Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Montag, 7. November 2011
Abenteuer im V e r s a n d . Anhang: Geld vernichten mit Amazon
Das Thema ist etwas sperrig. Für Antiquare wie auch für ihre Kunden wird es aber umso wichtiger, je mehr der Internetverkauf systematisch bevorzugt wird, je mehr E i n z e l titel der Sammler gezielt sucht. Eine im Internet zusammengekaufte Bibliothek kann ein preiswertes und vom Jagdfieber beflügeltes Objekt der Begierde sein, besonders wenn man sich in Ebay hineinkniet oder in noch abenteuerlichere Quellen - aber der Anteil der Portogebühren macht dann immer einen erstaunlich hohen Teil der Anschaffungskosten aus.
Es ist ein Fehler, wenn der Händler die Transportkosten als zu vernachlässigende Größe ansieht nach dem Motto "der Käufer zahlt das ja". Gerade Sammler, die im Buchankauf sehr großzügig agieren, pflegen von Hause aus ein genaues Rechnungswesen, sie können mit Geld umgehen. Die Binsenwahrheit, daß vom Kunden Kleinbeträge ebenso gründlich wahrgenommen und überprüft werden wie große danebenstehende Summen, bewahrheitet sich immer wieder.
Ich habe in den letzten Jahren rund 5000 Versandvorgänge eigenhändig erledigt. Meine Kunden gehören dem Mittelfeld und dem unteren Luxus-Standard der Büchersammler an, ich habe weder ganz unten im Taschenbuchbereich noch im Feld der hohen Versteigerungsware Besteller. Das ist eine sehr typische Klientel im Antiquariat. Welche Regeln konnte ich beobachten?
Zunächst eine Formalie zur Verpackung. Es ist an der Zeit, von den Luftpolster-Versandtaschen endgültig wegzukommen. Sie schonen die Bücher nicht ausreichend, wirken durch ihre weiche Oberfläche bei der Ankunft unordentlich, immer etwas krumpelig, unschön abgestempelt, sie sind zu leicht zu öffnen, wirken beim Kunden "billig". Dagegen sind Verpackungen aus P a p p e, entweder als Drehkreuz- oder als Papptaschenlösung, stabiler und schöner, sie wirken "teuer", sind es aber nicht.
Verpackungen aus Pappe sind nur wenige Cents teurer als die scheußlichen Kunststofftaschen, wenn der Antiquar sie über den Hersteller d i r e k t bezieht. Das ist unerläßlich. Die vermeintlich günstigen Großhändler im allgemeinen Bürobedarfsbereich verkaufen Papplösungen stets relativ teuer. Diese Ware verträgt offenbar keinen Zwischenhandel. Ein preiswerter Pappenhersteller mit Deutschlandversand, möglicherweise der größte, ist Bähr in Bremen. Ich bin mit dieser Firma außerordentlich zufrieden, schnelle Lieferung, perfekte Verpackung in riesigen Fabrikkartons.
Dann eine erstaunliche statistische Feststellung: Bei einfachen Büchersendungen im Inland geht je 1000 Versandvorgängen nur 1 (eine) verloren. Diese Versendungsform wird von der Post inzwischen sehr sorgfältig behandelt, ich vermute, daß es an einem einfachen posttechnischen Vorgang liegt: Normale und größere Büchersendungen werden je nach Betriebslage inzwischen von den Paketwägen mit zugestellt. Die Paketfahrer aber sind durch die hohen Versicherungssummen, die auf ihrer gewöhnlichen Ware, den Paketen, liegen, ein sehr genaues, präzises Arbeiten gewohnt. Wie auch immer, Büchersendungen sind nach Jahren der Turbulenzen (Büchersendungen in Berlin vor 15 Jahren, man erinnert sich...) inzwischen wieder zu einer sehr sicheren, empfehlenswerten Versandform geworden!
Die Unterschiede in der Versandqualität der verschiedenen Paketdienstleister, einst ein beliebtes Thema unter Antiquaren, sind inzwischen fast gegenstandslos geworden, was an den hohen Versicherungswerten liegt, die alle anwenden. Natürlich sieht eine Zustellung durch kleine Freizeitlieferanten, typisch ist da Hermes, anders aus als die beim nahezu beamteten DHL-Fahrer, aber Hermes ist mir aufgefallen, weil sich die kleinen Krauter oft rührende Mühe geben und ihr Terrain sehr gut kennen - während die hochgelobte DHL oft ganz zynisch Benachrichtigungskarten in Serie in die Briefkästen steckt, Abholung bitte im nächsten Postamt. Unterschiede in den Lieferzeiten reduzieren sich auf die Grundfrage "1 oder 2 Tage", mehr ist da nicht zu berichten. Wohl aber von der Technik der Buchung her: Hermes ermöglicht ein sehr komfortables Ausfüllen der Adreßzettel im Internet, schnell und elegant auszudrucken, Bezahlung erst in der Annahmestelle in Bar - DHL treibt dagegen mit einem ausgeklügelten, unendlich komplizierten und mißtrauischen Inkassoverfahren den Nutzer zur Weißglut, bis der Adreßzettel ausgedruckt ist - oder auch nicht.
Bei den Preisen gilt es vor allem, die Mehrwertsteuer zu beachten - ist sie schon enthalten, oder kommt sie hinzu? Wir Antiquare können sie ja in aller Regel voll absetzen.
Für den Versand unter 1000 Gramm kommt, jedenfalls bei Buchwert unter etwa 50 Euro, immer nur die gewöhnliche Büchersendung der gelben Post in Frage, 500-1000 gr 1.40 Euro. Will ich unbedingt eine "Versicherung" haben, dann sende ich nicht etwa per Brief und Einschreiben, sondern ich benutze das Hermes-Paket.
Merke: Hermes-Pakete ersetzen die Einschreibsendung für den Antiquar im Inland i m m e r, im Ausland meistens.
Während ich bei Verlust einer Einschreibesendung nur einen nominellen sehr geringen Betrag erhalte, gewährt der Paketversand Erstattung des wirklichen, vollen Warenwerts.
Für Päckchen der gelben Post erhalte ich bei Verlust - nichts. Auch von der Portostruktur her ist das Postpäckchen (maximal 2 kg) eine absurde Konstruktion, es kostet nur 10 cents weniger als ein vollversichertes Hermes-Paket der unteren Größe, die bis 24 Kilo und 50 cm Umfang (längste + kürzeste Kante) reicht.
Ich füge hier keine Portotabelle der verschiedenen Paketdienste an, das läßt sich nicht unter einigen Stunden angestrengter Arbeit leisten. Die Antwort ist generell ganz einfach - unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer, also vom Standpunkt des Antiquars aus gerechnet, ist H e r m e s für jede Sendung über 1000 gr im Inland die billigste Wahl.
Für Sonderfälle ab 5 Kilo, die im Antiquariat nicht oft auftreten, und vor allem im Auslandsversand lohnt es sich, die Tabellen aller Firmen durchzusehen. Im Fall "Schweiz" kommen wir sogar auf ein mittelalterliches Versandinstrument zurück - den S a c k mit angehängter Schleife. Unterhaltsam, skurril - und bis zu 15 Euro gespart. Größere Sendungen in die USA transportiert dagegen DHL seit Jahren unschlagbar billig und schnell.
Randbemerkung 1)
Der Börsenblatt-Netzdienst beglückt uns heute mit folgender frohen Botschaft:
(Bei Amazon können Händler Paketmarken erwerben:)
"Das Angebot... gilt zunächst nur für eine begrenzte Zahl von Amazon Marketplace-Verkäufern, später sollen es alle Verkäufer nutzen können. Ein unversichertes Päckchen kostet 3,90 Euro, ein versichertes Paket bis 2 kg Gewicht 4,90 Euro (bis zu 10 kg Gewicht 5,90 Euro)."
Wir wissen aber: Bei Hermes erhalte ich das bis 500 Euro vollversicherte Paket - nach Abrechnung der Umsatzsteuer - für 3,30 Euro, Gewicht bis 24 kg. Antiquar kann also mit Amazon beim "Päckchen" 60 Cents wegwerfen und erhält dafür k e i n e Versicherung; beim Paket werfen Sie bitte mit Amazon mindestens 1,60 Euro weg, höchstens 2,60 Euro.
Was sich Amazon dabei denkt, weiß ich nicht.
Randbemerkung 2)
Hermes hat seit 1.11. nun auch ein "Päckchen" im Angebot, 20 Cents billiger, versichert mit 50 Euro - Gewichtsgrenze 24 kg, aber das eher lustige Kantenmaß beträgt 37 cm. Trotzdem die ideale Ergänzung für den Antiquar - eine Art "Büchersendung ü b e r 1000 gr mit einer vereinfachten Versicherung", wie ich das seit Jahren hier gefordert hatte. Kostet den Händler netto 3 E u r o und 10 cents - absolut ideal.