Freitag, 9. September 2011

Jagdszenen aus dem Antiquariat



Werte Kollegen!

Wir begeben uns heute auf eine mittlere Parforcetour.

Die Ausgangslage ist bekannt. Unser Buchabsatz im unteren und mittleren Bereich geht beständig zurück, die besseren Segmente stagnieren auf hohem Niveau. Zwei völlig berufsfremde Kräfte werden von Tag zu Tag mächtiger und bedrohen uns. Amazon-Abebooks-ZVAB kontrollieren, vom Sonderfall Ebay abgesehen, gut 90 % des Internetabsatzes der Antiquare in Deutschland, von daher sind Gebührenerhöhungen, fortschreitende Verluste an Selbständigkeit und Gestaltungsfreiheit zwangsläufig vorprogrammiert. Momox und die Nachahmer haben bereits weit über 10 %  des Antiquariats in Deutschland verdrängt und vernichtet, mit extrem galoppierender Zuwachserwartung in der allernächsten Zeit.

Dazu kommt die bekannte Verlagerung des Leseinteresses zum Internet hin und nicht zuletzt auch die Problematik der Fraktur bei unseren älteren Titeln. Was die Google-Scans der Bücher vor 1900 betrifft, haben wir noch eine Gnadenfrist, weil die Benutzung und vor allem das Ausdrucken gescannter Bücher noch kompliziert erscheint. Das wird sich in wenigen Jahren, vielleicht schon in Monaten ändern.

Ich sage nicht, daß man gegen die vielen negativen Faktoren nichts unternehmen könne - dieser Blog ist angefüllt mit mehr oder minder untauglichen Vorschlägen und Ideen dazu. Am weitaus dringendsten aber ist das Doppelproblem der Monopolisierung unseres Internetabsatzes durch Amazon-Abebooks-ZVAB und des Wegbrechens der Titel, die Momox schon zu Millionen Stück kauft und über Tarnfirmen, wie ich das persönlich werten möchte, ins deutsche Verkaufsnetz schiebt.

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Wenn die halbe Stadt anfängt zu brennen, dann wird man dort löschen, wo es am dringlichsten erscheint, im Kern der Innenstadt vielleicht und im Petroleumhafen. Wenn wir uns darauf einigen, daß Amazon und Momox zur Stunde die Hauptfeinde des deutschen Antiquariats sind, dann haben wir schon viel gewonnen. Amazon durch Monopolisierung und drohende Franchise-Unfreiheit, Momox durch Wegziehen des Teppichs unter unseren Füßen.  Um es deutlich, aber unzulässig verkürzt zu sagen: V e r s k l a v u n g  durch Amazon und  B e r a u b u n g  durch Momox -  natürlich nicht so ungeschützt zu formulieren, sondern immer nur unter der Voraussetzung, daß man die "wenn" und "aber" kennt, die hinter diesen harschen Worten stehen.

Beides ist ein Vernichtungskampf. Ich bin wegen meiner militärischen Dramatik getadelt worden - aber ist nicht das Geschehen am Markt ein Kampf? Die Vernichtung ergibt sich aus den Mechanismen, es geht alles ganz logisch zu. Gegen Momox' exponentielles Wachstum ist gar nichts zu machen, Momox  m u ß  wachsen, ob es will oder nicht, wie überhaupt die Kräfte im Wirtschaftsmarkt selten Böses  w o l l e n. Sie sind wie naive Kinder, die im Sand spielen. Ihre Kunden müssen sie am Leben lassen, sonst kaufen und verbrauchen die ja nichts - wir Antiquare aber als  M i t b e w e r b e r  am Markt "müssen" nach den Regeln vernichtet werden.

Ist es den Setzern, den Stenotypistinnen, den Lokomotivheizern, den Tankwarten etwa anders ergangen?

Es geht also nicht um Feindbilder, auch nicht um unzulässige Dramatisierung - ich stelle ganz einfach fest, daß wir mit Amazon ein langsam wachsendes, mit Momox ein agressiv schnelles Krebsgeschwür in unserem Körper haben. Amazon muß uns langsam ersticken durch Anonymisierung und andere Unfreiheits- und Gebührenschrauben; Momox muß uns austrocknen und ganz eliminieren. Beide sind im Wirtschaftsgefüge so positioniert, sie funktionieren nach diesen Regeln.

Wir haben uns nun die Frage zu stellen, wie wir diese beiden Krebse in unserem Körper bekämpfen können.

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Nun ein kurzes Wort zur Frage des Genossenschaftsgedankens im Antiquariat. Ich hatte ihn vor mehr als zehn Jahren eingeführt für den Altbuchhandel, weil er juristisch wie auch soziologisch genau das abdeckt, was getan werden muß - wir haben Geld in die Hand zu nehmen und mit diesem Geld eine Leistung für alle zu erbringen. Wobei "für alle" auf unser Gewerbe beschränkt bleibt, auch wenn die Dienstleistung der größeren Allgemeinheit zu gute kommt.

Lange Zeit waren Kräfte in der Genossenschaft am Werk, die sich wacker geschlagen hatten, aber durch  e i n e  strategische Fehlentscheidung von Anfang an gelähmt waren. Ich hatte das in jenen wenigen Minuten Redezeit, die mir damals in Berlin eingeräumt worden war, klar gesagt: Nur wenn sich die Genossenschaft als weit offene, allgemeine Berufsorganisation für  a l l e  versteht, kann sie die richtigen Weg gehen.

Warum mußte ich Recht behalten mit meiner stotternd vorgetragenen, völlig unbeachteten Einwendung? Weil  der  W e r b e w e r t  einer Genossenschaft verloren geht, wenn sie sich nicht als allgemein und weit offen versteht. Genossenschaften, die nur kleine Grüppchen des Gewerbes oder gar - schrecklich zu denken - nur bestimmte Schichten umfassen, können am Markt nicht frei und wirksam mit dem speziellen Genossenschafts - I m a g e  auftreten. Sie können dann nicht sagen " W i r  A n t i q u a r e".

Genau da liegt aber jene Zauberformel, mit deren Hilfe sich die Datenbank gegen alle Widerstände werbetechnisch, in Sachen Kredit und imagemäßig hätte durchsetzen lassen. Ich sage das, weil ich weniger vom "gehobenen Antiquariatsbereich" als vielmehr vom allgemeinen Kulturbetrieb in den Medien eine gute Kenntnis habe. Die ticken so - das Goodwill für eine echte, allgemeine Genossenschaft im Kulturwesen ist unschätzbar - die Verachtung für Grüppchenbildung dagegen grenzenlos.

Der andere einzigartige Vorteil einer allgemeinen Genossenschaft ist eher interner Natur: Die Genossenschaftler werden fast nie eine Entscheidung gegen die Interessen ihrer Kollegen treffen. Wenn nur die richtigen demokratischen Regeln durchexerziert werden - sie wurden und werden schmählich vernachlässigt -, dann geht es in einer breiten Berufsgenossenschaft zu wie in einem Parlament - Anträge, Motionen,. Diskussionen, Vor- und Endabstimmungen begleiten den Alltag der genossenschaftlichen Arbeit. Dann, aber nur dann wird die Genossenschaft zu einem heilsamen demokratischen Instrument zum Wohl aller, auch gerade der schwachen Kollegen.

Diese beiden Punkte gilt es im Sinn zu behalten. Es geht primär also nicht darum, daß wir eine Wirtschaftsgemeinschaft zum Betrieb der Datenbank bildern, sondern es geht um einen unvergleichlichen, unbezahlbaren Imagewert im Kulturbetrieb - und um gerechte, demokratische Entscheidungen in der stürmischen See der Gegenwart, mit zwei Haifischen darin, durch die unserem Gewerbe heil hindurchkommen soll.

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Ich setze voraus, daß eine umgegründete Genossenschaft und ihre Vorstufe, ein allgemeiner Berufs v e r e i n  ohne jede Verpflichtung, virtuell von Anfang an bestehen sollen. Es hat nämlich keinen Sinn, die folgenden Pläne als Werk einer Schicht, eines Grüppchens interessierter Kollegen oder gar als Gemisch aus drei verunglückten Berufsvereinigungen herzustellen.

Der Werbewert, die Imagestrategie geht weitgehend verloren, wenn die Planung nicht von Anfang an auf ganz breiter Grundlage stattfindet. Es darf keinen Antiquar welcher Art auch immer geben in Deutschland, Österreich und in der Schweiz, der nicht von unserer Planung weiß, regelmäßig darüber unterrichtet ist und zu den Abstimmungen eingeladen wird.

Erste Vorbedingung ist also ein allgemeines Berufsregister. Das muß man auf Ortsebene recherchieren, Björn Biesters Listen sind eine Hilfe, aber ohne gründliche Adreßbuch- und Telefonlistenrecherche geht das nicht. Ich erlebe regelmäßig bei Stichproben, etwa in Basel oder in Hamburg, ein wahres Chaos an Veränderungen. Man muß da die babylonische - aus dem Amerikanischen kommende - Sprachverwirrung zwischen "Antiquitätenhändler" und "Buchantiquar" ebenso in Rechnung stellen wie die Scheu mancher, durchaus bedeutender, Internethändler, sich adressenmäßig zu offenbaren.

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Das Verkaufsportal, die Datenbank ist im Augenblick unsere einzige Waffe.

Ich sage das nicht gern, denn nach wie vor ist jenes "Haus der alten Bücher" in der Version, die  e i n  zental gelegenes Mietshaus für alle Antiquare einer Stadt vorsieht, das genossenschaftliche Instrumentarium par excellence. Nur durch solche vom Keller bis unters Dach durch indivuduelle Antiquariate besetzte Innenstadtanwesen können die Kollegen ihren bescheidenen Werbeetat bündeln. "Wo sind die Antiquare? - In ihrem Haus auf der Kaiserstraße".

Auf mittlere Sicht wäre so auch ein geregelter Sofortankauf im Momox-Abwehrkampf möglich - denn die Bücher unter den Arm zu nehmen und direkt gutes Geld zu bekommen, in einem weithin örtlich bekannten "Haus der Antiquare" in der Innenstadt, wo mehrere Möglichkeiten des Verkaufs bestehen, das wäre einer der Stiche, die Momox ins Herz treffen könnten.

Aber solche Genossenschaftsprojekte brauchen Zeit - wenn auch fast kein Geld, was sie sympathisch macht. Es muß "nur" organisiert werden.

Zeit ist aber nicht da. Die Kartellbehörde läßt uns im Regen stehen, Momox vernichtet allmonatlich rechnerisch einen weiteren Antiquar - es darf nur schnell Wirksames geplant werden. Alles andere wäre Luxus in der Stunde der Gefahr.

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Die genossenschaftliche Datenbank läuft eigentlich ganz gut. Es gibt dort Schönheitsfehler, die schnell ausgebügelt sind. Vor allem sollten alle Features, die Amazon und Abebooks bieten, übernommen werden, insbesondere eine gute Verlinkung vieler Titel ins Netz, zu Bibliographien, zu Google. Hier muß gnadenlos abgekupfert werden, soweit es das Wettbewerbsrecht zuläßt - nur keine falsche Scham!

Die wichtigsten Hausaufgaben liegen auf einem anderen Feld, wohin uns Amazon-Abebooks nicht folgen kann (von dem armen schlichten ZVAB sprechen wir nicht - das gibts bald nicht mehr) - einer ganz engen, konsequenten Vernetzung der genossenschaftlichen Datenbank mit den Webseiten - mit  a l l e n - Webseiten aller Kollegen (nicht etwa nur denen der Genossenschaftsmitglieder). Wir müssen in Windeseile und in echter Gemeinschaftsarbeit ein Gehäuse errichten, vor dem Amazon-Abebooks neidvoll stehen wird und in das es uns  n i c h t folgen kann, weil sie nicht die goldene Freiheit eines genossenschaftlichen Portals genießen.

Webseitenverbund - aber ja, bitte!
Und möglichst von Anfang an auch einen breitgefächerten Auskunfts- und Kompetenzdienst. Und natürlich billigere Preise von dem Tag an, an dem... Kurzum:  Das ganze Instrumentarium an Folterwerkzeugen, die Amazon-Abebooks-ZVAB wehtun können.

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Am wirksamsten dabei ist aber unser Einbruch in Gewissen und  S y m p a t h i e  der Kulturwelt. Sie kauft unsere Bücher oder könnte sie doch kaufen. Die Schiene, auf der der Sympathiezug läuft, hat in goldenen Lettern eingraviert: DIES IST DIE DATENBANK DER ANTIQUARE. Sie "gehört" nicht nur ihnen (das wäre nicht einmal notwendig), nein - IN IHR ARBEITEN DIE ANTIQUARE, in ihr kannst Du alle Geschäfte, alle Fachleute, alle Kollegen ansprechen, im Foto direkt verlinkt sehen.

Das ist kein Wunderwerk. Wenn es richtig geplant wird, läuft es fast selbsttätig, denn es macht Spaß, sich als Firma, im Portrait, mit seinen Interessen und Lagerräumen, seinen Listen und Katalogen wiederzufinden in jenem großen Gehäus aller Antiquare...

*
Nun noch was zur Namensfrage - ach je. Einfach ist das nicht, zumal nach dem Sündenfall, der uns "Antiquariat" als Bezeichnung geschenkt hat. Mir sollte da was einfallen, sollte es nicht? Ich braue mir inzwischen einen Kaffee, und dann wird nachgedacht.

Der Name muß die neuen Grundideen im Abwehrkampf gegen das Amazon-Monopol verdeutlichen und möglichst gleich auch noch das Momox-Thema rüberbringen.

Hoppla, eben fällt mir ein, daß dies so ziemlich das einzige Geheimnis ist, das man bewahren muß bei der Planung.

Ansonsten, frisch ans Werk!

Donnerstag, 8. September 2011

Wir basteln uns ein Momox!


Bauanleitung mit mehreren Modellbögen

Man nehme eine Silberschüssel - pardon, das Thema ist zu ernst für Scherze.

Es gibt notwendige Mitwirkende, ohne die alles gar nicht funktionieren kann. Sortieren wir die mal auseinander.

A.
Zunächst benötigen wir eine perfekte, preiswerte und allgemein akzeptierte Buch-Verteilstruktur. Was bis vor wenigen Jahren noch umständlich, recht teuer im Verhältnis und nicht allgemein akzeptiert war, ist der schnelle, preiswerte, problemlos zu ordernde und einfach zu bezahlende  V e r s a n d.  Nur wir alten Semester können uns überhaupt noch vorstellen, was es bedeutet, Bestellpostkarten zu schreiben, Waren per Nachnahme oder auf Rechnung zu erhalten, diese Rechnung zu bezahlen, indem man "Überweisungsscheine" in der Bank auszufüllen oder in Postscheckumschlägen zum Briefkasten zu tragen hatte. Alles das geht heute elektronisch und ziemlich reibungslos über die Bühne. Der Aufwand, ein Taschenbuch in meiner Buchhandlung zu holen, ist größer als der einer Amazon-Bestellung.

Hier verstehe ich übrigens die Neubuchhandlungen nicht - es fällt ihnen, soweit ich das hier am Ort sehe, absolut nichts ein, um die Kunden durch "Erlebnisse" oder Zusatznutzen welcher Art auch immer an ihren Laden zu  b i n d e n, sie anzulocken. Die Ideenlosigkeit, die Tranigkeit der meisten Buchhandlungen führt sie direkt in den Untergang. Aber das ist ein anderes Kapitel.

B.
Als zweite Zutat zur Bastelanleitung benötigen wir eine gute, schnell zu erhaltende, ausreichende bibliographische Information - natürlich im Internet. Sie wird ganz hervorragend geleistet bei Amazon und Abebooks - auch deshalb steht das ZVAB auf dem Aussterbeetat - und wer höhere Ansprüche stellt, kann über Google-Snippets und einen Rattenschwanz von Rezensionsdiensten, Perlentaucher wir grüßen dich, fast immer präzise bibliographische Einschätzungen gewinnen im Netz. Aber Amazon und Abebooks reichen sehr oft schon aus.

Ohne diese Internet-Bücherkunde würde man wieder in die Steinzeit zurückkehren. Wie liebe- und mühevoll hatten wir doch die Literaturteile von FAZ, Welt, Zeit und Süddeutscher Zeitung, vor allem aber von Tante NZZ gesammelt, ausgewertet, als bibliographischen Schatz gehortet! Die heute fast ausgestorbenen Hallen der "bibliographischen Handbibliothek" in der nahen UB sahen uns täglich bei der Durchsicht der neuesten Frankfurter und Leipziger bibliographischen  Hefte, Literaturdienste jeglicher Couleur waren unentbehrlich. Fast alles ist nun verweht und eigentlich überflüssig.

C.
Drittes Werkzeug für unsere Bastelstunde ist die Preistransparenz in den Verkaufsdatenbanken der Neu- und vor allem der Altbücher. Erst jetzt, wo der Kunde Herr der Preisübersicht geworden ist, funktioniert der Fernabsatz wirklich. Daß er dort wiederum vielfältig manipuliert werden kann, spielt jetzt keine Rolle. Es reicht aus, daß der Kunde an seine "Durchsicht" im Preisgegfüge glaubt.

Einfaches Bezahl- und Liefersystem, bibliographische Information im Internet (vor allem auch wertende) und das Bewußtsein einer für den Käufer durchschaubaren Preisgestaltung im Gesamtmarkt, diese drei Merkmale müssen da sein.

Dann können wir weitermachen.

D.
Zunächst will ich den Ankaufsmarkt in die Hand bekommen. Gründe dafür habe ich drei, zum einen will ich Ware bekommen, zum anderen sollen der Konkurrenz, uns Antiquaren nämlich, Nachschub und Kundenkontakte weggenommen werden und zum dritten will ich das Publikum  s ü c h t i g machen, ich will es eingewöhnen dazu, daß das gelesene Buch zu einer wiederverwertbaren Ware wird, im Gefühl des Kunden.

Ich nenne dieses Prinzip "das Buch als  P f a n d f l a s c h e".

Man muß sich das nicht zu kurzzeitig im Umlauf denken, es gibt da mehrere Möglichkeiten zeitlicher Zyklen, im längsten Fall kommt das Buch erst nach dem Tod des Lesers zurück, im kürzest denkbaren schon Stunden nach dem Erwerb, wenn es nämlich ein Fehlkauf war und ich zu faul bin zum Umtausch im Laden (von gestohlenen Neubüchern lasset uns schweigen, obgleich - ein reizvolles Thema...).

Genial daran ist die Umkehr des Prinzips des einfachen Versands, diesmal nicht vom Händler zum Kunden, sondern vom Kunden zum Händler. Wie schon beim Versand in der anderen Richtung will das gut durchkalkuliert sein, Transportrabatte sind bis auf Cents herab eisern auszuhandeln, ein sehr strenges Controlling muß jedes Ausufern der Versandkosten unterbinden.

E.
Habe ich den Kunden erst einmal an dieses Kreislaufmodell gewöhnt, dann wird er schnell handzahm und treu wie ein Schäferhund. Es wäre das ideale Modell einer Käuferbindung, würde da nicht ein fast unüberwindliches Hindernis bestehen:

Das neuere gebrauchte Buch hat, weit mehr noch als das ältere antiquarische , einen fatalen  S c h m u d d e l c h a r a k t e r.

Ich halte das imagemäßig für eine fast unüberwindliche Hürde. Amazon, bei näherem Hinsehen aber auch Abebooks, würden sich bei vollem Einsteigen in die Momox-Kreisläufe ein peinliches Schmuddelimage zulegen, das sich tödlich lähmend auswirken müßte auf jene so ersehnten Neuwaren-, Elektronik- und anderen Edelwarenverkäufe, die in der Auseinandersetzung mit  E b a y  jetzt zentral wichtig sind.

Ich halte dieses Dilemma für unübersteigbar und möchte vorhersagen, daß Amazon und auch Abebooks nur zögerlich und sozusagen aus einem "wir aber auch"- Prinzip heraus h a l b h e r z i g  mit Momox gleichziehen. Es ist sicher, daß Momox und Amazon-Abebooks zwar feindliche Brüder bleiben und sich quasi Konkurrenz machen, daß sie aber in Wahrheit auf Dauer separate Geschäftsfelder beackern werden. Momox wird den Schmuddelsektor, so gut es geht, besetzen, Amazon-Abebooks wird kulturell oder sonst etwas "edlere" Ware haben (wollen).

Wenn Momox gescheit vorgeht, dann lagert es den Vertrieb seiner Titel in solche Firmen und Kanäle aus, die nicht sofort erkennbar sind als Momox-Betriebsteile. Die qua Momox-Prinzip erworbenen Titel erhält der Käufer dann durch Einrichtungen des Momox-Firmennetzes, die im Grund nichts anderes sind als Versandantiquariate. Es würde mich auch nicht wundern, wenn es bald Momox-Verkaufs-Ladengeschäfte geben wird oder sie, heimlich still und leise, längst existieren.

Durch die Trennung von Erwerb und Betrieb, durch die Verhehlung der Vertriebsfirmen, wird

*die psychologisch schmuddelige  Gebrauchtbuchware reingewaschen.

F.
Der anfangs eher bescheidene Werbeetat im Momox-Ankauf wird bald gigantische Ausmaße annehmen. Es ist dann für jeden Konkurrenten, insbesondere den einzelnen Antiquar, ganz unmöglich, ein Konkurrenzunternehmen aufzuziehen gegen Momox. Wohl aber gibt es noch, wenn auch in letzter Stunde, die Chance der Gegenwehr eines genossenschaftlich organisierten gemeinsamen "Momox der Antiquare."

Die psychologischen und wirtschaftlichen Mechanismen des Momox-Prinzips sind damit erst angedeutet. Für ein gutes "Momox-Basteln" muß das Verhältnis zu den Bücherdatenbanken ebenso geklärt werden wie die Technik, mit der die Verdrängung der Antiquare aus dem ihnen ja eigentlich zustehenden Markt camoufliert, weggelogen, vertuscht werden kann.

Ich verwette meinen Winterhut, daß das Mittel der Wahl bei Momox ein sorgsam bemänteltes F r a n c h i s e - System sein wird.

Der Antiquar demnach als abhängiger Lohnsklave, als brave nützliche Kuh im Stall?

Derzeit stehen die Antiquare von zwei Fronten her in Gefahr, ihre Freiheit zu verlieren: Amazon-Abebooks-ZVAB von links, Momox von rechts, das Antiquarskind in der Mitten...

Goethe, steig vom Denkmal herab und hilf uns!




Die Bildrechte gehören dem Delfin-Verlag und Disney. Wir danken für die Ausleihe.

Momox - Totengräber des Deutschen Antiquariats?



http://www.boersenblatt.net/455044/template/bb_tpl_antiquariat/


Sie haben sich ja inzwischen daran gewöhnt, daß der plaudersüchtige alte Mulzer nicht gleich zum Thema kommt, sondern erst einmal allerlei Nebensächliches von sich zu geben pflegt, genuschelt zwischen verschiedenen Zahnlücken, halbverständlich, nach Greisenart spuckend, mit den Nudeln vom gestrigen Abendessen im Bart. Da die dann folgenden Überlegungen zum Hauptthema auch unverstehbar sind, ergibt sich jene schöne Einheit von Form und Inhalt, nach der wir doch alle streben, streben wir nicht?

Ich werde aus den Statistiken zu dem Blog, in dem Sie hier lesen, nicht klug. Google listet für die erste Septemberwoche neben 646 Seitenaufrufen aus der Republik noch 35 aus den USA, je 23 aus Frankreich und Rußland, je 10 aus Österreich und aus der Schweiz auf, unter den ferner Laufenden auch China... Kurios ist das alles. Bei den knapp zweistelligen Zugriffszahlen etwa aus China oder Brasilien dürfte es sich um irgendwelche Suchmaschinenspinnlein handeln, die ihr automatisches Wesen ohn' Ansehn der Person treiben, die USA dürften auf meine beständige Erwähnung von Tomfolio zurückzuführen sein, aber was machen die Franzosen bei mir, die ja notorisch kein Deutsch können, und, man staune, die Russen?

Vor Monaten habe ich angeprangert (und tue es wieder), daß wir Antiquare die Kollegen der eroberten Ostvölker ganz im Stich lassen und ausgeführt, welche Möglichkeiten es da geben könnte, aktiv zu werden, schlicht und ergreifend erst einmal zu  h e l f e n. Aber das wurde mit allgemeinem Schütteln des Kopfes (nicht) zur Kenntnis genommen - woher also meine russischen Leser? Daß sich nur jeweils ein gelegentlicher Leser aus Österreich und der Schweiz hierher verirrt (nicht anderes bedeuten 10 Seitenaufrufe), bedauere ich aufrichtig, es zeigt, wieviel Vernetzungs- und Nachholbedarf in Sachen Zusammenarbeit da noch besteht.

Meine Portalfrage ist noch nicht ausgestanden, sie hängt erstens mit unserem geschätzten Kollegen Pardun zusammen, zweitens mit der Genossenschaft, drittens mit Björn Biester. Ich meine nicht "Beispiele", aus denen man hat lernen können, hier reicht die Ahnenreihe eines Antiquariatsportals von Leander Wattig (ein Phänomen in jeder Hinsicht, wenn auch aus meiner Sicht nicht durchwegs erfreulich) über den Kollegen Paulitz / Stormchen, dessen persönliches Schicksal im Zusammenhang mit seiner Antiquariatszeitung mich menschlich berührt, bis hin zu "Aus dem Antiquariat", der höchst seltsamen buchwissenschaftlichen Historikerzeitschrift von hohen Graden, die meint, eine "Antiquariatszeitschrift" zu sein. Sie ist einerseits viel mehr - andererseits leider auch viel weniger.

Es ist klar, daß zunächst das unübersichtliche Feld zwischen Bibliotheks- und Archivwesen, Neubuchhandel, Internet und Google, Urheberrecht, Nachdruck, Scans, Netarchive, ILAB und Altbuchverkaufsportalen in  A b s t r a c t s  berichtet werden muß. Das ist einfach nur journalistische Klein- und Fleißarbeit, die Spaß macht, auch weil sich aus schnell nachgeführten und gut erschlossenen Mosaiken dieser Art "selbsttätig" neue, eigene Erkenntnisse ergeben, einfach durch das Zusammentragen. Aber, lieber Herr Wattig, eben nicht durch pfiffig-freches automatisches Akkumulieren - da will gedacht, persönlich recherchiert sein. "Händisch" nennen das die Österreicher.

Soweit, so einsichtig. Auch ist es klar, daß wir heute die allgemeine Informationslage, den Informationsbedarf, ebensowenig ausgrenzen oder abtrennen dürfen vom Antiquariat wie das Sammelwesen, das Liebhaber- und Vollständigkeitssammeln. Es kann dem Antiquariat blühen, nach quälenden Rückzugsgefechten am Ende nur noch Lieferant für Sammlerinteressen eher mechanischer Art zu sein, Nachfolger des Briefmarken- und Bierdeckelsammelns. Solche Entwicklungen, die keine Deklassierung bedeuten müssen, kündigen sich schon an, wie auch der Niedergang des "moderneren" Antiquariats zur Momox-Fabrik (davon werden wir gleich sprechen).

In einer Zeit des Umbruchs für ein ganzes Gewerbe ist es unumgänglich, über alle Randbereiche zu berichten. Hier liegt ein Grundfehler nicht nur der Antiquariatssparte des Börsenblatts, sondern des gesamten Frankfurter Netzdienstes vor. Denn auch der Neubuchhandel steht vor gigantischen Umbrüchen, die viel umfassender vorbereitet und diskutiert werden sollten. Das Börsenblatt ist von daher insgesamt ein altes, archaisch solide gebautes, für moderne Container aber völlig ungeeignetes Segelschiff.

Ein Portal, jedenfalls wenn es mit meinem Namen verbunden sein soll, darf nicht über Leichen gehen. Ich hasse Menschen, die sich als Sozialisten bezeichnen, in der Praxis dann aber egozentrisch und egoistisch vorgehen und ihre Mitbewerber rücksichtslos niedertreten. Daher frage ich mich, wie ein Netzportal meiner geplanten Art sich auswirken wird, wer darunter leiden könnte. Denn dann ist es aus mit der jetzigen Blog-Idylle, schon weil dann die Kundenseite massiv ins Spiel kommt - und ihre Kunden sind auch den brutalsten Antiquaren nicht egal, da werden sie hellhörig.

Ein Netzportal für Kunden und Händler im gesamten Antiquariat - wer mag mir Ratschläge geben? Mein Briefkasten ist immer offen, ich antworte meistens rasch: mulzerbooks@t-online.de. Mitarbeiter willkommen!

*

Verdienstvollerweise unterrichtet uns Björn Biester heute (siehe den Link ganz oben) über neue Entwicklungen beim besonderen Freund und Liebling aller Antiquare, bei  M o m o x.  Hier können wir uns eigentlich kurz fassen und feststellen, daß das Momox-Prinzip mitsamt seinen Klonen, etwa der neuen Abebooks-Amazon-Variante, nichts anderes bedeutet als das  E n d e  des Buchantiquariats in Deutschland, soweit es sich mit Titeln nach etwa 1960 beschäftigt.

Für jene Kollegen, die sich eher mit älterer Fachliteratur oder mit deutlich bibliophilen Titeln befassen, bedeutet das Momox-Prinzip immer noch eine schwere, oft auch für sie tödliche Bedrohung.

Ich hasse es, Recht zu behalten (das ist eine Lüge, ich liebe es...). Wer unter den Antiquaren ein gutes Gedächtnis hat, der weiß noch, wie ich mich beim Vorgänger des Momox-Prinzips, bei  W ö l k i  literarisch aufgehalten hatte in langen Ausarbeitungen in der Hess-Runde.

Wölki war äußerst unbeliebt, hatte das auch verdient, angefangen vom systematischen Ausbeuten staatlicher Unterstützungstöpfe bis hin zu windigen MA-Kettenläden, deren Scheitern dann die Angestellten auszubaden hatten. Alles recht unerfreulich!

Und doch: Wölki hatte  g e n i a l  erfaßt, wie das Antiquariat der Zukunft aussehen mußte. Er rationalisierte, senkte die Kosten, steuerte - mit wenig Glück freilich - die Bücher-Verkaufsdatenbanken in seinem Sinn, er hatte als erster dutzende Hamburger, dann Dresdner Hausfrauen an der Titelaufnahme sitzen, baute riesenhafte, durchorganisierte Läger auf.

Das Beispiel Wölki lehrt uns eine ganze Menge, und ich sehe beim Blättern in den uralten Hess-Papieren, daß ich die Grundlinien damals schon herausgearbeitet hatte, zuhanden aller Kollegen, denn in ihrer Weise war die Hess-Runde das effektivste Medium, das die Antiquare je hatten.

Halten wir fest: M o m o x  und sein Amazon-Abebooks-Klon  i s t  das Ende des Antiquariats im deutschen Sprachraum. Derzeit vernichtet Momox, gemessen am Umsatz und der Zahl der Mitarbeiter, bereits etwa 100 (einhundert) kleinere Kollegen, und das nach erstaunlich kurzer Anlaufzeit.

Gibt es ein Gegenmittel, ein Rettungsmittel gegen Momox?  N e i n.

Exkurs: Auch die älteren Titel vor der ISBN-Zeit sind durch die großen Verkaufsdatenbanken schon weitgehend "transparent" geworden. Händler wie auch Kunden können Anzahl und Preisniveau des gesuchten Titels mit wenig Mühe ermitteln, dazu sind die - nach wie vor erstaunlich unbekannten - Metasuchmaschinen gar nicht mehr notwendig. ZVAB und/oder Abebooks reichen aus. Der Kunde erlebt, wertet, berechnet also auch alte Standardtitel vor der Benummerungszeit bereits schematisch, als Stücke mit bekanntem, mit anerkanntem Preis. Die Zustandsfrage, bei älterem Material etwas wichtiger als bei neueren Titeln, ist leicht in den Griff zu bekommen.

Sind schon die älteren Titel wenigstens teilweise zum  S c h e m a  geworden, zu Artikeln mit mehr oder minder "bekanntem, anerkanntem" Preis, so gilt das noch weit mehr für neuere Bücher nach Beginn er ISBN-Benummerung..

Für beide Gebiete gilt übrigens, daß es in verstärktem Maß - ich sage das bewußt so hart - halbirre Antiquare gibt, einzuschätzen als Spinner oder Verbrecher an ihren Kollegen, die mitten in ein stabilisiertes Preisfeld eines Titels hineinknallen mit ein, zwei absurden "Kampfpreisen", die das Feld nach unten hin aufreißen, da wird die Hälfte, oft sogar nur ein Drittel angesetzt.  D i e s e s  Problem macht aber auch Momox zu schaffen, es betrifft alle, insoweit ist es für die unsere Diskussion hier neutral.

Wenn ich eine teilstandardisierte Ware habe und als  G r o ß b e w e r b e r  in einen Markt gehe, dann verfüge ich bei geschickter Planung über

- einen Kapitalhintergrund, der kleineren Händlern unerreichbar bleibt (die Banken geben mir die Kredite), dann kann ich
- gnadenlos rationalisieren, erziele weitaus größeren Gewinn, ich kann auch
- eine größere Auswahl bieten als der kleinere Mitbewerber, ich werde
- ausgedehnter und besser werben (gerade auch im Netz)

und so beginnt die bekannte Spirale des fast zwangsläufigen, automatischen Machtzuwachses.

Was ich persönlich geradezu pervers finde, ist das Faktum, daß sich alle Bemühungen, alles Herumzappeln meiner kleineren Mitbewerber auf Messen, mit Sympathiewerbung, mit Büchersammelportalen usw. für mich als den großen Gegenspieler auch noch fördernd auswirkt. Der kleine Antiquar, den ich zu erdrosseln mich anschicke, leitet mit seinen verzweifelten Überlebensbermühungen Wasser auf  m e i n e  Mühle. Das ist pervers.

Die Antiquare hätten eine einzige Möglichkeit, sich zu wehren, ihrem Ende zu entkommen - wenn sie sich zusammenschließen würden. Gegen Momox hilft nur ein noch größeres, genossenschaftlich organisiertes, von allen Antiquaren getragenes Anti-Momox.

Wir sind hier an einem spannenden Kreuzungspunkt angekommen: Die Amazon-Abebooks-ZVAB-Frage, aus der nur genossenschaftliches Miteinander noch heraushelfen kann, da das Kartellamt die Antiquare  nach meiner persönlichen Einschätzung im Regen hat stehen lassen, trifft auf die Momox-Frage. Das Abwürgen durch Amazon wird naturgemäß langsam erfolgen, die Antiquare müssen sich - hübsche Aussichten - noch weitaus stärker als bisher an Amazon-Abebooks-ZVAB klammern, um gegenüber  Momox bestehen zu können.

Der Momox-Mechanismus aber wird weitaus schneller wirksam. Wenn Momox jetzt keine Fehler macht, wenn es die Kartellbehörde in einem späteren Stadium ähnlich geschickt "behandelt" wie Amazon das tut, dann läutet nicht die Amazon-, sondern die Momoxfrage die Totenglocke am Sarg der Antiquare im deutschen Sprachgebiet.

Ja, ich weiß schon, die oberen 50 Verbandsantiquare betrifft das nicht, die Genossenschaft sitzt alles träge aus, weshalb auch - was geschehen wird an Maßnahmen und Hilfsversuchen?  N i c h t s.

Deutsches Antiquariat, ruhe in Frieden.

"Hier liegt ein Berufsstand, der blind, faul und dumm in den eigenen Untergang gelaufen ist "
"Beachten Sie die Beileidskränze von Momox und Amazon-Abebooks-ZVAB"

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Nachschrift, Zitat aus einer Email:

"...hinter den Ankaufspreisen steckt ein  v a r i a b l e s  ausgebufftes System, bei Amazon hab ichs ausprobiert, bei Momox wird es sowieso schon ähnlich existieren - die Schnelligkeit und Häufigkeit des "Abverkaufs" der Titel wird in Relation gebracht zum ehemaligen Ladenpreis. Amazon/Abebooks kann solche Operationen als als Herrin der Daten ihrer Antiquare ohnehin perfekt leisten. - ."

Mittwoch, 7. September 2011

Von Bedeutungen, Namen und wie sie Frau Maier begruben



http://www.boersenblatt.net/454950/template/bb_tpl_antiquariat/

Gibt es Zeichen, Hinweise aus den Randgebieten von Zufall, Esoterik, Bestimmung? Eben lese ich beim zweiten Frühstück, es findet bei mir nach 14 Uhr statt, eines der alten Rätsel aus der ZEIT-Beilage "Wer ist's ? " um 1980, dann schaue ich nach, ob Björn Biester über die Mittagszeit etwas eingefallen ist, und siehe da, er bringt uns die neue Rätselecke der genossenschaftlichen Bücherdatenbank zu Gesicht. Also soll ich wohl, angestoßen durch unsichtbare Kräfte, heute noch etwas schreiben.

Auf meiner Bank des Nachdenkens hat mich die Muse vorhin übrigens im Stich gelassen. Wie das bei betagten Greise oft der Fall ist, habe ich präzise Angewohnheiten, man kann die Uhr nach mir stellen. Bin ich nicht auf Ankaufsreise, radle ich auf meinem Schrottgefährt über die blaue Brücke, nehme Punkt 13 Uhr den Kaffee auf der Kaiserstraße, mitten im Menschengewühl verteidigt eine Bäckerei dort drei Tischchen. Um mich herum wuseln die Touristen, ich betrachte sie und sie sehen mich an, wie im Zoo. Dann wandere ich zum Adelhauserplatz und denke unter alten Linden nach. Heute ist mir nichts eingefallen.

Wohl aber habe ich was zu bemerken zum "Antiquare raten". Der Ton des Beitrags ist munter und viel lockerer, als ich das bisher von dieser unsäglich trocken, pseudojuristisch und in Korinthenkackergeist formulierten Datenbank gewohnt war. Hat da ein neuer Geist Einzug gehalten, humorvoll, geistreich, wagemutig? Ich würde es sehr wünschen.

Allerdings, das lehrt mich der Vergleich mit dem erwähnten ZEIT-Artikel, tut es die Gesinnung nicht, es sollte auch gutes Deutsch sein. Deshalb bitte: Redigiert die Texte nicht nur auf Druck- oder Grammatikfehler hin, sondern auch zur Erzielung eines besseren Schreibstils. In dem Text, den uns Biester soeben vorgestellt hat, wechseln Oberlehrer- und Honoratiorenschwäbisch-Stil mit dem Gestammel einer Praktikantin in bunter Folge. Das muß nicht sein - als Gegenmittel empfehle ich, den Text durch mehrere Leute querlesen zu lassen und sie zu fragen, ob ihnen Stilbrüche auffallen.

Nein, das sind keine Quisquilien - unsere Kunden sind literarisch hochempfindlich. Mehrere Jahre Quälerei durch die unsäglichen "Kulturtexte" des ZVAB sind noch in schrecklicher Erinnerung. Also: Die Grundidee ist sehr gut, die inhaltliche Umsetzung gut, die sprachliche Form soweit korrekt - aber der Stil ist pennälerhaft uneinheitlich.

*
Vom eben geäußerten Lob muß ich wieder etwas wegnehmen und sagen, daß die neue Idee natürlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, nicht mehr - und daß solche kleinen kosmetischen Operationen nun nicht dazu führen dürfen, sich auf den noch sehr zierlichen Lorbeerblättchen auszuruhen. Eine Gefahr ist bei allem, was Björn Biester verantwortet, immer im Auge zu behalten - sein lobenswertes Bestreben, über alles gleichmäßig zu berichten, wie die brave Mutter allen Kindern gleichmäßig das Hirsebreitellerchen füllt, führt nämlich regelmäßig dazu, daß die  g r o ß e  L i n i e  ihm und seinen Lesern aus den Blick gerät. Es gibt doch Prioritäten, wichtige und eher marginale Themen, Dinge, die uns auf den Nägeln brennen und andere, die wir eher als Freizeitspaß goutieren.

Björn Biester besitzt nicht unbedingt einen wachen Sinn für Prioritäten. Daß die Antiquare sehr wohl wichtige Themen erkennen und sie diskutiert haben wollen, hat jeder Leser noch in Erinnerung aus den Kommentaren, die öfter in die 50er, gelegentlich sogar die Hunderterregionen hochgelaufen waren. Im Börsenblatt-Netzdienst von heute, noch mehr im Druckmedium "Aus dem Antiquariat" rangieren Wiegendrucke, Antiquariatschroniken und kleine Gadgets noch kleinerer Datenbanken in etwa gleichrangig mit Momox, Amazon oder der Genossenschaftsfrage. Natürlich verführt die - von mir stets kritisierte - neue graphisch-taktische Gestaltung des Börsenblatt-Netzdienstes dazu, Prioritäten ganz zu vernachlässigen. Seit aber das Korrektiv der Leserkommentare weggekürzt worden ist, nimmt die Unterbehandlung der Kernfragen teils doch groteske Züge an.

Zurück zur Datenbank. Natürlich ist eine Rätselserie ganz hübsch und, was mir wichtiger erscheint, ein Schritt in die richtige Richtung, aber es bleibt nur eine Marginalie. Kein Grund, sich zu beruhigen.

*
Man merkt es dem kurzen Text Biesters an, daß auch er sich schwertut mit der unglücklichen Benennung der genossenschaftlichen Datenbank. "Antiquariat", das ist halt allemal kein Name eines Bücherverkaufs p o r t a l s. Hier wurde sehr vordergründig geplant und sprachfern gedacht. Es kommt  n u r  darauf an, was ein Name im Kopf der durchschnittlichen  K u n d e n  hervorruft, assoziiert, provoziert und ob er unserer Absicht gemäß mit Hilfe dieses Namens auch wieder schnell aus dem Gedächtnis des Kunden geholt und  m o b i l i s i e r t  werden kann. Hilft der Name der Datenbank dem Kunden, rasch und halb unterbewußt eine Klickbereitschaft herzustellen?

Das ist mit "Antiquariat" ganz gewiß nicht der Fall, noch weniger, wenn - juristisch freilich anzuraten - stets formuliert wird "Antiquariat.de".

Im Kopf des Nutzers, fatalerweise gerade erst recht im Hirn des antiquariatskundigen geschulten Kunden, entsteht als erste Assoziation ein  Z w e i f e l. Zweifel erzeugt Unbehagen. Es ist nicht ein mitunter erwünschter Zweifel, etwa wie bei den in Mode gekommenen doppelsinnigen Bezeichnungen, sondern ein höchst unzweckmäßiger, nämlich der Verdacht beim Kunden, entweder er könne sich geirrt haben oder es liege ein Sprachfehler, Begriffsfehler, Bedeutungsfehler seitens der Datenbank vor.

Der letztere Verdacht ist natürlich ganz tödlich - und genau er entsteht! Der geschulte Kunde weiß, daß "Antiquariat" immer und nur ein einzelner Geschäftsbetrieb ist (nicht notwendigerweise ein Laden, die Bezeichnung "Versandantiquariat" hat sich gut eingeführt). Aber es ist immer  e i n  Antiquariat.

Mehrere Antiquariate sind für ihn, zurecht, "Antiquariate".

Ganz einfache Menschen pflegen unter "Antiquariat" auch "antiquarische Bücher" zu verstehen, etwa "ich habe auf meinem Speicher noch Antiquariat liegen, wollen Sie das kaufen?" Das sind dann aber immer Arbeiter, Bauern, kleine Angestellte, oft auch Schüler - - unsere Kunden sind das nicht.

Ihre falsche, irrtumerregende Bezeichnung hat der genossenschaftlichen Datenbank schon sehr geschadet. Wer immer auf die Idee gekommen ist (ich weiß, im Zusammenhang mit jenem Namensrechtsstreit), er hat ganz, ganz falsch gedacht und die Genossenschaft hat töricht gehandelt.

Die Bezeichnung "Antiquariat" für die genossenschaftliche Verkaufsdatenbank  m u ß  geändert werden. Das tut weh, aber sehen Sie es wie die Entfernung einer Gebärmutter - ohne Totaloperation geht Frau Maier elendiglich zugrunde. Wollen wir das?

Vor jeder anderen Reform muß ein neuer Name gefunden werden!

Antiquariatsportale der neuen Generation - von der Datenbank zum H e i m des Kunden




Wer Feldzüge plant, muß seinen Kopf freihalten für die großen Linien. Dies gilt auch für jenes Absurdistan, in dessen Namen ich hier schreibe - ein Reich eigenbrödlerischer mißtrauischer Waldkauze, gewöhnlich Antiquare genannt, mit einer Armee, die nur in meiner Vorstellung besteht, mit einem Konzerngegner, der in der dritten Zigarettenpause, süffisant grinsend, die neuesten Spinnereien des Mulzer zur Kenntnis nimmt und sich ab und zu vergewissert, daß die Überweisungen an seine Vertrauensmänner im Gewerbe herausgegangen sind.

Den Kopf freihalten bedeutet: Ich schaue nicht in jedem Einzelfall nach, welche meiner Ideen wo und wie schon punktuell verwirklicht worden ist. Es gibt Ansätze allenthalben. Wie auch immer, ich tue so, als müßte ich das Rad neu erfinden. So geht es am Einfachsten, das sagt auch Ihr Architekt, der in der Regel lieber abreißt und dann neu baut, als sich mit Umbauten herumzuplagen.

Sollte dem Gegner heute die dritte Zigarettenpause nicht so gut bekommen und ihm das Grinsen vergehen - es wäre in meinem Sinn.

*

Die größte Stärke bei Amazon-Abebooks ist nach meiner Einschätzung die Kunden-Vernetzung im Bereich der Kommentare und der Assoziationen, der selbsttätigen Erforschung und Neukombination der bereits punktuell ermittelten Interessen des Käufers/ Anfragers /Besuchers. Für Theoretiker wie den Kollegen Pardun ist das selbstverständlich - nur tut kaum jemand außer Amazon den letzten Schritt und setzt die Theorie des Web2 in die Praxis der Bücher-Verkaufsdatenbanken um.

Dabei verwirklicht Amazon-Abebooks die neuen Möglichkeiten nur in einem Mindestmaß. Dennoch gilt für mich schon jetzt, daß es für jedes Buchverkaufsportal, ob im Neu- oder im Altbuchsektor, ein Ding der Unmöglichkeit ist, hinter dem Amazon-Abebooks-Standard zurückzubleiben.

Der Großteil unserer Bücherdatenbanken wirkt tot, unlebendig, öde, dröge und mit dem Kunden "nicht in Berührung", weil die elementaren Bestandteile - Ideensammlung, Assoziation und Kundenkommentar - nicht eingebunden, nicht verwirklicht worden sind. Separat, irgendwo anders - ja, als integrierter Teil der Datenbank aber nicht.

Ich sage nochmals und rufe unseren Hl. Pardun als Zeugen an: Das sind keine Amazon-Großtaten, sondern es ist die längst fällige, sich logisch ergebende Folge aus dem Web2. Also muß sich keiner schämen, wenn er die Amazon-Abebooksmethoden direkt übernimmt und in sein eigenes Portal einbaut, er kupfert nicht ab, er holt Selbstverständliches nach.

Bis hierhin ist der Gedankengang ziemlich trivial. Spannend wirds erst jetzt, denn wir wenden unsere Erkenntnis von vorgestern auf das Modell an: Die gewinnorientierte Datenbank kann und darf die  H ä n d l e r, also die Antiquare, nicht einbinden als selbständige Teilnehmer in das Gewebe der Meinungsäußerungen, Stellungnahmen, Buchbeurteilungen, bibliographischen Arbeiten usw., da sie sonst nicht Herrin über die provisionspflichtigen Güter bleibt und, horribile dictu, der direkte Weg Kunde-Händler eröffnet würde.  Dagegen kann die genossenschaftliche Datenbank das ohne weiteres tun, ist doch der teilnehmende Händler am Gesamterfolg interessiert, er zahlt für den Gesamterfolg. .

Hier kann der Händler in ein viel ausgedehnteres Netz mit eingebunden werden, das mit der Titeldatenbank in engster Verbindung steht. Wir sehen die genossenschaftliche Datenbank als ein gewaltiges System von  F o r e n  jeglicher Art, in denen Kunden und Antiquare, immer in engster Verbindung mit den angebotenen Titeln, miteinander plaudern, raten, urteilen, Hinweise erfragen und geben.

Daß Amazon-Abebooks die Hände gebunden sind im Bereich des Antiquariats, was die Händlerteilnahme angeht, ist für den Konzern lähmend, denn im Altbuchbereich ist der Händler ja immer auch  E x p e r t e  oder sollte es doch sein. Der N e u - Buchhändler ist meist nur Buchvermittler, oft ist er austauschbar, ohne weiteres ersetzbar - im Antiquariat gilt der Händler als begehrte Fach- und Auskunftsinstanz vor allem bei den Kunden. Vielleicht zu Unrecht, aber darauf kommt es nicht an.

Erst durch die Vernetzung  A n t i q u a r -  K u n d e  wird das Web2-Modell im Datenbankbereich sinnvoll. Diese Vernetzung kann und darf Amazon-Abebooks-ZVAB von seiner Grundstruktur her nicht leisten - unser genossenschaftliches Portal darf es!

Hier nun weiterzudenken macht Spaß. Wir haben überlagert mit der Web2-Datenbankstruktur seit gestern Abend nun ja auch das Gitter der Kompenenzzentren, die bekanntlich nicht als starre Zentren, sondern als Informations-Sterne aller jeweils tangierten Kollegen geplant sind. Die Bücherdatenbank wird so zum gigantischen Informationsmedium, zum Ansprechpartner, zur ersten Ressource überhaupt für jeden, der alte Bücher sammelt.

Exkurs: Wer hat sich nicht schon über jene verlogene, roßtäuscherische Unsitte geärgert, mit der einige bedeutende Altbuchportale auf Google-Anfragen mitteilen, der und der Titel sei nicht lieferbar. N i c h t!  Und dann wird das seltene Altbuch in getürkter "Titelaufnahme" trotzdem dargestellt, dem Nutzer wird Zeit gestohlen. Vermutlich macht Google solche Tricks nicht mehr lang mit, aber noch grassiert das Ärgernis im Netz und zum Teil sogar in den Datenbanken selbst. Ich nenne hier aus juristischen Gründen keine Namen - probieren Sie es aus, die Übeltäter sind schnell entlarvt.

Diese Unsitte wird das genossenschaftliche Portal in dann positiv abgewandelter Form übernehmen müssen: Der kommentierte Titel "verschwindet" ja nach erfolgrem Verkauf, in den Diskussionen, Fragen, Beurteilungen usw. aber taucht er weiterhin auf bzw. steht noch dort. Also wird die Datenbank neuen Stils in deutlicher Unterscheidung, kleinerer Schrift, farblicher Abgrenzung solche Bücher, die zwar jetzt verkauft sind, die aber in der Diskussion waren, weiterhin aufführen müssen.

Das ist nur eine der vielen Detailfragen, die nicht übersehen werden dürfen.

Fazit: Die genossenschaftliche Datenbank kann, anders als die gewinnorientierte, die  H ä n d l e r  in die Diskussion miteinbeziehen. Da Antiquare von den Kunden als  F a c h l e u t e  respektiert werden, empfinden sie die Diskussion mit ihnen als wertvoll. Die neue Datenbank wird, eng vernetzt und auf mehreren Ebenen korreliert, ein ganz dichtes Gewebe der Sekundärkommentare, Urteile, Meinungen, Fragen, Stellungnahmen enthalten.

Sie wird auf diese Weise zum  H e i m  des Kunden.



Das Foto ist urheberrechtlich geschützt (fotocommunity). Wir danken für die Ausleihe.

Dienstag, 6. September 2011

Die neuen Kompetenzzentren der Antiquare - wie fangen wirs an?


http://www.boersenblatt.net/454811/template/bb_tpl_antiquariat/

Björn Biester, der verehrte Redakteur unseres Leitmediums im Antiquariat, nomine Börsenblatt des Deutschen Buchhandels, sollte hin und wieder etwas näher hinsehen. Wenn es Ärger gibt, der telepathisch übertragen und empfunden werden kann - wovon ich überzeugt bin -, dann muß Biester gestern Nachmittag meinen Zornausbruch gespürt haben. Ich spreche von "DieBuchSuche", jenem seltsamen Gebilde, dem er einen eigenen Kurzaufsatz gewidmet hat.

Frohgemut machte ich mich daraufhin an eine Neuauflage meiner beliebten Webseitenkritik. Ich habe übrigens festgestellt, daß die Kollegen mir da etwas Fachkompetenz zutrauen, die letzten Ergebnisse (nahezu eine 1 für Abebooks und fast eine 4 für das ZVAB) wurden diskutiert und zur Kenntnis genommen.

Diesmal aber stellte ich meine Arbeit nach wenigen Minuten entsetzt ein. Unser aller Redakteur in Frankfurt, hast du das denn nicht gemerkt: Wir sehen hier eine linkisch dahingestoppelte, abgrundhäßliche, mit Anfängerfehlern noch und noch behaftete  - ganz unbrauchbare Metadatenbank. Dergleichen übergeht man, ich bitte darum, mit Schweigen. Es wird ja viel Unfug ins Netz gestellt, auch von mir, nimmt es aber ganz peinliche Ausmaße an, dann übergeht man solche Ausrutscher taktvoll und diskret.

Hier wurde uns aus Österreich, nach meiner persönlichen Einschätzung, eine peinliche Kalberei, ein Dummerjungenstreich präsentiert. Wenn man mir widersprechen sollte, dann nehme ich die Angelegenheit auseinander, aber ich denke, den Generalverriß kann man sich ersparen. Schwamm drüber. A l l e s  ist falsch gemacht worden. Diese Meta-Datenbank kann nur halbblinde Masochisten der strengen Observanz erfreuen - hach ja, bitte quäl mich, tu mir weh, jaaa...

Schnell weiter.

*

Die Brieftaube vom Dienst, genauer gesagt ein Täuberich, der vom Niederrhein, mit einem Abstecher nach Westfalen, nächtens zu mir fliegt und in seinem Schnabel allerlei Geheimzuhaltendes trägt, läßt mich nicht im Stich. Er bekommt von mir auch gutes Futter, wird übers Köpfchen gestreichelt und ich habe, was das Entscheidende sein dürfte, eine anmutige Täubin für ihn auf dem Dachboden verwahrt. Zum Weibe drängt, am Weibe hängt  ...

Ich will deshalb auf den Einwand antworten, es handle sich bei meinem Vorschlag von heute Mittag, Kompetenzzentren einzurichten und sie mit der genossenschaftlichen Datenbank zu verknüpfen, um sozialistische Gleichmacherei oder Schlimmeres.

Eigentlich gibt es alles schon, wir müssen nur dies und das umbenennen und organisieren. Die Kunden wie auch wir Händler wußten schon immer, welcher Antiquar was für Fachgebiete hat, wen man in einfachen und komplizierten Dingen fragen konnte. Es gibt freilich Blumen, die im Verborgenen blühen, und solche, deren Bekanntheitsgrad unverdient zurückgegangen ist.

Zwei Beispiele, willkürlich herausgegriffen. Ich bin davon überzeugt, daß Kollege Feucht in Allmendingen nach wie vor auf allen Gebieten der weitverzweigten Sittengeschichte der ideale Ansprechpartner und der gegebene Leiter des entsprechenden Kompetenzzentrums ist. Aus mir rätselhaften Gründen aber ist er im Netz nicht recht präsent und langsam wird er auf sein Fachgebiet bezogen "internetmäßig" ins Halbdunkel gerückt. - Es gibt eine Handvoll jüngerer Antiquare, die sich teils in Grenzgebieten mit Sittengeschichte und Erotika befassen, ob von der Fotografie oder von der Literatur her, und es gibt Häuser z.B. in Wien, die lagermäßig über große ältere Erotica-Bestände verfügen. Es ist nun aber Kollege Feucht, der am besten die Verästelungen und Relationen aller anderen Mitbewerber in seinem Kernfach kennt, sie einzuschätzen und zu rubrizieren vermag.

Also wird man Konsensus darin herstellen können, daß er der Leiter des Kompetenzzentrums "Sittengeschichte" wird. Er baut dann den weiteren Informationsstern auf, das geht immer auch ins  A r c h  v a l i s c h e  hinüber. Kollege Feucht kann Anfragende zur FKK-Bibliothek bei Kassel verweisen, er kennt die Zugangsbedingungen zur "Hölle" in der Pariser NB, ist informiert über das Schwule Archiv in Berlin und kann berichten, welche Flagellantica wo nachgedruckt worden sind.

Ich bin mir sicher, daß die Leiter des jeweiligen Kompetenzzentrums fair genug sind, alle Fachkollegen mit zu erwähnen, zu verzeichnen und Anfragen auch an sie zu delegieren.

Zweites Beispiel: Die deutschsprachigen Alsatica sind dabei, bis auf lächerliche Reste zu verschwinden vom Neubuchmarkt und die Altbestände sind heillos zersplittert in dutzenden deutscher Antiquariate zu finden. Größere Bestände gibt es bei jeweils einem Kollegen in Mülhausen und Colmar und bei zweien in Straßburg.

Den weitaus größten Bestand an deutschsprachigen Alsatica habe ich auf Lager, was kein Grund zum Angeben ist, denn sie sind inzwischen fast unverkäuflich und wertlos. Trotzdem sind diese 150 laufenden Meter mitsamt den zugehörigen bibliographischen Arbeitsmitteln gute Grundlage, ein "Kompetenzzentrum" für Alsatica bei mir anzusiedeln. Ich kenne die meisten erwähnten Kollegenbestände recht gut und würde sie natürlich als Mit-Kompetenzen anführen, wo ich sie nicht kenne (z.B. Saarbrücken und Baden-Baden), würde ich mit den betreffenden Kollegen in Kontakt treten. Nachfragende müssen über die - sehr gute - Recherchenlage bei den betreffenden Bibliotheken und Archiven aufgeklärt werden.

Ich schätze von mir her übrigens den Arbeitsaufwand für Auskunftserteilung auf täglich eine halbe Stunde. Das ist schon machbar, bringt ja auch neue Kontakte.

Es muß nun gewährleistet sein, daß das ganze System der Kompetenzzentren

*transparent, demokratisch und gemeinsam kontrolliert

entwickelt wird. So wie Kollege Feucht "seinen" Fachkollegen nichts vormachen kann, würde auch ich mich unter beständiger Kontrolle der mit Alsatica handelnden Kollegen befinden (vor welcher Spezialisierung ich übrigens dringend abrate - sterbende Sprachgebiete zu beackern ist eine grausame Sache, die Papiermühle wartet schon...). Das ist eben das Gute an der Netzarbeit - alles ist transparent und nachprüfbar.

Deshalb erzürne ich mich ja so über die (noch) gebräuchliche Verhehlungs- und Dunkelmännerpolitik der Antiquare im Netz. Das ist nicht gut, begreift es doch endlich!

Fazit: Es handelt sich bei meinem Projekt nicht um "Sozialismus", sondern um ein Transparentmachen, ein demokratisches Offenlegen und Festzurren von Sachverhalten, die bereits existieren.


Das aktuelle Foto von der letzten Generalversammlung der Kompetenzzentren-Leiter gehört  der Grundschule Heimstetten bei München. Dank für die Ausleihe!

Antiquare vernetzt - Kompetenzzentrum, Blocktausch, Verkaufsportal



http://www.boersenblatt.net/454686/template/bb_tpl_antiquariat/

Björn Biester informiert uns im Bösenblatt-Netzdienst über eine neue bibliographisch-technische Hilfestellung bei der Bücherdatenbank "booklooker". Dies führt uns direkt zum zweiten Teil des Feldzugsplans der Antiquare gegen den Amazon-Konzern.

Zuvor noch zwei eher äußerliche Randbemerkungen. Redakteur Biester beklagt aus seiner Sicht zurecht, daß nur wenige Kollegen den Text, mit dem sie seine Umfrage zu "antiquar intern" beantwortet hatten,  n a m e n t l i c h  unterzeichnen wollten. Ich darf ihn freundlich daran erinnern, daß er selbst es war, der formuliert hatte: "Link zur anonym durchgeführten Umfrage, deren Ergebnisse Anfang kommender Woche auf boersenblatt.net veröffentlicht werden sollen".

Ich bin bekanntlich ein engagierter Gegner aller anonymen und sonstwie verheimlichten, sekretierten, abgeschotteten oder geheimen  Vorgehensweise im Internet. Ich wollte meinen Text ("Was die Antiquare in ihrer schwierigen Situation brauchen...") schon unterzeichnen, da erinnerte ich mich daran, daß Biester selbst um Anonymität gebeten hatte.

Zum anderen ergibt sich bei Google eine immer kuriosere Situation. Ohne daß ich das will, honoriert die Suchmaschine meine streng themenzentrierten Blogbeiträge zu allen Fragen des Antiquariats von Tag zu Tag besser. Wer "Antiquariat" und eines der typischen Problemfelder unseres Gewerbes eingibt, landet in der Regel schnell bei mir. Kurios erscheint mir, daß das auch auf die Verwendung meiner Bilder zurückzuführen ist. Ruft man den Blog  über die Bildersuche auf, erhält man ein höchst merkwürdiges Kaleidoskop. Google scheint das zu mögen.

Nun könnte der Eindruck entstehen, daß die Antiquare ähnlich emsig wie Google meinen Spuren folgen würden. Das ist aber nicht der Fall. Ich habe zwar, wenn ich die Blogstatistik richtig lese, seit gestern 4 (vier ) regelmäßige Leser, welcher vierte die Amazonzentrale sein dürfte. Aber darunter sind, wie ich vermuten muß, nur zwei Antiquare. Dies entspricht einer Leserschaft von 0,2 Prozent der Vertreter unseres Gewerbes. Beide Faktoren zusammen gesehen lassen den Schluß zu, daß kein Antiquar "googelt". Woraus sich wiederum die ungute und gefährliche Situation ergibt, daß  a u ß e r h a l b  unseres Gewerbes meine Ansichten emsig zur Kenntnis genommen werden, ich in die Rolle eines Fachmanns des Antiquariats hineinwachse - - für Nicht-Antiquare. Die Antiquare selber aber wissen gar nicht, daß es hier was Fachbezogenes für sie zu lesen gibt.

Ein "Schweigekartell" dieser Art ist mir von keinem anderen Berufsstand her bekannt. Die Akteure heißen Hiernichtzunennen, Höfs, Weinbrenner-Nachfahren und Björn Biester; würde er seinen Dienst weiterführen, wäre auch Pardun zu nennen. Ich habe das, weil "nicht konziliant", durchaus verdient. Nur eben ergibt das eine ganz kuriose Situation, da die Außenwelt denkt, daß ich für die Antiquare spräche. Wie will man aus der Bredouille herauskommen?

*

Um das gleich zu sagen: Mich nervt die "Autovervollständigung" nicht immer. Beim ZVAB bin ich darüber nicht erfreut gewesen, bei Booklooker mag ichs noch weniger. In beiden Fällen kann ich aber zu keinem klaren Urteil kommen. Ich selbst bin jeden Tag mehrere Stunden im Internet zugange, fast nur in den USA, in Rußland und in Frankreich, und die Google-Autovervollständigung möchte ich keinesfalls missen.

Deren Grundlage aber ist erstens ein gigantisches Register meiner früheren Suchanfragen, über das Google verfügt und das es sekundenschnell einsetzt. Sowas kann wirklich hilfreich sein, die darin liegende Indiskretion nehme ich gern in Kauf.

Anders ist das schon bei Amazon. Bekanntlich merkt man sich dort nicht nur irgendwann abgefragte oder gekaufte Titel, sonern serviert mir auch die "...hat auch gekauft" -Vorschläge, versucht also  F e l d e r  zu ermitteln, für die ich micht interessiere. Auch das ist nützlich, streift aber die Grenze zur Peinlichkeit, weil ich bei Amazon als Käufer auftrete und, anders als bei Google, ein Abhängigkeitsverhältnis von mir zu Amazon besteht.

Die Autovervollständigung bei booklooker, auf die uns Biester heute aufmerksam macht, ist eher technischer Art. Das vermutlich "häufigste" Wort, das hinter meinen ersten beiden Buchstaben stecken könnte, wird vorgegeben. Dies hat mich schon beim Open Office zur Weißglut getrieben, bis ich endlich die Registerkarte fand, mit der solche "Hilfen" abzustellen waren. Ich halte das für wenig sinnvoll, möchte es aber nicht weiter diskutieren, weil die Geschmäcker verschieden sind und man diese "Hilfe" ja auch mögen kann.

*

Interessant aber ist das dahinterstehende Problem - es geht um die Frage, wie der Kunde der Bücherdatenbank von seiner Einzeltitelsuche aus hingeführt werden kann zu einer Sachgebietssuche. Sie finden in diesem Blog mehrere Arbeiten zur Frage der bibliographischen Erschließung und Darbietung unserer Buchbestände in den Verkaufsdatenbanken. Das Fazit hieraus ziehe ich selber: Es bringt alles nichts.

Natürlich könnten und sollten wir zu einer Einheitsgliederung im Gewerbe kommen, ein Regelheft im Volksbibliothekaren-Standard täte uns allen sehr gut. Aber dazu bleibt in den kommenden Monaten des Vernichtungskriegs um unsere  F r e i h e i t  gegenüber dem Amazon-Konzern keine Zeit, keine Muße, keine Ruhe.

Wir ziehen nun von dem Problemkreis

Autovervollständigung/ "...hat auch gekauft" / Einheitsbibliographie im Antiquariat

eine direkte Linie zum dritten Teil unseres Generalangriffskonzepts. Von ihm soll nun die Rede sein.

Wir sahen gestern, daß es eine Achillesferse der gewinnorientierten Bücher-Verkaufsdatenbanken gibt - die Bewerbung/ Promotion der teilnehmenden Antiquare darf es dem Kunden nicht ermöglichen, direkten Kontakt zum Antiquar in einer Weise zu erhalten, die Beziehungen und Verkäufe unter Umgehung, unter Außerachtlassung der Verkaufsdatenbank ermöglichen würde.

Ein gewinnorientiertes Verkaufsportal, das solche  f r e i e n  Kontakte des Kaufinteressenten zum einzelnen Antiquariat und seiner Webseite auch noch fördern würde, würde sich sein Grab selber schaufeln.

Wir sagten bereits, daß es die Stärke des genossenschaftlich orientierten Portals sei, daß es solche Kontakte und Beziehungen ohne Angst, ganz freimütig herstellen und unterhalten kann.

Nun bitte ich Sie, den Blick zurückzurichten auf das Ausgangsproblem: Der Kunde kommt zum Verkaufsportal, gibt den gesuchten Titel ein, erhält zunächst die technische Hilfestellung "Autovervollständigung", von der Biester heute sprach, dann die Beziehungsfelder "hat auch gekauft" und schließlich den Link zur Fachliste des Antiquars, zu der der gefundene Titel gehört (und die n u r  provisionspflichtige Bücher  i n n e r h a l b  des Portals, also aus seinem gelisteten Gesambestand, enthalten darf).

Der Kunde, der sehr oft "eigentlich" nicht ein einzelnes Buch, sondern ein bestimmtes Themenfeld sucht, wird mit Stückwerk abgespeist. Die gewinnorientierte Datenbank kann aber nicht anders vorgehen.

Jetzt schlägt die Stunde unserer genossenschaftlichen Datenbank! Sie kann mehr.

Sie richtet ein Netz von  K o m p e t e n z z e n t r e n  ein. Man muß ein solches Unwort nicht lieben, aber es hat sich leider eingebürgert und wir wollen dieses sprachliche Joch in Geduld tragen. Was ist in unserem Fall ein Kompetenzzentrum?

Einer der Königswege zum Überleben des Antiquariats ist die Spezialisierung. Schon heute haben viele der Kollegen im Edel- und Mittelbereich des Gewerbes eines oder mehrere Sachgebiete, in denen sie sich gut auskennen und das sie vom Bestand her pflegen. Diese Entwicklung sollte massiv gefördert werden auch nach unten hin.

Voraussetzung dazu ist eine breite, liberal geführte und gut organisierte T a u s c h - Wirtschaft unter den Antiquaren. Wir brauchen neben Verkaufsmessen in Zukunft auch Tauschmessen. Dort werden ganze Blöcke ohne genaue Berechnung hin- und hergeschoben. Eine gute, in diesem Fall aber wirklich "nichtöffentlich" zu führende berufsinterne Datenbank listet soche Bestandsblöcke auf. Die Suchenden und die Anbietenden treten in Verbindung, Fotos dürften dabei wichtig sein.

Schon jetzt kann aus dem Stand eine exzellente Liste von Kompetenzzentren aufgestellt werden. Hier findet der Kunde einen Antiquar als Ansprechpartner, den er zum Sachgebiet um Rat fragen kann und soll. Man wird sich hier berufsintern um gewissen Grundregeln bemühen müssen. Hinter jedem Kompetenzzentrum sollte eine entsprechende Webseite stehen. Mehrere thematisch parallele Kompetenzzentren sind gut möglich. Den Kollegen kostet das Zeit und Nerven.

Ich brauche die Folgen nicht näher ausführen: Wir schaffen damit ein weiteres

*Vertrauensinstrument

zwischen Kunde und Antiquar, wobei die genossenschaftliche Datenbank den Vermittler abgibt, einen zusätzlichen Bindungswert Käufer-Genossenschaft-Einzelantiquar herstellt.

Der gewinnorientierten Datenbank ist all dies verweht; sie könnte es durch Krücken ersetzen, die der Kunde aber sehr schnell als solche durchschauen würde.

Auf gehts, diskutieren wir unser neues System der Kompetenzzentren!

Montag, 5. September 2011

Die geheimen Pläne der Antiquare



http://www.abebooks.de/Unternehmen/Jobs.shtml#5

Die geheimen Pläne der Antiquare
zum Generalfeldzug gegen das ZVAB-Abebooks-Amazon-Monopol


1.
Björn Biester war so freundlich, uns im Börsenblatt-Netzdienst zu informieren über eine Stellenausschreibung, in der wohl der führende Kopf der Zukunft gesucht wird, der die Antiquare im deutschen Sprachgebiet in die Abhängigkeit führen soll.

Wenn, vom Sonderfall Ebay abgesehen, gut 90 % des gesamten Internetabsatzes aller Antiquare in der Hand  e i n e s  Konzerns liegt, wenn das Kartellamt sich dafür nicht interessiert und die Amazon-Zentrale vergnügt weiterarbeiten darf, wenn die Antiquare dies nicht zu bemerken beschlossen haben, wenn sie hoffen, daß die Gesetze des Marktes ausgerechnet in ihrem Fall nicht eintreten und wirken werden - dann darf ich von einer drohenden Abhängigkeit sprechen.

Wohl noch nie sind die Grundwerte der deutschen Monopolbestimmungen so schmählich in den Dreck getreten worden wie im laufenden Konzentrationsfall Amazon-Abebooks-ZVAB. Und kein Hahn kräht danach.

Das Kartellamt wie auch der Amazon-Konzern scheint davon auszugehen, daß die unter sich heillos zerstrittenen, weltfremden und partiell unzurechnungsfähigen Antiquare froh zu sein haben, wenn sie von einer vernünftigen starken Hand geleitet und geführt werden - in den Amazon-Stall, wo sie als geduldige Milchkühe stehen dürfen.

2.
Eine Randmerkung noch zur Stellenausschreibung. Es ist vollkommen  w e l t f r e m d, wenn man eine eierlegende Wollmilchsau sucht dergestalt, daß sowohl marketing- als auch datenbanktechnische Fähigkeiten erwartet werden in Kombination mit dem Verfassen literarischer oder sonst buch- und kulturbegleitender Texte. Das ging schon zu ZVAB-Zeiten völlig schief und führt auch bei der Genossenschafts-Datenbank zur Zeit in die literarische Katastrophe: Wer Marketing und Datenbank "kann", der beherrscht nie und nimmer literarische Künste. Auf der Strecke bleibt natürlich das Textverfassen, und die kulturellen Begleitdienste der Datenbank werden so blöd bleiben, wie sie das beim ZVAB waren und bei den Genossenschaftlern jetzt wieder sind. Leutz, das müßt Ihr trennen, beides geht nicht zusammen. Wer Kultur und Literatur, Buchkunde und Wissenschaft machen soll, der muß immer ein Fachmann sein - und der für Marketing und Datenbank ein anderer.

3.
Ich habe mir vorgenommen, dem Herrn oder der Dame, die Abebooks/ ZVAB sucht, die Versklavung der Antiquare etwas zu erschweren. Wenn die zuständige Monopolbehörde untätig bleibt, wenn die Antiquare in dumpfer Blödheit in corpore schweigen, dann ist es P f l i c h t, dagegen anzutreten.

Wie ich gestern schrieb, haben wir hier derzeit 7 (sieben) Leser. Ich bitte daher  die 2 oder 3 Antiquare, die darunter sein mögen, die folgenden Gedanken weiterzutragen und unter den Antiquaren bekanntzumachen. Es handelt sich um nicht weniger als den ersten Teil eines  F e l d z u g s p l a n s  gegen die Amazon-Abebooks-ZVAB-Krake. "Krake" dürfen nur wir Antiquare Amazon nennen, denn das ist vertretbar als Abwehr seitens eines Berufsstands, der von den Behören und den Medien im Stich gelassen worden ist.

Es gilt, auch in der Wirtschaft, das Recht der Selbstverteidigung immer dann, wenn es keine anderen Mittel gegen Unrecht gibt mehr gibt. Und die Kontrolle der Internet-Absatzwege (vom Sonderfall Ebay abgesehen) durch  e i n e n  Konzern zu etwa 90 % im deutschen Sprachraum ist wirtschaftlich-soziales Unrecht.

4.
Der Feldzugsplan, Teil 1
Grundregeln:
* Die gewinnorientierte Datenbank hängt mit Gedeih und Verderb an der Abschöpfung des einzelnen Buchs (Artikelbindung)
* Der einzelne Antiquar ist Herr seiner Preisgestaltung

Die gewinnorientierte Verkaufsdatenbank zappelt wie ein Käfer auf dem Rücken, wenn ihr die Möglichkeit genommen wird, das einzelne Buch nachzuweisen bzw. zu identifizieren. Sie lebt von ihrer Vermittlungsmarge, muß diese daher stets "beweisen". Diese Notwendigkeit der Identifizierung jedes Artikels ist eine tödliche Achillesferse, die ausgenutzt werden kann.

Ich bekenne, daß ich das bisher auch nicht sauber durchdacht hatte, eher dumpf geahnt, indem ich immer wieder das (von ihm schmählich im Stich gelassene) "Webseitenbündnis" des Kollegen RFMeyer  in Berlin ins Feld geführt hatte, über das nachzudenken sei.

Richtig bedacht heißt das doch Folgendes: Die gewinnorientierte Datenbank kann höchstens insoweit ihre Nutzer zum einzelnen Antiquar hinführen/ verlinken /promoten, als sie die Kontrolle über die dann dort vermittelten Titel behält. In der Praxis führt das zu jenen "Kollegenkatalogen", die  n u r  solche Titel enthalten dürfen(!), die identifizierbar sind und bei deren Verkauf die Datenbank ihren Gewinn einstreichen kann. Das kling kompliziert, ist aber aus der Sicht des Antiquars ganz einsichtig.

Die genossenschaftliche Datenbank ist nicht gewinnorientiert. Sie deckt ihre Unkosten, schüttet Gewinne aus an die Mitglieder und/ oder bildet Rücklagen. Indem das so ist, hat sie eine ganz andere Macht und Fähigkeit, das zu tun, was der gewinnorientierten Datenbank streng verboten ist - sie kann auch ohne Vermittlungsabschöpfung handeln, und zwar immer dann, wenn sie das für sinnvoll hält und ihre Genossen das billigen.

Sie wird ihre Genossen im Rahmen eines breit und offensiv angelegten Webseitenverbunds o h n e  Margenabschöpfung bewerben (promoten) und jedem Kollegen die Möglichkeit geben / ihm dabei auch helfen, seinen Betrieb vorzustellen im Sinn einer "Rundwanderung", bei der Google Maps und andere virtuelle Hilfsmittel wichtig sein werden. Diese Rundwanderung kann auch fachbezogen sein und das Ins-Netz-Stellen ganzer Fachkataloge ohne Warenkorbfunktion ist denkbar.

Die genossenschaftliche Datenbank kann ein  U n i v e r s u m  des deutschsprachigen Antiquariats ins Netz stellen. Der gewinnorientierten Datenbank ist das strikt verboten, sie würde damit ihren eigenen Untergang einleiten.

Vor diesem Hintergrund wird nun auch klar, warum möglichst "alle" Antiquare teilnehmen sollten und weshalb die Vorstufe des "Vereins" so wichtig ist.

*

Der einzelne Antiquar darf seine Preise selbst bestimmen. Diese überraschende Feststellung ist bisher in der Diskussion ganz untergegangen, sie wurde meines Wissens nicht einmal im Zusammenhang mit der Amazon-Preisunterbietungsklausel überdacht.

Wenn einzelne oder mehrere Antiquare beschließen, ihre Bücher in der genossenschaftlichen Datenbank preiswerter anzubieten, dann dürfen sie das. Dabei kann es durchaus sein, daß diese Datenbank von sich aus die Kollegen nicht dazu auffordern darf, dies zu tun, noch viel weniger wird sie eine solche Preisminderung zur "Bedingung" machen. Es wird auch ausreichen, darauf hinzuweisen, daß "manche Antiquare hier ihre Titel billiger anbieten".

In der dann mit Sicherheit folgenden Auseinandersetzung vor den Wirtschaftsgerichten fängt sich die gewinnorientierte Datenbank in ihren eigenen Fallstricken, denn dann endlich werden wir Antiquare die Monopolkarte nicht nur ausspielen können, sondern sie zur Waffe gegen den Amazon-Abebooks-ZVAB-Verbund im deutschen Sprachraum wenden.

Freitag, 2. September 2011

Was erwarten die Antiquare von ihrer Genossenschaft?




http://www.boersenblatt.net/454306/template/bb_tpl_antiquariat/

1.
Vorbemerkung in eigener Sache: Meine jahrelange Kritik an der Genossenschaft war die eines enttäuschten Liebhabers, und der sieht bekanntlich besonders scharf hin. Die Anerkennung dessen, was dort gegen alle Widerstände geleistet worden ist, kam dagegen in meinen Texten zu kurz. Ich bin gnadenlos umgesprungen mit der GIAQ auch dort, wo eher unglückliche juristische Zwänge Ursache für taktische Fehler waren, während die jeweiligen Leitungsorgane kaum anders hatten handeln können.

2.
Deshalb gleich in medias res. Ich habe das Genossenschaftsmodell in der Hess-Runde einst eingeführt (Plurabelle sei mein Zeuge) und ohne meine Idee einer Übernahme in den deutschen Sprachbereich wäre Tomfolio für die deutschen Antiquare vermutlich eine exotische Randerscheinung geblieben. Wenn nun gerade ich heute dieses Modell in Teilbereichen relativieren möchte, dann kann man schon hinhören.

Wir müssen lernen, daß die juristische Unbeweglichkeit der deutschen Genossenschaft unterfüttert, ergänzt, abgefedert werden sollte durch eine beweglichere, schneller reagierende und, notabene, die Kollegen weniger verpflichtende Organisationsform - den  V e r e i n. Viele Antiquare, denen ein Genossenschaftsanteil zu bindend erscheint, könnten sich ohne weiteres zur weniger festen Bindung in einem Verein durchringen.

Wie Verein und Genossenschaft juristisch zu verschränken seien, wie sie aufeinander einwirken, welche Übergänge und Gemeinsamkeiten da sinnvoll und möglich sind, das lasse man getrost die Fachjuristen entscheiden (die sich übrigens, wenn man sie professionell anspricht, in solchen Fällen preiswert und mit Hingabe engagieren, bis zur Universitätsebene hinauf).

Der Verein wird dort  s c h n e l l  beraten und entscheiden, wo die Genossenschaft, gebunden durch die Fesseln ihres Rechtes, nur mit quälender  L a n g s a m k e i t  reagieren kann.

3.
Mit der zusätzlichen Vereinsebene wird auch die Einbeziehung derjenigen Schicht unseres Gewerbes angesprochen, die der Genossenschaft bisher fernsteht. Ich meine die knappe Hälfte der vollberuflichen Antiquare, die sich in den Amazon- und Ebayforen tummeln, die wir als reisende Kollegen auf guten Flohmärkten finden, als stupide Preisunterbieter und Titelei-Schmierer im ZVAB, in zweifelhaften Ladenantiquariaten oder als rührend-beschränkte Fachantiquare der skurrilen Sorte.

Hier sitze ich lustigerweise mit dem Verband und der Genossenschaft im gleichen Boot - wir werden von diesen unteren Kollegen buchstäblich gehaßt und verachtet, verunglimpft, gescheut. Daß dahinter Minderwertigkeitsgefühle stecken, ist gut möglich. Beide Seiten leiden unter solcher Fremdelei - wir sehen seufzend ihren Datenmüll in den Datenbanken, wir haben ihre Preisunterbietung auszuhalten, während sie sich betrogen und übers Ohr gehauen fühlen durch uns, angeblich oder tatsächlich arrogant wirken auf sie.

Die Unterschicht des Antiquariats ist übrigens akut bedroht von drei Seiten her (weiß das aber nicht) : Sie sind die ersten Opfer der Billig-Schleuderladenketten nach Schweizer Modell, sie werden ausgetrocknet durch Momox und seinen Amazon/Abebooks-Klon, und sie sind auch die willigsten und hilflosesten Opfer der großen Maschinen von Ebay bis ZVAB. In ihren Foren meckern sie rüde - pflegen aber brav wie das Hündlein zu folgen, weil sie ohne die großen Verkaufskanäle zum Sozialamt gehen müßten.

Der  V e r e i n  umfaßt also einmal die  Zaudernden, die Unsicheren und Vorsichtigen unter den Antiquaren und ist für sie das Sammelbecken, zugleich aber, das ist der Kern meiner Idee, sind automatisch auch alle Genossenschaftsmitglieder Mitglieder im Verein. Es gibt zwei Zirkel, den Verein und die Genossenschaft. J e d e s  Genossenschaftsmitglied ist auch Mitglied im Verein, aber keineswegs ist jedes Vereinsmitglied in der Genossenschaft organisiert. Die Vorteile, juristisch und psychologisch, sind vielfältig.

4.
Natürlich geht es zur Zeit im Kern um den Betrieb einer monopolunabhängigen Datenbank.

Ich hoffe immer noch auf eine Anzeige von Amazon /Abebooks /ZVAB wegen Rufschädigung oder Beleidigung gegen mich, damit die Gefahr, in der alle Antiquare im deutschen Sprachraum schweben, endlich öffentlich gemacht werden kann. Dieser Prozeß muß kommen, und er soll die Öffentlichkeit, vor allem die der kulturellen Medien, aufrütteln.

Ich habe das ja in meinem Blog, der laut Google-Statistik jetzt wieder 7 (sieben) regelmäßige Leser hat, ausführlich dargestellt und in diesem Punkt bin ich mir sicher: Kein Antiquar, der sich auf dem Laufenden gehalten hat, wird meinen Ausführungen in diesem Punkt wiedersprechen: Wenn wir den Sonderfall Ebay ausklammern, dann sitzt der Amazon-Verbund zur Zeit auf rund 90 % des Internetabsatzes der deutschen Antiquare.

In der Perspektive bedeutet das die akute Gefahr eines  F r a n c h i s e - Systems für die Antiquare, einer teilweisen Entmündigung, einer verkappten Gebührenschraube, auch durch Bankbindung, bis zu gut 30 % vom Verkaufspreis.

Von der Seite her droht dann noch Momox, das weit über 50 mittlere Antiquare bereits verdrängt hat, geht man nach den Angestelltenzahlen, vereint mit dem Amazon-Klon; von unten her kündigen sich Schleuderpreisketten an.

Unglücklicherweise fällt das zusammen mit einer allgemeinen Krise im Altbuchabsatz, weite Bereiche wie etwa die schöne Literatur beginnen wegzubrechen, und durch Google- und Europa-Scans weicht langsam die bisher sichere Bastion unserer Titel vor 1880 auf.

Es gilt also zu handeln.

5.
Leider ist es dem Börsenblatt des deutschen Buchhandels offenbar nicht möglich, jene vermittelnde und aufklärende Position wieder einzunehmen, die es einst im Antiquariat recht gut ausgefüllt hatte. Wer zwischen den Zeilen lesen kann, dürfte merken, daß ich vom zuständigen Redakteur Biester eigentlich viel halte und daß hinter meiner beständigen Kritik an seinem Wirken die lebendige, nie erlahmende Hoffnung steckt, daß wir in der Antiquariatssparte des Börsenvereinsnetzdienstes wieder ein Leitmedium für unseren Beruf erhalten könnten. Biester an die Front!

Solang das aber nicht möglich ist, sollte die Genossenschaft - und der ihr verbundene Verein - das Leitmedium unseres Berufs verwirklichen. Weil das  notwendig ist, bin ich ein Kritiker der Schäferschen Geheimhaltungstaktik. Wie sollen wir denn die unteren Schichten des Antiquariats aufklären, aufrütteln und zu gemeinsamem Handeln veranlassen, wenn wir ihnen kein allgemein zugängliches Berufsmedium bieten?

Übrigens habe ich noch keinen Antiquar angetroffen, der den Verband nicht als mühsam vor sich hintrudelnde Gemeinschaft fauler Kompromisse und undeutlicher Halbheiten eingeschätzt hätte. Es wäre verfehlt, schon von seiner Zusammensetzung her, diesen Verband als Mitwirkenden an irgendwelchen Taten oder Entscheidungen zu sehen. Was mich anbetrifft, so nehme ich den Verband über Gebühr auf die Schippe, das sei zugestanden, aber daß mit ihm wirklich etwas zu bewirken sei, das wird auch sonst niemand glauben.

Über die Höfs-Runde, Dr.Biesters AG und andere Zusammenschlüsse des Gewerbes breiten wir lieber den Mantel des Schweigens. Da beißt keine Maus einen Faden ab: Die  G e n o s s e n s c h a f t  und der neue, mit ihr verbundene Verein allein sind zur Tat aufgerufen.

6.
Wie es, ob es noch gelingen kann, eine wirksame Gegendatenbank zu gründen, dazu habe ich, wie man weiß, alte und neue Ideen auf der Pfanne. Es liegt jedenfalls nicht an jenen unglücklichen Zusätzen zur GIAQ-Datenbank, vulgo "Antiquariatskunde", die Kollege Pardun zurecht karikiert hat; die graphische Darstellung bei "Antiquariat"  ist deutlich besser geworden, das törichte Gestammel in den Begleit- und Erklärungsseiten zeigt sich nach Jahren endlich korrigiert.

Ja bitte - worum geht es denn dann? Es geht um  S t r a t e g i e.

Vorbedingung hierzu ist eine Art parlamentarischer Vertretung der Antiquare. Hier kann und muß vom Gründungsforum Tomfolios gelernt werden: Wir benötigen ein genau geregeltes System von Anträgen, Zulassung zur Diskussion, Abschluß der Diskussion, Abstimmung - alles elektronisch.

Auf dieser Grundlage erst können wir zu strategischen Maßnahmen kommen. Brauchen wir eine Geheimhaltung vor dem Gegner, dem Amazonmonopol? Ganz gewiß nicht, denn dort zittern sie vom ersten Tag unserer neuen Genossenschaft mit angeschlossenem Verein. Noch aufmerksamere Leser wird das Forum nicht haben...


Dank für das Bild an geocaching.com. Die Rechte gehören uns nicht.