Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Freitag, 5. August 2011
ZVAB - Nachruf auf eine Bücherdatenbank
Als Konsequenz aus meiner Einschätzung des deutschen Abebooks-Portals - Gesamtnote 1 - hatte ich vorausgesagt, daß das ZVAB, unser häßliches, ungeschicktes Entlein, nicht mehr lang neben der schönen Schwester Abebooks würde bestehen dürfen - gehören beide doch bekanntlich zu Amazon.
Ich stehe nicht an, meine Kritik am ZVAB noch einmal zusammenzufassen, in etwas abgekürzter Form, denn meine früheren ZVAB- Tests sind den Kollegen noch im Gedächtnis, sie finden sich in verschiedenen Blogs.
Zur Absicherung meines ersten Kritikpunkts, der verwendeten Farben, habe ich die drei bei mir installierten Browser getrennt ausgewertet. Firefox, Chrome und Explorer zeigen aber nur minimale Unterschiede.
Das Gelb im Kopf der Seite ist ein typisches E i t e r g e l b und unter den denkbaren Gelbtönen vermutlich das häßlichste. Eitergelb dürfte durch Beimischung von Blutrot gebildet werden, wie auch immer, es wird vom Betrachter mit spontanem Ekel wahrgenommen. Noch fürchterlicher ist das verwendete (Grün-)Blau, denn es entspricht haargenau jenem Badezimmerkacheln- und T o i l e t t e n s i t z b l a u , das in der deutsche Kultur -leider- immer noch Statuscharakter hat. Auch Toilettenbürsten und Waschräume in Intercitys tragen dieses besondere Blau. Bahnreisende erinnern sich, daß die "Regio-Eilzüge" einst ganz in diesem Blau-Grün gestaltet waren.
Neben den Farben sind es die verwendeten Formen, die den Ästheten der älteren Schule spontan beleidigen - der Kult der brutal aberundeten Ecken an den überreichlich verwendeten (eigentlichen) V i e r - Ecken treibt hier absurde Blüten. Das ist kein Design, sondern eine heillose Mischung aus K i t s c h, Pseudo-Feminisierung, Pseudo-Abmilderung, im Grunde eine, sagen wirs auf Deutsch, Kastration der Vierecke, die ihrer Ecken allesamt beraubt werden. Nicht mäßig, nicht schwach, sondern so brutal breit werden die Ecken "verrundet", daß das Stilelement zur Groteske wird.
Die Details sind, wen wunderts, ähnlich grausam. Der angeberische Button "Qualität..." ist in Schrift und Farbe viel zu dominant, er zerstört die Seite (sofern da noch was zu zerstören ist). Die Farbe, ein hochdepressives Kardinalspurpur, paßt zu Eitergelb und Toilettensitzgrün wie die Faust aufs Auge, er gibt der Seite etwas "Sterbendes". Depressive werden beim Einkaufen im ZVAB noch todtrauriger.
Wir sprachen von kuriosen Details. Welcher Unglückswurm hat sich das viel zu kleine Daumennagelbildchen des Friedensnobelpreisträgers ausgedacht? Es wäre doch mehr als genug Platz da für ein etwas größeres. In dieser Winzigkeit ist Personendarstellung eine Frechheit, eine Beleidigung.
Die doppelte "Schnellsuche", so nützlich sie auch sein mag, steht, o H i r n r i s s i g k e i t, immer noch *doppelt* auf der Startseite oben. Das ist eine Kränkung für jeden mitdenkenden Benutzer. Ich hatte das schon vor einem Jahr moniert - Reaktion Null. So sind sie eben.
Durch Eingabe von "Baedeker" und "Rheinlande" kommen wir auf die Titelverzeichnungsseiten.
Hier ist das Gelb, von der Farbe abgesehen, zu hoch, mit dieser Kopfzone wird viel Platz verschenkt, ohne daß irgendetwas damit ausgesagt oder bewirkt würde. - Da die Seite ohnehin sehr breit ist, wäre es geschickter, wenn die an sich nützlichen Angaben im Kopf unterhalb der gelbgrünen Zone an der S e i t e untergebracht würden, auch sollten sie nicht in so großen Typen geschrieben werden.
Bis zum Beginn der Titelaufnahmen ist mehr als die h a l b e Bildschirmseite unnütz v e r t a n.
Die Titelaufnahmen sind in einer zu großen Type mit zu weitem Zeilenabstand gefaßt. E i n e etwas umfangreichere Titelaufnahme füllt die halbe Bildschirmseite! Das ist absurd und kann auch nicht mit einer lobenswerten "Klarheit" entschuldigt werden.
Der ganze Schmus unterhalb der eigentlichen Titelaufnahme, der hier in einzelnen Abschnitten / Absätzen und leider ebenso groß wie die viel wichtigere Titelaufnahme selbst gesetzt ist, könnte und müßte im Interesse des Lesers teils in die Titelbeschreibung hineingezogen, teils unter kleinen geschickten Links verborgen werden - o Abebooks-Seite, wie schmerzlich vermissen wir dich gerade hier!
Das einst recht harmonische Gesamtbild der Seite wurde durch die - von mir damals sofort monierte - knallige Symbolverwendung der Kreditkartentypen - ohnehin in dieser Form eine Schnapsidee - zerstört. Der Warenkorbbutton ist immer noch jener aufgeschwollene langgezogene E i t e r p i c k e l , der uns seit Jahren zutiefst ärgert - wer mag da draufklicken, gewärtig, daß ihm der Eiter ins Gesicht spritzt, weil der Button aufplatzt?
Das Hauptargument bleibt aber: Die Seite ist schlicht und ergreifend n i c h t b e n u t z b a r, weil sie nicht in anständiger Weise q u e r g e l e s e n werden kann.
Wahre Scroll-Orgien sind notwendig, ganze Mausoperationen, die Finger tun weh, der Unterarm schmerzt. Nun könnte man sich mit allerlei Tricks, besonderen Mauseinstellungen usw. auf solchen Unfug irgendwie einrichten. Aber so einfach liegt das Problem nicht - bei solch falscher Seitenbefüllung findet das A u g e keinen H a l t mehr, unabhängig von eigentlichen Rädchen- und Seitenrandherabzieh-Problem.
Und die Benotung?
Die Portalseite ist roh, nicht einladend, sie ist verkitscht, farblich (zumal tiefenpsychologisch) abschreckend gehalten, sie lädt nicht ein, führt nicht in die Seite hinein wie die Abebooks-Seite das perfekt vormacht - sie scheint von einem Webdesigner mit Magenkoliken gefertigt worden zu sein, sie ist ein einziger A l p t r a u m von Portalseite und kann nur die Note "magelhaft" = "5" erhalten.
Die Titelverzeichnungsseiten sind trotz des verschenkten Raums oben ästhetisch ganz erfreulich, sieht man leicht gequält über die Farbbänder oben hinweg. Aber bei näherem Hinsehen - und hier sieht jeder Benutzer "näher hin", erweist sich die Seite für auch nur halbwegs flüssiges Lesen als ganz unbrauchbar. Sie erfüllt ihren Zweck nicht!
Das Auge in der Bewegung des Titellesens fällt die Entscheidung, es allein und sonst garnix. Weil das so ist, kann die Titelverzeichnungsseite nur ein, durch das "klare erste Bild" leicht aufgebesserte, "ausreichend bis mangelhaft" bekommen, also ein "4-5".
Beide Noten zusammen ergeben allemal "5", und mit dieser Note tritt unser einst so umkämpftes ZVAB ruhmlos, aber nicht ohne wehmütigen Abschiedsblick seitens des Rezensenten, von der Bühne dieser Welt ab.
P.S. Die Überschrift ist - noch - eine Satire.
Dank für die Ausleihe des Fotos geht an Michael Wassenberg, der die Rechte daran besitzt