Mittwoch, 2. November 2011

Unterwandert Amazon den Mediacampus Frankfurt?




"Das Seminar findet in Kooperation mit dem Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher ZVAB statt."

Zitat aus der Beschreibung des Kurses "Grundwissen Antiquariatsbuchhandel", den die Fachschule der Buchhändler, neudeutsch aufgemotzt heute als "mediacampus Frankfurt" zu bezeichnen, nun schon wiederholt abhält.

Wir sehen an einem konkreten Beispiel mit Erstaunen, wie bedenklich es mit der Neutralität der Fachschule bestellt ist.

Nicht daß "ZVAB" und der Umgang mit dieser Bücherdatenbank nicht gelehrt werden sollte, im Gegenteil würde ich mir, wie die Dinge nun einmal stehen, auch eine Einführung in den komplexen Umgang mit Amazon und die stellenweise absurd-grotesken Abrechnungs- und Klassifizierungssysteme bei Abebooks wünschen.

Wie jeder Buchantiquar - nicht aber das Bundeskartellamt - weiß, sind gute 90 % des Internetabsatzes der deutschen Antiquare (ohne den Sonderfall Ebay) unter einer Fuchtel, der des Alleinbesitzers Amazon, vereinigt, ZVAB - Abebooks - Amazon. Also muß der Umgang mit den diesen drei wichtigsten Absatzportalen gelehrt werden, wertfrei und ohne Groll. Lehre soll nicht Stellung beziehen (oder soll sie doch - ein weites Feld).

Folgerichtig wird auch im neuen Fortgeschrittenenkurs, für den Hasso Bräuer verantwortlich zeichnet, unter anderem in die Benutzung von Ebay eingeführt - ein so schwieriges Thema, daß es mich in den Füßen juckt, einen seiner Kurse zu belegen, nur um zu sehen, wie Bräuer das macht.

Wenn es also selbstverständliche Pflichtübung ist, in die Datenbanken und Portale, wie sie nun einmal sind, einzuführen - - so halte ich es für eine Ungeheuerlichkeit, wenn der vorgeblich neutrale Börsenverein mit dem ZVAB

in K o o p e r a t i o n   unterrichtet.

Man weiß nun doch, daß jeder Unterricht, jede Schule sich hüten muß wie der Teufel vor dem Weihwasser, auch nur mögliche Beeinflussungen durch Institutionen, Parteien, Interessengruppen und Firmen zuzulassen. Die Tätigkeit der Oberschulämter besteht zu einem gewissen Teil darin, jedes Kräutlein einer möglichen Beeinflussung in den ihm unterstellten Schulen auszujäten. Immer wieder versuchen Firmen, Parteien, Gruppen Einfluß auf das Schulwesen zu nehmen, und ebenso  beständig jagt sie die Kultusverwaltung aus dem Tempel.

Das ist gut so, denn anders läßt sich Unterricht nicht machen.

Angesichts der sattsam bekannten Situation, daß - im Keller läuft die Bartaufwickelmaschine - Amazon, unter Außerachtlassung der Ebay-Problematik, gut 90 % des Internetabsatzes der deutschen Antiquare kontrolliert, also Amazon eine ganz scheußliche Monopolsituation zu Schaden eines ganzen Berufsstands innehat, daß ferner Amazon der Hauptfeind nicht nur der deutschen Buchhändler, sondern auch bald der Verleger ist - - ist es da zu verantworten, den Unterricht für die Antiquare in  K o o p e r a t i o n  mit einer hundertprozentigen Amazon-Tochter abzuhalten?

Man muß gelegentlich auch Forderungen formulieren, sonst bleibt alles im Nebel. Ich fordere daher den Börsenverein auf, seine Schule anzuweisen, die Kooperation mit Amazon-ZVAB sofort einzustellen und vor allem bitte ich die Schulleitung, den anstößigen Passus aus ihrer Webseite zu streichen.

Ich habe mitunter die Neutralität des Börsenvereins ins Lächerliche gezogen, tatsächlich aber ist sie eine große Leistung über anderthalb Jahrhunderte hinweg. Das verpflichtet! Ich würde mich besonders freuen, wenn Dr.Biester die Leitung der Schule zu einer Stellungnahme in seinem Börsenblatt-Teil veranlassen könnte.

Bei dieser Gelegenheit könnte Dr. Biester als Geschäftsführer der AG Stellung dazu beziehen, ob die AG noch irgendeine Zusammenarbeit mit dem ZVAB-Programm "Antiquaria", das jeder Neubuchhändler kennt, aufrechterhält. "Antiquaria" dient zumindest werbe- und imagemäßig dem ZVAB und damit direkt seinem Alleinbesitzer,  A m a z o n. Damit kann "Antiquaria" nicht mehr vom Börsenverein oder einer seiner Gliederungen neutral empfohlen werden.

Ich ersuche ganz schlicht und ergreifend um  N e u t r a l i t ä t  des Börsenvereins in allen seinen Gliederungen gegenüber Amazon und seinen macht- und hilflosen Trabanten(*), als da sind Abebooks und ZVAB.


(*) (sinngemäße Zitate von der Messe) "Wir wissen nicht, wie Amazon entscheidet. Wir gehen davon aus, daß Abebooks selbständig bleibt. Es kann aber schon nächstes Jahr alles anders sein, ja, das kann man so sehen. Amazon bestimmt das in der Zentrale. Wir wissen jedenfalls nichts Näheres."  "ZVAB soll selbständig bleiben. Aber Amazon plant selbständig, wir haben da keinen Einblick. (Auf scharfe Kritik gegenüber dem jetzigen, nach meiner Einschätzung etwas altbackenen ZVAB-Standard) "Wir wollen ZVAB selbständig halten. Amazon entscheidet alles"