Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Mittwoch, 7. September 2011
Von Bedeutungen, Namen und wie sie Frau Maier begruben
http://www.boersenblatt.net/454950/template/bb_tpl_antiquariat/
Gibt es Zeichen, Hinweise aus den Randgebieten von Zufall, Esoterik, Bestimmung? Eben lese ich beim zweiten Frühstück, es findet bei mir nach 14 Uhr statt, eines der alten Rätsel aus der ZEIT-Beilage "Wer ist's ? " um 1980, dann schaue ich nach, ob Björn Biester über die Mittagszeit etwas eingefallen ist, und siehe da, er bringt uns die neue Rätselecke der genossenschaftlichen Bücherdatenbank zu Gesicht. Also soll ich wohl, angestoßen durch unsichtbare Kräfte, heute noch etwas schreiben.
Auf meiner Bank des Nachdenkens hat mich die Muse vorhin übrigens im Stich gelassen. Wie das bei betagten Greise oft der Fall ist, habe ich präzise Angewohnheiten, man kann die Uhr nach mir stellen. Bin ich nicht auf Ankaufsreise, radle ich auf meinem Schrottgefährt über die blaue Brücke, nehme Punkt 13 Uhr den Kaffee auf der Kaiserstraße, mitten im Menschengewühl verteidigt eine Bäckerei dort drei Tischchen. Um mich herum wuseln die Touristen, ich betrachte sie und sie sehen mich an, wie im Zoo. Dann wandere ich zum Adelhauserplatz und denke unter alten Linden nach. Heute ist mir nichts eingefallen.
Wohl aber habe ich was zu bemerken zum "Antiquare raten". Der Ton des Beitrags ist munter und viel lockerer, als ich das bisher von dieser unsäglich trocken, pseudojuristisch und in Korinthenkackergeist formulierten Datenbank gewohnt war. Hat da ein neuer Geist Einzug gehalten, humorvoll, geistreich, wagemutig? Ich würde es sehr wünschen.
Allerdings, das lehrt mich der Vergleich mit dem erwähnten ZEIT-Artikel, tut es die Gesinnung nicht, es sollte auch gutes Deutsch sein. Deshalb bitte: Redigiert die Texte nicht nur auf Druck- oder Grammatikfehler hin, sondern auch zur Erzielung eines besseren Schreibstils. In dem Text, den uns Biester soeben vorgestellt hat, wechseln Oberlehrer- und Honoratiorenschwäbisch-Stil mit dem Gestammel einer Praktikantin in bunter Folge. Das muß nicht sein - als Gegenmittel empfehle ich, den Text durch mehrere Leute querlesen zu lassen und sie zu fragen, ob ihnen Stilbrüche auffallen.
Nein, das sind keine Quisquilien - unsere Kunden sind literarisch hochempfindlich. Mehrere Jahre Quälerei durch die unsäglichen "Kulturtexte" des ZVAB sind noch in schrecklicher Erinnerung. Also: Die Grundidee ist sehr gut, die inhaltliche Umsetzung gut, die sprachliche Form soweit korrekt - aber der Stil ist pennälerhaft uneinheitlich.
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Vom eben geäußerten Lob muß ich wieder etwas wegnehmen und sagen, daß die neue Idee natürlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, nicht mehr - und daß solche kleinen kosmetischen Operationen nun nicht dazu führen dürfen, sich auf den noch sehr zierlichen Lorbeerblättchen auszuruhen. Eine Gefahr ist bei allem, was Björn Biester verantwortet, immer im Auge zu behalten - sein lobenswertes Bestreben, über alles gleichmäßig zu berichten, wie die brave Mutter allen Kindern gleichmäßig das Hirsebreitellerchen füllt, führt nämlich regelmäßig dazu, daß die g r o ß e L i n i e ihm und seinen Lesern aus den Blick gerät. Es gibt doch Prioritäten, wichtige und eher marginale Themen, Dinge, die uns auf den Nägeln brennen und andere, die wir eher als Freizeitspaß goutieren.
Björn Biester besitzt nicht unbedingt einen wachen Sinn für Prioritäten. Daß die Antiquare sehr wohl wichtige Themen erkennen und sie diskutiert haben wollen, hat jeder Leser noch in Erinnerung aus den Kommentaren, die öfter in die 50er, gelegentlich sogar die Hunderterregionen hochgelaufen waren. Im Börsenblatt-Netzdienst von heute, noch mehr im Druckmedium "Aus dem Antiquariat" rangieren Wiegendrucke, Antiquariatschroniken und kleine Gadgets noch kleinerer Datenbanken in etwa gleichrangig mit Momox, Amazon oder der Genossenschaftsfrage. Natürlich verführt die - von mir stets kritisierte - neue graphisch-taktische Gestaltung des Börsenblatt-Netzdienstes dazu, Prioritäten ganz zu vernachlässigen. Seit aber das Korrektiv der Leserkommentare weggekürzt worden ist, nimmt die Unterbehandlung der Kernfragen teils doch groteske Züge an.
Zurück zur Datenbank. Natürlich ist eine Rätselserie ganz hübsch und, was mir wichtiger erscheint, ein Schritt in die richtige Richtung, aber es bleibt nur eine Marginalie. Kein Grund, sich zu beruhigen.
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Man merkt es dem kurzen Text Biesters an, daß auch er sich schwertut mit der unglücklichen Benennung der genossenschaftlichen Datenbank. "Antiquariat", das ist halt allemal kein Name eines Bücherverkaufs p o r t a l s. Hier wurde sehr vordergründig geplant und sprachfern gedacht. Es kommt n u r darauf an, was ein Name im Kopf der durchschnittlichen K u n d e n hervorruft, assoziiert, provoziert und ob er unserer Absicht gemäß mit Hilfe dieses Namens auch wieder schnell aus dem Gedächtnis des Kunden geholt und m o b i l i s i e r t werden kann. Hilft der Name der Datenbank dem Kunden, rasch und halb unterbewußt eine Klickbereitschaft herzustellen?
Das ist mit "Antiquariat" ganz gewiß nicht der Fall, noch weniger, wenn - juristisch freilich anzuraten - stets formuliert wird "Antiquariat.de".
Im Kopf des Nutzers, fatalerweise gerade erst recht im Hirn des antiquariatskundigen geschulten Kunden, entsteht als erste Assoziation ein Z w e i f e l. Zweifel erzeugt Unbehagen. Es ist nicht ein mitunter erwünschter Zweifel, etwa wie bei den in Mode gekommenen doppelsinnigen Bezeichnungen, sondern ein höchst unzweckmäßiger, nämlich der Verdacht beim Kunden, entweder er könne sich geirrt haben oder es liege ein Sprachfehler, Begriffsfehler, Bedeutungsfehler seitens der Datenbank vor.
Der letztere Verdacht ist natürlich ganz tödlich - und genau er entsteht! Der geschulte Kunde weiß, daß "Antiquariat" immer und nur ein einzelner Geschäftsbetrieb ist (nicht notwendigerweise ein Laden, die Bezeichnung "Versandantiquariat" hat sich gut eingeführt). Aber es ist immer e i n Antiquariat.
Mehrere Antiquariate sind für ihn, zurecht, "Antiquariate".
Ganz einfache Menschen pflegen unter "Antiquariat" auch "antiquarische Bücher" zu verstehen, etwa "ich habe auf meinem Speicher noch Antiquariat liegen, wollen Sie das kaufen?" Das sind dann aber immer Arbeiter, Bauern, kleine Angestellte, oft auch Schüler - - unsere Kunden sind das nicht.
Ihre falsche, irrtumerregende Bezeichnung hat der genossenschaftlichen Datenbank schon sehr geschadet. Wer immer auf die Idee gekommen ist (ich weiß, im Zusammenhang mit jenem Namensrechtsstreit), er hat ganz, ganz falsch gedacht und die Genossenschaft hat töricht gehandelt.
Die Bezeichnung "Antiquariat" für die genossenschaftliche Verkaufsdatenbank m u ß geändert werden. Das tut weh, aber sehen Sie es wie die Entfernung einer Gebärmutter - ohne Totaloperation geht Frau Maier elendiglich zugrunde. Wollen wir das?
Vor jeder anderen Reform muß ein neuer Name gefunden werden!