Montag, 4. Mai 2009

Konsistorialdirigent RFMeyer predigt






Konsistorialdirigent Kollege RFMeyer erfreut uns wieder einmal mit einer Predigt in jenem philosophischen Ton, ohne den ers nicht tut - höret mir zu, ich verkündige euch Kulturkritisches, Bleibendes, erhebet die Köpfe und die Herzen hin zu meiner Kanzel, wohlan denn, lauschet dem Wort...

Und sie lauschen. Nur der Mulzer kanns nicht lassen, er knabbert Popcorn aus der großen Trommel, schaut unter dem Gebetbuch Pornoheftchen an und macht sich seine eigenen Gedanken.

Eingestimmt auf eine energische Replik bin ich schon, heute war nicht mein Tag. Die Kollegin von "moments books" hat das Kunststück fertiggebracht, mir den unfreundlichsten Text an den Kopf zu knallen, im Stürmer-Stil, den ich je bekommen habe - aufgepaßt am Niederrhein, da kann die Schäferei noch was lernen. Und das alles nur, um sich zu distanzieren vom Schmuddelkind PM. Sie war aber Manns genug, meine kurze Gegenantwort abzudrucken. Sie firmiert unter einem Bildausschnitt aus den "Blauen Engel", einem meiner Lieblingsfilme, man darf also auf längere Sicht hoffen. Freilich hatte ich mit Damen bisher wenig Glück im Gewerbe, weder die Kieler Hutnadel noch die Königin der Kaiserstühler Bücherhallen konnten mich so recht erfreuen.

Zurück zum geschätzten Montagsprediger aus Berlin. Ich zitiere:

"Damit sollte dem Gedanken einer einzigen, allgemeingültigen Plattform für alle Antiquare der Boden entzogen sein, sie müßte sich denn teilen und wäre dann mehrere."

Schreck laß nach!

Dröseln wir unser Glaubensbekenntnis hier noch einmal in Kurzfassung auf:

1.
Nur dann kann sich eine Plattform, ob alt oder neu, so oder anders konstruiert, am Markt durchsetzen, wenn sie einen hohen Bekanntheitsgrad im Netz bekommt. Das kann man, entgegen einem verbreiteten Vorurteil, rein technisch kaum beeinflussen - Kollege Hess im Bernbiet, der gute Geist der alten Hess-Runde, Vorgänger des Börsenblatt-Forums, Urvater von Redakteur Biester, tapferer Schutzpatron des unruhigen Mulzer auf der Wartburg (damals schon belagert vom Niedrrhein her, beschossen aus Berlin, torpediert aus Zürich), hat sich mit großem Ingenium technisch seit vielen Jahren an der Spitze so mancher Google-Abfrage zu "Antiquariat" gehalten - - ohne daß ihm das, so denke ich, allzuviel nutzen konnte (was ihm nützt: Er ist ein sehr guter Antiquar).

Denn der Bekanntheitsgrad, auf den allein es ankommt, ist die spontane Bereitschaft jetziger oder zukünftiger potentieller Altbuchkäufer, gerade diese Webadresse anzuwählen. Wie man dergestalt "bekannt" wird, das ist einer komplizierten Mischung aus Image- und aus Fragen des Rufs geschuldet. Am ehesten läßt es sich verstehen von der Institution des Feuilletons unserer großen Zeitungen und Zeitschriften her. Was dort benannt, behandelt, für wichtig gehalten wird, das glaubt und befolgt auch unser typischer Altbuchkäufer von heute und morgen.

Die komplizierte Mischung aus Ruf und Image ist in unserem Fall also eine journalistisch zu fassende. Sieht man das so, dann wird alles wieder einfach - denn wir müssen uns dann nur noch um den "Aufhänger" kümmern.

Dieser Aufmerksamkeitswert, vergessen Sie das modische Schwadronieren vom "Alleinstellungsmerkmal", muß da sein. Notfalls wird er geschaffen. Nur eben nicht formal herbeigetrickst mit Google-Verlinkungen, auch nicht mit rheinischem Qualitätsfimmel, auch nicht (merke auf, Berliner Oberpfarrer) durch Preissenkungen im Schnäppchen- oder Schwarzmarktgeist, schon gar nicht durch sympathische, aber wirkungslose Bündnisse.

2.
Am besten ist es immer, wenn man den Faktor Geld vergißt und sich überlegt, ob es nicht allein durch geschickte Planung, durch Energie aus den grauen Zellen zu machen wäre, gratis also, höchstens mit einigen Päckchen Dextro-Energen.

Wir sind uns einig, egal ob wirs gern zugeben, ob es dem Xing-Zuchthausaufseher und Urheberrechts-Nutzungsenteignungs-Mitwirkenden Weinbrenner paßt oder nicht - - daß es einfach ein Skandal ist, wenn wir Buchantiquare in fünf, und wenn Konsistorialrat Müllers Plan aufgeht, in sechs Berufsgruppen organisiert oder richtiger desorganisiert sind.

Fraglos erscheint mir auch, wie hurtig eine niedrigschwellige vereinsmäßige Organisation aller Buchantiquare, ausgerichtet auf die gemeinsame Bücherdatenbank, zu verwirklichen sein wird. Zehn Euro Beitrag im Jahr, demokratisches Mitbestimmungsrecht mit häufigen Polls übers Internet zu allen Detailfragen, das tut keinem weh.

In diesem Zusammenschluß liegt dann ein unbezahlbarer Werbewert. Der Ruf, das Image einer allgemeinen Datenbank aller Antiquare wäre vom Start an ganz großartig. Kein anderes Konzept könnte auch nur von fern das erreichen. Der Kampf mit dem ZVAB wird fürchterlich sein, aber durch den abgeschotteten Charakter des deutschsprachigen Altbuchmarkts kann er gewonnen werden.

3.
Zurück zur Berliner Montagspredigt. Kollege RFMeyer sollte nicht nebelhaft von neuen Angebotsformen sprechen, wenn er, was der Fall ist, die zugrundeliegenden Fakten sehr genau kennt:

- Eine gewisse Verlagerung von der Gebrauchsliteratur hin zur Sammel-Literatur wird stattfinden, vor allem wegen Googles Scan-Aktivitäten. Aber das geht weitaus langsamer, als wir glauben, und die Antiquare können sich gemächlich umstellen. Dieser Sammlermarkt wird etwas kleiner sein als das heutige Absatzfeld, man wird aber - auch durch höhere Preise - damit leben können.

- Zwar brauchen wir mehr gute Scans, die unsere Titelaufnahmen begleiten, aber das wars auch schon, was ich an Neuerungen sehe. Denn Google und jetzt auch Amazon bieten in zunehmendem Maß dem Kunden jene Inhaltsinformationen, die wir bislang zu liefern hatten (oder doch hätten liefern müssen). Das nimmt uns jetzt Google/ Amazon ab. Es bleibt bei der guten alten Titelaufnahme. Wenn es sich machen läßt, sogar mit aktiven Google-Books-Vernetzungen. Links sieht der Kunde das Google-Produkt, in der Mitte Worldcat, rechts unsere knappe Titelei mit Zustand und Preis.

Also wird sich formal n i c h t s verändern.

4.
Wir haben Hausaufgaben irgendwo ganz anders zu erledigen. Es gilt neue Käuferschichten heranzuführen an unser Internetangebot, Schichten, die bisher zwar Neubücher, aber noch keine antiquarischen Titel kaufen. Diese Verkaufsförderung können wir nun doch wirklich nur für unsere eigene Datenbank leisten. Wir müßten uns an den Kopf greifen und mit Adumbran zudröhnen, würden wir uns dabei ertappen, Rheinbabens Milchzentrale (die Kühe sind wir) zu fördern.

So wird die eigene Datenbank aller Antiquare zum Zentrum eines gigantischen Anschiebens unseres Altbuchabsatzes.



Das hübsche Foto, es zeigt Konsistorialdirigent RF Meyer in Aktion, verdanken wir kirchenfenster-bonus.de. Wird auf einfache Anforderung hin entfernt.