Sonntag, 10. Mai 2009

RFMeyer: Unsere Kunden zum Träumen bringen




Hochverehrter Berliner Kollege und Konsistorial-Generalsuperintendent, Gruß zuvor und Händedruck von der Kanzel herab! Danke.

1.
Da mich Antiquar RFMeyer gebeten hat, nicht in seinem Blog zu antworten - spiel nicht mit den Schmuddelkindern - , nehme ich hier im anti-böbla Stellung, wo man bekanntlich mit toten Ratten spielt, Löcher in den Socken und keinen Respekt vor dem Börsenverein hat. Es spricht ohnehin nichts dagegen (wird hierdurch von mir vielmehr feierlich angeregt), blogübergreifend zu schreiben, also Themen aufzunehmen, die gerade von anderen Kollegen beackert werden.

2.
Lieber RF Meyer, irgendwann werfe ich Ihnen meine Sammlung überflüssiger, unklarer Meyeriaden an den Kopf. Ich bedauere es, wenn Sie als einer der wenigen klardenkenden und mutigen Köpfe unseres ansonsten denk- und tatfaulen, feigen und heuchlerischen Gewerbes folgenden Schwafelschwulst von sich geben:

liegt es an der Bandbreite des antiquarischen Bereiches
durch die Fürsten ... entführt, um sie zu verehren und von ihren Völkern verehren zu lassen.
Menschen benötigen weltanschauliche Kristallisationspunkte (mein Gott, Meyer!!!!)
im modernen Verständnis aufklärerische
Da wir im allgemeinen und als Menge sowieso keine Zen-Meister sind, (Meyer, bitte!!!)
benötigen wir in unserem täglichen Dasein solche Kristallisationspunkte
daß diese im Bewußtsein der Käufer das Produkt überfärben
der Traum, die Ikone, überlagert die Realität,

Genug des grausamen Spiels. RF Meyer, Sie denken das Richtige, sagen es aber zu schwulstig. Ich verordne Ihnen hierdurch eine Schreib-Abgabe, jedes Wort kostet 10 cents, Sie müssen überflüssige Schwafelworte sparen. Edelworte für Luxusgebildete kosten 100 % Aufschlag.

Sie meinen, das sei gehupft wie gesprungen? Aus mindestens zwei Gründen ist dem nicht so. Erstens beeinträchtigt nebulöses Schreiben auch in einer Art Rück-Wirkung das eigene Denken, und zweitens schrecken Sie damit Ihre Leser ab. Die wagen nicht aufzumupfen, weil Ihre Schreibe ja so gebüldet ist, aber sie f r e m d e l n. Und das ist das Schlimmste überhaupt im Verhältnis zwischen Leser und Blogschreiber.

3.
In der Hauptsache geht es heute bei Ihnen kurios zu. Ich muß Ihnen von den Gesellschaftswissenschaften her leider mit einem kleinen, aber gut durchiehenden Tatzenstock eins auf die Finger ziehen:

Sie gehen aus vom Bild der Druckermarke, die wir ja mehr oder minder eindrücklich fast vom Beginn des Buchdrucks an als Markenzeichen des Druckers, seiner Offizin, kennen und schätzen ob der graphisch oft wunderschönen Gestaltung. Nicht nur bei den von Ihnen genannten Aldinen, sondern viel umfassender war es sehr wohl allgemeiner Brauch, damit im Sinne einer Qualitätsgarantie dem geneigten Leser und Käufer eine M a r k e vorzuzeigen. Um in meinem Kerngebiet zu bleiben: Schon die Basler Drucker der allerersten Zeit haben das konsequent und eindrucksvoll durchexerziert.

Sie tun jetzt den Schritt vom Druckerzeichen, von der Marke zur I k o n e. Das ist unglücklich aus zwei Gründen. Einmal ist eine Ikone (ich liebe sie, die Ikonen, und würde sie sammeln, hätte ich das Geld dazu) etwas sehr Religiöses, geradezu Erotisches auch und überhaupt etwas H e i l i g e s im allertiefsten Sinn. Deshalb verbiete ich Ihnen, dieses schöne Wort auf unseren trivialen Bereich anzuwenden. Tun Sie sich und mir den Gefallen, bei der M a r k e zu bleiben.

Der zweite Anlaß meines Ärgernisses besteht in der methodischen Unklarkeit, daß Sie weiterhin vom Ruf bestimmter Offizinen sprechen, dann aber mühelos den Sprung hin zu der Frage schaffen, ob nicht eine ganze Branche bzw. eine Wartenart insgesamt, das Antiquariat / das alte Buch, eines solchen Markenzeichens teilhaftig werden sollte. Der zugrundeliegende Gedanke ist genial - aber der Weg, auf dem Sie uns dahin führen, schrecklich unklar und unzulässig.

4.
Würde uns ein Markenzeichen mit Wiedererkennungswert nützen? Aber ja - das ist d i e Idee, Ihre Idee, verehrter Kollege. Wir haben hier vorgestern gesehen, daß die linkische, stümperhaft-unmögliche Berufsförderungs-Arbeitsgruppe für unabhängige Buchhändler als eine ihrer Schüleraufgaben auch ein "Signet" entwerfen und einführen will. Was in diesem Zusammenhang blösinnig und abgegriffen wirkt, das ist für unserer Branche und ihre jetzige Situation brandwichtig und das Gebot der Stunde. Sie weisen darauf hin, daß es weit mehr sein soll als nur ein Markenzeichen, man muß sozusagen davon träumen können. Richtig!

Wir wollen etwas fast Religiöses schaffen, gut. (Aber bitte keine "Ikone", versprechen Sie mir das?).

Dies müssen wir einbinden in die allgemeine Frage der Berufsförderung, der Erschließung neuer Käuferschichten und der allgemeinen demokratischen Organisation unseres Gewerbes. Letzteres einfach deshalb, weil ein Markenzeichen im tieferen Sinn nur leben kann in einer allgemeinen Anerkennung des Berufsstandes selbst, dem es dienen soll.

Wenn wir es nicht alle akzeptieren, uns damit verbinden, wie sollen es dann die Außenstehenden, die Neuen tun, die wir so dringend zu unseren Kunden machen wollen, die die Gläubigen unserer Kirche werden sollen?


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Das Bild zeigt Kollegen RFMeyer beim Abfassen seines Beitrags