Dienstag, 4. August 2009

Was sich Antiquare schon immer gewünscht haben






Wir sind, wenn wir berufsbezogene Blogs schreiben, im allgemeinen keine Internatstöchter, die sich nach menschlicher Wärme und Austausch sehnen. Wenn ich in den Kommentaren lese, ich könnte die Mitarbeit, das Mitmachen der Kollegen in meinem Blog vermißt haben, dann stimmt das nur ganz am Rand. Der Blog, in dem Sie sich gerade aufhalten, versteht sich als Mikrofon in meinem Studierzimmer, als Denk-Recorder, als automatisches Stenogramm der seltsamen Vorgänge, die sich in meinem Gehirn abspielen. Dialog aber findet anderswo statt und vor dem "Austausch" der kulturbeflissenen Plauderer möge uns Gott bewahren.

Wir haben hier nämlich, nach meinem Verständnis, ganz konkrete Aufgaben gemeinsam zu lösen. Hilfreich dabei kann ein Blog nur insoweit sein, als er längere programmatische Zusammenfassungen und Grundsatzartikel bringt. Die Diskussion aber muß einem der braven altmodischen Foren vorbehalten bleiben, früher bevorzugte man Yahoo, heute sind Google Groups das Medium der Wahl. Dieses Forum kann aber nur die zukünftige allgemeine Berufsgruppe einrichten.

Soviel zum Formalen. Inhaltlich, das sei vorausgeschickt, ergreift mich bei einem Rundgang zu den Blogs der Kollegen ein tiefes Unbehagen. Wie kann ein Berufsstand so blind sein gegenüber seinen vordringlichen Aufgaben, wie kann er sich derart kindisch verrennen und vergeuden in kulturvollem Gebimse, in metaphilosophischem Raunen, in kleinlichsten "Qualitäts"fragen, in Portosatz- und Oxfam-Quisquilien - - während die vordringlichsten Aufgaben unerledigt, ja oft genug unangesprochen bleiben? In RFMeyers Blog wurde gestern die Frage nach der "Linie" von Redakteur Biester angesprochen. Dazu kann ich nur sagen, daß ich ihn, Herrn Biester, für einen der Hauptschuldigen an der völligen Vernebelung unserer Köpfe halte.

Seine unselige Häppchentechnik ist unerträglich - kaum ist ein wichtiges Thema angerissen, wie immer bei ihm ohne Analyse, ohne Wertung, ohne Nutzanwendung, hüpft er schon nervös weiter zu völlig nebensächlichen, oft genug geradezu lächerlichen Randthemen. So verhindert man, ohne es zu wollen, systematisch jeden Ansatz zum Überdenken und Lösen der Kernfragen.

Redakteur Biester gewichtet nicht - das ist eine Todsünde in problematischen, gefährlichen Sachbereichen. Ich hatte ihn, man erinnert sich, in geradezu tollkühnen Aktionen zu einer konzentrierten Behandlung der wichtigsten Fragen zwingen wollen - zeitweise sah es, bei Antwortziffern über 50, bald so aus, als solle die Redaktion des Börsenblatts durch mich gekapert werden. Gelernt hat er nichts daraus, und in seinem angekündigten Blog droht er uns das Fürchterlichste an: Er will uns dort "nicht anstrengen", gelobt nur kurze Beiträge zu schreiben... Mein Gott, was geht in dem Mann vor?

Die weitaus beste Idee, die je über die Kollegenblogs transportiert worden ist, war RFMeyers Bündnisgedanke. Dieser Ansatz ist, nicht nur von ihm, in geradezu lästerlicher Weise organisatorisch zugemüllt worden - aus einem wunderschönen Ei, das uns in glänzender Frische begrüßt hatte, ist ein struppiges, altes, heiseres Suppenhuhn geworden. Ein Handarbeitszirkel im zweiten Husumer Altersheim für debile Melkerinnen kann sich besser einrichten, besser planen und vernünftiger funktionieren als dieses fürchterliche Webseitenbündnis.

Wenn eine sehr gute Idee jämmerlich in den Dreck gefahren wird, dann schmerzt das weit mehr, als wenn sie erst gar nicht das Licht der Welt erblickt hätte. Wir lernen daraus, daß weder über das Medium Blog noch gar über das übliche Gemauschele per Telefon und direkte Emails irgendetwas auf die Beine zu stellen ist. Es wurde unzureichend diskutiert - das ist alles! Denn die Kollegen haben durchaus jenes Sachwissen, das gebündelt zum Erfolg führen könnte. Zur Bündelung aber bedarf man eines Forums, in dem aktuell diskutiert wird, und zwar von Tag zu Tag. Und keineswegs nach Sachgruppen aufgetrennt.


Was ist aus meiner heutigen Sicht wichtig?
1.
Wir brauchen eine eigene Datenbank, oder aber die Kontrolle über eine fremde. Das äußerst finstere Debakel um die ILAB-Datenbank und das - auf den ersten Blick unbegreifliche - Dahindümpeln von Prolibri zeigen, daß zwei formal durchschnittliche bis sehr gute Portale trotzdem scheitern können - - offenbar hängt alles, aber auch wirklich alles vom Bekanntheitsgrad im Netz ab.

2.
Es gibt nur (nur, ganz ausschließlich und nur!) eine einzige Werbemöglichkeit, mit der eine Altbuchdatenbank neu durchgesetzt werden kann: Wenn sie die Datenbank aller Antiquare im deutschen Sprachraum ist. Nur dieses Fanal kann unsere Kulturredakteure, unsere bücherkaufenden Lehrer und Karl-May-Sammler vom Hocker reißen. Wir sagten, daß Werbung, Bekanntheit im Netz alles bei einer Bücherdatenbank sei.

Es gibt kein besseres Werbeargument für den Absatz alter Bücher, als das, wenn eine ganze, kulturell wichtige Berufsgruppe gemeinsam auftritt. "Die Antiquare".

Dabei müssen wir uns hüten, in den Fehler von Prolibri zu verfallen und eine kleine Auswahl aus dem rund 1000-1200 Kollegen als ausreichend anzusehen. Das verführt dann leicht zu jener Hochstapelei, die ich seit Jahren jedesmal, fast reflexartig, brandmarken muß, wo immer sie auftritt - daß man nämlich versucht, sich eben doch zu einem bedeutsamen Teil der Berufsgruppe zu stilisieren, wo man doch in Wahrheit nur ein Splittergrüppchen darstellt. Das rettende Zauberwort aber ist bekannt und man darf es ruhig übernehmen, auch wenn es das Kainsmal Mulzerscher Provenienz trägt: Niedrigschwelligkeit.

Wir dürfen weder im formalen Anspruch (Ausbildung, Standard der Titelaufnahme, Mindestumsatz) noch in Geldfragen (Beitragsforderungen) irgendwelche Schranken aufrichten. Alle drei vorhandenen Berufsgliederungen (die des Kollegen Hoefs dürfen wir inzwischen wohl als sanft entschlafen betrachten) machen mindestens den Fehler, durch nicht unerhebliche Beitragsforderungen im vorhinein abzuschrecken.

Wenn, was der Fall ist, von rd. 1200 Kollegen erst gerade einmal knapp 300, also ein Viertel, organisiert sind, dann liegt das ganz überwiegend an den geforderten Beiträgen, zu einem nicht unbedeutenden Teil aber auch am Herumgetöne von "Qualität", "Verpflichtung zu ethischen Grundsätzen" noch vor dem Beitritt usw. Sowas ist zwar bitter nötig, sogar sehr, und die Beiträge auch - aber immer erst einmal niedrigschwellig die Kollegen kommen lassen, bitte!

Nochmals: Wenn 3 von 4 Berufskollegen nicht organisiert sind, dann läßt das tief blicken. Hier wurde so ziemlich alles falsch gemacht, hier muß radikal umgedacht werden!

3.
Die neue, niedrigschwellige Berufsvereinigung für die Antiquare im deutschen Sprachraum muß aus sich heraus ihre Verfassung diskutieren. Ihr Hauptzweck ist die Schaffung oder Übernahme einer berufsgruppeneigenen Datenbank.

Neben einer Monopol-Absicherung (gegen ZVAB, Amazon/ Abebooks) und einer Gebührensenkung steht ein drittes Argument im Vordergrund: Für die eigene Datenbank arbeiten alle Kollegen sehr viel engagierter, einfallsreicher und bereitwilliger. Wir können den ganzen Komplex der Absatzförderung dort, in der eigenen Datenbank, mit neuem Elan angehen! Wer will schon für eine Datenbank denken und planen, die uns im Fremdauftrag melkt?

Daß fernerhin eine separate Edel-Datenbank ein Unding ist, ist offenkundig. Selbstverständlich übernimmt die Datenbank der Antiquare auch die ILAB-Datenbankaufgaben im deutschsprachigen Raum. Mehr als das, wir sollten unbedingt die Grundidee der Übernahme von sehr hochpreisiger Ware, man erinnert sich an die unglückliche Hamburg-Frankfurter Jurastudentin, von Anfang an integrieren. Die Versteigerer sind inzwischen unnötig wie ein Kropf.

Aber das ist ein anderes Kapitel.