Samstag, 6. August 2011

Zum Angriff auf die Amazon-Abebooks-ZVAB-Marktbeherrschung - wer gibt Auskunft?



Das Bundeskartellamt ist kein Amtsgericht, bei dem man klagen kann, es ist wohl nicht einmal möglich, Anträge zu stellen. Kein Mensch kann also wissen, was die Kartellbehörde mit meinem gestrigen Aufsatz anfangen wird, den ich ihr heute auch in Schriftform zugeleitet habe.

Als Nebenfachjurist mit Schwerpunkt Kriminologie versuche ich methodisch zu denken. Vermutlich liegt die Schwierigkeit im Beweisbaren, Nachzuweisenden.

Das Bonner Amt kann nicht gut nur auf Biesters Adressenlisten (*Börsenverein) zurückgreifen, denn dort fehlt zum Teil jener Unterbau des Antiquariats, die Unterschicht, die einer Manipulation seitens der Portale fast hilflos ausgesetzt ist und die auf Alternativen, von Ebay abgesehen, schon gar nicht ausweichen kann.

Auskünfte des *Verbands wären unter seiner jetzigen Leitung eine Katastrophe - das Branchenbild der Verbandsgremien ist allzu einseitig, fürchterlich selbstbezogen auf Oberschicht und obere Mittelschicht, eine wahre Plutokratie unseres Gewerbes, 100 Kollegen sprechen für 900 andere mit. "Alles ist gut, was wollt Ihr denn - wer tüchtig arbeitet, kommt noch immer zu seinem Mercedes". Im Ernst, der Verband hat keine Ahnung von den Zuständen "unten" in unserem Gewerbe.

Björn Biesters *AG, von der Idee her richtig geplant und mit immens großem Potential, wird nie mehr als ein klägliche Häuflein saturierter Edelkollegen umfassen, solang dort die ganz absurd hohe Beitragsforderung besteht. Nachdem ich seit vielen Jahren gegen die Behinderung der AG durch diese Beitragshürde angeschrieben habe, darf ich es offen aussprechen: Der Börsenverein hält die AG qua Beitragswucher mit  A b s i c h t  klein. Er, der Börsenverein, will in seinen Reihen nur ordentliche, wohlhabende, geschäftsfrohe und folgsame Antiquare sehen - ihm graust vor den unordentlichen Rebellen, die es im Gros der Antiquare - zu Unrecht - vermutet. Kollege Hohmann, seien Sie mein Zeuge!

Das *Börsenblatt verfügt über ausreichende, realitätsnahe Auskunftsquellen und der zuständige Abteilungschef Björn Biester könnte, wenn er wollte, dem Kartellamt erschöpfende Auskünfte vermitteln.
Meistens will er aber nicht. Ich weiß bis heute nicht, wes Geistes Kind Biester wirklich ist. Er scheint eine Art Liebe zum  E d e l antiquariat zu haben, die eher psychoanalytisch zu ergründen wäre. Es ist die Zuneigung zu einem Bezirk, den man aus der Ferne  i d e a l i s i e r t. Würde Biester einen Monat lang Titelaufnahmen für mittlere Gebrauchsliteratur leisten müssen, er wäre geheilt. Er realisiert vor allem das große Geheimnis unseres Berufsstands nicht, jenes grauenhafte, würgende, alles Geistige abdrosselnde  L e s e v e r b o t. Lieber Biester, möchte ich ihm zurufen, wann merken Sie endlich, daß der Antiquar seine Titel nicht lesen, nicht mit ihnen arbeiten darf, daß er der Vermittler seiner Ware ist, und nicht mehr. Nur aus der theoretischen Distanz kann man so liebäugeln mit unserem Gewerbe, mythische Dimensionen hineingeheimnissen, Geist dort vermuten...

Die meisten Antiquare sind von einer bodenlosen, grauenhaften Ungeistigkeit. Sie brauchen hohe Intelligenz und lexikalisches Oberflächenwissen, wohl auch ein Hobby, um sich abends zu erholen, sie sind alles andere als dumm. Aber ungeistig in einem tieferen Sinn, weil sie den Geist immer nur weiterreichen, ihn äußerlich verwalten dürfen.

Wir Antiquare sind wie Kutscher, die Goethe und Jean Paul fahren dürfen, beim Ein- und Aussteigen auch ein wenig an ihnen riechen, einen Händedruck von ihnen erhalten... aber oben in der Wirtsstube, wenn Pfarrer, Lehrer, andere Schriftsteller, Künstler mit den Geisteshelden sprechen und diskutieren dürfen, dann sitzen wir unten im Kutscherstübchen und paffen trübselig aus unserer langen Pfeife. D a s  ist "Antiquariat", lieber Herr Biester.

Vor etlichen Jahren, Biester und ich kennen sich  (nur) literarisch seit langer Zeit, ärgerte ich mich über die ewigen Weihrauchfässchen, die er den bekannten, nun meist schon toten Edelantiquaren entgegenzuschwingen pflegt, dergestalt, daß ich aus eigener Beobachtung vor bald 50 Jahren das  w a h r e  Bild bekannter Antiquare zu zeichnen begann. Ich hatte sie ja auf wochenlangen Rundreisen damals besucht. Ein Bild nicht nur der Poesie, sondern über weite Strecken auch des Grauens...

Schauerliche Arbeitbedingungen, Sekretärinnen saßen wie Sklaven an alten Schreibmaschinen und klapperten tagaus, tagein öde Karteikarten und Druckvorlagen herunter, die Chefs übten ein Terrorregiment in Gelddingen aus, froh darüber, nicht den Zwängen und Kontrollen zu unterliegen, die den Neubuchhandel kennzeichneten.

Es wurde geheuchelt bis dorthinaus, unter dem Tisch aber gestohlen, geschmuggelt, betrogen, daß es Gott erbarm - gerade in großen ehrpusseligen Häusern. Die Angestellten wußten das alle, oft auch die Kunden. Der Name eines der bestunterrichteten Kunden jener Zeit, dem ich viel Insiderwissen verdankte, Bender, tauchte unlängst wieder als Verfasser eines (gar nicht so dummen) Antiquariatshandbuchs auf. Von seinem wahren Wissen aber schreibt er darin wohlweislich nichts. Was ich in den Bücherkellern, Ferienhäusern und in den Privatzirkeln der großen Kollegen in Berlin, Wien und in Frankreich erlebte, werde ich nie zu Papier bringen.

Würde Biester auch nur einen Teil der  w a h r e n  Chronik der angeblich so edlen Antiquariate kennen, seine Sehnsucht danach würde merklich abgekühlt. Trotzdem glaube ich, daß diese Herren des Chaos und des Sittenverfalls vor 50 Jahren im Antiquariat weitaus glücklicher waren als die Antiquare der Gegenwart... Aber das ist ein anderes Kapitel.

Ich habe mir aus der langen Zeit als freier Journalist einen Instinkt bewahrt, wo Auskünfte wirklich zu bekommen sind, wo überhaupt der gordische Knoten eines Problems geschürzt wird: Mit Sicherheit hat w+h Wiesler mit seinem Software-Netzverteildienst jenes exakte Zahlenwissen, das uns informieren kann über die prozentualen Daten. W+h weiß, daß und in welchem Ausmaß und warum Amazon (mit Abebooks und ZVAB) derzeit zwischen 80 und 90 % des gesamten Netzabsatzes aller Antiquare kontrolliert, statistisch gesehen.

Damit würde das Kartellamt, soweit ich die komplizierte Sachlage überblicke, zum Handeln gewungen.


In der Anlage kopiere ich noch einige Zitate ein aus der jüngsten, noch nicht gedruckt vorliegenden Leitschrift des Kartellamts:

Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat. Eine Gesamtheit von Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn sie aus höchstens drei Unternehmen, die zusammen einen Marktanteil von 50 Prozent erreichen, oder aus höchstens fünf Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen, es sei denn, die Unternehmen weisen nach, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat.

Die Rechtswissenschaft hat zur Bestimmung der Abhängigkeit Fallgruppen gebildet, zu nennen sind insbesondere die sortimentsbezogene Abhängigkeit und die unternehmensbezogene Abhängigkeit. Die sortimentsbedingte Abhängigkeit umfasst beispielsweise Sachverhalte, bei denen das kleine oder mittlere Unternehmen ein bestimmtes Produkt führen muss um im Wettbewerb bestehen zu können. Die unternehmensbezogene Abhängigkeit ist zu bejahen, wenn der Geschäftsbetrieb des kleinen oder mittleren Unternehmens auf ein bestimmtes Produkt eingestellt ist (Ausstattung, Schulung der Mitarbeiter, etc.) und ein Wechsel mit hohen Risiken verbunden, also in wirtschaftlicher Hinsicht nicht tragbar, wäre.

Als Kriterium für die Untersagung eines Zusammenschlusses ist in der deutschen
Fusionskontrolle die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden
Stellung festgelegt (§ 36 Abs. 1 GWB). Der Begriff der Marktbeherrschung ist dabei
im Gesetz wie folgt definiert: Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, wenn es als
Anbieter oder Nachfrager auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne
Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist, oder wenn
das Unternehmen eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung
hat

Der Begriff der Marktbeherrschung lässt sich mit dem in der ökonomischen Theorie
verwendeten Konzept der Marktmacht in Verbindung bringen. Ein marktmächtiges
Unternehmen verfügt über besondere Verhaltensspielräume, da es einer vergleichsweise
geringen wettbewerblichen Kontrolle unterliegt. Marktbeherrschung
liegt dann vor, wenn das betreffende Unternehmen über ein Ausmaß an Marktmacht
verfügt, das eine kritische Schwelle übersteigt.

Die Eingriffsschwelle der Marktbeherrschung liegt daher deutlich unterhalb des
Monopols

Ein Eingreifen
des Bundeskartellamtes setzt nicht voraus, dass im konkreten Einzelfall eine
Beeinträchtigung der Gesamt- oder Konsumentenwohlfahrt, die in der Regel mit
Marktbeherrschung einhergeht, nachgewiesen werden muss oder kann. Vielmehr ist
das Bestehen einer konkreten Gefährdungslage hinsichtlich der Funktionsfähigkeit
des Wettbewerbs ausreichend, um ein Einschreiten gegen einen Zusammenschluss
zu rechtfertigen.

Der aus einem Zusammenschluss resultierende Zuwachs an Marktmacht wird umso
kritischer beurteilt, je höher deren Ausmaß bereits vor dem geplanten Zusammenschluss
ist. Denn je stärker der Wettbewerb bereits geschädigt ist, um so schützenswerter
ist der verbleibende Restwettbewerb. Bei einer sehr niedrigen
Wettbewerbsintensität und entsprechend stark ausgeprägter Marktbeherrschung
kann auch ein sehr geringer prognostizierter Zuwachs an Marktmacht bereits als
Verstärkungswirkung zu bewerten sein.

Eine weitere Begründung liegt in der Gefahr, dass Unternehmen, die
bereits über ein hohes Maß an Marktmacht verfügen, schrittweise aufeinander folgende
Akquisitionen vornehmen, die jede für sich genommen nur eine vergleichsweise
geringfügige, bei einer Gesamtbetrachtung der Akquisitionsstrategie aber
nachhaltig negative Marktwirkung haben. Der ohnehin bereits geschwächte Restwettbewerb
kann durch eine solche Strategie nachhaltig geschädigt und das Potential
des Marktes, wettbewerbliche Strukturen wiederzuerlangen, weiter verringert
werden.

Bei horizontalen Zusammenschlüssen werden durch die Verbindung zweier bislang
eigenständiger Wettbewerber auf Absatzmärkten die Ausweichmöglichkeiten der Nachfrager - auf Beschaffungsmärkten die Ausweichmöglichkeiten der Anbieter -
verringert. Der Verhaltensspielraum des fusionierten Unternehmens erhöht sich
und die wettbewerbliche Wirkung tritt unmittelbar ein. Im Rahmen der Fusionskontrolle
wird untersucht, welche Faktoren den Grad der Marktmacht auf dem relevanten
Markt bestimmen und wie sich die Marktmacht der beteiligten Unternehmen mit
dem Zusammenschluss verändert.

Der Begriff Einzelmarktbeherrschung bezeichnet eine Situation, in der ein einzelnes
Unternehmen über so viel Marktmacht verfügt, dass seine Verhaltensspielräume
vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrolliert werden. Das Unternehmen kann dadurch
in der Lage sein, gewinnbringend seine Preise zu erhöhen, die produzierte
Menge oder Auswahl zu verringern, die Qualität seiner Produkte zu verschlechtern
oder seine Innovations-Anstrengungen einzuschränken. Dass solche oder ähnliche
Strategien profitabel sind, setzt voraus, dass keine Reaktionen der Wettbewerber
oder der Marktgegenseite in einer Art und einem Ausmaß zu erwarten sind, die den
wirtschaftlichen Vorteil der genannten Verhaltensweisen zunichtemachen würden.

Daneben wird auch die Entwicklung
der Marktanteile im Zeitablauf betrachtet. Die Bewertung des aus dem Zusammenschluss
resultierenden Marktanteilszuwachses beim fusionierten Unternehmen wird
vor dem Hintergrund dieser Ausgangssituation bewertet. Bei bereits bestehender
Marktbeherrschung können dabei schon relativ geringe Marktanteilszuwächse eine
zusätzliche wettbewerbsschädliche Verstärkung der Marktposition mit sich bringen.

Demgegenüber ist die Indizwirkung hoher Marktanteile umso stärker, wenn die
Marktanteile über mehrere Jahre konstant geblieben sind und einen großen Abstand
zum nächstfolgenden Wettbewerber aufweisen

Gleiches kann gelten, wenn eine Kapazitätsausweitung
nur mit längerem zeitlichen Vorlauf oder nicht in nennenswertem Umfang möglich
ist.

Durch den Zusammenschluss gelingt es den Unternehmen gegebenenfalls,
die beste Ausweichalternative zu internalisieren und damit einen relativ hohen
Wettbewerbsdruck zu beseitigen.
Kundenpräferenzen spielen unter anderem auf Märkten eine Rolle, die durch die
Präsenz und eine große Bedeutung etablierter Marken gekennzeichnet sind

Bei jungen, noch in der Experimentierphase befindlichen
Märkten, kommt eine marktbeherrschende Stellung regelmäßig insbesondere dann
in Betracht, wenn der Markt durch den Zusammenschluss bereits in der Entstehungsphase
dauerhaft vermachtet wird (Anmerkung Mulzer: Für das Tuwort "vermachtet" könnte ich das Kartellamt knutschen...)

Die Zusammenschlussbeteiligten haben daher alle zur Widerlegung
geeigneten Tatsachen vorzutragen, soweit sie ihnen zugänglich sind. Wegen der
beschränkten Ermittlungsmöglichkeiten der Zusammenschlussbeteiligten greift der
Amtsermittlungsgrundsatz aber bei erheblichen Umständen, von denen die Unternehmen
keine genaue Kenntnis haben können, wieder ein. Das Bundeskartellamt
muss weitere Ermittlungen anstellen, wenn sich diese aufgrund seiner besonderen
Kenntnisse vom Sachverhalt aufdrängen.

Für das Foto einer Würgeschlange am AMAZONAS danken wir der "Krone" (www.krone.at), der die Rechte daran gehören