Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Montag, 8. August 2011
Montagsplauderei zum Amazon-Abebooks-ZVAB-Skandal
"Im Sklavenschiff" (Alter Holzstich)
Wer sich klar werden will über die Hintergründe der Frage einer Marktbeherrschung im Internet-Absatz im deutschen Altbuchhandel, der muß die Sachverhalte, die ich in den drei voranstehenden Beiträgen hier dargestellt habe, nacheinander abarbeiten. Kürzer geht es nicht, auch nicht "einfacher".
Im Kern steht für mich das Schichtenmodell im Antiquariat. Solang die Monopolkrake Amazon-Abebooks-ZVAB zwar munter Millionengewinne macht mit den unteren und mittleren Schichten des Altbuchhandels, sich aber bei Erörterung der Kartellfragen auf statements aus der wenig betroffenen Oberschicht beruft, solang dieses falsche Spiel mit bereitwilliger Assistenz unserer "Edelantiquare" munter weiterlaufen darf, tappt das Kartellamt natürlich im Dunkeln umher, wird die große Öffentlichkeit getäuscht.
Die Fachmedien, ohnehin nicht sehr begierig, sich der Nöte des unteren und mittleren Antiquariats anzunehmen, sind in einer schwierigen Lage. Natürlich würden etwa "Buchreport" oder "Börsenblatt" die ganze Sache mühelos aufdröseln und korrekt darstellen können - wären da nicht drei Anzeigenkunden involviert, nichtwahr? Und für die Feuilletons der großen Presseorgane wie FAZ und Süddeutsche ist nun einmal das Antiquariat jenes Spitzengeschäft der teuren Bücher, der Messen und Auktionen - daß sich dahinter auch ein sehr großer, aber kulturell wenig aufregender Bezirk fleißiger Altbuchlieferanten verbirgt, viel umsatzstärker als die "edlen" Kollegen - darüber mag niemand berichten in den Feuilletons.
Zu den für mich nach Beobachtungen aus anderthalb Jahrzehnten rätselvollsten dramatis personae gehört Heinisch, der Gründer des ZVAB, jetzt zieht er mit dem Tutzinger Büro gerade um zur Düsseldorfer Abebooks-Mama. Er hat in allen Lagen, besonders aber in der üblen Affaire um v. Rheinbaben, auch bei der Frage der Genossenschaftserwerbung, eine nach meiner persönlichen Einschätzung undurchsichtige, nicht immer ehrliche, ganz verzweifelt unverbindliche Rolle gespielt nach außen hin. Die erfahrenen Antiquare haben ihm vertraut - das haben sie nun davon.
Das ZVAB hat nach dem Scheitern des Genossenschaftskaufs und während der ersten Kartellauseinandersetzung die Antiquare mit schönen einlullenden Schalmeientönen zugedeckt. Die Antiquare haben dem ZVAB und v.Rheinbaben geglaubt, nur der alte Mulzer hat das Berner Hess-Forum und später das Börsenblatt zugemüllt mit seinen Warnungen - vertraut weder dem ZVAB noch Rheinbaben, die werden gegen Bares ihre Seele verkaufen, so sehr sie Euch jetzt auch "Unabhängigkeit" zusichern... Und natürlich ist es haargenauso eingetreten.
Warum wehren sich die unteren und mittleren Schichten nicht selber? Ich lese in ihren Foren und Gruppen, ob bei Ebay, Amazon oder im "Geizhalsforum", seit Jahren mit und bin entsetzt über das Ausmaß an schafsmäßiger, devoter, das Wesentliche nicht erkennender Verhältnisblödsinnigkeit. Über Kleinigkeiten, etwa geringfügige Verschlechterungen irgendwelcher Konditionen, wird dort seitenlang engagiert diskutiert - die große Linie aber ist den Kollegen dort nicht begreifbar zu machen. Das Denken in wirtschaftlichen größeren Zusammenhängen ist für diese schlichten Gemüter nicht möglich. Gerade deshalb muß das Kartellamt sie schützen!
Ich werde morgen versuchen, in die Geschichte des internationalen Portalmarkts im Antiquariat einzusteigen. Das ist ja auch die eigentliche Welt von Abebooks und Amazon. Wir können nämlich, wenn wir etliche Jahre zurückgehen und international recherchieren, eine ganz fürchterliche (inzwischen halbvergessene) Periode ausmachen, in der mehrere Portale versucht hatten, den Antiquaren die Daumenschrauben anzulegen!
Das ist alles nicht neu. Die internationalen Antiquare, weniger treudoof und weitaus aufmüpfiger als ihre deutschen Kollegen, hatten sich diese frühen Versuche einer Disziplinierung durch marktdominante Verkaufsportale nicht gefallen lassen. Aus den Versuchen aber, sie zu versklaven, können wir absehen, wohin die Entwicklung jetzt im deutschen Markt gehen wird, wenn das Kartellamt schläft. Denn es sind ja zum Teil dieselben Personen, die gleichen Marktstrukturen - und noch treudoofere Antiquare, die in Deutschland schon Schlange stehen, damit ihnen die Krake Fesseln anlegen möge.