Freitag, 5. August 2011

Ebay und die Antiquare - nur ein Trauerspiel?





Das *Börsenblatt-Interview Biesters mit dem geschätzten Kollegen Riepenhausen sollte wohl schon vom Ansatz her eine tour d'horizon bleiben und ist als Momentaufnahme wertvoll. In den Einzelheiten wird sich der Leser allzu kurz abgefertigt vorkommen, aber das liegt in der Natur der Sache und kann ihn gerade erst recht zum Nachdenken anregen.

Mir geht es so bei dem Kaiptel, das Ebay gewidmet ist (ich darf zitieren):

Längst nicht alle Ihrer Kollegen sind bei Ebay vertreten, wie erklären Sie sich das?

Ein Argument, das mir ein Kollege mal genannt hatte war: ich lasse mich nicht bewerten. Viele Kollegen haben wohl auch negative Erfahrungen mit Ebay gemacht, beispielsweise beim Versteigern ihrer Bücher, die dann oft zu geringen Preisen verkauft wurden. Ebay ist ja durch das Versteigern bekannt geworden, dass sich das seit geraumer Zeit geändert hat, mag vielleicht nicht bei jedem angekommen sein. Ich stelle nur noch selten Bücher zum Versteigern bei Ebay ein. Ich habe dort einen Shop mit Festpreisangeboten und einer Preisempfehlungsfunktion. Ebay hat im Gegensatz zu anderen Marktplätzen wie Amazon und ZVAB sehr viel für ein virtuelles Shoperlebnis getan. Im Gegensatz beispielsweise zum ZVAB habe ich es bei Ebay geschafft, Stammkunden zu gewinnen. Bei der Messe in München sind mehrere meiner süddeutschen Ebay-Kunden an meinem Stand gewesen und haben "analog" gekauft! Rechtlich fühle ich mich bei Ebay gut beraten, ich kann zahlreiche Bilder meiner Bücher hochladen, kurzum, Ebay ist für mich der ideale Internetmarktplatz. Dennoch, ich würde natürlich am allerliebsten meine Bücher auf eigene Kappe ohne Gebühren verkaufen, deshalb der Versuch mit der Münchener Messe


Ich bin wie Kollege Riepenhausen ein altes Ebay-Schlachtroß und kann darüber hinaus auf eine Vielzahl von Experimenten zurückblicken, die ich mit Ebay im Lauf der Zeit angestellt habe, mit nicht unerheblichem Reugeld im Einzelfall. Ich greife Riepenhausens Argumente in der Reihenfolge auf, wie sie im Börsenblatt angeführt werden.

Das Image von Ebay bei den Buchantiquaren ist tatsächlich sehr schlecht, was sicher nicht nur auf (im Einzelfall) unerfreuliche Versteigerungsergebnisse zurückzuführen ist. Es gibt eine sehr kleine Riege von Antiquaren, überwiegend aus dem unteren und mittleren Bereich, die Ebay fest in ihr Geschäftsmodell eingebunden haben. Mehr als 50 Kollegen sind das nicht, ich gehöre auch dazu.

Von denen ist ein guter Teil jenen schauerlich-fleißigen Billigsteinstellern zuzurechnen, die sich in Monster-Geiz-Amazon- und anderen Foren besprechen, mit dem Rest der Antiquare fast gar keinen Kontakt haben und ihre eigene Welt zelebrieren.

Dort geht es meist unfroh und rauh zu, aus der Sicht des klassischen Antiquars ein scheußliches, geistloses Abarbeiten von Titeleinträgen, aber das Völkchen ist doch wieder ganz glücklich damit. Wir sollten mit dieser Schicht unseres Gewerbes aus mehreren Gründen in Zukunft besseren Kontakt halten, schon wegen der kommenden Momox- und Amazonabwehr und weil es Aufsteiger aus dieser Tretmühle gibt, die gefördert werden sollten.

Wer sich aus traditioneller Sicht dem "richtigen" Antiquariat zuordnen darf bei Ebay und trotzdem regelmäßig dort einstellt, der hat ausnahmslos eine

*absurde, völlig unzumutbare, kafkaeske und streckenweise blödsinnige Ochsentour der Einarbeitung

hinter sich, ehe er das Einstellen und Verwalten bei Ebay in allen Aspekten wirklich beherrscht.

Das Ebay-System ist auf den US-Markt auch in kultureller Hinsicht eingestellt, es spiegelt das Antiquariat und das Büchersammeln in den USA wieder. Unterschiedlich gut wird das regional angepaßt. Es gibt nichts Lehrreicheres, als sich Ebay F r a n c e anzutun - eine völlig andere, nach französischen Antiquariatsusancen ausgerichtete (in sich aber ähnlich blödsinnige... lassen wir das) Struktur wird er dort entdecken.

Ebay-Tutorials, vernünftige Einführungen und Lehrkurse also, die diesen Namen verdienen, gibt es bei Ebay n i c h t. Ich halte meine These aufrecht, daß Ebay vom Anfänger aus gesehen, der gewerblich verkaufen will, eine Folterkammer ist, gebaut von Sadisten zur Erfreuung von Masochisten.

Solches steckt dahinter, wenn Kollegen äußern, das Einstellen von Titeln bei Ebay sei ihnen "zu kompliziert". Und dies ist der wahre Grund, warum wir bei Ebay so wenig anbietende Kollegen der "mittleren" Sorte finden.

Damit hängt unmittelbar auch die Enttäuschung über unerfreuliche Preisergebnisse zusammen, von dem Riepenhausen spricht. Denn wer nicht alle komplizierten Regeln, das organisatorische und psychologische Gefüge dieses Monster-Folterturms beherrscht, dieser

*modernen Bastille des Internet

- der erzielt wenig oder nichts, wo er mit entsprechenden Kenntnissen gute Preise erreicht haben würde.

Daß Riepenhausen nur wenig zum Versteigern einstellt, "das ist nicht gut" (Biestersprech). Denn zu den blödesten, verwickelsten und halb geheimgehaltenen Regeln der Ebay-Bastille gehört, daß der Absatz aus den Shops wegen interner Ranking-Regeln sehr direkt an gleichzeitige, möglichst regelmäßig einzustellende Versteigerungen g e k o p p e l t ist. Er möge, dies ist mein Rat, mindestens pro forma jeden Sonntag einige Titelchen versteigern lassen, echte Einlieferungen, nicht etwa transferierte Shopware.

Diese interne Ranking-Regel ist nur ein kleines Zipfelchen des absolut blödsinnigen Gewebes der Ebay-Gesetze und Regeln, die gekonnt werden müssen, will man guten Absatz erzielen.

Die Laden-Präsentation bei Ebay ist im Prinzip sehr verdienstvoll.

Ich komme aber nicht umhin, der genossenschaftlichen Datenbank und nicht Ebay jenes Kränzlein zu winden, das dem Einführen und Propagieren vernetzter Antiquariats-Shopsysteme, gekoppelt und koordiniert mit Datenbanken im Internet gebührt. Neben den Pionierleistungen im Bildersektor hätte die Genossenschaft weiter darauf aufbauen sollen. Wie konnte der erfahrene Kollege RFMeyer-Berlin die einmalige Chance verschlafen, seine gute Idee des Webseitenverbunds zu koppeln mit einem erneuerten Shopsystem bei den Genossenschaftlern?

Das Shopsystem bei Ebay ist, es sei mir die Kritik gestattet, unendlich schlecht, umständlich und eigentlich für den Kunden fast unzumutbar in der von Ebay propagierten Urform. Erst wenn der Händler seinen eigenen Shop mithilfe des riesigen Netzes Ebay-fremder Hilfsfirmen, Hilfsprogramme und unterstützender Dienste (meist kostenpflichtig) umbaut, kann er ein benutzbares Ladengebilde vorweisen. Ich gehe hier nicht weiter ins Detail, sage nur, daß es schier unmöglich ist für den Kunden,

*die endlose Scrollerei und Hangelei durch einen mittelgroßen, n i c h t adaptierten Standard-Ebayladen

länger zu ertragen als zwei, drei Minuten.

Die Stammkundenbindung ist ganz erstaunlich, da kann ich Riepenhausen nur zustimmen. Es mag damit zusammenhängen, daß der Kunde zunächst angstvoll die vorausbezahlte Ware erwartet und wenn sie dann seinen Erwartungen entspricht, wenn sich der Verkäufer als ehrlich erwiesen hat, eine um so engere Bindung und ein Vertrauen entsteht - das man dann aber nicht enttäuschen darf. Einfühlsame Korrespondenz, auch das gehört zu den zu lernenden Dingen bei Ebay, schon wegen einer absurden und brandgefährlichen Doppeleinstellung der Kundenbriefe in den Ebay- und den Händler-Briefkästen, die in den Antwortfunktionen ähnlich verwickelt ist wie der Umgang mit "Nachfragen" usw. - ein Universum des Chaotischen...

Lieber Kollege, nachdem hunderte von Händlern abgemahnt wurden, während Ebay in Potsdam nichtswissend die Däumchen drehte und zusah, hat sich der Konzern jetzt endlich dazu bequemt, die Kunden-Belehrungen usw. rechtssicher einzutragen. Rechtlich gesehen ist Ebay seit jeher faul, rücksichtslos, träge und - ach, nichts weiter davon, sonst kommen wir noch zu den scheußlichen "Bewertungen" und dem noch widerlichen Umgang mancher Problemkunden damit. Ein gigantisches Erpressungssystem, das überdies hundertfach mit Tricks umgangen werden kann.

Fürchterlich ist das System,. mit dem üblicherweise Bilder eingestellt werden sollen. Mein Thesenpapier zur "Visualisierung im Antiquariat" enthält im Kern jenen Umgehungsweg, mit dem allein ein vernünftiges Bildereinstellen auch und gerade bei Ebay möglich ist. Bei Begriffen wie "Ebay-Bilderdienst" und "Hochladen von Bildern" im klassischen Eingabeweg kriege ich Zufälle und muß mit Baldrian gelabt werden - kompliziert, völlig unmöglich, viel zu teuer...

Wieder einmal muß ich abbrechen. So bleibt uns das Turbolister-Kapitel erspart. Wenigstens das...

Fazit: Einstellen bei Ebay ist für den mittleren Antiquar erst nach ausgedehnter, längerdauernder Vorarbeit möglich, wobei sowohl formelle als auch, aufgemerkt denn also, i n f o r m e l l e Regeln gelernt werden müssen. Ohne einen sehr anstrengenden Wochenendlehrgang (die Buchhändlerschule wartet schon) mit praktischen Übungen ist es keinem neueinsteigenden Kollegen möglich, sinnvoll mit Ebay zu arbeiten.

Die Ladenergebnisse sind trotz problematischer Gestaltung und Koppelung an parallele Versteigerungen ausgesprochen gut. Die Ergebnisse in Versteigerungen spiegeln - falls alle Regeln gekonnt werden und beachtet worden sind - sehr präzise die wahren Marktwünsche, die echte Marktlage wieder und sind so für den Antiquar eine sehr wertvolle Erkenntnisquelle.

Herzlichen Gruß an Kollegen Riepenhausen!