Sonntag, 24. Mai 2009

Der Bücher-Michel: Unser kommender Normalpreiskatalog






Ich solle mich etwas kürzer fassen, dieser eine Wunsch scheint die Leser meines Blogs zu beseelen, ich bin zu umständlich, sagt unser geschätzter Oberkonsistorialrat RF Meyer-Berlin. Versuchen wirs also mal kurz und knapp, zur Feier des Sonntags. - Die Reihenfolge der nun folgenden Gedanken ist etwas kurios, ich erlaube mir, das Pferd von hinten aufzuzäumen, damit das an sich recht spröde Thema etwas unterhaltsamer wird.

Vorbemerkung: "Michel-Katalog" ist kein freier, sondern ein geschützter Handelsname, der sich im Eigentum des Verlags Schwaneberger (München) befindet. Der Begriff "Michel-Katalog" wird im folgenden Text lediglich als Gattungsbegriff verwendet, wie er sich unter Briefmarkensammlern seit Jahrzehnten eingebürgert hat.

Wer nicht zu den Philatelisten gehört, dem ist schwer klarzumachen, wie ein klassischer Briefmarkenkatalog aufgebaut ist. Kompliziert wird die Sache noch dadurch, daß die bewährten Grundprinzipien der alten graphischen Darstellung im Schwaneberger-Verlag mit Einführung des EDV-Satzes verlassen worden sind, die heutigen Ausgaben sind teilweise nur noch mühsam lesbar, graphisch verdummbeutelt, oft eine Zumutung für den Nutzer in formaler Hinsicht.

Deshalb bringe ich als Abbildung zwei Scans aus dem "Michel Europa 1950". Hier sehen Sie noch das ursprüngliche Michel-Konzept.

Gleich in medias res, ich soll mich ja kurz fassen. Die Unterscheidung in ungebraucht bzw. postfrisch (linke Spalte) und gestempelt (rechte Spalte) entfällt für unsere Zwecke natürlich, es gibt nur noch einen Einheitspreis. Dieser soll für gute, aber nicht sehr gute Erhaltung stehen, also etwa die Schulnote "2" (gut) verkörpern, wobei darauf zu achten ist, daß man nicht unversehens in die Note "1" hochgleitet, es soll sich ja um deutlich benutzte, aber gut erhaltene Exemplare handeln - aber auch nicht in die Note "3" absinkt, denn etwas über dem Durchschnitt der Erhaltungszustände müßte die neue Standardnote "2" dann auch schon liegen.

Die kleinen Bildchen dienen der raschen optischen Identifizierung. Meistens würde der Text ausreichen, aber die Erfahrung zeigt, daß die Kombination aus Bild und Text ungemein hilfreich ist und ein fast intuitives Benutzen und Blättern ermöglicht. Hier handelt es sich dann natürlich um Deckelbilder der Bücher. Wo ihnen eine Aussagekraft nicht innewohnt, können sie wegbleiben. - In der ersten Auflage würde man nur wenige Deckelbilder zur Auflockerung bringen.

Die Gliederung des Gesamstoffs erfolgt natürlich nach Sachgruppen, innerhalb der Sachgebiete ist chronologische Ordnung (nach dem Jahr der ersten Ausgabe) sinnvoll. Wie es der Michel auch macht, gibt es für Zusammenstellungen, bei denen es günstig erscheint, Sonder-Tabellen: Man wird natürlich alle Dichter-Ausgaben unter einem Namen zusammenfassen, z.B. bei Goethe, Wieland, Rilke. Erst die einzelnen Texte titelaphabetisch, dann die Werkausgaben chronologisch. Solang man das maßvoll einsetzt, wirken Sondertabellen dieser Art nicht verwirrend, sondern anregend beim Querlesen des Katalogs.

Wie im Briefmarken-Michel (Dienstmarken, Portomarken, Telegraphenmarken) gibt es nachgefügte Sondergruppen für jede Sachgruppe, die grundsätzlich dort zu suchen sind und nicht im allgemeinen chronologischen Teil der jeweiligen Sachgruppe, vor allem die Zeitschriften des Sachgebiets, aber auch (interessant:) Schulbücher.

Die Aufteilung nach Sachgruppen ist ungeheuer wichtig, nichts muß so sorgfältig überlegt werden wie diese Frage. Ich habe ungefähr 100 Sammler- und Sachgruppen abgegrenzt, die ich zur Diskussion stellen würde. Da der Bücher-Michel primär unserer Absatzförderung dienen soll, ist oberstes Kriterium für die Einrichtung einer Gruppe ihre Eigenschaft als Sammelgebiet. Mit vorsichtiger Hand kann man "kommende" Sammelinteressen postulieren. Grenzfragen gibt es viele. Eindeutige, wenn auch kleine Gebiete sind z.B. "Geologie" , "Eisenbahn", "Pferde" (-zucht, -sport). Aber dürfen "Bienen" oder "Hunde", zwei gern gesammelte Miniaturfelder, separat stehen? - Trennen wir "Rom" und "Griechenland" und "Ägypten" oder lassen wir jedes einzeln als historische Sammelbereiche ? Da werden wir, wiewohl leise murrend, wegen der vielen übergreifenden Titel ein Gesamtgebiet "Klassisches Altertum" postulieren müssen. Manche Abgrenzungen müssen mit harter Hand diktiert und durchgehalten werden, so etwa beim Herausoperieren der sehr gesuchten Militaria-Felder aus der (eher flauen) sonstigen neueren Geschichte. Darf die NS-Zeit als Sammelgebiet von "2.Weltkrieg" getrennt werden, und wenn ja, dann wie?.

Alle diese Abgrenzungsfragen müssen, wie das mit kniffeligen Briefmarkenproblemen nicht anders ist, ein für alle Mal definiert und kodifiziert werden. Sie stehen als Regelkatalog/ Regelwerk dem Bücher-Michel voran (und können dann nur noch mit Mühe verändert werden).

Ich sagte schon, daß wir heute mit der Kirche ums Dorf gehen. Jetzt also kommen wir zu den Kernfragen.

Ich wandle erstmal zum Kaffeekochen in die Küche (in der neben rd. 1000 Büchern auch Spinnen und Käfer vergnügt hausen und mir zugucken), allwo ich mein italienisches Billigapparätchen in Betrieb setze. Es gibt jenen Kaffee, den meine Gäste immer so sehr lieben - bis sie sich in besagte Küche verirrt, den Küchenboden und die archäologischen Schichten auf meinem Apparätchen gesehen haben. Sind die Besucher weiblichen Geschlechts, kommen sie kreidebleich und mit zitternden Knien von dort zurück und müssen, erfreulicher Nebenzweck, sofort getröstet werden. Dann erkundigen sie sich (sind alle Frauen so?) nach Putzeimer, Wischlappen und Vim/Ata, einen gewissen Feldherrengestus im Auge, Widerspruch nicht duldend. - Der Kaffee ist fertig.

Wir benutzen als Quelle ZVAB in Kombination mit Bookfinder. Bookfinder ist zwar quälend langsam, aber in den zahlreichen Zweifelsfällen bibliographischer Natur ist es durch die - schlichtweg geniale - Aufdröselung ähnlicher, vermeintlich zusammenhängender oder dann eben doch getrennt zu behandelnder Fälle ein unerschöpfliches Findemittel dort, wo uns das ZVAB mit krausem Datensatzgewirr zumüllt. Im Kern aber nutzen wir das ZVAB. Einige Versuche haben mich zu folgendem Vorschlag geführt:

Aufgenommen werden für die Ermittlung der Wertansätze "guter Zustand"

5 - 49 Euro.......... alle Titel, die 3 x und öfter angeboten werden
50-199 Euro........... alle Titel, die mindestens 2 x angeboten werden,
200 Euro und höher............. alle Titel überhaupt


Natürlich geht man da mit Augenmaß vor. Wenn wir Serien haben (etwa alte Gartenlauben-Jahrgänge, Werkausgaben von Börne, als Sondertabelle), dann werden wir auch nur 1 x angebotene Titel aufnehmen. Je kleiner die Titelzahl ist, desto sorgfältiger müssen wir aber den anbietenden Kollegen beäugen und die Verhältnismäßigkeit des Preisansatzes Pi mal Daumen nachprüfen.

Das Herunter- oder auch Heraufrechnen des Preisansatzes aufgrund der (hoffentlich) angegebenen Zustände ist schnell zu bewerkstelligen. Etwas komplizierter wirds bei fehlenden Tafeln, Teilbänden und anderen Schrecknissen. Aber das ist alles flott zu machen.

Das sind bisher erst einige der Überlegungen zum Bücher-Michel . Besonders liegt mir am Herzstück des Ganzen, ohne das ein Unternehmen dieser Art völlig undurchführbar wäre: Die vereinfachte Bibliographie / Typographie.

Sie ist visuell aufgebaut und soll das schnelle Querlesen ermöglichen. Zugleich räumt sie mit einigen Quisquilien auf, die unsere Bibliographie in Gestalt alter Zöpfe mit sich herumschleppt, weitestgehend ohne Sinn und Zweck. Dazu gehört insbesondere der völlig hirnrissige Tick, immer die *genaue* Seitenzahl angeben zu sollen. Sie wird bei uns ersetzt durch kleine, dunkle, viereckige typographische Blöckchen, ähnlich den Zwischenstückchen im Bleisatz. Jedes Blöckchen steht für 100 vollendete Seiten. Einbandarten werden durch sprechende Symbole ersetzt, so zeigt ein wehendes Tücklein "Leinen" und das vereinfachte Ledersymbol die aufrechtstehende Raute, "Leder". Taschenbücher sprechen zu uns durch eine vereinfachte Einkaufstasche, usw.

Der Bücher-Michel bringt alle Einzeldaten (genaue Seiten, Anzahl der Tafeln, Beilagekarten) nur dort, wo sie zur Bestimmung und Abgrenzung von anderen Auflagen/ Ausgaben *zwingend* notwendig sind, und auch dann nur in der strengsten Abkürzung. Die Titel werden auf das zum Verständnis notwendigste Mindestmaß abgekürzt (3-5 Titelworte, evtl. 1-2 dazu aus dem Untertitel).

Da ich mich ja heute kurz fassen will, hier nur noch einige Stichworte: Ich bestehe darauf, daß das Werk in China gefertigt wird. Es muß in A5 auf extremem Dünndruckpapier gedruckt werden, was einen soliden Einband und, notabene, Fadenbindung voraussetzt, also nach Art der japanischen Wörterbücher, die wir bei unseren fernöstlilchen Austauschstudenten immer so bewundern. Es soll in großer Auflage erscheinen und zu einem ausgesprochen niedrigen Preis vertrieben werden.

Wir müssen uns eine Jahresgrenze zu den Neubüchern hin setzen. Darüber wird zu sprechen sein. Ich sehe die allgemeine, umfassende Einführung der ISBN- und ISSN-Benummerung als vernünftigen Zeitabschluß zur Gegenwart hin; grosso modo könnte man sich auf 1980 einigen. Eine Notwendigkeit für eine Zeitgrenze nach unten sehe ich nicht, es gibt preiswerte theologische Literatur auch um 1600, die massenhaft im ZVAB steht. Im Gegenteil - es wird mir eine diebische Freude sein, den Abzockern und Verhehlern der Auktionspreise ein Schnippchen zu schlagen, indem die Versteigerungserlöse der größeren Häuser in besonderer Signatur (Rotdruck z.B.) mit aufgenommen werden. Wobei die Aussagekraft der Ergebnisse in dieser hohen Preislage bei unserer drakonischen Kürze der Aufnahme natürlich etwas fragwürdig wird, aber durchaus noch nützlich als Anhalt bleibt.

ZVAB und die über Bookfinder erreichbaren anderen Datenbanken dürften rd. 10 Millionen deutschsprachiger Titel nachweisen, andere Schätzungen gehen bis 15 Millionen. Vor 1980 dürften uns etwa 8 Millionen Titel bleiben. Nach den oben erwähnten Kriterien 3x, 2x oder auch nur 1x vorhandene Titel könnten wir, auf die einfache Aufnahmeeinheit im Bücher-Michel heruntergerechnet, etwa in der Größenordnung 50.000 finden. Mit meinem bibliographisch-typographischen System, in der ersten Stufe noch fast ohne Deckelbilder kalkuliert, bekommen wir auf eine A5-Seite dreispaltig rd. 100 Titel.

In der Fassung fast ohne Deckelbilder können wir also mit einem sehr handlichen Dünndruckpapier-Bändchen in A5 im Umfang von rd. 500 Seiten rechnen, die Deckelbilder brächten den Umfang auf rd. 700-800 Seiten. Das ist, wofern wir nach japanischem Vorbild verfahren, ein Band, der immer noch sehr gut in einer schmalen Aktentasche mitgeführt werden kann, auf dem Gang ins Antiquariat z.B.

Natürlich gibt es für jedes der knapp 100 Sachgebiete eine separate Einzelausgabe. Das sind dann schmale Dünndruckheftchen, die dem Sammler des Sachgebiets eine große Hilfe bringen, ja überhaupt erst zur Anregung, das Gebiet zu be-sammeln, dienen könnten. Sie stehen in jedem Institut, in jeder Fachbibliothek.

Jene Revolutionierung des Preisniveaus, die der Bücher-Michel in kürzester Zeit herbeiführen wird, ist in ihren Auswirkungen gar nicht zu überschätzen. Wie auf dem Briefmarken-Markt setzt sich ein solches Regelwerk ungemein schnell durch - der Grundgedanke ist "typisch deutsch", wir mögen solche preußischen Standards sehr, das liegt uns im Blut. Es wird eine Stabilisierung der Preise insbesondere nach unten hin geben. Interessant erscheint der Einsatz des Bücher-Michel mit den Teilheften und mit der Gesamtausgabe für eine Erschließung neuer Käufermärkte.