Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Dienstag, 6. September 2011
Antiquare vernetzt - Kompetenzzentrum, Blocktausch, Verkaufsportal
http://www.boersenblatt.net/454686/template/bb_tpl_antiquariat/
Björn Biester informiert uns im Bösenblatt-Netzdienst über eine neue bibliographisch-technische Hilfestellung bei der Bücherdatenbank "booklooker". Dies führt uns direkt zum zweiten Teil des Feldzugsplans der Antiquare gegen den Amazon-Konzern.
Zuvor noch zwei eher äußerliche Randbemerkungen. Redakteur Biester beklagt aus seiner Sicht zurecht, daß nur wenige Kollegen den Text, mit dem sie seine Umfrage zu "antiquar intern" beantwortet hatten, n a m e n t l i c h unterzeichnen wollten. Ich darf ihn freundlich daran erinnern, daß er selbst es war, der formuliert hatte: "Link zur anonym durchgeführten Umfrage, deren Ergebnisse Anfang kommender Woche auf boersenblatt.net veröffentlicht werden sollen".
Ich bin bekanntlich ein engagierter Gegner aller anonymen und sonstwie verheimlichten, sekretierten, abgeschotteten oder geheimen Vorgehensweise im Internet. Ich wollte meinen Text ("Was die Antiquare in ihrer schwierigen Situation brauchen...") schon unterzeichnen, da erinnerte ich mich daran, daß Biester selbst um Anonymität gebeten hatte.
Zum anderen ergibt sich bei Google eine immer kuriosere Situation. Ohne daß ich das will, honoriert die Suchmaschine meine streng themenzentrierten Blogbeiträge zu allen Fragen des Antiquariats von Tag zu Tag besser. Wer "Antiquariat" und eines der typischen Problemfelder unseres Gewerbes eingibt, landet in der Regel schnell bei mir. Kurios erscheint mir, daß das auch auf die Verwendung meiner Bilder zurückzuführen ist. Ruft man den Blog über die Bildersuche auf, erhält man ein höchst merkwürdiges Kaleidoskop. Google scheint das zu mögen.
Nun könnte der Eindruck entstehen, daß die Antiquare ähnlich emsig wie Google meinen Spuren folgen würden. Das ist aber nicht der Fall. Ich habe zwar, wenn ich die Blogstatistik richtig lese, seit gestern 4 (vier ) regelmäßige Leser, welcher vierte die Amazonzentrale sein dürfte. Aber darunter sind, wie ich vermuten muß, nur zwei Antiquare. Dies entspricht einer Leserschaft von 0,2 Prozent der Vertreter unseres Gewerbes. Beide Faktoren zusammen gesehen lassen den Schluß zu, daß kein Antiquar "googelt". Woraus sich wiederum die ungute und gefährliche Situation ergibt, daß a u ß e r h a l b unseres Gewerbes meine Ansichten emsig zur Kenntnis genommen werden, ich in die Rolle eines Fachmanns des Antiquariats hineinwachse - - für Nicht-Antiquare. Die Antiquare selber aber wissen gar nicht, daß es hier was Fachbezogenes für sie zu lesen gibt.
Ein "Schweigekartell" dieser Art ist mir von keinem anderen Berufsstand her bekannt. Die Akteure heißen Hiernichtzunennen, Höfs, Weinbrenner-Nachfahren und Björn Biester; würde er seinen Dienst weiterführen, wäre auch Pardun zu nennen. Ich habe das, weil "nicht konziliant", durchaus verdient. Nur eben ergibt das eine ganz kuriose Situation, da die Außenwelt denkt, daß ich für die Antiquare spräche. Wie will man aus der Bredouille herauskommen?
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Um das gleich zu sagen: Mich nervt die "Autovervollständigung" nicht immer. Beim ZVAB bin ich darüber nicht erfreut gewesen, bei Booklooker mag ichs noch weniger. In beiden Fällen kann ich aber zu keinem klaren Urteil kommen. Ich selbst bin jeden Tag mehrere Stunden im Internet zugange, fast nur in den USA, in Rußland und in Frankreich, und die Google-Autovervollständigung möchte ich keinesfalls missen.
Deren Grundlage aber ist erstens ein gigantisches Register meiner früheren Suchanfragen, über das Google verfügt und das es sekundenschnell einsetzt. Sowas kann wirklich hilfreich sein, die darin liegende Indiskretion nehme ich gern in Kauf.
Anders ist das schon bei Amazon. Bekanntlich merkt man sich dort nicht nur irgendwann abgefragte oder gekaufte Titel, sonern serviert mir auch die "...hat auch gekauft" -Vorschläge, versucht also F e l d e r zu ermitteln, für die ich micht interessiere. Auch das ist nützlich, streift aber die Grenze zur Peinlichkeit, weil ich bei Amazon als Käufer auftrete und, anders als bei Google, ein Abhängigkeitsverhältnis von mir zu Amazon besteht.
Die Autovervollständigung bei booklooker, auf die uns Biester heute aufmerksam macht, ist eher technischer Art. Das vermutlich "häufigste" Wort, das hinter meinen ersten beiden Buchstaben stecken könnte, wird vorgegeben. Dies hat mich schon beim Open Office zur Weißglut getrieben, bis ich endlich die Registerkarte fand, mit der solche "Hilfen" abzustellen waren. Ich halte das für wenig sinnvoll, möchte es aber nicht weiter diskutieren, weil die Geschmäcker verschieden sind und man diese "Hilfe" ja auch mögen kann.
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Interessant aber ist das dahinterstehende Problem - es geht um die Frage, wie der Kunde der Bücherdatenbank von seiner Einzeltitelsuche aus hingeführt werden kann zu einer Sachgebietssuche. Sie finden in diesem Blog mehrere Arbeiten zur Frage der bibliographischen Erschließung und Darbietung unserer Buchbestände in den Verkaufsdatenbanken. Das Fazit hieraus ziehe ich selber: Es bringt alles nichts.
Natürlich könnten und sollten wir zu einer Einheitsgliederung im Gewerbe kommen, ein Regelheft im Volksbibliothekaren-Standard täte uns allen sehr gut. Aber dazu bleibt in den kommenden Monaten des Vernichtungskriegs um unsere F r e i h e i t gegenüber dem Amazon-Konzern keine Zeit, keine Muße, keine Ruhe.
Wir ziehen nun von dem Problemkreis
Autovervollständigung/ "...hat auch gekauft" / Einheitsbibliographie im Antiquariat
eine direkte Linie zum dritten Teil unseres Generalangriffskonzepts. Von ihm soll nun die Rede sein.
Wir sahen gestern, daß es eine Achillesferse der gewinnorientierten Bücher-Verkaufsdatenbanken gibt - die Bewerbung/ Promotion der teilnehmenden Antiquare darf es dem Kunden nicht ermöglichen, direkten Kontakt zum Antiquar in einer Weise zu erhalten, die Beziehungen und Verkäufe unter Umgehung, unter Außerachtlassung der Verkaufsdatenbank ermöglichen würde.
Ein gewinnorientiertes Verkaufsportal, das solche f r e i e n Kontakte des Kaufinteressenten zum einzelnen Antiquariat und seiner Webseite auch noch fördern würde, würde sich sein Grab selber schaufeln.
Wir sagten bereits, daß es die Stärke des genossenschaftlich orientierten Portals sei, daß es solche Kontakte und Beziehungen ohne Angst, ganz freimütig herstellen und unterhalten kann.
Nun bitte ich Sie, den Blick zurückzurichten auf das Ausgangsproblem: Der Kunde kommt zum Verkaufsportal, gibt den gesuchten Titel ein, erhält zunächst die technische Hilfestellung "Autovervollständigung", von der Biester heute sprach, dann die Beziehungsfelder "hat auch gekauft" und schließlich den Link zur Fachliste des Antiquars, zu der der gefundene Titel gehört (und die n u r provisionspflichtige Bücher i n n e r h a l b des Portals, also aus seinem gelisteten Gesambestand, enthalten darf).
Der Kunde, der sehr oft "eigentlich" nicht ein einzelnes Buch, sondern ein bestimmtes Themenfeld sucht, wird mit Stückwerk abgespeist. Die gewinnorientierte Datenbank kann aber nicht anders vorgehen.
Jetzt schlägt die Stunde unserer genossenschaftlichen Datenbank! Sie kann mehr.
Sie richtet ein Netz von K o m p e t e n z z e n t r e n ein. Man muß ein solches Unwort nicht lieben, aber es hat sich leider eingebürgert und wir wollen dieses sprachliche Joch in Geduld tragen. Was ist in unserem Fall ein Kompetenzzentrum?
Einer der Königswege zum Überleben des Antiquariats ist die Spezialisierung. Schon heute haben viele der Kollegen im Edel- und Mittelbereich des Gewerbes eines oder mehrere Sachgebiete, in denen sie sich gut auskennen und das sie vom Bestand her pflegen. Diese Entwicklung sollte massiv gefördert werden auch nach unten hin.
Voraussetzung dazu ist eine breite, liberal geführte und gut organisierte T a u s c h - Wirtschaft unter den Antiquaren. Wir brauchen neben Verkaufsmessen in Zukunft auch Tauschmessen. Dort werden ganze Blöcke ohne genaue Berechnung hin- und hergeschoben. Eine gute, in diesem Fall aber wirklich "nichtöffentlich" zu führende berufsinterne Datenbank listet soche Bestandsblöcke auf. Die Suchenden und die Anbietenden treten in Verbindung, Fotos dürften dabei wichtig sein.
Schon jetzt kann aus dem Stand eine exzellente Liste von Kompetenzzentren aufgestellt werden. Hier findet der Kunde einen Antiquar als Ansprechpartner, den er zum Sachgebiet um Rat fragen kann und soll. Man wird sich hier berufsintern um gewissen Grundregeln bemühen müssen. Hinter jedem Kompetenzzentrum sollte eine entsprechende Webseite stehen. Mehrere thematisch parallele Kompetenzzentren sind gut möglich. Den Kollegen kostet das Zeit und Nerven.
Ich brauche die Folgen nicht näher ausführen: Wir schaffen damit ein weiteres
*Vertrauensinstrument
zwischen Kunde und Antiquar, wobei die genossenschaftliche Datenbank den Vermittler abgibt, einen zusätzlichen Bindungswert Käufer-Genossenschaft-Einzelantiquar herstellt.
Der gewinnorientierten Datenbank ist all dies verweht; sie könnte es durch Krücken ersetzen, die der Kunde aber sehr schnell als solche durchschauen würde.
Auf gehts, diskutieren wir unser neues System der Kompetenzzentren!
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