Freitag, 8. Mai 2009

Der Niedergang von börsenblatt.net /Antiquariat




Inzwischen ist der verehrlichen Redaktion des Börsenblatts (Abteilung Antiquariat /Netzdienst) die Puste völlig ausgegangen, außer blödsinnigen Edel- und Luxusterminen, die keinen Leser interessieren, und einigen bescheidenen Anmutungen an redaktionelle Überlegungen finden wir - nichts mehr. Die Leserkurve muß, darauf verwette ich meinen alten Pfadfinderhut, seit Mittwoch endgültig in den Keller gerutscht sein.

Woran liegt das? Einmal hat sich Redakteur Biester in ein anfangs pfiffiges, inzwischen aber höchst schädliches Seitengleis verfahren, ich spreche von der bei ihm schon zur Manie ausgeuferten "Twitter"-Vorliebe. Ich kann natürlich nette Kleinigkeiten und schnell mitzuteilende Terminänderungen parallel zu den Haupttexten per Twitter auf der Webseite bringen, warum nicht? Ihm ist aber inzwischen der tödliche Fehler unterlaufen, über Twitter reihenweise interessante, ausbaufähige, nach (freilich unzensierter!) Diskussion geradezu schreiende Themen zu vermelden, sie dann nach wenigen Stunden im zeitabhängigen Twitter-Laufband wieder verschwinden zu lassen und damit - - zu verschenken.

Was in seinem weisen Haupt vorgeht, weiß der Tobak. Ein Vorgehen dieser Art ist so unjournalistisch, daß man nicht weiß, ob man lachen oder heulen soll darüber. Wer Aufhänger und Themen über Twitter-Laufbänder verschenkt, stattdessen im Hauptteil seiner Netzzeitung die ödesten fürchterlichsten, angestaubtesten "Meldungen" abdruckt, dem ist irgendetwas auf dem Arbeitstisch durcheinandergeraten.

Selbst da unerlaufen ihm noch böse Fehler. Denn nicht die Erlanger Buchwissenschaftler, sondern er selber mit seiner Netzzeitung wurden vom stets hellsichtigen Dr. Graf als "Hort der Reaktion" bezeichnet. Natürlich unterbleibt Biesters Stellungnahme, natürlich verschiebt er das Thema in seinen Twitter-Affenzirkus, aber er setzt noch eins drauf, indem er den Sinngehalt verdreht - - und eine wundervolle Chance zur Wiederbelebung seiner staubtrockenen Postille im Hauptteil verschläft.

Kollegenschelte ist immer nur mit Vorsicht anzuwenden. Meine Kritik bleibt aber auf einen kleinen Kreis beschränkt, also darf ich offen sprechen. Mir ist das gar nicht so unlieb, denn die Blogs der sonst schreibenden Kollegen sind in Textumfang und Themenwahl ja weitaus umfangreicher als mein allgemein verhehlter Miniatur-Blog, wieso sollte man also meine gelegentlichen kleinen Aufsätzchen verlinken? Das hat den Vorteil, daß ich offen sprechen darf, im kleinsten Kreise kommts nicht darauf an.

Würde Dr. Biester ,um zum Thema zurückzukehren, auch nur einen Bruchteil seines Interesses an wohledlen, kultur- und geistesträchtigen Ereignissen, Listen, Katalogen und Edelantiquaren den Sorgen und Nöten der gewöhnlichen Kollegen zuwenden, dann hätte er längst das zum einengenden Korsett gewordene börsenblatt.net für den Antiquariatsteil umgewandelt. Das geht durchaus, ohne den formalen Rahmen des gesamten börsenblatt.net zu sprengen.

Ich habs hier unlängst ja schon mal hergebetet, was keine Seele in Frankfurt zu begreifen scheint:

1.
Der Buchhändler- und Verlegerteil von börsenblatt.net hat im Druck-Börsenblatt eine hochaktuelle, umfangreiche und vorzüglich redigierte Medienversorgung. Hier kann man börsenblatt.net als noch aktuellere Tagesergänzung sehen und behandeln.

2.
Ganz anders die Buchantiquare. "Aus dem Antiquariat" ist stinklangweilig, öde bis zum Erbrechen, eine Mischung aus buchhistorischen Hobby- und Facharbeiten (auf zum Teil höchstem Niveau) und aus fürchterlich theoretisch-würdevoll gestelzten Kollegenbeiträgen, deren Verfasser mit Vatermörder und Gänsekiel am Stehpult schreiben. Mit dem Druck-Börsenblatt in gar keiner Weise zu vergleichen!

3.
Da dies so ist, muß auch der Netzteil des Börsenblatts in der Abteilung Antiquariat eine ganz andere Aufgabe übernehmen als in den Buchhandels- und Verlegerteilen.

Das schreib ich nicht noch oft, sondern in Zukunft kassiere ich Beratungsgebühren in Frankfurt.

Mein Gott, wann kapiert Ihr das?

Das Mittagessen ruft. Ich werde die anregenden Beine hübscher Studentinnen im Mensagarten keineswegs opfern Redakteur Biester zuliebe. Auch wenn ich den Niedergang seines börsenblatt.net, Sparte Antiquariat, bedauere.


Das bekannte Foto zeigt "Karl May als Redakteur".