Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Sonntag, 6. November 2011
Ein neues Medium für Buchantiquare und ihre Kunden?
Zehnjähriges Jubiläum der GIAQ! Unser verehrter Kollege Pardun hat einen dreiteiligen Lagebericht abgeliefert zum gegenwärtigen Zustand der Genossenschaft der (Internet-) Antiquare, vor allem aber hat er sich Gedanken gemacht über eine mögliche Zukunftsplanung. Ich bin nicht immer seiner Meinung, glaube aber, daß er in der Hauptsache richtig liegt - es muß ein neues M e d i u m her für die gesamte Antiquariatsbranche, sonst bewegt sich gar nichts.
Ehe wir uns ans Arbeiten machen, sollte die Werkstatt ein wenig aufgeräumt werden. In den letzten Tagen haben sich einige Unklarheiten aufgebaut, die kurz besprochen werden müssen.
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Es ist mir sehr ernst mit dem Kampf gegen das Amazon-Abebooks-ZVAB-Monopol im Internetabsatz antiquarischer Bücher. Vom Sonderfall Ebay abgesehen gute 90 % der Marktbeherrschung - das ist ein Skandal und eine ganz böse Gefahr. Ich habe bisher die Strategie gehabt, auf eine Klage von Amazon wegen Geschäftsschädigung, übler Nachtrede oder der Teufel weiß was zu warten - leider vergeblich. Dazu sind sie zu klug. Das wäre der ideale Weg gewesen, um eine Öffentlichkeit für unser Anliegen herzustellen.
Ich sehe, daß das nicht gelingen kann, wozu auch beiträgt, daß ich - als Tester muß ich unbestechlich sein - Abebooks mit weitem Abstand für das beste Verkaufsportal im deutschen Markt halte. Auch die Mängel beim ZVAB sind eher ästhetischer und taktischer Natur, in technischer Hinsicht ist das ZVAB durchaus gut. Also bin ich insbesondere Abebooks gegenüber in einer verzweifelten Situation: ich wünsche jedem Antiquar gerade diese Datenbank, die als Portal fast die Traumnote "1" bekommen kann in meiner eigenen Nomenklatur - zugleich finde ich den Würgemechanismus des Amazon-Monopolisten verabscheuenswert und bedrohlich.
Ich warte nun nicht länger auf eine Klage der Amazon-Anwälte, will vielmehr die nächsten Tage eine stille Privatissime-Klausur zum Thema "Monopolrecht" in der Uni abhalten. Erfreulicherweise liegen die juristischen und die volkswirtschaftlichen Seminarbibliotheken nebeneinander, ich kann zwischen beiden munter hin- und herwechseln. Es m u ß einen Weg geben, das Bundeskartellamt zur Rechenschaftslegung über diese Monopolsituation zu z w i n g e n, aber ich bin weder in diesem besonderen Zweig des Verwaltungsrechts noch im Wirtschaftsrecht zuhause. Wir hatten mal einen Monopolfachmann als Ordinarius, die Literatur wird also da sein.
Unter anderen Verhältnissen würde ich die Rechtsabteilung beim Börsenverein um Hilfe bitten, aber die schicken zum Sicherheitsdienst, ehe ich mein Greisenhaupt auch nur an der Pförtnerloge vorbeibewege. Manchmal bringen Besuche etwas: Auf meiner Agenda steht ein Besuch in S t r a ß b u r g in der Amazon-Abebooks-ZVAB-Sache auf der Kulturebene, und ansonsten gibt es vielleicht in B o n n beim Monopolamt eine gute Cafeteria? Es gibt Fälle, in denen eine persönliche Vorsprache Wunder wirkt.
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Im hohen Alter wird man wieder kindisch, bei mir äußert sich das gelegentlich in einem Spieltrieb, den ich nicht unterdrücken kann. So bitte ich meinen letzten Beitrag zu verstehen, in dem ich dem geschätzten Börsenblatt-Netzdienst eine Kungelei mit dem ZVAB unterstellt hatte. Natürlich hat es "ein Geschmäckle", wenn das ZVAB, ich zitiere, "in K o o p e r a t i o n" mit der Fachschule des Buchhandels in Frankfurt Lehrkurse abhält. Das ist nicht gut, um mit Biester zu sprechen. Aber ich weiß natürlich schon, daß der gerügte Passus aus Gedankenlosigkeit stehengeblieben ist und keine echten Beeinflussungen stattfinden. Da war Biester (dem ich zum besseren Schreiben des Doktors beraube, es ist zu umständlich) wesentlich näher an Interessenskonflikten, als in Tutzing in fröhlicher Runde Wein getrunken und Lehrkurse beim ZVAB abgehalten wurden.
Nur hat die Sache System von Abebooks her. Unvergessen ist die Frechheit, mit der Abebooks die unbedarfte, etwas naive Leipziger Verwaltung der Deutschen Bibliothek, die ich weiterhin so nenne, eingespannt hatte zu plumper PR-Arbeit. Das muß nicht einmal böse Absicht sein - aus dem US-Management schwappt solche Unsitte zu uns herüber. Ob die Deutsche Bibliothek, ob die Fachschule der Buchhändler - immer munter drauflos, einspannen, werben, vom Image profitieren... Nach deutschem Verständnis ist es ausgesprochen schofel und schmierig, von der Gesamtheit aller Bürger oder sonst gemeinschaftlich bezahlte Institutionen für PR- und Imagearbeit einzuspannen.
Natürlich wußte ich, daß die Buchhändlerschule mir nicht ein Sterbenswörtchen antworten würde. Biester hätte sich in besseren Zeiten einen ironischen Kurzkommentar abgerungen, aber inzwischen scheint unter Casimirs düsterem Regiment der Antiquariatsteil des Börsenblatt-Netzdienstes völlig kastriert zu werden. "Lasset uns Fakten berichten". Meinungen kommen zu kurz, und tatsächlich kommt mir Biester inzwischen vor wie eingesperrt in eine Hundehütte, zwei Ketten am Hals, an der einen das Schild "MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH ", was natürlich nur neudeutscher Schmonzes ist, in Wahrheit ist das der Börsenverein und gar nichts sonst - an der anderen ein Foto, in dem Biester auf der Jahresversammlung der AG auf meine Zumutung, e r möge doch den neuen Wendt schreiben, derart entgeistert und angeekelt dreinblickte, als hätte ich ihn aufgefordert, er solle Kippen im Hof aufsammeln. Diesen Augenblick vergesse ich nie - Biester interessiert sich nicht für die Niederungen unseres Gewerbes, nicht persönlich jedenfalls. Mein Bild von den Edelantiquaren, die allein in seinem Herzen wohnen dürfen, war so falsch nicht über die Jahre hinweg.
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Eine kurze Bemerkung zu meiner eigenen Person gehört auch zum sonntäglichen Aufräumen.
In monatelanger Arbeit habe ich eine Lösung für meine besonderen Absatzprobleme im Antiquariat gefunden. Wer wie ich nur Titel vor 1945 führt, der hat andere Sorgen als die meisten Kollegen. Ich hatte über die Jahre hinweg ganz vergessen, daß wir heute in der Lage sind, Bücher, die bei der "Sammlung deutscher Drucke" und bei den Schwerpunktbibliotheken (IuD, Forschungsgemeinschaft, MPI...) f e h l e n, gezielt anzubieten. Noch vor zwei, drei Jahren war das wegen unendlicher, ich zitiere, "unvollständiger Aufnahme unserer älteren Titel im OPAC" oft nicht möglich. Heute geht es mit ganz geringfügigen Ausnahmen - heureka! Sollte Kollegen die Materie interessieren, stelle ich das gern mal dar. Für mich ist das eine Lösung, die zwar hochkonzentriertes Datenbankarbeiten erfordert, aber den Z e i t aufwand verringert. Stichwort "aktives Anbieten" antiquarischer Bücher.
Ich habe nun endlich mehr freie Zeit. Das müssen Sie büßen, denn es gibt wieder mehr zu lesen aus meiner Feder.
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Und nun zurück zu Pardun, seinem "Soloantiquar" und den Vorschlägen für eine Reform der GIAQ.
Auch hier sind erst einmal einige Restbestände aufzuräumen. Kollege Pardun muß, auch wenn ich nicht weiß, wie er das anstellen könnte, seinen Webseitennamen loswerden. "Soloantiquar" ist eine typische Schnapsidee, geboren nach langem Hin- und Hersinnen, wenn zuviel gedacht worden ist, anstatt spontan vorzugehen. Der Name ist völlig unmöglich, ganz grotesk und auch peinlich.
Ich habe mit meinen Vorschlägen zu Namensfragen, mit denen ich über die Jahre hinweg immer Recht behalten hatte, nie Erfolg gehabt. Ich bin es einigermaßen müde, mir sagen zu müssen, "es hilft ja doch nichts". Ich fasse mich deshalb kurz und bringe ihm einfach die spontanen Assoziationen des gebüldeten Greises Mulzer (merke, unsere Kunden sind oft solche):
- Velosolex
- Solipsismus
- alte Sohlen zu kaufen
- soso, soso, aha
S o l o ist fast immer n e g a t i v besetzt. Ein Soloantiquar ist einer, der es mit seine Kollegen nicht kann, das Mauerblümchen in der Ecke, der einsame Rufer in der Wüste, Säulenheiliger auf seiner Wüstensäule (auf dem Boden um die Solosäule herum die Restzeugnisse menschlicher Bedürfnisse), Solo ist einer, dem die Frau und/ oder der Freund fehlt, "ich bin solo".
Dieser Name muß sofort, unter allen Umständen weg!
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Gleiches gilt für die GIAQ. Ich habe vor rund zehn Jahren gegen diesen Namen angekämpft und tue es immer noch - grotesk, peinlich, schädlich! Kein Mensch kann ihn sich merken, das "Q" ist im Deutschen fast immer schlecht, schräg, macht den Leser mißtrauisch. Und überhaupt ist inzwischen, das konnte man damals nicht wissen, der ausgeschriebene Name auch sinnlos geworden, denn ganz ohne Internet arbeitet heute kein Antiquar mehr, das wäre Selbstmord. Wir sind alle "Internet-Antiquare" (übrigens ist auch dieser Begriff hirnrissig formuliert, mißverständlich, kurzum s a u b l ö d).
"Antiquariat.de" für das Portal ist eine ähnlich schädliche Namenswahl. Kein Mensch kann sich den Unterschied zum Antiquariat als Gattungsbegriff merken, überdies - ach, ich bin es so leid, mich da immer zu wiederholen - ist die Bezeichnung nicht rechtssicher. Der erste übelwollende Konkurrent kippt ihn mit Leichtigkeit. Leute, es ist so, irgendwo in diesem Blog habe ich das seitenweise begründet. Das wäre die absolute Katastrophe, wäre es nicht? Da euch nur Mitbewerber verklagen können und Amazon-Abebooks-ZVAB an eurem Erhalt als Alibi und Schamtüchlein interessiert sind, nicht aber an eurem Untergang, klagen sie nicht. "Antbo", unser lieber Entenpopo, sowieso nicht. "Buchfreund" klingt schrecklich auf seine Weise...
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"Wirklich gebraucht wird ein branchenbasiertes „Antiquariatsjournal“ samt Redaktion und redaktionellem Beirat. Zum Einen, um hier eine klaffende journalistische Marktlücke aus dem Antiquariat zu füllen."
Das hat Pardun richtig gesagt. Ich habe bis zur Messe in Frankfurt immer gedacht, man könnte Biester dazu bringen, seinen Börsenblatt-Netzdienst auszubauen oder wenigstens wieder zu dem zu machen, was er vor Jahren doch immerhin einmal war. Seit ich den waidwunden Blick vor Augen habe, mit dem er die Zumutung, das neue Antiquariatshandbuch schreiben zu sollen, von sich wies, weiß ich, das das nicht läuft. Du kannst den Hund nicht zum Jagen tragen! Biester will nicht, und er darf wohl auch nicht.
Was ich auch in Frankfurt gelernt habe: Die Antiquare, auch im Edelbereich, kochen nur mit Wasser und sind in der Regel hochgebildete, aber seltsame und verschrobene Zeitgenossen. Sie können sich schon von ihrer vorherrschenden Mentalität her
*nicht gut organisieren, sich auch nicht verteidigen, nicht ihre Rechte wahren.
Ich habe die Antiquare generell überschätzt, was ihr Sozialverhalten angeht. Ich hätte nicht von mir ausgehen dürfen - ich kann sozusagen gar nicht existieren, ohne sofort virtuell ins soziologische Seminar zurückzukehren, lang ist es her, und S t r u k t u r e n der Organisation, Pläne, Verbesserungen, Neuerungen zu untersuchen und mir auszudenken. Ich brauche nur drei Leute an einem Tisch sehen - schon möchte ich sie zu einem Aktionsbündnis zusammenschließen. Ob meine einst geliebte Pfadfinderei mir da einen späten Streich spielt?
Wie auch immer - die Antiquare sind nur ganz schwer sozial zu integrieren. Und ihr finanzielles Potential ist nicht hoch.
Dies bedeutet, daß sich ein Medium, welches sich nur an Antiquare wendet, nicht selber tragen kann. Das geht nicht.
Der Königsweg, um den Antiquaren doch zu einem Medium zu verhelfen, ist eine (Netz-) Zeitschrift sowohl für die Antiquare als auch für ihre Kunden einzurichten!
Zum Interessantesten, das mir in letzter Zeit untergekommen ist, gehören die Versuche der Portale, sich mit "Zusatzdiensten" ihren Kunden anzuschmusen. Die Krönung war jene von einer Praktikantin(?) erstellte Kulturbegleitseite, die das alte ZVAB noch in Tutzing auf die Beine gestellt hatte - in linkischem, fehlerhaftem Deutsch noch blödsinnigere, plattere "Kulturereignisse" heruntergeschrieben. Ich sage als Leser schweizerischer Kriminalromane in solchen hoffnungslosen Fällen "Matto regiert". Jedes weitere Wort zu jenen Blödigkeiten wäre vergeudet.
Wie man es gewohnt ist, sind hingegen die Zusatzdienste von Abebooks in Formulierung und Inhalt ganz ausgezeichnet - da sind eben Könner am Werk! Und ebenso gewöhnlich glänzt der neue Begleittext von "Antiquariat.de" durch in schrecklichem Deutsch hingesetzte Plattigkeiten erster Güte. Die anderen Datenbänklein lasset uns mit Schweigen übergehen. Notabene: Abebooks ist weitaus besser in den Begleittexten als Amazon, das ein ordentlicheas Mittelmaß einhält.
Diese begleitenden, zusätzlichen Dienste der Portale lassen sich weitaus besser darstellen und - Dr. Biester, aufgemerkt nun also - sie müssen unbedingt zum Edelantiquariat hin und damit für den Edelkunden ausgebaut und ergänzt werden. Das bedeutet nicht, daß man wie jene britische Webseite ganze bibliographische Apparate ins Netz stellt, wohl aber muß eine Art Grundstock, ein amüsant zu lesendes Lehrwerk für den "besseren" Kunden gebracht werden. Mir scheint, daß "Aus dem Antiquariat" etwas zu hoch liegt im Anspruch, aber in diese Richtung sollte es schon gehen.
Da ich nicht weiß, inwieweit sich die Genossenschaft noch einmal aufrappelt, melde ich für ein selbständiges Antiquariatsmedium gleich einmal eine ausgedehnte
*Plantage von Sachgebietsverlinkungen für Kollegenwebseiten
an. Ich bin dem werten Kollegen RFMeyer wirklich böse, daß er seine so gut angedachte Webseitenverlinkung nicht weiter ausgebaut hat. Ein Antiquariatsmedium wird ihm die Idee einfach wegen Untätigkeit enteignen und sie selber übernehmen. Halten zu Gnaden.
Meine Vorschläge zu einer Reorganisation der Genossenschaft kann man unten nachlesen. Heute ging es mir darum, Kollegen Pardun in seiner Forderung nach einem neuen Antiquariatsmedium zu unterstützen. Die Namensfrage - darüber wird noch nachzudenken sein. Über die Gestaltung auch; ich finde die "Soloantiquar"-Seite, um es milde auszudrücken, technisch und taktisch gar nicht gut.
Das Foto aus dem Setzersaal zeigt drei Redakteure des neuen Antiquariatsmediums bei der Arbeit - links Dr. Biester. Die Rechte am Bild besitzt http://www.blog.druckerey.de/