Freitag, 5. August 2011

Webseitentest ZVAB Bücher-Michel - Mit Schwaneberger ins Antiquariat




http://www.buechermichel.de/
http://www.boersenblatt.net/450284/template/bb_tpl_antiquariat/

Dieser Testbericht gibt die persönliche Einschätzung des Verfassers wieder.
Motto: Wer sich als Internetnutzer gequält und geohrfeigt fühlt, erlaubt sich zurückzuschlagen.


1.
Es gibt Vorgehensweisen, die rechtlich noch korrekt sind, aber trotzdem den Schein des Unseriösen an sich tragen - und die sorgfältiger zu vermeiden sind als manch anderes Fettnäpfchen. Ich spreche von der Unsitte, Abonnemente oder Dienste anzubieten, die im ersten Zug gratis zu erhalten sind, die sich dann aber, wenn keine Kündigung erfolgt, automatisch verlängern - und zwar als kostenpflichtige Dienste.

Im Bereich der Zeitschriftenabonnements ist das eingebürgerte Praxis. Bei Internetangeboten aber hat diese Methode, die ja doch auf die Vergeßlichkeit des Nutzers spekuliert, das Mäntelchen des Unseriösen umgehängt, weit schlimmer, sie ist typisch für die gesamte Pornobranche, für äußerst dubiose Hausarbeits- und Klingetonabzockerseiten. Wer will da mittun - unser unglücklicher Bücher-Michel. Und wenn sie es schon falsch machen, dann gleich richtig: Sie fordern die Eingabe der Kontoverbindung auch für das kostenlose Probeabonnement zwingend, sonst läuft erst einmal gar nichts, auch nicht das kostenlose Abonnement.

Wer aber für einen kostenlosen Dienst gleich die Kontendaten einfordert, der  handelt psychologisch so trampelig, daß mir die Worte dafür fehlen. Ich muß mich für meine wissenschaftliche Arbeit öfter in russischen und anderen Pornoseiten bewegen. Dort akzeptiere ich zähneknirschend derartige Unverschämtheiten, notiere dann aber sehr genau die Abbestellungsdaten. Hier, beim ehrwürdigen ZVAB, gingen bei mir schon rein instinktiv alle Warnlampen an: Wieso muß ich meine Kontendaten angeben, wenn ich einige Monate völlig gratis ein Angebot nutzen darf?

Diese offenkundige, nackte Spekulation auf die Vergeßlichkeit des Nutzers, für welchen Fall gleich die Kontendaten mit angegeben werden müssen, ist  s c h ä b i g. Früher nannte man sowas "Werbegift".

2.
Es interessiert mich überhaupt und rein gar nicht, welche vermeintlich schwerwiegenden Gründe das Michel-Team ins Feld führen will, um die geradezu hirnrissige Methode der Symbolisierung der Wertstufen durch Buchstaben zu rechtfertigen. Es ist das aus der Sicht des Nutzers völliger  S t u ß. Ich darf gar nicht niederschreiben, was ich will, um den Geisteszustand, den ich dem Erfinder dieser Methode zubillige, zu charakterisieren. In meinen geliebten 68er-Bildgeschichten gab es dafür das Symbol einer Klosettschüssel mit Abzugs-Kette...

Natürlich kann ich, muß ich mir nun halt die Tabelle der Wertstufen fein säuberlich ausdrucken und neben die Tastatur pinnen, bis sie dort mit dutzenden anderer Merkhilfen einstaubt und untergeht. Aber ich werde jedesmal  f l u c h e n, wenn ich statt des klaren Endpreises erst den Wertstufenbuchstaben übersetzen muß, mit schnellem Blick zum Merkzettele - einmal, zehnmal, hundertmal. O Unglückswurm in (ex:)Tutzing oder München, was für ein Teufel hat dich geritten, uns so zu quälen? Wenn es um Geldbeträge geht, ist unser Gedächtnis allemal auf Ziffern eingestellt. Ich vergewaltige mein Unterbewußtes, wenn ich Bücherpreise durch Buchstaben merken, erkennen soll. Keine Diskussion - das ist eine grauenhafte Fehlplanung.

3.
Beim praktischen Einsatz versagt das System völlig, es leistet sich eine Kaskade benutzungstechnischer Blödheiten, die zum Teil miteinander gekoppelt sind. Ich frage mich, welcher a) weltfremde, b) niemals selber bibliographiert habender, c) blinder und tauber Unglückswurm sich die folgende Quälerei ausgedacht hat:

Beim ersten Aufruf nach der Eingabe unserer Suchworte in die Suchmaske erscheint ein "Gebilde", in dem die  T i t e l - Zeile viel zu kurz ist. Das ist deshalb fatal, weil der Nutzer hier ja die erste Vorauswahl dafür erhalten will, welche Titel er dann ausführlich aufruft. Für diese Vorauswahl braucht er zwingend und fast immer ein etwa doppelt so langes Titelfeld, als er es hier vorfindet. Da er das nicht erhält, ist er gezwungen, sich zu Tode zu klicken, Titel am laufenden Band aufzurufen, die er eigentlich gar nicht sucht. Schon bei einer ersten Benutzung erkennt man das doch - und erlöst den gequälten Nutzer, indem man ihm ein gut doppelt so langes Titelfeld schon in der Vorauswahlstufe einräumt. Himmel! Leute! Seid ihr so doof, oder tut ihr nur so? Ich erlaube mir, Euch im Namen tausender fluchender Nutzer ein wenig zu beleidigen. Das ist  K ö r p e r v e r l e t z u n g  im Netz, was ihr da treibt.

Klickt man dann endlich einen Titel der Vorauswahl an, erhält man erst diejenigen Daten, vor allem Hinweise auf den Zustand, die es ermöglichen, das Preisresultat richtig einzuschätzen. Wir haben in der Vorauswahlstufe ja doch, neben der unglücklichen Buchstabenkodierung des Preises, das Manko, ohne Zustand, Einband usw. recht wenig sagen zu können zu dem wahren, angemessenen Preis.

Damit die Übersicht nicht verloren geht, hier eine Zusammenfassung. Die Vorauswahlseite ist oft nicht benutzbar, weil die viel zu kurze Titelzeile eine  e i n d e u t i g e  Zuordnung des Titels gar nicht erlaubt, ferner, weil ich hier die Zustände noch nicht sehen kann, die ich doch zwingend sehen muß, und drittens erschwert wie gesagt die Buchstabenkodierung jene schnelle "gefühlsmäßige" Preisübersicht, die der Praktiker braucht.

Also muß ich fast immer, wenn ich halbwegs korrekt arbeiten will, jene gefürchteten und bestgehaßten

K l i c k o r g i e n

veranstalten, die ein kluger Netzarchitekt eben gerade zu verhindern hat. Denn das ist die Kunst!

4.
Daß sich der unglückliche Webarchitekt selber im Weg gestanden ist, erkennen wir bei näheren Titelaufruf, nach dem Anklicken. "Verkauf nach" "verkauft aus" ist schlicht unnötig; die "Stichworte" hier anzugeben schierer Blödsinn; "signiert nein" , "Erstausgabe nein" bei solcher Platzverschwendung Nonsens; die farbliche Feldaufteilung unsäglich un-praktisch, un-leserlich, un-schön, kurzum: Klosettschüsselsymbol leider auch hier. W e r  hat das gebaut? Ich will das wissen!

Nun schreibe ich einfach nicht weiter. Denn die Grausamkeiten und Ungehörigkeiten setzen sich fort - welch böses Gehirn gehört dazu, um neben eine schon an sich denkbar unübersichtliche, nur bei höchster Konzentration schnell querzulesende Seite ausgerechnet blinkende Werbeinserate zu setzen?

Wie würde eine vernünftige Revision des Projekts aussehen? Unter Vermeidung der "Zwischenstufe" müßte es gelingen, schon bei der ersten Übersicht Titelaufnahmen soweit zu erhalten, daß eine Einordnung der (dann bitte numerisch genannten) Verkaufspreise möglich ist. Das geht durchaus zu machen. Oberstes Gebot muß sein, schnellstes Querlesen zu garantieren.
In der jetzigen Form ist der "Bücher-Michel" ein grausames, völlig verhunztes und geradezu  p e i n l i c h e s  Unding, Beispiel dafür, wie Kunden gequält und genarrt werden durch unfähige Webseitenbauer.

5.
Natürlich hat das alles noch eine tiefere Dimension. Übersichten dieser Art müssten in ein größeres Ganzes eingeordnet werden, die Chance, hier auch ein bibliographisches Moment einzubringen, ist völlig vertan worden. Mein Konzept eines Bücher-Michel, das ich schon vor einem Jahrzehnt vorgestellt hatte und das man mir nach meiner persönlichen Einschätzung geistig (nicht juristisch)  mitsamt dem präzisen Namensvorschlag - geklaut hat, war viel näher am eigentlichen Michel-Katalog.

Man kann nämlich sehr elegant und durchaus teilautomatisiert die Bücher in Form von Briefmarkensätzen darbieten. Diese Chance ist sinnlos vertan worden.

Ganz abgesehen von solchen Grundsatzfragen bleibt festzuhalten, daß hier in Sachen Usabililty ein grauenhaft schlecht konstruiertes Unding entstanden ist. Nochmals - dieser "Büchermichel" ist eine Körperverletzung, begangen an Antiquaren und Sammlern.


Für das Foto - der Besitzer konnte nicht festgestellt werden - danke ich der “kulturlounge.de”