Schreibt das Börsenblatt noch für die Antiquare?
Dr.Biester, Paulitz, Pardun, Mulzer und die Folgen
Beim Börsenblatt des Deutschen Buchhandels, Abteilung Antiquariat, wird in den letzten Wochen immer deutlicher, was die Redaktion von Dr. Biester unter Antiquariat versteht - Edelware, Versteigerungsstücke, Museumsobjekte, Verkauf und Ausstellung solcher Bücher, die der normale Antiquar nie, aber auch gar nie unter die Hände bekommt, von denen er nur träumen kann - - und träumen soll.
Biester wendet sich mit seinem Netzblatt vorrangig an die Berufsgruppe und dann erst an die Liebhaber der alten Bücher. Das wird aus dem Verbund mit der Neubuch- und Verlegersparte des Börsenblatts klar und ist seit jeher auch Tradition in Frankfurt. Würde Biester zuerst für die Bibliophilen außerhalb des Antiquariatshandels schreiben wollen, träte er in die Produktion eines Blatts für Bücherliebhaber ein, wäre seine ganze Konzeption eine andere.
Er wendet sich in der Tat bestenfalls an eine knappe Hälfte, eher an ein Drittel reiner Bücherliebhaber außerhalb des Handels. Schwerpunkt seiner Arbeit ist und bleibt der Antiquariatsmarkt, bleiben genauer gesagt die H ä n d l e r im Antiquariat, die Antiquare.
Man muß das im Auge behalten, wenn man versucht, eine Tendenz herauszufinden, unter der er schreibt.
Auf den ersten Blick erkennen wir, wie sich in letzter Zeit das Beschreiben der Spitzenware, die Behandlung hochedler Titel auf Ausstellungen, in Bibliotheken und bei den wenigen führenden Antiquariaten in den Vordergrund der Berichterstattung schiebt. Aktuelle Probleme des Handels,
*wie er wirklich ist*,
interessieren ihn kaum, sie werden, wenn überhaupt, in dilatorischen "Umfragen" abgehandelt, mit knappen Meinungssätzen angerissen, man spürt förmlich, wie unwohl dem Verfasser dabei ist und wie gern er wieder zur neutralen, unverfänglichen, womöglich musealen Spitzenware zurückkehren möchte. Etwas Antiquariatsgeschichte darf es noch sein, auch Todesfälle.
Ich betreibe jetzt nicht Textkritik oder Themenstatistik für das Börsenblatt, Sparte Antiquariat. Dazu sind mir die Berichte - das kann man mit dem Zeilenlineal abmessen - in letzter Zeit einfach zu kurz und zu bedeutungslos. Mich bedrückt etwas anderes: Wie Menschen ihr Gedächtnis verlieren können, so verliert Dr. Biester seine M e i n u n g.
Was die Antiquare wirklich bewegt, das kann man zum Teil in den Aufsätzen bei mir hier nachlesen. Man muß es etwas mühsam heraussuchen, denn Mulzer schreibt mehr über seine teils fixen, teils originellen Ideen und über irgendwelche Schlösser, die im Monde liegen, als über die wirklichen Nöte und Sorgen des Altbuchhandels. Aber wer den Schutt wegräumt, der erhält bei Mulzer doch einen Kern von Manuskripten, die die A n l i e g e n des Antiquariats recht gut wiederspiegeln.
Von diesen Themen findet sich im "Börsenblatt" der letzten Wochen fast nichts.
Ich soll also zufrieden sein, daß Dr. Biester offenkundig eine wirkliche, echte, aktuelle, themenzentrierte Berichterstattung und Meinungsäußerung nur noch in Ansätzen pflegt? Weil ich in diese Lücke treten könnte?
Das wäre ein Mißverständnis. Ich möchte absolut keine "Antiquariatszeitung" gestalten, das könnten die werten Kollegen Paulitz und - wenn er weniger theoretisch und mehr praktisch schreiben wollte - auch Pardun viel besser. Was ich hier auf die Beine stellen möchte, ist eine Art "Denkfabrik" und vielleicht auch die Vorarbeit zu einer Berufsvereinigung, da mir länger je mehr der Verband auf die Nerven geht.
Die redaktionelle Unwilligkeit Dr.Biesters drängt mich aber mehr und mehr dazu, die Lücken, die das Börsenblatt offen läßt, auszufüllen. Ich w i l l das aber eigentlich nicht leisten.
Vielleicht gelingt es mir mit diesen Zeilen, die Redaktion in Frankfurt zu folgendem kleinen Experiment zu veranlassen: Nehmen Sie zwei beliebige Monate in, sagen wir, 2008 und aktuell Mai/ Juni 2011 heraus, mitsamt oder auch ohne die Leserzuschriften. Destillieren Sie aktuelle Problemanalysen und Meinungs- und Debattenbeiträge, Überlegungen einerseits - - und die Berichte über kulturelle Spitzenware, Ausstellungen, Antiquariatsgeschichte und Edelkollegen andererseits heraus - und gewichten Sie das in beiden Fällen statistisch. Sie werden erstaunt sein!
Ich vermute, daß sich das auch in den Abrufzahlen wiederspiegelt, aber das ist ein anderes Kapitel.
Mir geht es darum, Sie zu bitten, die laufende P r o b l e m - Berichterstattung wieder aufzunehmen. Meinungsbeiträge, Diskussion, Überlegung, Klärung!