Donnerstag, 27. Oktober 2011

10 Jahre GIAQ-Genossenschaft im Antiquariat: Die unterdrückte Jubiläumsrede


Zum bevorstehenden zehnjährigen Jubiläum der Genossenschaft GIAQ steht es mir wohl an, ein Grußwort zu schreiben. Ich will es unpolemisch halten, alte Sünden übergehen und überhaupt der milde Gründungsvater sein, wie er im Bilde steht.

So beschränke ich mich auch auf zwei persönliche Bemerkungen, die wir gleich zu Beginn abhandeln wollen.

Ich bin tatsächlich derjenige, der sich in der Runde des Berner Kollegen Hess erstmals und ausführlich für die Gründung einer Genossenschaft im deutschen Sprachraum eingesetzt hat. Vor 12 Jahren erhielten etwa 250 Kollegen meine ausführlichen Vorschläge und Papiere dazu. Entscheidende Hinweise hatte uns Plurabelle (Cambridge) gegeben, Tomfolio, die US-Genossenschaft der Antiquare, begann zeitgleich mit ihren Gründungsvorbereitungen.

Zum anderen: meine Vorschläge sind nicht aus der Luft gegriffen. Ich habe zwar nichts Wissenschaftliches veröffentlicht, saß aber viele Jahre zu Füßen der alma mater und sollte von meinen Haupt- und Nebenfächern, Soziologie und Jura, immerhin etwas im Gedächtnis behalten haben.

Nun übergehen wir die etwas seltsame Gründungsversammlung in Berlin, meine gleichfalls seltsame hastige Verabschiedung von der Genossenschaft, das noch seltsamere Taktieren des Kollegen Müller, meine vergeblichen verzweifelten Versuche, die Genossenschaft wie auch die Datenbank vor Peinlichkeiten in Namensgebung und Struktur zu bewahren. Alles vorbei, Schall und Rauch.

Und nun zum Thema.

Ehe mich die Gründungsgruppe von ihrem Forum ausgeschlossen hatte, zeichnete sich schon ab, daß das deutsche Genossenschaftsrecht zu einer unübersteigbaren Hürde werden könnte für jeden Fortschritt, jede Weiterentwicklung unserer besonderen Antiquariatsgenossenschaft.  Der Gesetzgeber hatte es gut gemeint vor über hundert Jahren mit dem Raiffeisengedanken und der Selbstorganisation in Handwerk und Landwirtschaft - tatsächlich aber steht heute der Tausendseiten-Kommentarband zum deutschen Genossenschaftsrecht als Felsblock im Wege, den man geduldig mit schmalspurigen Zahnradbahnen umfahren muß. Schnellbahn - kein Gedanke!

Diverse kleinere Ungeschicklichkeiten der GIAQ und ihrer Datenbank dienten mir seither als Quälball, das war ungerecht und ich möchte das nicht rechtfertigen. Erst Anfang diesen Jahres begann ich positiv zu denken und kam zu einem neuen Modell, mit dem wir der Genossenschaft auf die Beine helfen können. Mit Zückerchen und geduldigem Streicheln kommt der müde Gaul aber nicht wieder auf die Füße - da müssen schon Seilwinden her.

Mein Organisationsmodell, bei dem wie erwähnt Soziologie und Jura zusammenwirken, sieht die Gründung eines

allgemeinen Berufsvereins

vor, der Entscheidungsträger der Genossenschaft wird. Wie man das im einzelnen sauber konstruiert, muß man noch zurechtfeilen, denn die bisherigen Anteilseigner der Genossenschaft behalten ja ihre Rechte und ein Verein kann, soweit ich das überblicke, grundsätzlich nicht  Träger einer Genossenschaft sein.

Darum soll es primär aber nicht gehen. Viel wichtiger ist, daß eine  a l l g e m e i n e   Berufsvertretung entsteht, die  d e m o k r a t i s c h  organisiert und geleitet wird und die den entscheidenden  E i n f l u ß  auf die Genossenschaft ausübt. Was in der Praxis heißt: auf die Datenbank, auf das Verkaufsportal.

Nur eine wirklich demokratisch abstimmende Berufsvertretung kann dem drohenden Monopol der Amazon-Satrapen Abebooks und ZVAB noch Paroli bieten - indem sie die genossenschaftliche Datenbank zum Portal der eigenen Berufsvertretung  a l l e r  Antiquare macht.

Das setzt voraus, daß sich unsere Berufsgruppe endlich nach formal parlamentarischen Regeln organisiert. Ein Medium ähnlich der alten Hess-Runde (ich mach das nicht, dem Börsenverein stünde es gut an, Dr. Biester an die Front - oder der Buchreport oder sonstwer) muß einen tragfähigen Rahmen aufbauen. Dann wird wie im Schweizer Parlament, das sich hervorragend für solche Prozeduren eignet und sogar von Tomfolio als Beispiel herangezogen worden war, mit Vernehmlassungen, Motionen, Beschlüssen gearbeitet.

Da das alterprobte Mechanismen sind, breite ich sie hier nicht aus, stelle nur den Kern dar.  Wer eine Meinung, eine Ansicht, einen Weg, einen Vorschlag zu machen hat, formuliert seine Gedanken in einem kurzen Posting, das jeder Kollege automatisch in den Briefkasten bekommt. Man kann solche Vorschläge bündeln, wie auch immer, nach festgelegter Diskussionszeit, werden auch die Für- und Gegenstimmen, Erläuterungen und Ergänzungen elektronisch allen Kollegen zugestellt, dann wird auf genau formulierte Fragen hin abgestimmt (Poll-Funktion).

Ähnlich geht es zu bei der Wahl von Personalvertretungen, der Datenbankgestaltung usw.

Während man bei der allgemeinen, umfassenden Demokratie eine skeptische Grundhaltung haben kann und nicht viel Sinn erkennt darin, seine Stimme mit Millionen anderer abgeben zu sollen, ist die demokratische Abstimmung innerhalb einer  B e r u f s g r u p p e  ein ungeheuer nützliches Instrument! Es müssen nur die parlamentasrischen Grundregeln getreulich eingehalten werden.

Mit diesem Gedanken möchte ich meine Jubiläumsrede schließen: Stärkt die Genossenschaft mit einer beigeordneten allgemeinen Berufsvertretung aller Antiquare - dann wird sie zu einem wundervollen Instrument, gerade heute in der Stunde äußerster Gefahr, in der uns das Bundeskartellamt im Regen stehen läßt und Abebooks, mit weitem Abstand, zur Zeit die beste Verkaufsdatenbank ist.


Das Foto gehört Johann Bremmenkamp, dem wir für die Ausleihe danken