Freitag, 5. August 2011

Die pflegeleichten Antiquare und ihre harmlosen Büchertage

Die pflegeleichten Antiquare und ihre harmlosen Büchertage



Die Antiquare mögen, so rät uns Dr. Biester im Börsenblatt warmherzig an, doch schnuckelige kleinere Antiquariatstage und Lokalmessen abhalten und, ja, dafür eine Interessengemeinschaft gründen. Damit können sie so schnell keinen Schaden anrichten, sie kommen nicht auf schlimme Gedanken. Wer emsig Büchertage plant, Kisten dorthin schleppt, sich mit Anzeigenblättchen und Stadtverwaltungen herumärgert, der hat keine Zeit, über Monopole und Ausbeutung nachzudenken.

Antiquariat nach System Biester... Oben thront der Verband deutscher Antiquare, dann gleich Biesters AG im Börsenverein, derzeit etwas in der Schäm-Ecke die wenig aktive Genossenschaft, auch Herr Höfs marschiert noch mit seinem Gebilde voran. Und über allem die geliebte Weltorganisation mit den großen Antiquaren des Gewerbes, die sich, leicht ironisch und schwer arrogant, mit Inkunabeln und Pressendrucken aus der Shakespearezeit befassen und zum Fußvolk gütig herabneigen. Der Amazon-Abebooks-ZVAB-Konzern wird am wirkungsvollsten verehrt, denn - er wird als solcher erst gar nicht genannt. Amazon schwebt als eine Art Heiliger Geist über dem Weltbild des Börsenblatts: Genaues weiß man nicht, soll man auch nicht wissen. Ehrfürchtig sein!

Wer trotzdem auf dumme Gedanken kommt, dem rät Biester körperliche Bewegung und schlichtes Nachdenken an. "Bub, treibe Sport, dann kommst Du nicht auf dumme Ideen", sagte unser Deutschlehrer, wenn ich mal wieder über Mittelstreckenraketen oder Atomkraftwerke diskutieren wollte. Bei Biester tun es die, ich zitiere,  "kleineren und vor allem kostengünstigeren regionalen Verkaufsveranstaltungen", vulgo "Antiquariatstage", für die die Antiquare eine Interessengemeinschaft bilden sollten.  D a f ü r - mein Gott.

Wenn das Haus brennt, sollte man nicht unbedingt Halma spielen, sondern die Feuerwehr anrufen, alle Türen schließen und nach dem nächsten großen Eimer suchen. Das Nächstliegende, das es jetzt zu tun und zu besorgen gilt, ist gewiß nicht die Abhaltung und Planung kleiner regionaler Veranstaltungen.

Wem trotzdem der Sinn danach steht, der möge folgendes bedenken:

Die meisten Leute, auch die Gebüldeten, denken nicht im Traum daran, alte Bücher zu sammeln. Wenn doch, dann gehen sie übers Netz, was seit einigen Monaten bedeutet über Amazon (ist gleich Abebooks ist gleich ZVAB). Trotzdem sind gut geplante kleinere Antiquariatsmessen recht ordentlich besucht, sei es als kleines gesellschaftliches Ereignis auf lokaler Ebene (wen treff ich da wohl alles, den Kulturbürgermeister, Frau Direktorin Mayer, meine Nachbarin...), sei es aus schierer Langeweile, als Abwechslung zur unsäglichen Einkaufstour in grauslichen Fußgängerzonen.

Es wird auch gekauft - aber in ähnlicher Weise, wie es auf jede Messe lokaler Kleinkünstler, Töpferinnen oder Gebrauchtwagenhändler auch der Fall wäre. Das Ergebnis wird bei kritischer Zeitrechnung des Antiquars in etwa den Gesamtzeitaufwand von 15-20 Stunden Chefarbeit entlohnen mit dem üblichen Putzfrauen-Stundensatz, nach Abzug der Gebühren und Sachkosten. Man kennt das aus leidvoller Erfahrung. Dazu wäre der Aufwand nicht notwendig gewesen...

Nun kommen wir zu des Pudels Kern: Ist mit einer solchen kleineren Ortsmesse irgendein  s t r a t e g i s c h e r  Vorteil verbunden?

Auf den ersten Blick durchaus. Der eine oder andere Mensch wird daran erinnert, daß man sich auch alte Bücher gelegentlich hinstellen könnte, dieser und jener Büchersammler nimmt im Netzzeitalter schon fast vergessene örtliche Antiquare wieder wahr. Schön, schön.

Das Fatale dabei ist, daß

*die Grundhindernisse und Mängel, die den Messebesucher v o r h e r  am Kauf beim betreffenden Antiquar (oder bei Antiquariaten überhaupt) abgehalten haben, doch  n a c h  der Veranstaltung bestehen bleiben, sich nicht ändern: Er hat keine Zeit zum Stöbern im Laden (so man einen hat), er findet immer noch keinen Parkplatz, er erwirbt bei Ebay oder Abebooks immer noch billigere Bücher als beim örtlichen Altbuchhändler, er ist sich (wenn kein Laden da ist) immer noch unsicher im Bibliographieren und wagt deshalb nach wie vor keine Internet-Bestellungen.

Das Dumme ist also: die örtliche kleine Verkaufsmesse ändert die Grundhindernisse, die vorher schon bestanden haben, keinesfalls. Weshalb einer vorher keine alten Bücher erwirbt, aus genau demselben Grund wird er nach der Messe auch keine kaufen. Weil wir ja unsere/ seine Voraussetzungen nicht verbessert haben durch den Büchertag.

Was bleibt, ist die vereinzelte Sympathiewerbung für das Antiquariat insgesamt - aber davon hat nur wieder unsere 90 % -Monopolkrake Amazon/ Abebooks /ZVAB etwas. Denn das Bestellen übers Netz ist komfortabler und oft billiger. Und es bleibt jenes diffuse Gebilde, das man "Sympathiewerbung / Imagewerbung" nennt und das für Künstler am Ort sehr wichtig ist, für den Antiquar aber weniger, denn die meisten Kunden sind mürrisch, schweigsam und wollen vom Antiquar möglichst wenig hören und sehen. Das ist in der bildenden Kunst anders.

Große Antiquariatsmessen haben einstweilen ihre fast unersetzliche Bedeutung - n o c h. Aber kleinere lokale Antiquariatstage sind eine Art Onanie des Antiquars, es entsteht daraus nicht Lebendiges. Spaß macht es schon, aber zuletzt ist und bleibt Enttäuschung zurück. Eigentlich hätte man doch gern Kinderchen gehabt.

Die bekommen wir im Antiquariat durch Konzentration auf die ganz großen, dringlich in Angriff zu nehmenden Aufgaben im  N e t z. Wenn doch im Ladenbereich gearbeitet werden soll, dann ist immer noch die Grundidee des "Hauses der Bücher" zu erwägen in ihrer Version I: Mehrere Antiquare mieten ein Haus gemeinsam, gute Lauflage. Also auch da Strukturveränderungen, nicht Messen.


Das Foto der Antiquare verdanken wir dem Verkehrsverein Norderney, der die Urheberrechte daran besitzt.