Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Freitag, 5. August 2011
Abooks und Antbo - Berliner Idylle näher betrachtet
Abooks und Antbo - Berliner Idylle näher betrachtet
Kunibert Kreuzberger, ein treuer Antbo-Kunde, mit seinem Blindenhund, aus dem Tractat über die erschröcklichen Folgen leseunfreundlich gestalteter Bücherportale
Wir stehen in nächster Zeit vor zwei Aufgaben, die wir entweder aus der Berufsgruppe heraus selber lösen - oder die andere für uns lösen werden: Die Gestaltung einer eigenen Bücherdatenbank / eines Bücherportals und die Verwirklichung jenes Verbunds der Webseiten, den Kollege RFMeyer zwar in die Welt gesetzt, dann aber schmählich vernachlässigt hat.
Der kommende Webseitenverbund erfordert von uns allen Loyalität und Gerechtigkeit gegenüber a l l e n Mitgliedern des Berufs und allen Bereichen, in denen Antiquare arbeiten. Die kommende Datenbank/ das Bücherportal muß eine Gemeinschaftsleistung sein, in die sich a l l e Kollegen mit ihren besten Einfällen einbringen und die sie mit ihrer wachen Kritik demokratisch begleiten.
Unser übermächtiger Gegner, die Krake Amazon-Abebooks-ZVAB mit ihren Agenten und Liebedienern - aggressive Marktdominanz führt immer auch käufliche Seelen zum Verrat - macht schnelles, zielstrebiges Handeln hier und heute erforderlich.
Ich möchte nun an zwei Beispielen zeigen, wie mit der Kritik in die Einzelheiten gegangen werden muß. Ich tue es auf meine Weise - schonungslos und etwas zynisch. Kollege Plocher, um meinen formalen Gegenpol herbeizurufen, wird anders kritisieren, subtil und geistvoll, und zwischendrin arbeitet jeder auf seine Weise an der gemeinsamen Aufgabe. Die S a c h f r a g e n aber bleiben immer dieselben, und so bitte ich Sie die folgenden beiden Fälle mit ihren eigenen Augen nachzuprüfen, auch wenn Ihnen mein Sarkasmus auf die Nerven gehen mag.
Soeben erreicht mich eine Rundmail von Antbo und Abooks, ich werde da mit einer Einladungskarte zum 1. Berliner Antiquariatstag beschenkt. Frohgestimmt klicke ich die Links der Spender an. Ach, hätte ich das doch unterlassen!
1.
Kollege Thursch hat eine Webseite aufgebaut, die - so vermute ich - Kollegen und/oder Themen vernetzen möchte, von der man aber nicht wissen soll, wozu sie eigentlich dient. Es gibt eine aufgeräumte, aber ziemlich sinnfreie Startseite, auf der einige Anzeigen von Büchermessen zu finden sind, inklusive einer Zeitreise zum längst stattgehabten Bonner Brückentag am 16. 1. 2011. Nun ja, klicken wir mal die Registerkarten an.
Was finden wir unter "Antiquariate"? Die Stichprobe "Freiburg" ergibt drei Adressen, von denen eine absolut blödsinnig erscheint, Herr Pütz ist ein ehrenwerter Mann, hat aber mit alten Büchern soviel zu tun wie ich mit Bankanleihen. Die anderen zwei sind willkürlich ausgewählt, in jeder Hinsicht ist eine solche "Auswahl" unzulässig angesichts der Vielzahl guter und wichtiger Kollegen in Freiburg. Das ist genau jener Unfug, den auch Kollege Höfs in seinem "Antiquariatsverzeichnis" anwendet. Bitte, was soll das?
Unter dem Link "Buchkunst-Datenbank" verbirgt sich nichts weiter als ein (übrigens kryptisch-frech gestaltetes, längere Klickstudien erforderndes) Inserat des Bartowiak-Unternehmens, zu dem ich mir hier jede Stellungnahme versagen will - ich habe nachher noch Ärger genug.
Die anderen Registerkarten sind ähnlich selektiv befüllt und insgesamt, werter Kollege, ist Ihre Abooksseite, verzeihen Sie, eine Z u m u t u n g für den Leser. Sie haben keine Veranlassung, Ihre Leser so irrezuführen. Denn nichts anderes ist in meinem Augen Ihre Seite: Ein Instrument zur Zeitvernutzung des Lesers und zur Irreführung, was die Adressenauswahl angeht. Denn Sie müssen s a g e n, daß und wie und warum Sie nach welchen Kriterien auswählen, Sie dürfen nicht den Eindruck entstehen lassen, das seien "die" oder gar alle Antiquariate.
Aber ich hab das Kollegen Höfs umsonst gepredigt (schon vor drei Jahren), warum sollte sich das bei Ihnen ändern. Ich schließe mit den Worten des Großen Vorsitzenden Dr.Biester: "Das ist nicht gut!".
2.
Antbo habe ich in guter Erinnerung. Das kommt so: Vor sehr vielen Jahren erschien Antbo frisch auf dem Markt. Ich amüsierte mich unendlich über den lustig-peinlichen Namen - alte Kämpfer wissen es, "Entenpopo" - , noch mehr aber enervierte ich mich über eine Vielzahl ganz schrecklicher formaler Fehler der jungen Datenbank. Die war für uns damals wichtig wie jedes Konkurrenzprodukt zum ZVAB, alle Antiquare hatten diskutiert darüber. Zu meiner Freude mauserte sich eine Woche später das Datenbänklein, alle Fehler waren ausgeräumt, wir hatten eine klare, gut gestaltete Bücherdatenbank, freilich immer noch unter dem Namen des "Entenpopo".
Seither gab es keinen Grund für mich, im Berliner Ententeich vorbeizuschauen, ich erinnere mich dunkel, anläßlich meines letzten Datenbanktests vor gut zwei Jahren zum letzten Mal dort gewesen zu sein, ich glaube, das Ergebnis war recht ordentlich gewesen.
Nun also komme ich, als mit Eintrittskarte Beschenkter in guter Stimmung, wieder auf Antbo an. Was sehen wir?
Die Kopfgestaltung ist von erfreulicher Klarheit, sehr gute Farbenwahl (im allzuleeren Mittelfeld oben wäre noch Platz für einen hübschen Entenpopo, aber lassen wir das).
Die Eingangsseite ist zwar in mehrfacher Hinsicht nicht ohne Probleme (bitte, was unterscheidet Stichwort- von Volltextsuche aus der Sicht des unbedarften Kunden, will er nicht beides - in einem - kombiniert auf der Eingangsseite?) , aber wir gehen aus Zeitmangel sofort zur eigentlichen Such-Seite, zu “Volltextsuche”.
In einer nicht ungefälligen, schreibmaschinenähnlichen Schrift - - beginnt leider schon mit dem ersten Satz ein in sich absurdes Kauderwelsch von "Erklärungen", ich zitiere:
"Die Ausgabe erfolgt sortiert nach der Relevanz der gefundenen Suchbegriffe, d.h. nach der Position der Suchbegriffe im Eintrag"
Erkläre mir, Prinz Orindur, dieses Rätsel der Natur... - Im Dada-Stil geht es weiter:
"Einträge, bei denen der Suchbegriff am Anfang steht, erscheinen zuerst".
N e i i n , bitte nicht... Das ist so formuliert unverständlich, ist absurd!
Auch nach Lektüre der folgenden Erklärung wird es nur wenig klarer. Ein Beispiel:
"Die Ausgabe zeigt dann alle die Einträge an, in denen exakt alle Suchbegriffe gefunden wurden (sog. UND Verknüpfung)."
Was soll hier das Wort "exakt"? Kein Leser hat jemals dieses "exakt" verstanden, k e i n e r. Es ist einfach nur Wortmüll.
Unten, wo niemand mehr hinscrollt, beginnt eine zwar unglücklich formulierte, aber in der Sache überraschend gescheite Einführung in das "trunkierte" Suchen und in andere sehr praktische Abfragetricks. Also sie können, wenn sie wollen, die Antbo-Leute.
Lehnen wir uns zurück, geben wir ins Suchfeld hoffnungsfroh "Rosenberg Mythos" ein, jenes blödeste Buch, das ich kenne.
7 Titel werden angezeigt - - und nun beginnt die Todsünde. War die unverdauliche Eingangssequenz auf der Suchseite immerhin noch ein läßliches Vergehen (Antbo-Chef muß 100 Litaneien an Dr. Biester ableisten, mit Gesang), so springt uns nun jene Sünde wider den Heiligen Geist ins Gesicht, die kein Priester verzeihen kann und die den Datenbankmacher ins ewige Verderben führt:
*Die Texteinträge, die Datensätze der Bücher sind - notabene unter den Bedingungen des schnellen Querlesens - nur mit Mühe, nur unter Schmerzen, nur mit Vergewaltigung aller beteiligten Sinne zu lesen, sie sind in einem tieferen Sinn u n l e s e r l i c h.
Womit sich die Datenbank selber zum Tod verurteilt, zur Erfolglosigkeit. Alle anderen Sünden sind irgendwie zu kompensieren - aber nicht der Verstoß gegen die Grundgesetze eines angenehmen Querlesens der Titel.
Der Sünden sind bei näherem Hinsehen sehr viele. Der Satzspiegel ist viel zu breit. MIt Mühe findet das Auge den weiten Weg zum nächsten Zeilenanfang. - Der wenn auch läßliche Fehler, die Suchworte farblich und in Fettdruck hervorzuheben, zerstört den Lesefluß zusätzlich. - Die "Bestellnummern", in der Datenbankpraxis ganz unwichtig, sind am Ende jeder Titelaufnahme trotz kleinerer Type viel zu prominent, sie stören ungeheuer. - Kleinere Typen für die Kommentare sind an sich geschickt, sie aber zu nah an den Haupttitel zu rücken, stört. Das wird, da die schreckliche Zeilen-Überlänge auch hier stur beibehalten ist, zu einer wirklichen Q u ä l e r e i des Lesers. Auch mag man die unterschiedslose Vermischung von Kommentaren, Sachgliederungsfragmenten und Listentiteln dort nicht goutieren. - Viel zu prominent ist die Hervorhebung des besitzenden Antiquariats als freistehender, großgeschriebener Link. - "Das Angebot dieses Antiquariats einsehen" hätte unbedingt mit in den Link obendran eingegliedert werden müssen. - "Das Angebot dieser Rubrik einsehen" ist seltsam formuliert, gemeint ist ja, diese "Rubrik" (Grundgütiger, was ist das?) im Angebot (nur) des Händlers einzusehen. - Die Voransetzung des "incl. MWst" verwirrt, stört den Lesefluß. - "Versand" als Link wird durch die Blaufärbung zu prominent. Die Summe im Inlandsversand steht ja da; weitere Details sind dann ganz sekundär. - Die blauen Querstriche zwischen den Titelaufnahmen sind t ö d l i c h, nicht nur, aber auch weil sie nicht bis zum Rand durchgezogen sind. Auf denn, wir quälen den Leser, indem wir rechts und links einen Zentimeter freilassen. Das Auge soll in bei uns in Antbo keinen Halt finden, nicht bei uns!
Ich sage als Tester, der hier die Interessen der Kunden zu vertreten hat:
Antbo, Du q u ä l s t lebendige Menschen!
Gehe in dich, tue Buße, bessere dich.
3.
Bei der gemeinsamen Aufgabe, u n s e r e gemeinsame Datenbank, unser Verkaufsportal zu bauen, wird es sich um die Generalrevision eines bestehenden Portals handeln. Wozu etwas Neues bauen? Wenn doch: Weil ich ein großes Zutrauen in das Fachwissen der Experten habe, glaube ich unbesehen den mehrfachen Äußerungen von Universitäts- und Fachhochschulmenschen aus Dresden und Karlsruhe, daß heute "jeder neugebackene Informatik-Absolvent (einer Universität) eine gut funktionierende riesige Bücherdatenbank bauen kann, Serverleistung vorausgesetzt".
Was technisch vor zehn Jahren noch eine schwer lösbare Aufgabe war, ist heute - fast - eine Selbstverständlichkeit geworden. Die Probleme, die wir gemeinsam zu lösen haben, liegen also im Bereich des T a k t i s c h e n.
Das fängt mit der formalen Gestaltung an, siehe die obige Antbo-Kritik, und hört mit dem Werbeargument , daß unser Portal das Portal "aller" Kollegen im Besitz "aller" Antiquare sein muß, noch lang nicht auf. Und parallel dazu, mit Seitenblick auf Abooks, sollten wir den Gedanken des Webseitenverbunds nicht vernachlässigen.
Er könnte, falls uns die Krake datenbankmäßig erwürgt, unsere letzte Zuflucht sein. Warte nur balde.