abe is asking for another inch. But this time they’re asking for a mile and it has many booksellers worldwide outraged and threatening to boycott Abebooks.

I was an Abe bookseller when I began selling used books on the internet back in 1996. I paid them $25 a month and they added my books – under my name – to their growing database. They did the advertising and provided a platform from which I could make a profit. All was well...

(...) But then someone bought Abebooks and the rules started changing. They asked their booksellers (actually their customers) for an inch and we gave it to them. They wanted us to sign an agreement that, in essence, said they had no responsibility and no liability but would hold us booksellers to a code of ethics that THEY dictated.

Now, let me say here that I have never known a dishonest bookseller (although there have been a few criminals who pretended to be booksellers dealing in extremely rare books but they were always caught, and there very few of them). Booksellers by and large are people who love books, love people and are as independent and dedicated to their craft as any other professional – and as such, live by an unwritten code of ethics of basic honesty and integrity. And knowing that “we” are ultimately responsible and liable for our sales – and the code of ethics was simply a statement we were already living by, we agreed to Abebooks terms. There were grumbles, of course, as we independent-minded booksellers felt offended that someone else was attempting to dictate what our code of ethics should be. But in the end, they knew intellectually, it was just an agreement – putting in writing what we all knew and agreed to anyway. Abebooks asked for their first inch and got their first mile. (...)

The next inch was a small increase in monthly fees. Followed by another increase. Followed by their removing our names from the database so we became somewhat invisible, making the customer with questions have to find some way to ask the question through Abe. It was awkward, inefficient and left a bad taste in the mouths of booksellers who suddenly felt like Abebooks was “stealing” our customers. They were calling our customers their customers. We were being pushed into the category of being a wholesaler – a warehouse, if you will, of books to be shipped to Abebooks’ customers. And in order to do that, they would have to require the customers who wished to pay via credit card, pay Abe rather than the bookseller. This had been an option already for the booksellers who didn’t accept credit cards, but for those booksellers who did accept credit cards, being told they can no longer process their own sales was a devastating blow. Merchant fees would remain the same and our discounts would go up due to less dollar sales being run through our merchant accounts. And it would cost the bookseller 5.5% of the selling price of the book, payable to Abebooks. Most merchant accounts were a lot less than that, so this was a big hit in the pocket. And again, booksellers gave Abe a mile. But this mile was longer.

By now Abe was absolutely a mammoth, and allowing hobbyists and fly-by-night sellers to call themselves booksellers in order to sell their garage sale books for very little money, packing them poorly, shipping late and in general giving professional booksellers a bad name. Their database had become overloaded with thousands of fiction novels for virtually pennies, diluting the market so much, soon there weren’t enough sales to cover the monthly fees.

(...) The responsibility, the liability, the ethics, the integrity, the customer service, THE BOOKS THEMSELVES, are all mine – not Abe’s. And the sad thing is that they know that. Without us, they are nothing. And they want us to think we are nothing without them. So they keep inching and inching and inching.



 Die Bildrechte gehören der Georg-Paul-Amberger-Schule, der wir für die Ausleihe danken.







Montagsplauderei zum Amazon-Abebooks-ZVAB-Skandal


"Im Sklavenschiff"  (Alter Holzstich)

Wer sich klar werden will über die Hintergründe der Frage einer Marktbeherrschung im Internet-Absatz im deutschen Altbuchhandel, der muß die Sachverhalte, die ich in den drei voranstehenden Beiträgen hier dargestellt habe, nacheinander abarbeiten. Kürzer geht es nicht, auch nicht "einfacher".

Im Kern steht für mich das Schichtenmodell im Antiquariat. Solang die Monopolkrake Amazon-Abebooks-ZVAB zwar munter Millionengewinne macht mit den unteren und mittleren Schichten des Altbuchhandels, sich aber bei Erörterung der Kartellfragen auf statements aus der wenig betroffenen Oberschicht beruft, solang dieses falsche Spiel mit bereitwilliger Assistenz unserer "Edelantiquare" munter weiterlaufen darf, tappt das Kartellamt natürlich im Dunkeln umher, wird die große Öffentlichkeit getäuscht.

Die Fachmedien, ohnehin nicht sehr begierig, sich der Nöte des unteren und mittleren Antiquariats anzunehmen, sind in einer schwierigen Lage. Natürlich würden etwa "Buchreport" oder "Börsenblatt" die ganze Sache mühelos aufdröseln und korrekt darstellen können - wären da nicht drei Anzeigenkunden involviert, nichtwahr? Und für die Feuilletons der großen Presseorgane wie FAZ und Süddeutsche ist nun einmal das Antiquariat jenes Spitzengeschäft der teuren Bücher, der Messen und Auktionen - daß sich dahinter auch ein sehr großer, aber kulturell wenig aufregender Bezirk fleißiger Altbuchlieferanten verbirgt, viel umsatzstärker als die "edlen" Kollegen - darüber mag niemand berichten in den Feuilletons.

Zu den für mich nach Beobachtungen aus anderthalb Jahrzehnten rätselvollsten dramatis personae gehört Heinisch, der Gründer des ZVAB, jetzt zieht er mit dem Tutzinger Büro gerade um zur Düsseldorfer Abebooks-Mama. Er hat in allen Lagen, besonders aber in der üblen Affaire um v. Rheinbaben, auch bei der Frage der Genossenschaftserwerbung, eine nach meiner persönlichen Einschätzung undurchsichtige, nicht immer ehrliche, ganz verzweifelt unverbindliche Rolle gespielt nach außen hin. Die erfahrenen Antiquare haben ihm vertraut - das haben sie nun davon.

Das ZVAB hat nach dem Scheitern des Genossenschaftskaufs und während der ersten Kartellauseinandersetzung  die Antiquare mit schönen einlullenden Schalmeientönen zugedeckt. Die Antiquare haben dem ZVAB und v.Rheinbaben geglaubt, nur der alte Mulzer hat das Berner Hess-Forum und später das Börsenblatt zugemüllt mit seinen Warnungen - vertraut weder dem ZVAB noch Rheinbaben, die werden gegen Bares ihre Seele verkaufen, so sehr sie Euch jetzt auch "Unabhängigkeit" zusichern... Und natürlich ist es haargenauso eingetreten.

Warum wehren sich die unteren und mittleren Schichten nicht selber? Ich lese in ihren Foren und Gruppen, ob bei Ebay, Amazon oder im "Geizhalsforum", seit Jahren mit und bin entsetzt über das Ausmaß an schafsmäßiger, devoter, das Wesentliche nicht erkennender Verhältnisblödsinnigkeit. Über Kleinigkeiten, etwa geringfügige Verschlechterungen irgendwelcher Konditionen, wird dort seitenlang engagiert diskutiert - die große Linie aber ist den Kollegen dort nicht begreifbar zu machen. Das Denken in wirtschaftlichen größeren Zusammenhängen ist für diese schlichten Gemüter nicht möglich. Gerade deshalb muß das Kartellamt sie schützen!

Ich werde morgen versuchen, in die Geschichte des internationalen Portalmarkts im Antiquariat einzusteigen. Das ist ja auch die eigentliche Welt von Abebooks und Amazon. Wir können nämlich, wenn wir etliche Jahre zurückgehen und international recherchieren, eine ganz fürchterliche (inzwischen halbvergessene) Periode ausmachen, in der mehrere Portale versucht hatten, den Antiquaren die Daumenschrauben anzulegen!

Das ist alles nicht neu. Die internationalen Antiquare, weniger treudoof und weitaus aufmüpfiger als ihre deutschen Kollegen, hatten sich diese frühen Versuche einer Disziplinierung durch marktdominante Verkaufsportale nicht gefallen lassen. Aus den Versuchen aber, sie zu versklaven, können wir absehen, wohin die Entwicklung jetzt im deutschen Markt gehen wird, wenn das Kartellamt schläft. Denn es sind ja zum Teil dieselben Personen, die gleichen Marktstrukturen - und noch treudoofere Antiquare, die in Deutschland schon Schlange stehen, damit ihnen die Krake Fesseln anlegen möge.

Sonntag, 7. August 2011

Sachkatalogisierung im Antiquariat - und der Amazon-Abebooks-ZVAB-Verbund


"Sklavenerziehung am Amazonas" (authentisches koloriertes Litho)

1.

Die mit Abstand klarste, übersichtlichste Darstellung der Erschließungstechniken von Buchinhalten - brauchbar vor allem auch für die Erfassung älterer Bücher - verbirgt sich im Netz als lokales PDF:

Gantert, Paul
Verbale Sacherschließung
2. Fachstudienabschnitt
(Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern, Fachbereich Archiv- und Bibliothekswesen)

Hier findet sich auf gerade einmal 58 Seiten ein Kompromiß zwischen den unendlich komplizierten Facharbeiten zu diesem Thema und den allzu knappen, lexikonartigen Wiki- und Handbuchübersichten.

Der Zugang zur Arbeit kann auch netzdidaktisch zweitverwertet werden:

Geben Sie in Google ein "retrospektive sacherschließung bücher". An dritter Stelle erscheint der Link zu unserem Text. Öffnen Sie ihn zunächst mit ADOBE - und schon ärgern Sie sich mit diesem überfrachteten Quälinstrument herum. Dann aber gehen Sie zum Link zurück und öffnen ihn mit dem darunter angebotenen "Quick View". Nun erhalten Sie über GOOGLE DOCS eine weitaus pfiffigere, blitzschnelle PDF-Ansicht. - Ende des Exkurses

Wir haben es im Antiquariat in der Regel mit älteren Titeln zu tun. Zwar variieren die Erscheinungsjahre der Bücher je nach Betriebsform - ein umtriebiges Ladengeschäft in der Universitätsstadt weist andere Buch-Altersstrukturen auf als ein Versand-Fachantiquariat für Wald und Forst, aber wenn wir die im Lauf der Jahre dazu (spärlich) veröffentlichten Angaben kumulieren, dann dürften die Bestände aller Antiquariate mit Druckdatum vor 1945 pauschal etwa 30-60 Prozent ausmachen.

Also tun wir gut daran, bei den Erschließungsformen auch unter älteren, "veralteten" Methoden Umschau zu halten. Mir ist seit Schülerzeiten vertraut eine Erschließungsmethode von Buchinhalten, die Sie im oben erwähnten Aufsatz ab S. 10 als "Eppelsheimer-Methode" bzw. "Mainzer Methode" erwähnt finden. Sie stellt einen Kompromiß dar zwischen älteren, freieren und moderneren, gebundeneren Erschließungsweisen, der in der praktischen Anwendung uns Antiquaren in der Tagesarbeit gerade noch zuzumuten wäre.

Während die Übersicht über die Vielfalt der Erschließungsmöglichkeiten im Gantert-Aufsatz nicht einfach aufzufinden ist im Netz, können Sie sich über Eppelsheimers Weg zur Sacherschließung via Google in jeder gewünschten Ausführlichkeit kundig machen. Es geht uns heute nicht um eine Diskussion, ob und wie "Eppelsheimer" den Bedürfnissen der Antiquare angepaßt werden kann und soll.

Ich habe vor Jahrzehnten praktisch miterlebt, wie schnell und gut Hilfsbibliothekare in größeren Volksbüchereien mit Eppelsheimer ihre Bücher sachkatalogisiert hatten, das geht tatsächlich wies Bretzelbacken. Was angelernte Volksbibliothekare können, das ist auch den Antiquaren zuzumuten: Bei jeder Titelaufnahme liegt in Zukunft, eines Tages, "unser" Eppelsheimer neben der Tastatur.

2.

Wir wissen nicht, ob das Kartellamt der drohenden Versklavung der deutschen Antiquare durch den Amazon-Verbund noch Einhalt gebieten kann.

Meine Einschätzung, daß Kollegen gekauft worden sind, beruht auf Hörensagen, ich kann und will das nicht belegen. Sollten solche Antiquare sich als "Auskunftspersonen" dem Kartellamt andienen, dann entstünde ein mehr als nur schiefes Bild. - Björn Biester wird fair genug sein, die Rücksichtnahme auf potentielle Anzeigenkunden für einmal beiseite zu lassen und dem Kartellamt alle seine Daten, auch die informellen,  zur Verfügung zu stellen. - Die große Unbekannte ist wiesler w+h und der dortige Verbund, nicht mehr und nicht weniger  die  S c h a l t z e n t r a l e  zwischen 300-500 Antiquaren und den Bücherdatenbanken. Dort liegen alle Daten und Umsatzzahlen vor. - Daß ich den Verband für allzu wurstig und nur auf die Interessen der Führungsriege im Antiquariat bezogen halte, ist ja kein Geheimnis. - Womöglich noch selektiver sind die Auskünfte, die die AG geben könnte, ähnlich selektiv übrigens wie die der GIAQ. Wenn wir also  a l l e i n  Wiesler und Co. als Auskunftsperson fürs Kartellamt haben, der mit den ganzen Zahlen aufwarten  k ö n n t e, dann steht die Kartellsache auf tönernen Füßen. Wenig Aussichten - vermutlich bleibt Amazon-Abebooks-ZVAB strahlender Sieger.

Es ist also an der Zeit, sich jetzt schon Gegenmaßnahmen gegen einen Konzern zu überlegen, dessen Marktbeherrschung im Internet-Buchabsatz, Sparte Antiquariat, in Deutschland zwischen 80 und 90 % beträgt ist, vom in fast jeder Hinsicht anders gearteten Ebay einmal abgesehen.

Was können die Antiquare tun, wozu der Amazon/ ZVAB /Abebooks-Verband nicht in der Lage ist?

Wer kein Geld und keine Macht hat, um sich im Netz durchzusetzen, der braucht eine Idee. Im Antiquariat ist das die gute, wirkungsvolle, praktisch brauchbare und wissenschaftlich (halbwegs) gesicherte S a c h e r s c h l i e ß u n g  der Titel.

Ich habe das Abebooks-Modell der aufeinander bezüglichen Buch v e r n e t z u n g, das in etwa auch dem Amazon-Procedere entspricht, gelobt und der Abebooks-Datenbank nicht zuletzt deshalb die mit Abstand beste Spitzennote gegeben. Dieses Modell fußt nicht nur, aber vor allem auf

- "wer dieses Buch gekauft hat, interessierte sich auch für ..."
- den Zusammenhänge bei den freiwilligen Kundenrezensionen,
- der Auswertung der Suchbegriffe der Kunden, soweit sie erfaßbar waren,

und auf weiteren Größen, die darzustellen hier zu langwierig wäre, natürlich auch das traditionelle Auswerten von Stich-/ Schlagwörtern in Titeln und Titelbeschreibungen sowie den zusätzlichen Stichwortangaben der Antiquare.

Alle diese Vorgehensweisen, so nützlich sie auch sein mögen (sie sind bei Amazon und Abebooks schon  s e h r  nützlich), ersetzen in gar keiner Weise die  d e n k e n d e  Vergabe von Sachgebietszuordnungen durch den Antiquar, der das Buch in  A u t o p s i e  durchblättern kann, sich das Inhaltsverzeichnis ansieht und, wofern er ein guter Antiquar ist, auch ein "Gefühl" dafür entwickelt und als Sachgruppenzuordnung niederschreibt, welche Sammler durch gerade dieses Buch angesprochen werden könnten.

In Klammern: Zu dem Zukunftsszenarium, das ich den Antiquaren ausmale, wenn sie, warte nur balde, unter dem Amazon-Joch seufzen und Amazon die Garrotte anzieht, gehört auch ein Z w a n g  der Antiquare, zu ihrem älteren Büchern neben der üblichen Titelbeschreibung eine solche "autopsierte" eigene Inhaltszuordnung zu liefern.

"Sonst können wir, im Interesse der Antiquare und ihrer Kunden, in Zukunft keine Titelaufnahmen mehr entgegennehmen". Solche an sich sehr heilsamen Zwangsmethoden wird Amazon den Antiquaren auferlegen - - wenn und weil sie sich nicht vorher freiwillig, dazu durchringen konnten.

Es versteht sich, daß die Antiquare, solang sie noch in Freiheit sind, selber darüber entscheiden können, welcher Datenbank sie ihre selbsterstellten Sachgebietserschließungen zuweisen - und welchen nicht. Wieder spielt hier übrigens Wiesler w+h eine Schlüsselrolle, ich sagte ja, diese schweigsame Firma wird uns in nächster Zeit noch öfter begegnen...

Einen Schritt weiter gedacht ist eine Sachgruppenzuordnung nach gemeinsam verabschiedetem Standard auch die Voraussetzung dafür, den  W e b s e i t e n v e r b u n d  voranzutreiben. Daß Kollege RFMeyer sein Kind verhungern läßt, heißt ja nicht, daß sich nicht großherzigere Nachbarn der Waise annehmen und sie ernähren werden.





Sonntagsspaziergang quer durch Google: 

 Mitteilung der Mediantis AG vom 7.2.03:
Mit dem Wegfall der zwei bestehenden Premium-Gebührenmodelle, und der damit verbundenen Exklusivitätsvergabe für den europäischen Raum, wird den Bedenken des Bundeskartellamtes gegen die bisherige Preisgestaltung Rechnung getragen, welches mit Einführung der neuen Gebührenmodelle zum 01.04.2003 das Verfahren gegen das ZVAB ohne Auflagen einstellen wird. Dadurch wird für die mediantis AG i.L., die auf der kommenden HV am 28.02.2003 die Fortführung der Gesellschaft beschließen soll, weitere Rechtssicherheit gegeben sein. Einer Expansion, auch international, der ZVAB-Plattform steht dann nichts mehr im Wege. 

Wenn Heinisch fürs Ausland schreibt:
(Press Release Abebooks 2.3.2011)
“With its great selection of rare and antiquarian books, ZVAB.com is an excellent complement to AbeBooks’ German used and antiquarian books offering,” said Hannes Blum, CEO of AbeBooks. “We are looking forward to working with ZVAB.com to make sure our customers can find and buy any book provided by ZVAB.com and AbeBooks sellers fast and conveniently.”
“The combination of ZVAB and Abebooks creates broader opportunity and faster functionality enhancements for our company,” said Bernd Heinisch, founder and a senior member of the management team at ZVAB.com. “Our goals remain the same: more orders, more functionality and outstanding customer service.”

Vom Ausland aus gesehen zeigt der Tiger Abebooks schon seine Krällchen:
http://www.theartofbooks.com/forum/YaBB.pl?num=1306962201

Selbst Soloantiquar Pardun geht der Taktik , in der laufenden ZVAB-Diskussion zu v e r h e h l e n, daß Abebooks seinerseits AMAZON gehört, voll auf den Leim:
http://der-solo-antiquar.de/markt-medien-marketing/89-markt-marketing-marken/435-zvab-fusion-folgen-und-chancen-13

Im Ausland verfangen solche plumpen Roßtäuschereien nicht:
Guy Weller in "The world book market":
What we are seeing here is something I first started writing about on this Forum some 5 years ago.
Guy Weller in "The world book market"
It is a consolidation of the LARGER players in our marketplace.

Although ZVAB/Choose is not exactly of mega-proportions, it has the twin virtues of longevity and a reasonably firmly-rusted-on customer set (particularly in Germany via ZVAB, less so with Choosebooks).

I was under the impression that ABE has long held a minority shareholding in ZVAB in any event, but could be mistaken there. And of course, that no longer is of significance.

This is an Amazon-based purchase, incidentally, not an "ABE" one. Azon is on a bit of a buying spree at present, and is seeking to complete as much market hegemony as it can simply purchase, before the "real" battle unfolds in a three-way fight for available market share between Amazon, eBay and Google. (Hervorhebung durch mich)

Claire schreibt ebendort u.a.:
It's crucial, I suspect, to keep pounding home the fact that Abe is just Amazon now.

Gretchenstreats läßt das alles ziemlich kalt. Sie frägt in 
www.amazonsellercommunity.com
(Juni 2011)
ganz ungerührt: Really, you need to start yet another thread regard Amazon's continuing efforts to monopolize the media markets on the internet?

RazorOlli im Medienhändlerforum hat Sinn für Humor (mag aber nicht weiter über den Sachverhalt nachdenken):
ZVAB kauft eurobuch, abebooks kauft zvab, amazon kauft abebooks....

Das erinnert ja schon bald an diese Geschichten aus der Bibel, von wegen "Abraham zeugte Isaak, Isaak zeugte...." u.s.w.

Am Ende gehört eh alles der Tyrell Corporation...

Die zum Teil himmelschreiend naiven Stellungnahmen im "Buchreport" muß man sich auf der Zunge zergehen lassen - (den Matadoren der Branche wie Köstler, Schäfer und Mewes fällt weißgott auch nichts Neues ein):
http://www.buchreport.de/nachrichten/nachrichten_detail/datum/2011/03/03/mehr-zulauf-fuer-die-nischen.htm?no_cache=1&cHash=609ea9c3b8

Ich breche die - ins Uferlose zu erweiternde - Medienschau hier ab. Fazit: Viele Einzelstandpunkte (von denen manche sehr naiv erscheinen) - aber  k e i n  P l a n.

Samstag, 6. August 2011

Zum Angriff auf die Amazon-Abebooks-ZVAB-Marktbeherrschung - wer gibt Auskunft?



Das Bundeskartellamt ist kein Amtsgericht, bei dem man klagen kann, es ist wohl nicht einmal möglich, Anträge zu stellen. Kein Mensch kann also wissen, was die Kartellbehörde mit meinem gestrigen Aufsatz anfangen wird, den ich ihr heute auch in Schriftform zugeleitet habe.

Als Nebenfachjurist mit Schwerpunkt Kriminologie versuche ich methodisch zu denken. Vermutlich liegt die Schwierigkeit im Beweisbaren, Nachzuweisenden.

Das Bonner Amt kann nicht gut nur auf Biesters Adressenlisten (*Börsenverein) zurückgreifen, denn dort fehlt zum Teil jener Unterbau des Antiquariats, die Unterschicht, die einer Manipulation seitens der Portale fast hilflos ausgesetzt ist und die auf Alternativen, von Ebay abgesehen, schon gar nicht ausweichen kann.

Auskünfte des *Verbands wären unter seiner jetzigen Leitung eine Katastrophe - das Branchenbild der Verbandsgremien ist allzu einseitig, fürchterlich selbstbezogen auf Oberschicht und obere Mittelschicht, eine wahre Plutokratie unseres Gewerbes, 100 Kollegen sprechen für 900 andere mit. "Alles ist gut, was wollt Ihr denn - wer tüchtig arbeitet, kommt noch immer zu seinem Mercedes". Im Ernst, der Verband hat keine Ahnung von den Zuständen "unten" in unserem Gewerbe.

Björn Biesters *AG, von der Idee her richtig geplant und mit immens großem Potential, wird nie mehr als ein klägliche Häuflein saturierter Edelkollegen umfassen, solang dort die ganz absurd hohe Beitragsforderung besteht. Nachdem ich seit vielen Jahren gegen die Behinderung der AG durch diese Beitragshürde angeschrieben habe, darf ich es offen aussprechen: Der Börsenverein hält die AG qua Beitragswucher mit  A b s i c h t  klein. Er, der Börsenverein, will in seinen Reihen nur ordentliche, wohlhabende, geschäftsfrohe und folgsame Antiquare sehen - ihm graust vor den unordentlichen Rebellen, die es im Gros der Antiquare - zu Unrecht - vermutet. Kollege Hohmann, seien Sie mein Zeuge!

Das *Börsenblatt verfügt über ausreichende, realitätsnahe Auskunftsquellen und der zuständige Abteilungschef Björn Biester könnte, wenn er wollte, dem Kartellamt erschöpfende Auskünfte vermitteln.
Meistens will er aber nicht. Ich weiß bis heute nicht, wes Geistes Kind Biester wirklich ist. Er scheint eine Art Liebe zum  E d e l antiquariat zu haben, die eher psychoanalytisch zu ergründen wäre. Es ist die Zuneigung zu einem Bezirk, den man aus der Ferne  i d e a l i s i e r t. Würde Biester einen Monat lang Titelaufnahmen für mittlere Gebrauchsliteratur leisten müssen, er wäre geheilt. Er realisiert vor allem das große Geheimnis unseres Berufsstands nicht, jenes grauenhafte, würgende, alles Geistige abdrosselnde  L e s e v e r b o t. Lieber Biester, möchte ich ihm zurufen, wann merken Sie endlich, daß der Antiquar seine Titel nicht lesen, nicht mit ihnen arbeiten darf, daß er der Vermittler seiner Ware ist, und nicht mehr. Nur aus der theoretischen Distanz kann man so liebäugeln mit unserem Gewerbe, mythische Dimensionen hineingeheimnissen, Geist dort vermuten...

Die meisten Antiquare sind von einer bodenlosen, grauenhaften Ungeistigkeit. Sie brauchen hohe Intelligenz und lexikalisches Oberflächenwissen, wohl auch ein Hobby, um sich abends zu erholen, sie sind alles andere als dumm. Aber ungeistig in einem tieferen Sinn, weil sie den Geist immer nur weiterreichen, ihn äußerlich verwalten dürfen.

Wir Antiquare sind wie Kutscher, die Goethe und Jean Paul fahren dürfen, beim Ein- und Aussteigen auch ein wenig an ihnen riechen, einen Händedruck von ihnen erhalten... aber oben in der Wirtsstube, wenn Pfarrer, Lehrer, andere Schriftsteller, Künstler mit den Geisteshelden sprechen und diskutieren dürfen, dann sitzen wir unten im Kutscherstübchen und paffen trübselig aus unserer langen Pfeife. D a s  ist "Antiquariat", lieber Herr Biester.

Vor etlichen Jahren, Biester und ich kennen sich  (nur) literarisch seit langer Zeit, ärgerte ich mich über die ewigen Weihrauchfässchen, die er den bekannten, nun meist schon toten Edelantiquaren entgegenzuschwingen pflegt, dergestalt, daß ich aus eigener Beobachtung vor bald 50 Jahren das  w a h r e  Bild bekannter Antiquare zu zeichnen begann. Ich hatte sie ja auf wochenlangen Rundreisen damals besucht. Ein Bild nicht nur der Poesie, sondern über weite Strecken auch des Grauens...

Schauerliche Arbeitbedingungen, Sekretärinnen saßen wie Sklaven an alten Schreibmaschinen und klapperten tagaus, tagein öde Karteikarten und Druckvorlagen herunter, die Chefs übten ein Terrorregiment in Gelddingen aus, froh darüber, nicht den Zwängen und Kontrollen zu unterliegen, die den Neubuchhandel kennzeichneten.

Es wurde geheuchelt bis dorthinaus, unter dem Tisch aber gestohlen, geschmuggelt, betrogen, daß es Gott erbarm - gerade in großen ehrpusseligen Häusern. Die Angestellten wußten das alle, oft auch die Kunden. Der Name eines der bestunterrichteten Kunden jener Zeit, dem ich viel Insiderwissen verdankte, Bender, tauchte unlängst wieder als Verfasser eines (gar nicht so dummen) Antiquariatshandbuchs auf. Von seinem wahren Wissen aber schreibt er darin wohlweislich nichts. Was ich in den Bücherkellern, Ferienhäusern und in den Privatzirkeln der großen Kollegen in Berlin, Wien und in Frankreich erlebte, werde ich nie zu Papier bringen.

Würde Biester auch nur einen Teil der  w a h r e n  Chronik der angeblich so edlen Antiquariate kennen, seine Sehnsucht danach würde merklich abgekühlt. Trotzdem glaube ich, daß diese Herren des Chaos und des Sittenverfalls vor 50 Jahren im Antiquariat weitaus glücklicher waren als die Antiquare der Gegenwart... Aber das ist ein anderes Kapitel.

Ich habe mir aus der langen Zeit als freier Journalist einen Instinkt bewahrt, wo Auskünfte wirklich zu bekommen sind, wo überhaupt der gordische Knoten eines Problems geschürzt wird: Mit Sicherheit hat w+h Wiesler mit seinem Software-Netzverteildienst jenes exakte Zahlenwissen, das uns informieren kann über die prozentualen Daten. W+h weiß, daß und in welchem Ausmaß und warum Amazon (mit Abebooks und ZVAB) derzeit zwischen 80 und 90 % des gesamten Netzabsatzes aller Antiquare kontrolliert, statistisch gesehen.

Damit würde das Kartellamt, soweit ich die komplizierte Sachlage überblicke, zum Handeln gewungen.


In der Anlage kopiere ich noch einige Zitate ein aus der jüngsten, noch nicht gedruckt vorliegenden Leitschrift des Kartellamts:

Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat. Eine Gesamtheit von Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn sie aus höchstens drei Unternehmen, die zusammen einen Marktanteil von 50 Prozent erreichen, oder aus höchstens fünf Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen, es sei denn, die Unternehmen weisen nach, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat.

Die Rechtswissenschaft hat zur Bestimmung der Abhängigkeit Fallgruppen gebildet, zu nennen sind insbesondere die sortimentsbezogene Abhängigkeit und die unternehmensbezogene Abhängigkeit. Die sortimentsbedingte Abhängigkeit umfasst beispielsweise Sachverhalte, bei denen das kleine oder mittlere Unternehmen ein bestimmtes Produkt führen muss um im Wettbewerb bestehen zu können. Die unternehmensbezogene Abhängigkeit ist zu bejahen, wenn der Geschäftsbetrieb des kleinen oder mittleren Unternehmens auf ein bestimmtes Produkt eingestellt ist (Ausstattung, Schulung der Mitarbeiter, etc.) und ein Wechsel mit hohen Risiken verbunden, also in wirtschaftlicher Hinsicht nicht tragbar, wäre.

Als Kriterium für die Untersagung eines Zusammenschlusses ist in der deutschen
Fusionskontrolle die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden
Stellung festgelegt (§ 36 Abs. 1 GWB). Der Begriff der Marktbeherrschung ist dabei
im Gesetz wie folgt definiert: Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, wenn es als
Anbieter oder Nachfrager auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne
Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist, oder wenn
das Unternehmen eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung
hat

Der Begriff der Marktbeherrschung lässt sich mit dem in der ökonomischen Theorie
verwendeten Konzept der Marktmacht in Verbindung bringen. Ein marktmächtiges
Unternehmen verfügt über besondere Verhaltensspielräume, da es einer vergleichsweise
geringen wettbewerblichen Kontrolle unterliegt. Marktbeherrschung
liegt dann vor, wenn das betreffende Unternehmen über ein Ausmaß an Marktmacht
verfügt, das eine kritische Schwelle übersteigt.

Die Eingriffsschwelle der Marktbeherrschung liegt daher deutlich unterhalb des
Monopols

Ein Eingreifen
des Bundeskartellamtes setzt nicht voraus, dass im konkreten Einzelfall eine
Beeinträchtigung der Gesamt- oder Konsumentenwohlfahrt, die in der Regel mit
Marktbeherrschung einhergeht, nachgewiesen werden muss oder kann. Vielmehr ist
das Bestehen einer konkreten Gefährdungslage hinsichtlich der Funktionsfähigkeit
des Wettbewerbs ausreichend, um ein Einschreiten gegen einen Zusammenschluss
zu rechtfertigen.

Der aus einem Zusammenschluss resultierende Zuwachs an Marktmacht wird umso
kritischer beurteilt, je höher deren Ausmaß bereits vor dem geplanten Zusammenschluss
ist. Denn je stärker der Wettbewerb bereits geschädigt ist, um so schützenswerter
ist der verbleibende Restwettbewerb. Bei einer sehr niedrigen
Wettbewerbsintensität und entsprechend stark ausgeprägter Marktbeherrschung
kann auch ein sehr geringer prognostizierter Zuwachs an Marktmacht bereits als
Verstärkungswirkung zu bewerten sein.

Eine weitere Begründung liegt in der Gefahr, dass Unternehmen, die
bereits über ein hohes Maß an Marktmacht verfügen, schrittweise aufeinander folgende
Akquisitionen vornehmen, die jede für sich genommen nur eine vergleichsweise
geringfügige, bei einer Gesamtbetrachtung der Akquisitionsstrategie aber
nachhaltig negative Marktwirkung haben. Der ohnehin bereits geschwächte Restwettbewerb
kann durch eine solche Strategie nachhaltig geschädigt und das Potential
des Marktes, wettbewerbliche Strukturen wiederzuerlangen, weiter verringert
werden.

Bei horizontalen Zusammenschlüssen werden durch die Verbindung zweier bislang
eigenständiger Wettbewerber auf Absatzmärkten die Ausweichmöglichkeiten der Nachfrager - auf Beschaffungsmärkten die Ausweichmöglichkeiten der Anbieter -
verringert. Der Verhaltensspielraum des fusionierten Unternehmens erhöht sich
und die wettbewerbliche Wirkung tritt unmittelbar ein. Im Rahmen der Fusionskontrolle
wird untersucht, welche Faktoren den Grad der Marktmacht auf dem relevanten
Markt bestimmen und wie sich die Marktmacht der beteiligten Unternehmen mit
dem Zusammenschluss verändert.

Der Begriff Einzelmarktbeherrschung bezeichnet eine Situation, in der ein einzelnes
Unternehmen über so viel Marktmacht verfügt, dass seine Verhaltensspielräume
vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrolliert werden. Das Unternehmen kann dadurch
in der Lage sein, gewinnbringend seine Preise zu erhöhen, die produzierte
Menge oder Auswahl zu verringern, die Qualität seiner Produkte zu verschlechtern
oder seine Innovations-Anstrengungen einzuschränken. Dass solche oder ähnliche
Strategien profitabel sind, setzt voraus, dass keine Reaktionen der Wettbewerber
oder der Marktgegenseite in einer Art und einem Ausmaß zu erwarten sind, die den
wirtschaftlichen Vorteil der genannten Verhaltensweisen zunichtemachen würden.

Daneben wird auch die Entwicklung
der Marktanteile im Zeitablauf betrachtet. Die Bewertung des aus dem Zusammenschluss
resultierenden Marktanteilszuwachses beim fusionierten Unternehmen wird
vor dem Hintergrund dieser Ausgangssituation bewertet. Bei bereits bestehender
Marktbeherrschung können dabei schon relativ geringe Marktanteilszuwächse eine
zusätzliche wettbewerbsschädliche Verstärkung der Marktposition mit sich bringen.

Demgegenüber ist die Indizwirkung hoher Marktanteile umso stärker, wenn die
Marktanteile über mehrere Jahre konstant geblieben sind und einen großen Abstand
zum nächstfolgenden Wettbewerber aufweisen

Gleiches kann gelten, wenn eine Kapazitätsausweitung
nur mit längerem zeitlichen Vorlauf oder nicht in nennenswertem Umfang möglich
ist.

Durch den Zusammenschluss gelingt es den Unternehmen gegebenenfalls,
die beste Ausweichalternative zu internalisieren und damit einen relativ hohen
Wettbewerbsdruck zu beseitigen.
Kundenpräferenzen spielen unter anderem auf Märkten eine Rolle, die durch die
Präsenz und eine große Bedeutung etablierter Marken gekennzeichnet sind

Bei jungen, noch in der Experimentierphase befindlichen
Märkten, kommt eine marktbeherrschende Stellung regelmäßig insbesondere dann
in Betracht, wenn der Markt durch den Zusammenschluss bereits in der Entstehungsphase
dauerhaft vermachtet wird (Anmerkung Mulzer: Für das Tuwort "vermachtet" könnte ich das Kartellamt knutschen...)

Die Zusammenschlussbeteiligten haben daher alle zur Widerlegung
geeigneten Tatsachen vorzutragen, soweit sie ihnen zugänglich sind. Wegen der
beschränkten Ermittlungsmöglichkeiten der Zusammenschlussbeteiligten greift der
Amtsermittlungsgrundsatz aber bei erheblichen Umständen, von denen die Unternehmen
keine genaue Kenntnis haben können, wieder ein. Das Bundeskartellamt
muss weitere Ermittlungen anstellen, wenn sich diese aufgrund seiner besonderen
Kenntnisse vom Sachverhalt aufdrängen.

Für das Foto einer Würgeschlange am AMAZONAS danken wir der "Krone" (www.krone.at), der die Rechte daran gehören

Freitag, 5. August 2011

Antrag an die deutsche Kartellbehörde, den Markt der Absatzmedien im deutschen Antiquariatsverkauf zu untersuchen



Antrag an die deutsche Kartellbehörde, den Markt der Absatzmedien im deutschen Antiquariatsverkauf zu untersuchen

Begründung:

Der deutsche Antiquariatsmarkt umfaßt - bei sehr umstrittenen Definitionskriterien in Bezug auf Qualifikation, Hauptberuflichkeit usw. - mindestens 500, vermutlich rd. 800, nach anderen Schätzungen bis 1000 Antiquare. In der Regel handelt es sich um Firmen mit 1-2 Arbeitskräften.

Weitere Merkmale sind chronische Unterkapitalisierung, sehr geringe Kreditwürdigkeit und nicht selten Armut im Sinn von Hartz 4. Es gibt starke schichten- bzw. pyramidenartige Abstufungen in der Art der Ware und ihrer Vermarktung. Eine mit 50-100 Kollegen zu beziffernde Führungsschicht - im Gewerbejargon "Edelantiquare" genannt - verfügt über gute bis sehr gute Fachkenntnisse, oft auch spezialisiert auf ein Fachgebiet.

Die Mittelschicht der Antiquare, geschätzte 200-300 Firmen,  hat teilweise (Tendenz stark abnehmend) ein Ladengeschäft, betreibt aber fast immer auch Internetabsatz. Heute ist es die Regel, daß sich der mittlere Antiquar ganz oder weitgehend auf den Vertrieb im Internet verläßt. - Fließend ist dann der Übergang zum "kleinen Antiquar", der neben Internetabsatz öfter auch Flohmärkte beliefert und modernes Antiquariat anbietet.

Allen drei Schichten ist recht konstant gemeinsam, daß der Internetabsatz in aller Regel das Rückgrat ihres Geschäfts  bildet. Das war noch vor 10 Jahren anders, als Ladengeschäft und Katalogverkauf dominierten.

Zwar stimmt dies dann nicht mit der Selbstdarstellung der Antiquare überein, aber es ist festzustellen, daß ihre eigenen Webseiten in aller Regel kümmerlich und wenig brauchbar sind, entsprechend ist der Verkauf über eigene Seiten erstaunlich gering, es werden Durchschnittszahlen von 1-5 Prozent genannt. Da alle Versuche der Antiquare, ihre eigenen Firmenwebseiten durch Linklisten und andere Zusammenschlüsse bekannter zu machen, im Ansatz gescheitert sind, ist auch mittelfristig ein Ausweichen der bedrängten Kollegen auf Absatz über ihre eigene Webseite völlig illusorisch bzw. würde lange Anlaufzeiten erfordern.

Gesicherte Zahlen über Absatzwege und Größenverhältnisse liegen nicht vor, weil die einzige Firma, die solches leisten könnte (w+h Wiesler), sie versorgt rd. 300-500 Antiquare mit Software, selbst verstrickt war oder ist mit ZVAB und anderen großen Datenbanken. Von ihr und einigen anderen Stellen sind aber immer wieder Schätzungen bzw. konkrete Teilzahlen durchgesickert bzw. veröffentlicht worden, sodaß mit aller Vorsicht eingegrenzt werden kann:

Anteil des Umsatzes
- durch Katalogverkauf (meist Fachkataloge) 0 - 40 %, im Schnitt aller Antiquare aber nur rd. 5-10 %
- durch Ladenverkauf (eigener Laden, aber auch Verkaufsmärkte) 0 - 50 %, im Schnitt aller Antiquare rd. 15 %
- über Ebay (wird im oberen und mittleren Bereich nur ausnahmsweise genutzt) 0 - 50 %, im Schnitt aller Antiquare 5-10 %
- über die großen Bücherdatenbanken insgesamt rd. 5-100 %, im Schnitt aller Antiquare 70-80 %

Bei den großen Bücherdatenbanken liegen die Zahlen etwas *exakter* vor, wenn es um deren einzelne Anteile am Markt geht:
- Abebooks wie auch ZVAB jeweils rd. 30-40 %,
- Amazon rd. 5-10 %,
- a l l e  anderen Datenbanken zusammen rd. 5-10 %
(die Metadatenbanken werden hier den ursprünglichen Datenbanken, auf die sie ja stets zurückverweisen, zugerechnet).

Während das ZVAB, seit vielen Jahren Marktführerin, inzwischen technisch und strategisch altbacken wirkt, ist Abebooks in jeder Hinsicht auf höchstem Weltstandard und wird in nächster Zeit das ZVAB überrunden, falls das nicht schon gesehen ist. Amazon dagegen nimmt als Datenbank zunächst für verlagsneue Bücher eine merkwürdige Zwitterstellung am Markt ein, spielt aber vor allem für die Unterschicht des Antiquariats eine zunehmend große Rolle.

Unter den kleinen Altbuchportalen mit sehr geringem Umsatz nimmt Antiquariat.de (vormals Prolibri) eine Sonderstellung ein, da sie genossenschaftlich organisiert ist. Suboptimal verwaltet leidet sie aber seit vielen Jahren an weitgehender Erfolglosigkeit. Die anderen Datenbanken sind völlig marginalisiert.


Zwei technische Hinweise: Fast alle Titelaufnahmen erfolgen mit der Software des Hauses w+h, das auch die Verteilung an die verschiedenen Datenbanken übernimmt. Nur wenige Antiquare können oder wollen Titel ohne die w+h-Software aufnehmen und einstellen. W+h gilt strategisch als undurchsichtig und muß bei jeder Marktbeobachtung mitberücksichtigt werden. Es war lange locker finanziell mit ZVAB verbunden. - Ebay wäre eine vernünftige Alternative zum Verkauf alter Bücher im Netz. Es gilt jedoch - zurecht - bei Antiquaren als unzumutbar und zeitlich unrentabel, dort Bücher einzustellen. Einem Zeitaufwand mit w+h-Software von 1-2 Minuten steht bei Ebay je Titel eine Arbeitszeit von 6-10 Minuten gegenüber. Ebay kann auch auf mittlere Sicht wegen teils deutlich zu niedriger Preise in keiner Weise eine Alternative sein für die Antiquare, das ist nicht denkbar.

Vielen Außenseitern des Gewerbes nicht klar ist die erstaunlich rigorose Abschottung des deutschsprachigen Altbuchmarktes. Abgesehen von hochpreisiger, international gefragter bibliophiler Ware über etwa 200 Euro sind die Außenverkäufe ins fremdsprachige Ausland seit Jahren gedeckelt bei 2-5 %, mit rücklaufender Tendenz, da Deutsch keine Lesesprache mehr ist im Ausland. Es ist deshalb nicht möglich, wie im englischsprachigen Bereich auf Datenbanken des Weltmarkts auszuweichen.

Die Bedingungen für Wettbewerber wären technisch gesehen auf den ersten Blick recht günstig. Über w+h kann grundsätzlich jede auch kleine Datenbank mit dem gleichen Titelmaterial versorgt werden, das auch die 3 großen Portale erhalten. Ferner sind auch die "Meta-Datenbanken" Träger von allen Portalen. Leider liegt aber die praktische Nutzung der Meta-Portale seit langem im niedrigen einstelligen Bereich, sodaß sich dadurch keine Milderung der Situation ergeben kann.

Das Wettbewerbshindernis besteht darin, daß sich Abebooks im Besitz von Amazon befindet, das ZVAB seinerseits befindet sich seit Frühjahr 2011 im Besitz von Abebooks.

Demnach besitzt Amazon ZVAB und Abebooks. Punkt.

In Zahlen ausgedrückt besitzt somit Amazon 60 - 90 % der Internet-Absatzmedien für rd. 60-80 % der deutschen Buchantiquare.

Diese Marktmacht ist erschreckend, erstaunlicher ist nur noch, daß sich die deutschen Kartellbehörden dafür bisher nicht interessiert haben.

Es ist nicht anzunehmen, daß der Weltkonzern Amazon ein besonderes Interesse per se daran hat, die Absatzwege der deutschen Antiquare zu monopolisieren um des daraus zu erlösenden direkten Gewinns halber. Vielmehr dürfte es ihm um die weitaus lohnendere Eroberung des deutschen N e u buchmarkts gehen.  Auf dem Weg zur N e u bucheroberung ist die Beherrschung des Antiquariatsabsatzes im deutschen Sprachraum eine Wegemarke. Es geht um die psychologischen Rückwirkungen auf den anspruchsvolleren Neubuchkäufer.

Sind die Antiquare also für Amazon in Deutschland vermutlich auch nur ein Bauernopfer, so tröstet sie das nicht darüber hinweg, daß sie mit Haut und Haaren an den Konzern verkauft worden sind und von einem freien Markt im deutschen Antiquariats-Internetabsatz zur Zeit wenig, in nächster Zukunft aber - ohne Gegensteuern - fast gar nicht mehr gesprochen werden kann.

Ich bitte die Kartellbehörde, diesen Sachverhalt zu untersuchen.


Das Bundeskartellamt unter blauem Himmel hat die Wirtschaftswoche fotografiert, der die Bildrechte gehören. Wir danken für die Ausleihe.

Webseitentest : Cassel & Lampe / Paulitz


Webseitentest deutscher Antiquariate :
 Cassel & Lampe / Paulitz



Heute lade ich Sie zu einem Sonntagsspaziergang durch die deutschen Antiquariate ein. Eine Stunde Zeit - mal sehen, wie weit wir kommen.
Jede Webseite, die sich an Kunden im Netz wendet, muß sich öffentlicher Kritik stellen. Als Webseitenbauer beanspruche, ja benutze ich die Geduld, die Zeit, die Aufmerksamkeit meiner Leser. Der Verfasser sieht sich in diesem Sinn mit seinen - in der Regel äußerst unbeliebten - Webseitentests gegenüber den Antiquariaten als Anwalt einer größeren Öffentlichkeit. Seine Urteile sind stets subjektiver Natur, werden aber nach bestem Wissen abgegeben.


1.
Das Antiquariat Cassel & Lampe in Berlin erfreut uns mit einer Eingangsseite
wie sie sich schöner und stimmungsvoller kaum denken läßt. Ich habe sie mir sofort ausgedruckt und als lobenswertes Beispiel an die Pinnwand geheftet. Hier erwartet uns nun, da war ich mir sicher, ein gutes Beispiel eines "betretbaren Ladens" im Internet, dessen Besuch uns fesseln und zum Wiederkommen ermuntern würde - ideal zum Vernetzen geeignet .

Die Enttäuschung beim schüchternen Hineinwandern in die Webseite ist herb. Ohne jeden Kommentar sehen wir eine Suchmaske von äußerst nüchternem Zuschnitt - das ist nicht anders als in einem Cafe, das uns von außen mit hübschen Vorhängen und Kuchenattrappen einlädt, innen aber knallt man uns eine Automatenwand mit Münzeinwurf vor die Nase.

Die Kollegen haben - unglücklicherweise - die optisch und taktisch höchst mittelmäßigen Titeldarstellungen der Genossenschaft für ihre Webseite ausgewählt, sodaß man sich  mit den fehlenden Querlesequalitäten bei Antiquariat.de herumschlagen muß. Wieviel schöner und lesbarer das mit einer Abebooks-Maske zu machen gewesen wäre, sehen wir beim direkten Vergleich der Cassel & Lampe-Titel dort, denn sie listen sowohl bei Abebooks.de als auch bei Antiquariat.de.

Nun bestünde noch die Chance, das kommentarlose Einsetzen des Antiquariat.de-Katalogausschnitts auszugleichen mit einer zauberhaft schönen oder doch wenigstens einfallsreichen, nett formulierten restlichen Seite. Wie sieht es da aus?

Nicht einmal die - erkennbar automatisch generierte - Liste der Sachgebiete, die zu Erläuterungen und Selbstvorstellungen - vulgo zur Individualisierung - nun wirklich einlädt, wird auch nur mit einem Wörtchen ergänzt.

Die werten Kollegen scheinen ihr Antiquariat für ein Trappistenkloster zu halten und ihre Kunden für taub und lesefeindlich.

Dazu paßt dann auch "Wir über uns". Es ist  u n f r e u n d l i c h, wenn ich auch unter dieser Rubrik erst einmal in extenso die administrativen Pflichtangaben bringe und mir dann , am Fuß der Seite fast verborgen, einige persönliche Sätze abquäle. Es ist den Verfassern, das am Rande, gelungen, in drei Sätzen einen Grammatik- und zwei Zeichenfehler unterzubringen.

Fazit: Das  e i n z i g e  Persönliche in dieser ganzen Webseite ist die wirklich hübsche Formulierung: "Öffnungszeiten: Mo.-Fr.: 13-18:30 Uhr, nach telefonischer Vereinbarung und wenn wir da sind. "

Aber das ist ihnen wohl eher aus Versehen unterlaufen - etwas Persönliches, igitt, wie konnten wir nur.

Fazit meiner persönlichen Einschätzung: Diese Webseite ist eiskalt, unsympathisch, wirkt auf den Besucher wie eine Ohrfeige.

Und das nach diesem schönen Eingangsfoto...



2.
Theodor-Storm-Antiquariat Paulitz

A.
Die Eingangsseite ist überraschend in einer Art Blogform gehalten - gar nicht ungeschickt, im Gegenteil, das lädt zum Verweilen und Lesen ein, macht neugierig. Dem Quelltext entnehmen wir, daß es sich um ein Wordpress-Derivat handelt.

Schon auf den ersten Blick werden einige Geschmacksfehler deutlich, über die man aber streiten kann. Jene unselige, ganz verwerfliche Unsitte, aus Jux und Dollerei lange Textpassagen in blassblauer oder blassgrauer Schrift abzuschwächen, sie quasi optisch zu verhehlen, ärgert mich als schnellen Querleser sehr. Aber vielleicht lieben ja jüngere Augen diese heillose typographische Afferei... Sei's drum.

Inhaltlich stört es mich, wenn nach meinem Gefühl eher "zufällig" ausgewählte Kulturereignisse, hier mit dem Begriff "Kulturnachrichten" gespitzmarkt, im rechten Begleitfeld gebracht werden. Das sieht verzweifelt nach "Content"-Füllerei auf Teufel komm raus aus, eine Sünde, die uns Wattig und leider mitunter auch Pardun immer wieder vormachen. Kollege Paulitz mag sich ja durchaus etwas gedacht haben bei der Auswahl seiner "Kulturnachrichten", aber ich sehe weder eine rote Linie darin noch irgendeinen Zusammenhang mit dem Antiquariat.

Gretchenfrage: Wie halten wir es mit dem Portrait gleich zu Anfang der Antiquariatsseite? Wenn es so sympathisch-zurückhaltend, ernst und in Schwarzweiß gebracht wird wie hier, geht es durchaus an. Kommt es aber so, wie es zu Zeiten auch im Börsenblatt die Mode war, nänmlich "erfolgreich" den Betrachter in aufgehübschten Knallfarben direkt angrinsend oder mit Feldherrnblick "erfolgreich" strahlend, dann ist es ein Greuel und psychologische Vergewaltigung. Nochmals - so wie hier ist das angängig. Aber anders bitte im Zweifelsfall eher nicht.

Der Einführungstext (und das ist nun keine Geschmackssache mehr) muß mit "Thema verfehlt" benotet werden. Er ist kein Eingangstext für eine Antiquariatsseite. Urteilen Sie selbst:

"Herzlich willkommen im Theodor-Storm-Antiquariat. Hier bei uns im Herzen Schleswig-Holsteins, in der schönen Gemeinde Hanerau-Hademarschen, verbrachte Theodor Storm seinen Lebensabend: von 1880 bis zu seinem Tode am 4. Juli 1888
lebte er in unserer Gemeinde.

Hier entsprang der “Schimmelreiter” seiner Feder, und auch die “zwei Königskinder” erblickten
hier das Licht der Welt.

Wenn Sie in einer hellen Mittsommernacht oder an einem herbstlichen Nebelmorgen
über die hiesigen Felder und Weiden schauen, so glauben Sie, Hauke Haien,
hinter dem sich wahrscheinlich Hans Momsen aus dem unweiten Fahretoft verbirgt,
am Horizont dahineilen zu sehen.

Doch natürlich halten wir nicht nur die Werke Theodor Storms für Sie bereit. Unsere Kataloge umfassen eine Vielzahl von Sachgebieten und werden ständig erweitert."

Lieber Kollege Paulitz, das ist Fremdenverkehrsschmus und Ihres guten Antiquariats unwürdig.

Die Registerkarten im Band oben wollen mir nicht gefallen. Das wichtigste, die Startseite, ist zu eng gehalten und mit dem netten Häuschen nicht eindeutig markiert, die anderen Karten verunsichern den klickwilligen Leser mit ihren unmotivierten Pfeilen nach rechts - was soll das?

Die "Neueingänge" derart lieblos, in ganz fürchterlich schlechter, grotesk unklar gesetzter Typographie ungeordnet auf die Startseite zu setzen, "das ist nicht gut" (Biester).

Irgendwie müssen Sie es fertigbringen, das stupide "keine Kommentare" aus Ihrer Wordpress-Seite herauszubekommen. Wenigstens nach den jeweiligen Titeleinträgen der "Neuzugänge".

Mit Verlaub, werter Kollege, Ihre Startseite ist nicht gut und ein Neubau ist dringend erforderlich. Nicht Herumbessern - Neukonstruktion!.

B.
Klicken wir neugierig auf "Online-Antiquariat", gelangen wir auf eine Zwischenseite. Weiterverweise mit der Formulierung "Lust auf gute Bücher ? –> Hier lang bitte" sind fast so nervtötend wie die berühmte "Baustelle".

Klicken wir uns durch, sind wir auf einmal in einer ganz anderen Webseitenlandschaft
Leider begrüßt uns dort der gleiche, eben schon kritisch beäugte Schmuse-Text des örtlichen Touristikbüros. Aber dann beginnt Dada in Reinkultur. Denn wir sollen gleich weiterklicken, hier bitte: "Um das Zielland für Ihre Bestellung auszuwählen klicken Sie bitte hier!"

Hoppla, kommen wir zur Geographie? Bitte sehr, wir klicken weiter, schon mit etwas müdem Finger.

Ach so, jetzt wissen wir, was gemeint war: "Ihr derzeitiges Auslieferungsland ist [DE] Deutschland um Ihr Auslieferungsland zu ändern wählen Sie es aus der Liste aus und klicken Sie auf "Weiter"."

Hier sind zwei Zeichen- ein Grammatik- und ein Sinnfehler in einem Satz versammelt. Auch eine Leistung.

Zurück zur vorherigen Seite.

Registerkarte "Ankauf" : Paulitz hat hier um die Ecke gedacht. Er setzt auf Übersendung von Büchern, getrennt nach größeren und kleineren Angeboten. Das ist brav und offenbar eine (leider ganz und gar mißglückte) Abart des Momox-Verfahrens. Lieber Kollege, ich fürchte, das geht so in der Praxis nicht.

Registerkarte "Autoren": In jeder, aber auch jeder Hinsicht völlig abstrus, was soll das? Wir sind im Wiki-Zeitalter; Ihre Kunden lachen -zurecht- schallend über solche Sekundaner-Ideen. Daß der Leser hier denkt, er dürfe unter dieser Karte gesuchte Autoren Ihres Bestands eingeben, steht noch auf einem anderen Blatt. Nicht den Besucher ärgern, nein, tun Sie es nicht...

Unter "Links" kommen nur drei Kollegen, unkommentiert. Nanu?

Die juristischen Texte zur Verlinkung sind rechtlich ebenso unwirksam wie unnötig. Was Sie zum Urheberrecht sagen, ist eine Luftnummer - es gilt das geltende Recht, und sonst gar nix. Löschen  Sie am besten die ganze Registerkarte.

Die "Neueingänge" sind so unleserlich wie auf der Startseite. Zu groß gesetzt, ohne Abstände, Semi-Schreibmaschinentype, keine Bilder - Unfug.

"Hier klicken: Produkte und Sachgebiete" - um Gotteswillen, was für "Produkte" bieten Sie denn sonst noch an? Dz, dz.

Gehen wir von dieser Sachgebietsliste aus,  d a n n  erst kommen wir in die besondere Listenform von "Biblioman". Die ist sehr originell und mit dem Farben- und Linienstrukturen gar nicht dumm. Darüber müßte man gelegentlich diskutieren. Aber das hat nit Ihrer Webseite im engeren Sinn nichts zu tun. Trotzdem, ich bin positiv überrascht - so schlecht ist "Biblioman" gar nicht!

Zurück zur ersten Wordpress-Startseite, es gibt übrigens keinen direkten Weg zurück aus dem zweiten Seitengewirr ins erste, da haben wir den sympathischen Traktor-Fachmann und finden diesmal nun auch eine gescheite Ankaufs-Anmutung zuhanden verkaufswilliger Kunden; ganz am Ende auch die "Zeitsplitter".

Wir ahnen schon - da geht der Kollege wieder unter die schreibende Zunft. So ist es dann auch.

"Hatten verschiedene Kollegen zunächst auf ein Durchstarten von antiquariat.de ( ehemals prolibri.de ) gehofft, scheint dies an der Sprödheit der dortigen Protagonisten ein weiteres mal zu scheitern." -  S p r ö d i g k e i t ? So nett hat das noch niemand gesagt.

"...erreicht uns heute die Nachricht, dass das ZVAB von Abebooks übernommen wird". - Das ist die halbe Wahrheit. Der springende Punkt ist doch, daß Abebooks seinerseits AMAZON gehört. Wann, o sage mir wann lernen die Antiquare, strategisch zu denken?


Fazit: Hier haben wir keine Antiquariats-Webseite, sondern die gutgemeinte Ruinenlandschaft einer solchen.

Da uns Kollege Paulitz in der Vergangenheit bewiesen hat ("Antiquariatsanzeiger"), daß er Projekte durchaus  m u t i g  planen und durchziehen kann, möchte ich ihm zu einem Abriß mit schönem, gut geplantem Neubau seiner Webseite raten.


Die Rechte an der dargestellten Webseite oben gehören dem Antiquariat Cassel & Lampe in Berlin

Google-Scan - Grabstein oder Hoffnung für das Antiquariat ?


Google-Scan - Grabstein oder Hoffnung für das Antiquariat ?

Der brave Antiquar - nur ein hilfloses Opfer von Fremdentscheidungen?

B u c h s c a n n e n...  Das Terrain ist vermint, Fußangeln und Selbstschüsse allerorten, hinter Schießscharten und in Laufgräben ducken sich die verschiedensten Interessengruppen, dort drüben auf dem Hügel steht die Gilde um Dr. Graf, reißt sich das Hemd über der Heldenbrust auf und fordert absolute Freiheit, am träge dahinfließenden Main verschanzen sich die Verleger, hinter sich riesige Rollen Natodraht, mit denen sie das Gelände zum Ausmelken der Kunden abteilen wollen, die Bibliotheken öffnen ihre Tore und Hintertürchen jeder Interessengruppe, über den Wolken schwebt Allmutter Google und Gespenster wie das Webarchiv huschen über die Szene. Die grünen Giftgasschwaden rechts im Bild haben die Juristen in das Terrain geschickt, verloren sitzt ein Richter aus New York auf seinem Stühlchen und schwingt den Hammer, von links fliegen die Mollis der Hacker und Netzaktivisten. Auf der Kanzel im Berliner Dom predigt Kollege RFMeyer vom Bleibenden und Unersetzbaren des körperlichen Buches, in Freiburg hinterm schwarzen Wald fertigt Mulzer die ersten Lastzüge mit Büchern nach Polen ab, während 500 Kilometer rheinabwärts Kollege Heuberger Container damit befüllt zuhanden der Müllverbrennungsanlage.

Wovon sprechen wir? Von der retrospektiven Bücher-Digitalisierung, vom Urheberrecht und den damit verbundenen Fragen.

Es ist hier nicht der Ort, um ins Detail zu gehen. Das Risiko sollten wir schon aushalten, daß jeder von uns sein bruchstückhaftes Wissen in die Materie einbringt und sich erst kundig machen müßte, um mitdiskutieren zu können. Ich denke aber, daß wir uns trotzdem auf einige Grundthesen einigen können.

A.
Die universelle Verbreitung der Lesegeräte und, in gleitendem Übergang, der Taschen-, Klein- und Mittel-Computer, ist nicht mehr aufzuhalten, sie wird den klassischen stationären EDV-Apparat bald zu drei Vierteln oder noch weiter ablösen. Der Bedienungskomfort wird steigen, Ausdrucksmöglichkeit und Netzverbindung werden auch im Kleincomputerbereich selbstverständlich werden.

Ich hätte diese rasante Entwicklung nicht erwartet, mir sind bis zur Stunde Lesegeräte unsympathisch, Kleincomputer halte ich für unpraktisch und ich möchte meinen schweren, universell ausbaubaren EDV-Kasten nicht missen. Aber die Entwicklung hat mich überrollt.

B.
Ich habe das Ausmaß und die Schnelligkeit des Einscannens der alten Bücherbestände verschlafen. Gerade hechele ich noch durch die  extrem unübersichtliche Landschaft der Informationen über eingescannte Bücher, um etwa herauszufinden, was Google nun in München gescannt hat, was der Europarat oder die Grande Nation in der Nationalbibliothek einliest und - wichtiger - was beide wie, wo und wann zur Verfügung stellen, wie es sich verhält mit den (weghören, Unwort:) Digitalisaten, die das Alexa-Webarchiv verwaltet und welches die - bewährten - Tricks sind, mit denen der gegängelte Europäer die törichten, gehässigen Juristensperren umgeht, die ihm die Nutzung aller Titel nach 1900 verunmöglichen sollen, Amerika, Du hast es besser - da stelle ich fest, daß mein Informationsstand längst von gestern und alles schon viel schneller und umfassender im Fluß ist.


C.
Wir haben die Idylle unserer Sammler alten Stils. Die Freunde schöner Einbände, exquisiter Typographie, historischer Exlibris, die Liebhaber alter Kupferstichbücher und Atlanten, die Kinderbuch- und Karl-May-Kenner, die Inkunabelsammler, sie alle scharen sich um Dr.Biester und den Verband wie die Küchlein um die Henne und bevölkern Antiquariatsmessen und Büchertage, so sie denn noch stattfinden. Um diese Kundschaft muß sich das Antiquariat keine Sorgen machen. Muß es nicht? Ich bin mir da nicht so sicher, aber davon wollen wir heute nicht sprechen.

Die ganze restliche Bevölkerung im Antiquariat steht mitten im oben geschilderten Kampfgetümmel, ob sie es nun weiß oder nicht. Besonders gefährlich wird es immer dann, wenn Leute eine komplizierte Situation überhaupt nicht abschätzen können und statt eigenen Entscheidungen dem großen Trend der Lemminge folgen. Das dürfte angesichts der komplexen Lage, die wir Antiquare selber nur mit Mühe überblicken, der Regelfall sein. Und das ist nicht gut...

D.
Ob die Möglichkeit, die ich nun schildere, heute schon oder erst nächstes Jahr besteht, ob sie als Arbeitstechnik jetzt noch Exotencharakter hat oder ob Gebildete sie durchaus schon beherrschen, ob Suchmedien wie KvK oder WorldCat gescannte Titel heute noch selektiv erfassen und erst morgen umfassend bereitstellen, ob das universelle Ausdruckprogramm für Google-Scans diesen Herbst kommt oder erst nächsten Sommer - aufzuhalten ist das alles nicht, es kommt so sicher wie das Amen in der Kirche.

Tatsache ist oder wird sein, daß ich - mit oder ohne Tricks - jedes Buch der Welt vor etwa 1930 in Sekundenschnelle auf dem Bildschirm lesen und es mir, teilautomatisiert, in klarem Laserdruck mit höchster Pixelqualität sekundenschnell in Loseblattweise ausdrucken kann, wenn ich mag. Will ich das nicht tun, lese ich den Scan im Computer - trotz aller Anfangsmängel - heute oft schon *weitaus* besser und klarer als das Original auf dem Tisch, wenn ich es in der Bibliothek vorgelegt bekomme.

Tatsache ist auch, daß die in diesem Punkt heute noch lächerlich, peinlich, absurd und verschnarcht organisierten Bücherverzeichnisse hier demnächst blitzschnell nachziehen werden. Was heute in grotesken Anfangsversuchen gestümpert wird, sollte sich in einer nur nach Monaten zu berechnenden Frist perfekt und allgemein zum Standard mausern - daß nämlich jedes Bücherverzeichnis den direkten Link zum eingescannten Titel enthält, und zwar  u b i q u e  t e r r a r u m.

E.
Nun kommt die Gretchenfrage - was bedeutet das für uns Antiquare, insonderheit angesichts der abgeschotteten deutschen Sprachsituation?

Dies ist die Ausgangslage, auf die wir uns heute einzustellen, von der aus wir zu planen haben. Es darf nicht erst  r e a g i e r t  werden, die Situation muß in alle Planungen eingezogen und  b e r e c h n e t  werden.

Ich bin dafür, daß wir ab sofort in unseren Listen und - aufgemerkt denn also - in unserer kommenden trust-unabhängigen Verkaufsdatenbank einen direkten Link zum jeweiligen "Digitalisat" anbringen sollten, als selbstverständlichen Teil jeder Titelaufnahme.

Dann kann der Kunde besonders dort, wo ihm das hilft, nämlich bei unseren älteren Titeln, unser angebotenes Buch  l e s e n. Wir geben ihm mit dem Link die einfachste Inhaltsbeschreibung, die denkbar ist. Ich halte es für nützlich, diesen Link sogar bei neueren und neuesten Titel anzubringen, um der (an sich sonst nervenden) "Einblicke" nach Googlesystem teilhaftig zu werden, falls sich übelwollende Verlags-Pfennigfuchser bei Google nicht sogar kleine Lesepröbchen verbeten haben. Wie auch immer, für unsere älteren Titel ist Verlinkung ab sofort  P f l i c h t  (Ich bitte den Kollegen in der schönen Eifel sich nicht gleich wieder aufzuregen. Ich formuliere das eben preußisch).

Das verlangt uns bei der Titelaufnahme bestimmte Abfragetechniken ab, denn noch ist es ein komplexes Unterfangen, die Scans - vor allem die der deutschen Bücher - überhaupt ausfindig und verlinkbar zu machen.

F.
Bleibt noch ein Rattenschwanz spannender Fragen, die wir auf jenen Antiquariats-Fachtagungen in der Frankfurter Buchhändlerschule, auf die sich alle Antiquare zwischen Maas und Memel jetzt schon freuen, diskutieren und zu denen wir dann Empfehlungen verabschieden werden:

Wie wird sich das Preisgefüge in welchen Fällen durch die Digitalisierung ändern und wie könnte man dagegensteuern? Wie könnte die Verlinkung mit Google abgeklärt und verbessert werden - direkte Zusammenarbeit mit Google scheint mir da unerläßlich, ähnlich auch mit der Bayerischen Staatsbibliothek und Göttingen-Wolchenbüttel usw.. Könnte man daraus eine Art "Alleinstellungsmerkmal" für unsere kommende unabhängige Datenbank im Kampf gegen die Amazon-Abebooks-ZVAB-Krake machen?

14.30 Uhr, es ruft der Sonntagskuchen, ich wittere guten Kaffee... Bis zum nächsten Mal.


Das brave Schaf fanden wir auf http://michaelibach.wordpress.com

bookfarm.de - Freud und Leid der Dublettenverwertung

bookfarm.de - Freud und Leid der Dublettenverwertung

Werter Kollege von der Bücherfarm,

1.
da ich das Netz nicht systematisch mit Google danach absuche, was es Neues im Bereich des Antiquariats gibt, nehme ich immer wieder mit Dank die Hinweise des Börsenblatts auf. Heute komme ich zu Besuch auf Ihrer Bücherfarm.

Kein Zweifel, der Bauernhof der Bücher erfreut uns mit seiner Eingangsseite. Formen und Farben sind in ihrer Bescheidenheit, Ausgewogenheit und Harmonie perfekt, leise Anklänge an mehrere Kunstrichtungen in den USA 1930-1950 im Eingangsbild, eine (noch) kleinen Farm im mittleren Westen, die wegretuschierten Wirtschaftsgebäude nimmt man als Stilmittel wahr, der im Rand sichtbare Vordergrund könnte an eines der klassischen Fotos zur Land-Erosion in der großen Krise 1930 erinnern. Hübsch die Idee der hell erleuchteten Fenster: Hier wird emsig gearbeitet, das Licht des Geistes leuchtet.

Die bewußt altmodischen großen Klickfelder links - nach Fusion 4-Standard, mindestens 10 Jahre alt - sind heute schon wieder originell und klar und vernünftig. Ich würde meiner Seite, so ich eine hätte, im Zeitalter unserer vollgemüllten und durchgetricksten Superportale eine ähnlich einfache Gestaltung geben und die Entsetzensschreie moderner Webseitenbauer über die zugrundeliegenden HTML-Sünden geduldig ertragen.

Ein betrüblicher Fehler: 3 verschiedene Schriften, die etwas sehr künstlerische der Firmenbezeichnung, das vielleicht doch abgegriffene Standard-Arial und dann links in den Registern, das stört nun wirklich, eine zu keiner der beiden passende unschöne und zu groß geratene dritte Schrift.

Die Texte erfreuen uns inhaltlich nicht so ganz. Ich bin selber ein Ritter von den Doppelpunkten und übertreibe es gern damit. Aber wenn wie hier nach "die Lösung" im nächsten Satz gleich noch einer folgt, vier Zeilen tiefer noch einer, und immer an einer nicht unbedingt passenden Stelle, stört das ein wenig. Auch muß die Groß- und Kleinschreibung nach Doppelpunkten gelernt werden, bitte.

Die "Philosophie" eines Antiquariats soll der Verfasser bitte nicht bemühen. Der Mißbrauch des edlen Begriffs "Philosophie" für höchst alltägliche Sachverhalte ist unsinnig.

"Die ausgeschiedenen Buchmassen" klingt zynisch und erinnert an "ausgeschiedene Kotmassen" (tatsächlich ein medizinischer terminus technicus). Merke - auch die abgehärtetsten Bibliothekare lieben ihre Bücher und möchten die Objekte ihrer Sorge und Mühe nicht so bezeichnet wissen.

"Informations- und Wissenspotential" und "wissenschaftlicher Diskurs" sind in diesem trivialen Sachzusammenhang sinnloses Wortgeklingele. Sag es schlicht und klar! Es muß nicht wissenschaftlich anmuten, wenn du mit abgelegten Büchern hökern willst.

Nun gehts ans Eingemachte. "Auch die ältere Ausgabe eines wissenschaftlichen Buches kann für den Forschenden und Studierenden ein wertvolles Arbeitsinstrument darstellen.". Das stimmt für neuere Bücher, spätestens ab 1950, und für die allermeisten Sachgebiete eindeutig n i c h t. Nichts wird heute so mißachtet und beiseite geschoben wie überholte, ältere Auflagen - auch dort, wo es dafür kaum eine sachliche Rechtfertigung gibt. Als Buchantiquare können wir die Lese- und Kaufgewohnheiten unserer Kunden auf die Schnelle nicht ändern.

"die Bibliotheken können Ihren Bildungsauftrag effektiver erfüllen". Wir verstehen ja in etwa, was du damit sagen willst, aber einsam im Raum stehend ist dieser Satz purer Unfug.

"vom Stigma der „Buch-Entsorgung“ befreit". Fragen Sie mal Dr.Graf, wie niedrig das Schamgefühl der meisten Bibliotheken bezüglich der "Entsorgung" ihrer Bestände anzusetzen ist. Meine eigenen Erfahrungen und nicht zuletzt der skandalöse Eichstätter Fall, die schauerlichen Einzelheiten liefere auch ich Ihnen auf Anfrage seitenweise, deuten da auf eine sehr hohe Stigmatisierungsschwelle hin...

"wir als Unternehmer bringen „Buchfarmer“ in Lohn und Brot. So beschäftigen wir z.Z. 3 ehemalige arbeitslose Akademiker, davon 2 in der Umschulung. ". Würde ich so nicht schreiben. "in Lohn und Brot bringen" klingt heute reaktionär und erinnert an ostelbische Rittergüter. Auch muß man nicht auf die Personal-Erbarmungstour gehen, das hatte schon Wölki falsch gemacht.

Nun kommts knüppeldick. Sie erschrecken die meist sehr klugen Bibliotheksreferenten bis ins Mark, wenn Sie von der "Wideraufbereitungsanlage" sprechen. Zwischen welchen älteren Handbuchauflagen haben Sie das "e" versteckt?

"Die in unserem Sortierlager eintreffenden Bücher, werden in Sach- und Zustandsgruppen vorsortiert, dies ist die Zustandsprüfung." Erstens haben wir hier ein ganz falsches Komma, und dann scheint der Satz in sich völliger Unfug zu sein. Denn die Sortierung in Sachgruppen ist nun gerade nicht die "Zustandsprüfung".

die besseren Titel wandern in die „Relevanzprüfung“... Sie meinen "die besser erhaltenen", dann sagen Sie das auch. Im tieferen Sinn suchen Sie die "besseren" Titel ja erst in der "Relevanzprüfung" aus. Ein törichtes Fremdwort, das Sie jedenfalls erläutern müssen - "relevant" für wen, für was, in welcher Hinsicht? Merke: Wer sich an Bibliotheken wendet, den Bibliothekaren in ihr Geschäft hineinredet, der darf sie nicht durch böse Denk- und Methodenfehler vergrämen.

Der Text unter der Registerkarte "das Problem" ist rundum gescheit und auch sachlich richtig.

Ihr Ton im Bereich "Referenzen" ist zu neudeutsch-angeberisch, zu kess. Das mögen Bibliothekare gar nicht. "...unsere Kunden mit der Abwicklung sehr zufrieden sind" . Guter, zurückhaltender Ton ist es, die Referenzen "auf Anfrage" zur Verfügung zu stellen. Auch sieht sich nicht jede Bibliothek gern als Werbemittel verwendet.

Immer dort, wo auf Ihrer Webseite die Praxis durchkommt, erkenne ich eine vernünftige Grundhaltung und klaren Blick. Vermeiden Sie doch besser alle Ausflüge ins Reich der bibliothekarischen Theorie.

Fazit: Eine sehr sympathisch gestaltete Webseite, die formal positiv absticht von den oft allzu aufgemotzten Antiquariatswebseiten.

2.
Und nun die Frage, ob sich das denn wohl lohnen kann.

Im Blick haben Sie ja veraltete Handbuch-Auflagen. Das sollten Sie vergessen und sich stattdessen auf Dublettenbestände konzentrieren, zu denen im weiteren Sinn auch abgewählte ganze Sachgebiete gehören.

Ich habe seit Jahren immer wieder mit Bibliotheksdoubletten zu tun, in meinem Fall ausschließlich mit älteren aus der Zeit 1800-1945. Da kann ich Ihnen aus der Praxis sagen, daß das Geschäft mit den Doubletten und mit ausgeschiedenen Bibliotheksbeständen überhaupt zwar sehr mühsam und umständlich läuft, äußerst zeitaufwendig ist, sich über "Zimelien" in aller Regel leider nicht refinanzieren läßt - aber es lohnt sich durchaus. Mir fällt da immer ein "kleine Brötchen auf lange Sicht hin backen".

Radikale Vereinfachung aller Arbeitsvorgänge ist aber angesagt. Nicht zuletzt die Bearbeitung von ausgeschiedenen Bibliotheksbeständen brachte mich zur Rationalisierungsidee des Bücherhauses, siehe meinen Text von vorgestern. Wird sowas nicht zentral und nicht teilautomatisiert bearbeitet, dann ist das Resultat aus der Dublettenverwertung deutlich unter dem besserer Privatankäufe, nährt aber trotzdem noch seinen Mann, wenn es ältere Bestände sind.

Sie gedenken nun aber mit neueren Beständen zu arbeiten. Ich sehe da sehr viele Fragen offen bezüglich der Rentabilität. Sie sollten sich bemühen, auch und vor allem ä l t e r e Bestände und kleinere, speziellere M o n o g r a p h i e n zu erhalten. Ältere Auflagen von Handbüchern und Standardwerken gehen nur sehr schwer und müssen im Netz dann so billig abgegeben werden, daß ich ohne Zentralisierung der Bearbeitung und des Versands kein gutes Ende sehen kann für Ihr Vorhaben.

Sie können versuchen, notfalls auch über den dornigen (Um-)Weg der Büchertisch-Übernahme veralteter Auflagen, zu einem S p e z i a l i s t e n für D u b l e t t e n -Übernahme zu werden. Das kann durchaus klappen, erfordert aber sehr wendige und schnelle Fahrbereitschaft, am besten ein älterer technisch gepflegter VW-Bus und sehr viel Zeiteinsatz, in ganz Deutschland. Und dann einen langen Atem - auf vier Dublettenposten, die sich nicht lohnen, kommt einer, an dem wirklich was zu verdienen ist.

Mein Rat: Vergessen Sie die Schnapsidee mit den "Altauflagen". Verwerten Sie stattdessen generell Altbestände, Bestandsabgaben von Bibliotheken, vor allem auch von Universitätsinstituten wegen thematischer Umwidmung usw. - Daß das in kürzester Zeit zu einem riesigen Lager führt, das wissen Sie! Es gilt also, die Personalkosten im Auge zu behalten, unendlich fleißig einzuliefern, dann geht das schon. War nicht Liebing in Würzburg im Grunde so ein Dublettenmann?

Ich wünsche Ihnen alles Gute, und behalten Sie das hübsche Startbild bei. Eine Farm mit vielen, vielen Bücher-Hühnern, die aufgeregt gackern und ab und zu ein Ei legen... und immer mehr... und ganz viele...



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