Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Freitag, 21. August 2009
Bloggende Antiquare - Kollege Plocher und die Freiheit der Nabelschau
http://meyerbuch.wordpress.com/2009/08/20/der-antiquar-ii/#comment-194
Werter Kollege Plocher,
hätten Sie uns heute davon gesprochen, daß jeder Antiquar in seinem Blog das schreiben solle, wozu er Lust hat, hätten Sie die Freiheit, vielleicht sogar die Anarchie des Bloggens gepriesen und gefordert - ich würde Mühe gehabt haben, anderer Ansicht zu sein. Anarchie kann man immer postulieren, oft ist das eine reizvolle Alternative und wenn man ihr am Ende auch wieder den Rücken zukehrt, es war doch ein erkenntnisreicher Ausflug zur leichtgeschürzten Dame Anarchie gewesen.
Aber nichts davon aus Ihrer Feder. Und doch schöpfe ich Hoffnung: Ich habe schon in der Xingschen Zwangsanstalt manchen Ihrer Aufsätze lesen dürfen. Anarchie liegt Ihnen fern, Sie sind durchaus tapfer und aktiv gesinnt. Nur wollen Sie uns leider diszipliniert und kontrolliert jenes Antiquariat verordnen, das Oberstudienrat Dr. Kirchenfenster im Jesuiteninternat St.Blasien, Fächer Geschichte und Philosophie, führen würde, wenn er je auf die Idee käme.
Welches Bild vom Wesen des Antiquars in unserer Zeit haben Sie? Als Träger des Geistes, der kulturellen Überlieferung, des abendländischen Gedankens, irgendwo zwischen Nietzsche, Thomas von Aquin, Ernst Jünger und Albert Schweitzer, haben wir Antiquare das humboldtsche Bildungsideal aufrecht zu erhalten. Hört, hört. Wir verkloppen nicht etwa die Bücher verstorbener Verwirrter jeder Couleur, o nein - in unseren Händen liegt das Wohl der Kulturwelt, der Deutschheit, des Christentums. Oder bring ich Sie da mit Kollegen Kretzer durcheinander, der zur Zeit Buße tut für unbearbeitete Edelkatalogdatensätze und auf Erbsen gen Altötting wallt? Es ist die gleiche Kiste, obenauf sitzt vergnügt der verehrte Kollege RFMeyer und zählt die Schar seiner Bündniskollegen, wie schön, sie sind noch alle da und schlafen auf seiner Idee - weiter.
Solche Gedanken und Zumutungen weisen Sie weit von sich. Wie stellen Sie sich das Antiquariatsbloggen vor? Wir lesen - und staunen:
"zur Expression der Subjektivität seines Betreibers...und somit zugleich zur Profilierung ... in der gesichtslosen Weite des Internets"
Das wollen wir gleich auf Deutsch sagen: Der bloggende Antiquar soll bellen und hüpfen, damit irgendwas von ihm bleibt in der Welt, denn die anderen Hunde bellen ja vielleicht anders, sie hüpfen auch nicht so einzigartig... Der Blog des Antiquars als Webcam, um Zunge und Fell vorzuzeigen und sich dann weniger einsam, vielmehr ein bißchen einzigartig vorzukommen in der weiten Steppe draußen, bis schließlich doch die Geier kommen... Antiquariatsblog als Therapieersatz? O Antiquar, zeig her dein Lätzchen, bell uns ein Lied, gleich wirst du dich besser fühlen.
Werter Kollege, so geht das nicht. Wir sind keine Hausfrauen in der Krabbelstube am Nachmittag. Wir sind vielmehr Männer, die eine Aufgabe wollen und brauchen. Ein Ziel ist auszumachen, festzulegen und dann zu erobern. So läuft das!
Die Memmen sollen in ihren Antiquariatsstuben bleiben, hinter dem Ofen vulgo Computer, sie mögen Nabelschau betreiben. Uns aber zieht es hinauf in die lichten Höhen, in die Berge, mit oder ohne Frühtau, jedenfalls aber mit einem guten deutschen MG, auf der Suche nach der blauen Blume.
Wo aber sucht der bloggende Antiquar sein Ziel?
Sie, werter Kollege Plocher, speisen uns ab mit einem "ich blogge, also bin ich". So indessen läuft das nicht. Wir fragen uns vielmehr: Der Blog ist da. Aha. Was können wir mit ihm anfangen? Wozu nützt er uns? Als welche Waffe ist er einsetzbar?
Ich sag Ihnen die Antwort. Im Blog eines Antiquars möchte ich erfahren, wie er das unsäglich Quälende seines Berufs verarbeitet. Wie er es fertigbringt, tausende der interessantesten Bücher nicht zu studieren, sondern hurtig angelesen weiterzureichen an jene Privilegierten, die Bücher wirklich lesen dürfen. Ich möchte spüren, wie es in ihm arbeitet, um die kleinen und großen Sorgen des Gewerbes, in dem er tätig ist, in den Griff zu bekommen für sich - und wie er dann revolutionäre Zellen, Kampfbünde oder meinethalben auch nur emsige Mauschelgrüppchen gründet, um gemeinsam voranzukommen.
Ich will auch schon zufrieden sein, wenn der bloggende Antiquar einfach nur nach vernünftiger Gestaltung seines beruflichen Alltags sucht, wenn er Mißstände benennt, Stolpersteine aus dem Weg räumt.
A b e r ich will bei ihm nicht lesen, wie er sich hinwegtröstet über Probleme und Ärgernisse, anstatt sie ernsthaft anzupacken. Solches ist weinerlich, eines Soldaten unwürdig. Nur ein einziges Beispiel: Das von einem gewissen Mulzer seit Jahren en detail angedachte (und ein dutzend Mal der spottenden Kollegenschaft vorgestellte) Grossohaus der Antiquare könnte jedem Antiquar im deutschen Sprachgebiet
*täglich mehrere Stunden quälender, geistlosester Arbeitsfron
elegant abnehmen.
Solche Dinge will ich in den Blogs der Antiquare lesen. Unsere "Individualität" dagegen samt Nebelschau und kulturvoller Selbsttröstung ist keinen Pfifferling wert.
Weil ich spüre, daß Sie das wissen, verehrter Kollege, schreibe ich Ihnen diesen Text auf.
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Der hübsche Buchdeckel ist Eigentum des Bastei-Lübbe-Verlags, dem wir für die Illustrationsmöglichkeit danken. Bild wird nach formloser Anforderung sogleich entfernt.