Freitag, 5. August 2011

Der 3. Gemeinschaftskatalog der Antiquare - Naivität oder Manipulation?



Der 3. Gemeinschaftskatalog der Antiquare - Naivität oder Manipulation?




Wir brauchen Neuentwicklungen im Katalogwesen. So wichtig der Abwehrkampf gegen Amazon, die fürchterliche 90 % -Krake, auch sein mag, dadurch sollten wir uns nicht den Blick verstellen auf die Gesamtsituation. Wären wirklich alle Probleme behoben, wenn sich unsere Absatzwege wieder in eigener Hand befänden oder wenn wenigstens die Verkaufsportale der Antiquare nicht mehr von schnöselnden CEOs bei Amazon kommandiert würden?

Dann würde immer noch der Widerstand gegen Momox weitergeführt werden müssen und, weil wir die Ladenfront nicht vergessen wollen, sollten weiterhin die Wohltätigkeits- und Billigwareschleuderer unter dem Deckel gehalten werden. Auch Ebay könnte eines Tages über seinen Schatten springen und die Ebay-Altbuchsparte reformieren - dann gnade uns Gott.

Ausgerechnet die Genossenschaft verspottet dieser Tage ihre Grundidee ein weiteres Mal und verschickt ihren Sammelkatalog, ein Monument der Oligarchie, der Abschottung einer Gruppe "besserer Antiquare" innerhalb des Gewerbes. Was zur allgemeinen Wohlfahrt und Demokratisierung im Gewerbe hätte dienen sollen, die Genossenschaft, mit Garantie eines Buchportals im Besitz aller Antiquare, das wird nun zum konservativen Absatzinstrument einer Mitgliedergemeinschaft verbogen.

Nichts gegen Sammelkataloge. Sie können, wenn sie thematisch oder sonstwie abgegrenzt einen kleinen Ausschnitt aus der Vielfalt des Gewerbes vorstellen, ihren - freilich recht bescheidenen - unmittelbaren Nutzen haben. "Die 7" oder "Antiquare in Oberbayern" - warum nicht. Aber es kann nicht angehen, wenn hier 78 Antiquare sich gemeinsam so aufführen, als hätten wir wieder das Jahr 1990.

Man kann immer einen Katalog mit Edelware veranstalten. Diese Titel legt der Antiquar zurück, er entzieht sie dem Umlauf, um für sein Geschäft zu werben. Wenn neue Kunden gewonnen sind, dann kann er ihnen diese Edelware aber nur sehr begrenzt nachliefern. Bald einmal ist das Spitzenwareschränkchen leer - - und dann? Woher den Nachschub an eben der Edelware nehmen, mit der man im Katalog geworben hat?

Daraus ersehen wir etwas Betrübliches, wir zögern nicht, es so hinzuschreiben, wie wir es denken. Höflichkeitsformen fallen unter Kollegen bekanntlich weg. Klartext:

Es gibt unter den 78 Teilnehmern etwa 10 oder 15, die ein umfangreiches Lager an guter bis sehr guter Ware haben, für die der Nachschub an Titeln der im Katalog vorgestellten Art also keine Mühe bereitet.  Für diese kleine Schicht der Kollegen bedeutet der Sammelkatalog ein hervorragendes Werbeinstrument.

Die anderen 60 oder 70 Antiquare verkaufen ihre vorgestellten Spitzenstücke und noch einige weitere, die sie auf Lager haben - - und dann ist Schluß mit Fettlebe. Nichts zerstört bekanntlich die Kundenbindung so schnell und nachhaltig wie die wiederholte Auskunft: "Leider nichts Neues hereingekommen", "Leider wieder nichts für Sie".

Was ist die Folge? 60 oder 70 Antiquare werden ausgenutzt, sie leisten ihren Obulus - für jenes Dutzend der Kollegen, die wirklich ein gutes Lager an Spitzenware haben und deren Nachschubquellen bewährt und abgesichert sind.

Das nenne ich die Ausbeutung, den Mißbrauch mittlerer Antiquare durch die motivierende, führende Oberschicht.

Man muß es nur durchdenken, um schließlich bestätigend mit dem Kopf zu nicken: Unter Umgehung der Interessen von 900 anderen Antiquaren fertigt eine Oligarchie einen herausgehobenen Edelware-Sammelkatalog. Innerhalb dieser oligarchischen Gruppe beutet eine weitere Oligarchie, nämlich die Kollegen mit Edelware-Nachschub und Lagerbestand, die anderen teilnehmenden Antiquare aus über die gemeinsame Katalogfinanzierung. Tusch!

Ich will nicht davon reden, daß das Unternehmen ohnehin kalkulatorisch auf tönernen Füßen steht. Wir kennen Druckpreise und Portosätze. Auch stellt sich die Frage, ob hier nicht in Wahrheit ein Semi-Versteigerungskatalog hergestellt wird, der dann auch als echtes gemeinsames Auktionsmodell durchgezogen werden sollte und könnte.

Und noch ein Denkfehler steckt darin: Die Kunden für diese Art gehobener Ware kennen den Markt inzwischen sehr genau, sie begrüßen die teilnehmenden Antiquare als "alte Bekannte" und eine  N e u werbung von Kunden durch dieses Gebilde ist höchst fraglich. Und - die angebotene Spitzenware wäre auch sonst im einzelnen Betrieb bestens verkaufbar gewesen.

Aus alledem ergibt sich, daß der Katalog undurchdacht, unnötig, altmodisch und vom Gesamtgewerbe her verwerflich oligarchisch geplant ist.  T ü c k i s c h  und unsolidarisch wird er aber erst durch die Milchmächenrechnung, daß ein Spitzengrüppchen der Teilnehmer hier den Rest ausbeutet. Ich vermute keine Absicht, sondern, wieder einmal - - grenzenlose Naivität.

Druckt nur weiter schöne Bilderbücher! Amazon wird sich freuen darüber. Denn sind die Antiquare mit solchen Spielereien beschäftigt, dann können sie anderswo keinen Schaden anrichten. Zum Beispiel durch Reform eines neuen Verkaufsportals für  a l l e  Kollegen.

Wäre ich Amazon, ich würde an die verantwortlichen Herausgeber dieses Katalogs Erfolgsprämien auszahlen - für bleibende Verdienste um die Einschläferung der Antiquare in einer hochgefährlichen Situation.