Mittwoch, 13. Mai 2009

Rund um unser Portal "Haus der Romane"




1.
Dieser Blog wird von den Kollegen nicht verlinkt, von der Xing-Kamarilla totgeschwiegen und Redakteur Biester vom Börsenblatt bekreuzigt sich unter Anrufung seiner Hauspatrone Hl. Wufka, Hl. Schäfer und Hl. Köstler, wenn das leibhaftige Grauen in Gestalt meiner unkonventionellen Gedanken am Horizont auftaucht. Dergestalt sorgsam verhehlt, bleibt der Schandfleck des Gewerbes weiterhin unter dem Teppich, kann der schöne Schein noch länger exerziert und können die Antiquare brav gehalten werden.

Störer sind unerwünscht. Nach einer ausreichenden Zahl von Klassenbucheinträgen wird der böse Schüler exmittiert, und wenn er nicht mit einer Pumpgun wieder autaucht, was Gott verhüten möge, dann ist jetzt wieder alles gut. Man muß das verstehen - der faule Apfel könnte ja die gesunden Nachbaräpfel anstecken, und auf einmal sind die Antiquare wach, aufmüpfig und unternehmungslustig geworden... Horribile dictu.

Wir loben die Klasse für nette kleine Dienste, mit denen wir sie unschädlich auf Trab halten, hier ein putziges Katalöglein vom Bodensee, dort eine kitschig-anbiedernde, zurecht erfolgsarme Schickeriamesse in München, hier eine Ladeneröffnung in Köln, die Bücher stehen auf Millimeter ausgerichtet in Design-Regalen: Brav, brav; drüben bei Meyers in Berlin allerlei kluge, aber unschädliche Kulturphilosophie rund um das edle Buch - so lieben wir unsere Antiquare, wenn wir Biester heißen.

Was wollte ich eigentlich sagen? Ach ja: Es hat seine Vorteile, unbekannt zu sein. Ich kann hier langsam meine Überlegungen aufdröseln, kann Korrekturen anbringen, Frage- und Ausrufezeichen setzen, ohne daß mir Kollegen viel dreinreden. Ich schreibe nicht fürs Internet (was wäre das?), auch nicht für Kollegen (Gratisdienste sind nix wert, davon sind sie überzeugt), sondern ich führe eine Art wissenschaftliches Tagebuch. Kling das eingebildet? Nehmen Sie den Medienwissenschaften das Fachvokabular weg, dann kreisen unsere Gedanken um ähnliche Themen und Fragen.


2.
Ich bin in dem, wie ich meine, wichtigen und ausbaufähigen Aufsatz "Absatzforschung im Antiquariat: Neue Käuferschichten" davon ausgegangen, daß wir die Einwerbung neuer Käuferschichten für unsere alten Bücher nur und ausschließlich erreichen können, indem wir uns auf regelmäßige Käufer neuer Bücher stützen, die dem alten Buch bisher fernstehen. Als Ausnahme von dieser Regel erwähnte ich die Hobbysammler (Automobil, Eisenbahn, Pornographie, Bügeleisen, alte Burgen und Schlösser, Bierdeckel...), die wir gesondert zum alten Buch hinführen können. Hinzufügen sollte ich übrigens noch den großen und sehr dankbaren Bereich der Orts-, Regional- und Heimatsammler.

Ich hatte darauf hingewiesen, daß unserem Gewerbe ein sehr gefährlicher Imageschaden droht durch die Verlagerung des Billigbuchabsatzes auf Oxfamläden, Kirchengemeinde-Bazare und Flohmärkte, damit verbunden auf bestimmte Billigportale (zu denen ich Ebay aber nur bedingt rechne). Meine Anregung war hier, daß das Antiquariat über seine allgemeine Berufsvereinigung diese Billig-Schienen selbst organisieren und betreuen sollte, natürlich unter Wahrung seiner Imagegrundsätze.

Heute ist mir, beflügelt durch einige halbnackt sich räkelnde hübsche Medizinstudentinnen auf dem Rasen vor der Mensa 2 und die freundliche Mittagssonne, eine Idee gekommen, die ich Ihnen sogleich vorstellen will. Sie kennen meinen Grundplan vom "Haus der alten Bücher". Die Reserve der Kollegen gegenüber diesem Plan reicht von ziemlich verworrenen Vorstellungen, hier würde sozialistische Wirtschaft durch die Hintertür eingeführt, bis zum Verdacht mangelnder Qualifikation und dem Totschlagargument "Ja, was sollen wir dann den ganzen Tag machen?".

Wie wäre es nun, wenn wir versuchten, zwei Fliegen mit einer Klappe zu erledigen:

Als

*Generalprobe für das kommende zentrale Haus der Bücher und als

*Aktion gegen den Imageverlust unseres Antiquariats durch Oxfam, Flohmärkte usw., sowie als

*Einwerbung solcher neuer Käuferschichten, die weder aus den Kunden des Neubuchhandels noch aus den klassischen Sammelgebieten gewonnen werden können,

richten wir in einer ersten Stufe unser Haus der alten Bücher allein aus auf Unterhaltungsromane.

Dies wäre dann das "Haus der Romane".

Die Grundlagen ergeben sich durch vernünftiges Nachdenken von selbst.

A.
Aufgenommen werden bei dieser Warenart nur guterhaltene Bücher bis hin zu einem guten Mittelmaß. Eine Aufteilung nach verschiedenen Erhaltungszuständen - innerhalb dieser Grundforderung - findet dann nicht mehr statt, auch nicht nach verschiedenen Auflagen oder Ausgaben, lediglich feste Bindung wird vom Taschenbuch unterschieden.

B.
Es wird nach einem Einheitspreis-Schema verkauft, das gerade einfachen Leuten sehr eingängig sein sollte. Vorschlag:

1 Roman 3 Euro,
4 Romane 10 Euro,
10 Romane 20 Euro.

Porto und Verpackung nach reinen Selbstkosten hinzu.

Diese Art Käufer von Unterhaltungsromanen liebt den Kauf in größeren Stückzahlen heiß und innig.

Wenn ein Kollege meint, er müsse und könne mehr erlösen, als es unserem Schema entspricht - dann liefert er diese Titel eben nicht bei uns ein.

C.
Die Titel werden durch die Antiquare in möglichst umfangreichen großen Kistenladungen (ideal DHL, wenn mit ZVAB-Porto, sonst besser Hermes) eingeschickt, nach ISBN oder einfachsten Stichwortabfragen eingeordnet und eingereiht. Natürlich geht das mit elektronischen Laufkarten bzw. -sticks.

Im Versand wird dann die Einlieferungsreihenfolge streng eingehalten. Titel, deren Erhaltungszustand unterhalb der Mindestnorm liegt, werden sofort makuliert. Automatisierte Anfrage auf Indizierung bzw. flüchtige Durchsicht auf Jugendpornographie (hechel, schlürf...) ist bei dieser Buchart extrem wichtig; indizierte bzw. sonst verdächtige Titel werden einstweilen in einem Gilftschrank zurückgestellt.

D.
Als Personalkosten je verschicktem Titel setze ich 1,20 Eur an (die Details führen zu weit, ich bin ein extremer Refa-Rationalisierungsfreund), Teil der Mehrwertsteuer und knappste Werbekosten 0,30 Eur; der Antiquar, der den Titel eingeliefert hat, erhält 1 Euro, nach Eingang der Zahlung des Kunden, in monatlicher oder vierteljährlicher Abrechnung.


Obgleich wir sehr schnell eine ungeheure Titelmenge haben werden und sich das bei der Internetfreudigkeit dieser Leserschicht - durch teure neue Romane ziemlich verärgert und gebeutelt - schnell herumsprechen wird, ist das Ganze natürlich "kein Geschäft" und als solches auch gar nicht gedacht.

Sondern einmal als Versuchsballon für unser kommendes Haus der Bücher und dann als Werbe- und Imagemöglichkeit gegenüber jenen Käuferschichten, die wir nicht als regelmäßige Neubuchkäufer ansprechen und einwerben können - nicht zuletzt auch, um den Imageverlust in den Billigschienen abzubauen.

Die beiden Antiquariatskätzle mußte ich Kollegen Wimbauer, dem sie gehören, einfach wegklauen. Danke!