Freitag, 26. August 2011

Carl Schmitt, Björn Biester, Piet Tommissen, der Börsenverein und die Neue Rechte




"Auch die internationale Diffamierungsindustrie, die dazu verdammt ist, Schmitts Ruhm rastlos zu mehren, wäre ohne To m m i s s e n   von einer noch traurigeren Gestalt." Junge Freiheit 17.3.2000


Carl Schmitt ist aus dem Kernbereich der Staatslehre, der Rechts- und Staatsphilosophie nicht wegzudenken. Er hat wichtige Impulse gesetzt und zählt zu den Größten seines Fachs. - Dennoch hat er selbst sein Leben und seine Lehre in widerlicher Weise beschmutzt und  v e r g i f t e t.  (Meinung des Verfassers)



1)
Lassen Sie mich mit einer persönlichen Erinnerung beginnen. Vor nun schon gut 25 Jahren erwarb ich den Altbestand des Juristischen Seminars der Reichsuniversität Straßburg, aufgebaut 1941-1944. In mehreren tausend Bänden rekonstruierte ich das Institut in meiner Wohnung, katalogisierte die Bestände und bot sie in umfangreichen Listen den Fachbibliotheken im In- und Ausland an. Während ich bei Durchsicht der juristischen Berufs- und Fachpresse v o r  1933 mehr und mehr den Hut zog vor dem hohen Stand der deutschen Rechtspflege, erfüllte mich die fachjuristische Literatur n a c h jenem schicksalhaften Januar 1933 in zunehmendem Maß mit  E k e l.

Auch als Nebenfachjurist und Sozialist konnte ich aus den Fachtexten erkennen, welche Katastrophe damals über die deutsche Rechts- und Staatswissenschaft hereingebrochen war.

Man machte viele Aufsätze, etwa die häufig anzutreffenden von Freisler, schon an ihrem  S t i l  fest, der jene typische scheußliche Mischung aus einer Blut- und Boden-Neusprache bot.  E i n  Fachgelehrter aber schrieb, ob in er von ihm verantworteten DJZ oder in den Veröffentlichungen der Akademie und des Rechtswahrerbunds, ein ausgezeichnetes, in der Form perfektes Deutsch, vor dessen Hintergrund die darin vertretenen unsäglichen NS-"Rechts" - und "Staats"-Ideen um so  p e r f i d e r  wirkten.

Dieser  p e r f i d e  juristische Schöngeist war Carl Schmitt.

Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hatte damals, aber ich las mich monatelang ein in seine Texte aus diesen Jahren der großen Verfinsterung, ich lernte ihn zu hassen, zu fürchten, zu verachten. Wenn es einen brandgefährlichen Steigbügelhalter, Helfershelfer, Wegbereiter und Lakaien Adolf Hitlers im Bereich des allgemeinen und des Staatsrechts gab - dann Carl Schmitt.

Irgendwann waren die tausende von Zeitschriftenbänden verkauft, andere Tagespflichten beanspruchten meine Aufmerksamkeit, der Haß gegen dieses ebenso kluge wie schöngeistige, b ö s e  Prinzip Carl Schmitt verblaßte. Bis ich - ähnlich wie Kollege Wimbauer gelegentlich auf Ausflügen in die rechte Szene verirrt gewesen  - eine lange Diskussion mit einem Journalisten, dessen Namen peinlicherweise an eine düstere Figur des Reichssicherheitshauptamts erinnert, über Carl Schmitt vom Zaun brach. Ich stellte fest, daß mein Alptraum, jene fürchterlichen Aufsätze in den Jahren des Schreckens - heute offenbar verleugnet, umgelogen, verfälscht und ver-heuchelt wurden, daß diesem scheußlichen Verführer, diesem Totengräber der Demokratie, masochistischem Stiefellecker einer verbrecherischen politischen Hochstaplergruppe - mit treuherzigem Blick nun wieder geistige Fackelzüge gebracht werden, daß er mit dem ähnlich zwielichtigen Jünger Hand in Hand aufs Denkmal gestellt und einer staunenden "neuen" Jugend zur Nacheiferung empfohlen wird.

Ich erinnere mich, das noble Lokal, in dem wir diskutierten, durch einige Brüll- und Urlaute des Ärgers und des Abscheus sehr erschreckt zu haben.

Seither bin ich aufmerksam bei allem, was mit Carl Schmitt unternommen wird. Bei näherem Hinsehen sind das fast immer jene unangenehmen Herren der schicken neuen Rechten, die Du natürlich nicht greifen, nicht festmachen kannst.

Mir persönlich erscheinen die antisemitischen Äußerungen Schmitts am widerlichsten, weil hier ein ungebremster  b ö s e r  Vernichtungswille, eine Bereitschaft zur Hilfestellung zu  H e n k e r s d i e n s t e n  durchbricht, etwa auf der im Oktober 1936 unter seiner Leitung durchgeführte Tagung "Das Judentum in der Rechtswissenschaft". Es reicht nicht aus, irgendwelche Zusammenfassungen oder Lexikonartikel dazu zu lesen: Ziehen Sie die Originaltexte Schmitts, vor allem im Zeitschriftenbereich, hinzu.

Daß er sich mit dem Amt Rosenberg und der SS auseinanderzusetzen hatte, darf ich - hier durchaus passend - so werten: Pack schlägt sich - Pack verträgt sich. Und bar jeder Würde biederte sich Schmitt auch nach seiner parteiinternen Kaltstellung seinem Führer an, bis zum letzten Kriegsjahr. "Aktion Ritterbusch" - sapienti sat.

Wiki sagt den Rest, der zu sagen bleibt, so prägnant, daß ich ihn hier unverändert an den Schluß des Kapitels setze: "Da Schmitt sich nie von seinem Wirken im Dritten Reich distanzierte, blieb ihm eine moralische Rehabilitation, wie sie vielen anderen NS-Rechtstheoretikern zuteil wurde (zum Beispiel Theodor Maunz oder Otto Koellreutter), versagt".

2.
Nun hat ein vermutlich ehrenwerter Mensch, Piet Tommissen, seines Zeichens Volkswirtschaftler in Belgien, anstatt Briefmarken zu sammeln - - Carl Schmitt gesammelt. Jedes Brieflein, jede Postkarte, einfach alles. Wir kennen solche Naturen, als Antiquar sind wir alle in Gefahr, die Grenzen des Sinnvollen zu überschreiten und dort zu bewahren, wo wir lieber anderes, Wichtigeres hätten behüten und sammeln sollen. Google hat in Auszügen einen der Tommissen-Bände zugänglich gemacht - ich Unglückswurm stoße natürlich gleich auf einen offenen N a c h kriegs-Postkartentext, indem er von Angriffen gegen ihn "mit dem Schächtmesser" spricht.

Lieber Herr Tommissen! Wenn ich im Laufe meines Sammelns auf eine solche Karte stoße, dann besuche ich den Verfasser, spucke ihm vor die Füße, verachte ihn als Mensch und rede von Stund an kein Wort mehr mit ihm. Sie haben weiter gesammelt... Wie wollen wir das nennen - masochistische wissenschaftliche Heldenverehrung, partielle Betriebsblindheit, törichte Förderung böser Geister?

Warum wir das alles schreiben, und was es mit dem Antiquariat zu tun hat?

Björn Biester, Redakteur beim Börsenblatt des Buchhandels, Netzdienst Antiquariat, ist in das Carl-Schmitt-Fettnäpfchen getreten. Wie wir ihn zu kennen glauben, wird er eher nächtens über den Main schwimmen als ein Jota seines Textes zurückzunehmen (Link zum Börsenblatt des Buchhandels).

"Bibliograf (sic) des wegen seiner Betätigung während des "Dritten Reiches" umstrittenen Staatsrechtlers Carl Schmitt".

Hochverehrter Dr. Biester! Erstens ist Carl Schmitt in Sachen Drittes Reich nicht etwa umstritten, sondern in dieser Hinsicht ist er zurecht  verfemt und verachtet. Er ist geistig und zum Teil sogar taktisch-organisatorisch mitschuldig an der Ermordung vieler Millionen Menschen, er war Wegbereiter und Unterstützer des Teufels in Person. Und wie halb Europa unseren Führer und sein Regime verflucht hat, so ist auch Carl Schmitt seither mit einem Makel behaftet, den keine wissenschaftliche Leistung von ihm nehmen kann.

Sie wissen auch, daß Carl Schmitt heute von der Neuen Rechten als Flagschiff mißbraucht wird. Angesichts dieser Situation ist es nicht gut, nur in einem Nebensatz anzudeuten, er sei "wegen seiner Betätigung während des "Dritten Reiches" umstritten ". Viel tiefer geht seine Schuld, er hat sich nicht nur "betätigt", er hat geistige Brunnenvergiftung der verhängnisvollsten Art betrieben, er hat den H e n k e r n  das ideologische Rüstzeug geliefert.

Nun können Sie im Börsenblatt schreiben, was Sie wollen, der bekannt erzkonservative Börsenverein des Deutschen Buchhandels segnet es schon ab. Ich nehme ihnen nur persönlich übel, daß Sie eine fürchterliche Zeit in mir wieder heraufbeschworen haben - jenes Durchsehen der juristischen Fachpresse auf die Texte Carl Schmitts.

An Ihre Adresse der Rat: Das Böse, das Scheußliche muß man in der Publizistik beim Namen nennen. Sie verbieten ja noch, wie zum Hohn, qua ausgeschalteter Kommentarfunktion jede demokratische Kritik an Ihren Ausführungen. Die Buchhändler, die Verleger dürfen kommentieren - wir Antiquare aber erhalten vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Segnungen Carl Schmitts angepriesen mit der Schweigebirne der Inquisition im Mund.

Die ständischen Antiquare hören schicksalhaft und völkisch dem Raunen Björn Biesters zu und müssen schweigen. Fahne voran.

Das alles hätte Carl Schmitt sehr gefallen...


Dank für das Foto an das "Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz", das die Rechte daran besitzt