Freitag, 5. August 2011

Kampf gegen Momox: Das Frankfurter Grossohaus der Antiquare


Kampf gegen Momox: Das Frankfurter Grossohaus der Antiquare







1.
Wie mancher Kollege aus schmerzvoller Erfahrung weiß, kritisiere ich gern, und so war heute mein erster Gedanke, die Momox-Seite ins Gebet zu nehmen.

An der technischen Gestaltung der Eingangsseite ist formal wenig auszusetzen. Die Ästhetik allerdings kommt zu kurz: Das schwer erträgliche Babyblau, aufgelockert mit dem Pißgelb älterer Windeln, erinnert fatal an Babywickelräume auf Autobahnraststätten, dazu passend die abgerundeten Ecken verkitschter, verniedlichter Plastikspielzeugserien für Kleinkinder. Das Momox-Symbol kann nur psychoanalytisch gedeutet werden in seiner abstrusen Häßlichkeit, ich schwanke zwischen einer Gebärmutter oder Großmutter Majunke mit ihrer verkümmerten linken Brust, sonst könntens auch Seifenblasen sein.

Die Technik ist recht pfiffig, für ältere Semester allerdings unendlich mühsam und lästig durchzuführen. Spielerisch begabte Kids jeden Alters könnten Freude daran haben, auf mich wirkt die Aufforderung, Nummern einzutippen oder gar einscannen zu sollen - lange Nummern in langen Reihen - sehr entwürdigend. Der Zeitaufwand vom Eintippen bis zur Auflieferung der verpackten Bücher beim Postamt ist absurd - das Momox-Modell hinkt einher auf den Schultern des Zeitbudgets und der Streßtoleranz der Einlieferer. Mein Gott! Ruhig betrachtet ist das Verfahren absurd, und noch grotesker erscheint uns, daß es funktioniert.

Die erste Stufe des Momox-Modells ist taktisch, ich sags frei heraus, S c h r o t t . Auch dann, wenn mit "Apps" und anderen kleinen Spielchen das Eingeben der Zahlengebirge unterhaltsamer gestaltet wird. Hier ein ernstes Wort am Rande: Wer wie ich aus der alten EDV-Tradition kommt, der kann nur müde lächeln über die derzeit üblichen Spielereien um aufgeplusterte Handys oder eingeschrumpfte PC-Geräte. Der tragbare Kleincomputer ist ja ganz hübsch, aber er revolutioniert unser Leben keineswegs grundlegend. Vielmehr wird dem Geistes- und Kulturriesen "Internet" hier Flittertand umgehängt. Das ist recht und gut, aber nicht wesentlich. Von mir hätte Momox den Preis nicht bekommen.

Soweit man das den Kundenkommentaren entnehmen kann, haben die Momox-Leute ihre Lektion in Sachen Internet-Psychologie gelernt - sie briefwechseln freundlich und individuell, sie zahlen schnell. Kompliment!

Leider muß ich aus Zeitgründen den Besuch bei Momox hier abbrechen.

Fassen wir zusammen. Diese technisch hervorragende, optisch aber kotzschlechte Eingangsseite, die sich Jugendlichen und Hasenbergl-Neue Fahr-Bewohnern anbiedert, läßt zwei Schwachpunkte erkennen:

* Durch das erschreckend niedrige Image der Eingangsseite vergrault die Momox-Seite alle jene Nutzer, die sich weigern, auf RTL-Vorabendserienniveau zu agieren. Anspruchsvollere, s e n s i b l e r e und kulturell bewußte Klientel wird nicht angesprochen, sie wird vergrault. Das ist im Bereich der besseren Bücher ein grober Fehler, der sich noch rächen wird, weil jeder Konkurrent diese Imagemängel erkennen und ausnützen kann.

* Leichtfüßig und hurtig, geradezu schamhaft wird über die unsägliche Umständlichkeit des Verfahrens hinweggegangen. Auch dies ist taktisch ein zweischneidiges Schwert. Wer nicht gerade arbeitslos, in dringlicher Geldnot oder im Ruhestand und geizig ist, der wird sich diesem Verfahren nicht unterziehen. Mich erinnert das an den zurecht gehaßten "Turbolister" bei Ebay: Jeder flucht über diese Zeitvernichtungsmaschine, aber ohne Alternative unterzieht man sich der kafkaesken Prozedur, ausgedacht in finsteren Ebay-Folterkammern und geplant für Masochisten. Ich weiß, wovon ich spreche... So ähnlich geht es auch hier zu.

2.
Mein verehrter Radebeuler Kollege würde nun hier auf 3 Bildschirmseiten theoretische Exkurse anfügen des Inhalts, daß die planmäßige Umgehung unseres Gewerbes durch Momox auf unserer eigenen Schuld beruhe, daß bestimmte strukturelle Versäumnisse auf Seiten der Antiquare hier systematisch ausgenutzt würden, daß man Gegenmaßnahmen durch eine konzertierte verkaufspsychologisch-massenemanzipatorisch-paralleldidaktische und imagerestrukturierende, innovativ-rekurrierende Weise zu ergreifen habe.

Ich gestatte mir, wie anfangs erwähnt, aufgrund meiner den Antiquaren bekannten Vorarbeiten zum Thema "Bücherhaus" einen praktischeren Weg vorzuschlagen.

Das Grossohaus der Antiquare
(W. Busch: Wofür er besonders schwärmt, wenn es mehrmals aufgewärmt)

Einige interessierte Antiquare gründen in der Nähe von Frankfurt das (Arbeitstitel:) "Grossohaus der Antiquare".

Der Frankfurter Raum scheint mir geeigneter als die moderne, etwas affige Konzeption solcher Zentralen in der geographischen Mitte des Reichs, wobei man dann in der Kassel-Göttingen-Eisenacher Gegend landet. "Südlich von Frankfurt" ist verkehrsmäßig und von den Arbeitskräften her die beste Wahl, Sprendlingen-Mörfelden etwa. Wir müssen von den Studenten, Sekretärinnen usw. mehrerer Universitäten schnell erreichbar sein, denn die arbeitslosen unter ihnen stellen unser Personal.

Sie sehen schon, worum es im Kern geht - wir müssen das Niveau des Grossohauses hoch über dem alten Wölki-Standard und immer noch spürbar über Momox ansiedeln.

Als Trägerschaft wird im Übergang versucht werden, trotz der ganz unglaublich großen, geradezu absurden Schwierigkeiten ein neues Genossenschaftsmodell hochzuziehen. Es ist den Banken gegenüber, bei allem Exotencharakter, immer noch von Vorteil. Die Übergangsform kann im Einbringen von Arbeitskraft, von Darlehen, von Buchbeständen gesehen werden, das alles wissen die kaufmännisch geschulten Kollegen besser als ich.

Zunächst wird ein Altbau gemietet. Ich halte als alter Buchlagerungstechniker (davon verstehe ich wirklich was) den Tick vieler Kollegen, in "Hallen" oder doch in "übersichtlichen, ebenerdigen hellen Räumen" Bücher zu lagern und mit Büchern zu arbeiten, für pure Einbildung, mit Verlaub. Der erfahrene Antiquar kann sich gerade in verwinkelten, anders fast nicht nutzbaren (und daher preiswerten) unrenovierten alten Industriebauten hervorragend behausen.

Die ersten Lieferwägen mit Material, das einige Kollegen selbst nicht bearbeiten wollen, rollen an. Die wichtigste Aufgabe ist nun die

Eingangs-Triage -

welche Bücher sind des Aufnehmens wert? Das ist gar nicht zu delegieren an Hilfskräfte, da müssen erfahrene Kollegen her, von denen es im Rhein-Main-Gebiet ja genug gibt. Ich bin grundsätzlich bereit, an 2 vollen Arbeitstagen je Woche für die Eingangs-Triage zur Verfügung zu stehen, sodaß mit zwei weiteren Kollegen diese Stelle schon einmal besetzt wäre.

Die meisten Antiquare sind, wie ich auch, gut vertraut mit den weiteren Arbeitsschritten. Sie wissen, wie streng und stur alles Hilfspersonal auf schnelles und effektives Arbeiten eingedrillt werden muß - da darf nichts vorausgesetzt werden! Ich würde anregen, einen Schwerpunkt auf anspruchsvolleres Vorgehen zu legen, also eine bessere und klügere Sacherschließung, die Vermeidung törichter Abkürzungen usw. Und geübte Schreiberinnen stellen uns eine gute Titelaufnahme in fast der gleichen Zeit hin, in der sie sie aus Datenbanken einkopieren würden. Nur eben muß solches gedrillt werden. Mir hat das, bei aller Mühe, eigentlich immer Spaß gemacht, weil es ja lebendige Menschen sind, die man kommandiert, und nicht Apparate.

Das "Grossohaus der Antiquare" soll also von Anfang an ein eher akademisches Niveau haben.

Hier breche ich ab, weil sich das übrige Vorgehen ja von selber versteht für Fachleute.

Nachschrift: Eben fällt mir auf, daß ich für Leser, die mit den alten ausführlichen Modellentwürfen nicht vertraut sind, noch einige Stichworte hinzufügen sollte.

Verzeichnung aller Titel in den Portalen ausschließlich unter dem Firmennamen des Antiquars, der das Buch dem Grossohaus eingeliefert hat. Versand durch das Grossohaus, wobei als Absender wieder nur das teilnehmende Antiquariat vermerkt wird. Für die Abrechnung ideal wäre eine Art BAG-Teilnahme der Antiquare, da sind mehrere Alternativen möglich.

Das Grossohaus tritt also gar nicht in Erscheinung nach außen hin (Variante 1). Oder es baut bewußt ein so seriöses, kulturell-wissenschaftliches Image auf, daß es zu einem P o r t a l umgebaut werden kann und dergestalt den Kampf gegen den Amazon-Abebooks-ZVAB-Hai aufnimmt. (Variante 2)




Die neueste Aufnahme des Frankfurter "Grossohaus der Antiquare" gehört Manfred Traxler. Wir danken für die Verwendungsmöglichkeit