Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Dienstag, 30. Juni 2009
Was uns Redakteur Biester verschweigt
Soll ich aus meinem Herzen eine Mördergrube machen? Darf ich nicht sagen, daß mir das törichte "Berichten" unseres Redakteurs Biester von Tag zu Tag mehr auf den Keks geht? Hat Biester nicht den Mut, Stellung zu nehmen? Wer verbietet es ihm, welche Rücksichtnahmen binden ihn?
Jüngstes, höchst ärgerliches Beispiel ist seine Berichterstattung über das Durcheinander rund um die ILAB-Datenbank. Der Rockingstone-Sprecher hat ja durchaus Recht mit seinen Argumenten und die ILAB, offenbar nicht viel mehr als die Summe ihrer Landesverbände, hat sich töricht, verantwortungslos und konfus gezeigt.
Daß uns Biester seine Stellungnahme zu grundsätzlichen ILAB-Belangen nicht verrät, kann ich angesichts seiner notorischen Anbetungshaltung dem deutschen Verband gegenüber ja einfühlen. Schwamm drüber, da kennen wir ihn inzwischen - eher verfüttert er seine Butterbrote an die hungernden Frankfurter Mainratten in der Tiefgarage, als daß er den Verband kritisiert. Da sei Casimir vor.
Aber was wirklich nicht hätte geschehen dürfen: Er benennt den unglaublichen, unseligen Fehler von Samshuijzen nicht - Samshuijzen vergißt die absolute Abschottung und Sonderstellung des deutschsprachigen Altbuchmarkts. Diese Regel gilt auch, mit minimalen Ausnahmen, für teure Bücher.
Wir werden von einem hier nicht zu nennenden niederrheinischen Kollegen, der schon marelibri mit auf dem Gewissen hat, in nächster Zeit wieder unsinnige Fenstersprüche über den Segen internationaler Datenbanken und fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen turkmenischen und deutschen Bibliophilen hören - vergiß es. Die GIAQ macht ohnehin grundsätzlich alles falsch, was verkehrt zu machen geht - ein Fluch liegt über diesem Restgebilde, weiß der Kuckuck, weshalb. Ich habe dafür längst keine Erklärung mehr.
Rockingstone aber mit ihrem Herrn Samshuijzen sollte es besser wissen. Herr Biester, warum verwenden Sie nicht ein einziges Wort darauf, um Rockingstone von diesem deutschen Teil der Neubelebung der ILAB-Datenbank zurückzuhalten? Er muß gesagt bekommen, daß es, von wenigen Sektoren abgesehen, Spiegelfechterei, Augenwischerei und absolut sinnlos wäre, deutsche Titel auf breiter Ebene international anzubieten.
Zur Nachprüfung meiner These reicht es völlig aus, gebildete Menschen im fremdsprachigen Ausland zu fragen: Lest ihr deutsche Fraktur halbwegs fließend?
Schon die auf diesen Satz sich einstellende Verblüffung ist heilsam. Sie lehrt: Hände weg vom fremdsprachigen Ausland (Spezialsektoren wie Philosophie nach Japan und Atlanten in die USA ausgenommen) - wir müssen unsere Datenbanksorgen innerhalb des deutschen Sprachgebiets lösen.
Ich wills jetzt einfach mal wissen: Wieviel bessere Bücher in deutscher Sprache und in Fraktur glauben Sie, lieber Herr Biester, werden ins fremsprachige Ausland verkauft? Was denken Sie? Ich sag Ihnen meine Schätzung: Ein halbes Prozent der insgesamt verkauften älteren Frakturtitel.
Und nun bitte Butter an die Fische - stimmt meine Schätzung in etwa? Wenn ja, dann müssen Sie das sagen, es ist Ihre Pflicht. Sie verletzen durch Ihr stures "Berichten" die Interessen der Antiquare immer dort, wo Sie "werten" müßten.
Wer schweigt als Redakteur, wo offenkundig Unfug geplant und Falsches gedacht wird, der tut Unrecht.
Den Mühlstein, der manchen Hals zieren könnte, verdanken wir der lesenswerten Webseite www.payer.de, deren Eigentum das Bild ist. Wird auf einfache Anforderung hin entfernt.
Die Entgreisung des Antiquariats
1.
Jene Schmierenkomödie um die Verhehlung und Verschacherung guter Texte, Stichwort "Imprimatur-Jahrbuch", wird nun wieder einmal in Kohlscher Manier ausgesessen. Einfach nicht reagieren auf das Gepöbele eines Provinzantiquars!
Wenn es nach mir geht, bleibt der Skandal den Mitwirkenden noch einige Zeit in Erinnerung. Wer exzellente, wichtige Inhalte durch formale Fehler gefährdet, verbirgt, in ihrer Wirkungsmöglichkeit beeinträchtigt, der versündigt sich an der Sache, am Inhalt, am Anliegen ebenso wie ein Setzer, der gute Texte durch sinnentstellende Fehler ruiniert. Da sehe ich gar keinen Unterschied.
Das Thema taucht nun schon zum zweiten Mal in diesem Blog auf. Wir mußten vor einigen Tagen mit Betrübnis feststellen, wie ein halbes Hundert Kollegen sich mit überwiegend sehr guten Katalogaufnahmen für ein Sammelwerk abgemüht hatten, das dann in Strategie, Verteilungsweise, Druckverfahren, Werbetechnik und Imagepflege derart verhunzt, zerstört, verdummt und vertan worden ist, daß - immer nach meiner persönlichen Einschätzung - ein Denkmal der Blödheit und ein Stein des Anstoßes dort übrigblieb, wo ein Fanal, ein Anstoß, ein Werbeargument erster Güte für unser Gewerbe hätte entstehen können.
Wir lernen daraus, daß Fehler in der F o r m ebenso zerstörend wirken können wie solche im Inhalt. Ich gehe noch einen Schritt weiter und fordere in dieser Zeit des Umbruchs, des Wechsels zwischen Buch- und elektronischer Form, zwischen Laden und Internetvertrieb, zwischen open source-Gratisvertrieb und lasterhaften Apothekenpreisen der Geisteserzeugnisse, daß der F o r m nötigenfalls mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als dem Inhalt. Der beste Inhalt geht zugrunde, er wird vergeudet, wird verborgen, wenn in der Form seiner Präsentation grobe Fehler gemacht werden.
Unsere Professorin tut so, als wüßte sie das nicht. Sie weiß es aber als Fachgelehrte ganz genau, und da liegt für mich der eigentliche Stein des Anstoßes.
2.
Ich greife heute einen Aspekt heraus, der bei der Imprimatur-Affaire nur scheinbar nebensächlich ist, in Wahrheit aber den Kern berührt: Die Überalterung, die Vergreisung unseres Gewerbes, genauer gesagt seines Images - unersetzbares Fremdwort, dessen Gebrauch ich mir nachzusehen bitte.
Im Antiquariat ist mehr als in anderen Gewerben und Sammelbereichen die Sekundärliteratur, die bibliographische Verzeichnung, die historische Kompilierung wichtig. Das hängt mit mancherlei interessanten Faktoren zusammen, nicht zuletzt auch mit dem Fehlen einer Gesamtbibliographie des deutschsprachigen Schrittums, der letzte Versuch ging im Bombenhagel des 2. Weltkriegs zugrunde. Aber auch symbolhafte Gründe spielen da mit: Wer Bücher sammelt, für den deckt sich in der Herausgabe von "Büchern über Bücher" auf glücklichste Weise Inhalt und Form. Und dann ist das Thema Verlag und Druck, Dichter und Buchbinder, Zensor und Kupferstecher, ist also das ganze Universum rund um das Buch einfach faszinierend.
Wo nun diese Form, nämlich das "Buch über das Buch", derart wichtig und zentral auftritt, dort vermuten wir, daß ein guter Imageträger, ein Hilfsmittel zur Imagepflege, ein Instrument zur Darstellung des Fachs, zur Werbung für unser Gewerbe gegeben ist. Veröffentlichungen wie "Imprimatur" nehmen eine ganz zentrale Stellung ein im Universum der Bücherliebhaberei. (Sie sehen, ich vermeide das Wort "Bibliophilie", es ist überflüssig wie Krampfadern, was haben wir nicht für ein aussagekräftiges deutsches Wort dafür!).
Wenn das so ist, dann ist die Art, in der "Imprimatur" angeboten, vertrieben, beworben wird, für das Antiquariat von Bedeutung. Wir sind aufgerufen, näher hinzusehen. Ich schreibe meine Texte fast immer mit pädagogischen Hintergedanken - an und für sich sind mir, ich äußere weiterhin meine persönliche Einschätzung, sozial gedankenlose Professorinnen ebenso schnuppe wie Verleger, die sich durch ihre Preispolitik zu Totengräbern des gedruckten Buchs machen. Die sollen ruhig ihr Süppchen kochen, hab ich nicht Besseres zu tun? Aber es geht um Grundsätzliches.
3.
In meiner etwas anstrengenden Art, vom Steinchen zum Stöckchen zu kommen, lade ich Sie zuvor ein zu einem Blick auf den Neubuchhandel: ein Gewerbe steht dort vor dem unmittelbaren Untergang, abgesehen von einer Meute unsympathisch agierender Rechtsanwälte und der ratlosen Korona weltfremder Obergerichte stehen die Büchermacher alleingelassen im Regen, jeder Kenner des Netzes wird den kommenden Tod des Buchs diagnostizieren, und noch lang vorher den der Neubuchhandlungen.
Was aber tut der Neubuchhandel? Er verharrt hilflos wie das Kaninchen vor der Schlange. Ich habe noch nie solch törichte, dümmliche, unbeholfene Tapsereien gelesen wie in den Stellungnahmen, Bündnissen und Projekten, die dem Neubuchhandel helfen sollen. Hier wird die Lektüre der Börsenblatt-Ausgaben zur Qual und es bleibt nur tiefes Mitleid zurück für diesen Berufsstand, dem offensichtlich Mut, Klugheit, auch die nötige Frechheit, vor allem aber Phantasie, sozialer Durchblick, Kunden- und Menschenkenntnis fehlt. Sind alle Buchhändler dümmliche Kleingeister? Man könnte es glauben, zumal das Börsenblatt hier, anders als in seinem Sonderbereich Antiquariat, völlig versagt und ein gerüttelt Maß Mitschuld am Untergang des Neubuchhandels auf sich geladen haben wird. Indessen ist das ein anderes Kapitel, und wir tun gut daran, zu unserem Gewerbe zurückzukehren.
Das Antiquariat hat ganz andere Hausaufgaben zu machen. Es ist in einer weitaus glücklicheren Situation als der Neubuchhandel, ja es kann, richtig angeleitet, sogar der eigentliche Nutznießer der gleichen Misere sein, die den Neubuchhandel niederführt und zugrunderichtet.
Dazu bedarf es eines neuen Images.
Dieser Satz ist wichtig und eigentlich selbstverständlich. Nun haben wir aber leider zwar einige verirrte Volks- und Betriebswirtschaftler, die uns aber derart täppisch und weltfremd in die Irre geführt haben, daß es Gott erbarm - ich vergesse nie gewisse Xing-Texte, deren hochtrabender Gestus in genauem Gegensatz zum peinlichen Inhalt stand. Wir sollten ganz einfach anfangen und uns um jenes Image kümmern, ohne das weder ein rollender Kaffeestand noch ein Pudelscher- und Waschsalon seine Arbeit beginnen würde.
Dieses Image muß natürlich von uns allen erarbeitet werden. Abrenzung, Verheimlichung, Grüppchenwirtschaft führen da nicht weiter. Ich darf hoffen, daß die werten Kollegen Mebes (Yahoo-Gruppe, lang ists her) und Weinbrenner (Xing-Gruppe) inzwischen das Törichte ihres abstrusen Verfolgungswahns eingesehen haben: Eine Berufsgruppe muß offen agieren, Geheimniskrämerei schadet nur, Ausgrenzerei noch mehr.
Ich kann aber immer nur einen Aspekt vorschlagen, zur Diskussion bringen. Alles weitere muß die Berufsgruppe selber aus sich heraus entwickeln.
Mein Thema ist heute die Vergreisung des Antiquariats. Sie muß durchbrochen werden mit allen Mitteln, sie ist als schädlich zu brandmarken. Greisenhaftes Gebaren, greisenhafte Verhaltensweisen müssen überall totgeschlagen werden wie Motten, wo man sie trifft - klatsch.
Das Greisenhafte durchzieht unser Gewerbe, unsere Sammelleidenschaft wie ekliger gelber Schimmel das an sich gute, aber feucht aufbewahrte Brot. In jedem Ladenraum des Antiquariats stinkt es nach Greis, die alten Männer liegen oben auf den Regalen, alte Männer greifen mit verdorrten Fingern aus Kellerlöchern in den Ladenraum, der Antiquar sitzt beim Katalogemachen auf gekrümmten Greisenrücken, sabbernde Greise mümmeln mit ihm am Frühstücksbrot und nuckeln an seiner Kaffeetasse.
Dieses Greisenhafte ist an vielen, an allzuvielen Elementen unseres Gewerbes festzumachen. Der Greis ist der Fluch des Antiquariatsgewerbes.
Greisenhaft ist der lächerliche Tick, wir sollten unsere Bücher nach den traditionellen bibliographischen Regeln "erfassen" - anstatt die sture Formalbibliographie endlich durch Inhaltserfassung zu ersetzen. Ich hab dazu schon viel geschrieben. Wir müssen unsere Läden radikal umdenken und für die jüngeren Menschen betrebar, bewohnbar machen, noch radikaler sind unsere Kataloge zu ändern. Der jüngste Antiquariats-Sammelkatalog war formal gesehen das scheußlichste Vergreisungsinstrument, das je erschienen ist - hoffentlich das letzte dieser Art. Vergreist sind unsere Werbemittel, vergreist ist unsere Art der berufsständischen Zusammenarbeit. Zänkische, zahnlose Greise separieren sich in eifersüchtig überwachte Sondergrüppchen, halten sich bei Quisquilien auf, verlieren die große Linie, den Horizont völlig in den kleinlichen Greisengehirnen.
Es riecht überall im Antiquariat nach Inkontinenz, Altmännersocken und mangelndem Deodorant. Das alles bitte ich in übertragenem Sinn zu verstehen. Bis in kleinste Verästelungen ist unser Gewerbe systematisch angegreist, vergreist und verknöchert. Wir haben uns abstoßend gemacht!
Nun bin ich ja, das muß in Klammern gesagt werden, einer der dienstältesten Kollegen. Wird kontinuierliche Nebenbeschäftigung im Antiquariat, etwa die Schulzeit- und Studienfinanzierung, mit anerkannt, habe ich 50 Berufsjahre auf dem Buckel. Ich taste mich heute mit Rauschebart und Nickelbrille durch die Straßen und bin als Fotomodell für das Motiv "sabbernder Greis" gut brauchbar.
Gerade deshalb kann ich mich zu diesem Thema frei äußern, ohne die schönen Regeln jener Pietät dem Alter gegenüber zu verletzen, von denen ich ohnehin nie viel gehalten habe.
4.
Nun erkennen Sie auch, was mich am "Imprimatur-Skandal" so aufregt: Es ist das Musterbeispiel einer vergreisten, schädlichen, unser Image zerfressenden, gedankenlos-dümmlichen Vorgehensweise.
Wer bitte sagt uns denn, daß es nicht jüngere Leser- und Käuferschichten für Sammelbände dieser Art gibt? Zweihundert Mark auszugeben für einen ordentlich gedruckten, gut illustrierten Band von etwas über 300 Seiten, das ist Greisenart. Der büchersammelnde Greis hat genug Sammler-Masochismus, um ohne weiteres zwei alte Blaue dafür hinzulegen, Jahr für Jahr. Das erspart den Gang ins Sadomaso-Studio, wo alles noch teurer wäre. Die Bibliotheken erpreßt man ein wenig, sie "müssen" das Buch ja haben. Ansonsten verharrt man in hilfloser Resignation, indem man sich selber versichert, es gebe ja sonst doch keine Käufer solch anspruchsvoller Texte.
Diese intrigante, unsaubere, mutlose Greisenart wirkt auf jüngere Menschen so abstoßend, daß man schreiben könnte: Leutz, merkt Ihr das denn nicht? So darf es nicht gemacht werden!
Richtig beworben, für 29,50 Euro gut gedruckt und gebunden, notfalls in Südtirol oder in Zagreb (die wollen auch leben), die Autoren sogar, man staune, bescheiden entlohnt - - so geht das, so macht man das.
Freilich, es wäre das nur ein kleiner Beitrag zur Entgreisung des Antiquariats. Aber ein nicht unwichtiger.
Der fällige Imagewandel des Antiquariats muß tatkräftig, mit jugendlichem Elan in Angriff genommen werden. Kehrt die Greise vor die Tür, kippt sie aus dem Fenster! Wenn sie Herzensbildung haben, werden sie uns sogar verstehen.
Das Bild ist Eigentum der Webseite www.schlohmann.de/artcenter.html. Wir danken für die Verwendungsmöglichkeit. Wird auf einfache Aufforderung hin sogleich entfernt.
Montag, 29. Juni 2009
Warum das Imprimatur-Jahrbuch der Bibliophilie schadet
1.
Imprimatur
Ein Jahrbuch für Bücherfreunde. Neue Folge
[Band XVIII (2003)]
Leinen, 326 Seiten, 157 Abbildungen - 24 x 17 cm
ISBN10: 3-447-04723-2
ISBN13: 978-3-447-04723-4
96,00 Eur
Kein Zweifel: Der Verlag Harrassowitz in Wiesbaden ist ehrenwert und angesehen. Nichts anderes kann von der Gesellschaft der Bücherfreunde behauptet werden. Auch bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, daß ich die folgenden kritischen Bemerkungen im Sinne einer persönlichen Meinungsäußerung und in meiner Eigenschaft als unmittelbar Betroffener niederschreibe.
Es gibt eine Preispolitik des Buchs, eine Preispsychologie. Man kann damit nutzen, aber auch schaden. Durch falsche Bücherpreise wurden schon Ideen zerstört, Bewegungen eingesargt, gute Gedanken eingemauert - man denke etwa an die ältere Anthroposophie vor den Taschenbuchausgaben. Bücherpreise sind mehr als nur Kalkulation, weit mehr.... - Und nun zum konkreten Fall, der uns Antiquare unmittelbar angeht.
Was hier geschieht, ist eine Schande, es ist ein Unrecht am Gedanken der Bibliophilie, der Bücherleidenschaft, der Liebe zum alten Buch. Die völlig abstruse - fast möchte ich sagen unmenschliche - Haltung der Gesellschaft der Bücherfreunde erscheint mir ebenso verwerflich wie die Preispolitik des Verlags.
Wir haben im Auge, wenn wir dies behaupten, daß der Verlag seine Kalkulation im speziellen Fall erheblich lockerer gestalten kann als sonst, weil ja die Mitglieder der Gesellschaft das Jahrbuch als Teil ihrer Mitgliedschaft automatisch erhalten - eine gute Startauflage ist gesichert. Nichts erfreut den kalkulierenden Verleger mehr als solche Subskriptionssicherheit.
Wenn ich nun aber dem Nichtmitglied 326 Druckseiten mit 96 Euro, auf gut deutsch für 200 Mark alter Währung verkaufen will, dann grenzt das nach meiner Einschätzung an Mißbrauch.
Wieder einmal hat eine Vereinigung, von der man einigen Einfallsreichtum im Bemühen, ihre schöne Idee zu verbreiten, hätte erwarten können, kläglich versagt.
Der Verleger kann dafür nicht einmal besonders viel. Er kommt mir in diesen digitalen Zeiten vor wie einer jener Sparkassenmanager, der mit Recht darauf hofft, daß es immer noch genug alte Omas geben wird, die fleißig auf Sparkassenbüchlein einzahlen - - deren Rendite die Inflationsrate unterbietet. Auf Naivenfang läßt sich der Vorgang aber leider nicht beschränken, denn es ist auch leise, vom Verlag so in der Regel gar nicht gewollte, manchmal nicht einmal bewußte "automatische Erpressung" mit im Spiel. Denn wer das Buch vom Thema und den - exzellenten - Autoren her unbedingt braucht, ohne Mitglied zu sein, der muß es erwerben. Ob die dort Schreibenden wissen, daß sie sich an diesem subtilen psychologischen Spiel mitschuldig machen?
Nochmals: Ich unterstelle keine Absicht, weder dem Verlag noch der Gesellschaft noch gar den Autoren. Aber sie müssen doch sehen, daß sie sich mit solchen Verlagsobjekten zu Mitagenten in einem Spielchen machen, das, soweit Bibliotheken und Institute als Nichtmitglieder das Buch erwerben, über die öffentliche Hand jeder von uns mitbezahlt.
Düster wird es, wenn wir die privaten Interessenten, die sich nicht an die Gesellschaft binden wollen, betrachten. Denn hier wird nun nackte Abschreckungspolitik bewirkt.
Es müßte das Interesse der Antiquare sein, den bibliophilen Gedanken zu bewerben, zu verbreiten, rasch und allgemein zugänglich zu machen.
Bücherpreise dieser Art zerstören, verderben, gefährden die Bibliophilie. Wir Antiquare solllten derartigen Verlagsobjekten den Kampf ansagen.
2.
Macht sich hier einfach nur der Gegensatz bemerkbar - zwischen jener Edel-Bibliophilie, wie sie Redakteur Biester so sehr liebt und die sich nirgends deutlicher abbildet als in seinem "Aus dem Antiquariat", das Scharwenzeln, Heucheln und Erbsenzählen auf Messen und in teuren Großstadtantiquariaten - - und der anderen, der Mittelklasse-Bücherleidenschaft?
Da steckt viel mehr dahinter. Nur ein Beispiel: Ich will jüngere Menschen, regelmäßige Neubuchkäufer und bibliophil Interessierte, ins Antiquariat hinüberziehen, sie sollen auch bei uns Kunden werden, sich nach und nach eine antiquarische Bibliothek aufbauen, Sammler der alten Bücher werden.
Eine der ersten Grundsätze dabei muß sein, gerade in Internet-Zeiten, daß der Bibliophile nicht allein den Text, sondern das körperliche Buch besitzen soll und will. Er wird einen Sinn dafür bekommen müssen, daß die Magie des gedruckten Wortes auf Papier durch nichts zu ersetzen ist.
Eine dreiste Ohrfeige ins Gesicht dieser meiner Strategie als Antiquar ist die gemeinschaftliche Spitzenleistung der Bücherfreunde zusammen mit Harrassowitz - wie um alles in der Welt soll ich denn dem jüngeren, angehenden Bibliophilen klarmachen, daß er sich solcher Beutelschneiderei unterwerfen muß?
Deshalb sollte die Preispolitik des Verlags, weit mehr aber noch die Blindheit und Taubheit der "Bücherfreunde" deutlich gebrandmarkt werden als das, was sie ist - ein Beitrag nicht zur Genesung, sondern zum baldigen Tod des Büchersammelns.
Vorsicht, hier sind Totengräber am Werk!
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Ein vielsagender Kommentar im Börsenblatt.net zur dortigen Neuerscheinungsmeldung:
1.
H. Erlemann 29.06.2009 16:13h
Nur kurz: Eigentlich Pflichtlektüre für jeden Antiquar und Bücherliebhaber. Die Fülle der aufbereiteten und teils nur angedeuteten Informationen ist beeindruckend.
Mein Kommentar zum Kommentar:
So ist es! Wie wahr! - Und bitte, wie soll ich dem Adepten der Bücherliebhaberei, dem Neubeflissenen, dem jungen, sagen, daß ihn ein Wissenschaftsverleger und ein blind-tauber Bibliophilenverein diese Pflichtlektüre - - nur für 98 Euro verhökern will?
Das wäre von einem verantwortungsvollen Verein für 29,90 Euro zu machen. Das könnte ich vertreten, ohne dem Kunden gegenüber schamrot zu werden.
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neuerlicher Nachtrag:
2. H. Erlemann 29.06.2009 20:07h
Was ein süddeutscher Antiquar ohne Kenntnis des Inhalts mit Gemecker über den Preis des neuen Jehrbuchs im Blog schreibt, ist unerheblich. Informationen kosten Geld, sind es auch wert.
Zum Beispiel: Ernst Ludwig Presse. Das Archiv ist gehaltvoll. Fast alle Korrespondenz ist vorhanden.
Ein Schatz. Seit 10 Jahren bekannt, aber bislang nicht gehoben.
Schande über den Besserwisser aus Freiburg, der viel schwadroniert und defätistisch agiert, dem ich jetzt ein weiteres Krokodil zuschicken werde.
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Lieber Herr Erlemann,
solche Leserbriefe im Börsenblatt sollen Sie nicht schreiben. Damit bringen Sie unser aller Redakteur Biester in eine peinliche Lage. Er hat Angst vor dem Verlag Harrassowitz - schon vor vielen Monaten, als er mich noch nicht aus dem Börsenblatt hinauszensiert hatte, tilgte er sorgfältig alle Postings, in denen ich mich gegen das nach meiner persönlichen Einschätzung ganz unerträgliche und schädliche Gebaren unserer beiden Bibliographie-Verlegergrößen in Wiesbaden und München gewendet hatte. Dieses Thema nun durch die Hintertür in seinen Tempel der Reaktion, der kritiklosen Anbetung von Geld und Wirtschaftsmacht hineinzutragen - - fi donc.
Anmerkung: Mein geschätzter Kollege Erlemann-Eutin ist der eine der beiden Herausgeber jenes unsäglichen "Gemeinschaftskatalogs" , den wir einige Blogs weiter unten mit Entsetzen und Trauer so negativ zu rezensieren hatten in der Form, der Verbreitung, der Medien(un)wirkung - bei ansonsten ausgezeichnetem Inhalt. Die Parallele ist schon fast erheiternd - wieder handelt es sich, nun beim "Imprimatur", um wichtige, brilliante Texte, deren technische Darbietung, hier beschränkt allein auf die Preisgestaltung, sich als katastrophal dumm und unangemessen erweist.
Hier nur zur Sache: Imprimatur ist mir seit der Unterprima vertraut, als ich mit Sondergenehmigung, die war damals noch notwendig, meine Nachmittage in der Freiburger Unibücherei zubringen durfte, vorzugsweise in deren ausgezeichneter bibliographischer Abteilung.
Sie können leider nicht lesen, oder Sie mögen es nicht tun: Hatte ich auch nur mit einer Zeile den Inhalt, den Gehalt, die Bedeutung des Imprimatur-Jahrbuchs herabsetzen wollen? Das Gegenteil ist der Fall - ich halte "Imprimatur" für unverzichtbar, wünsche ihm, nicht nur als bestes Werbemittel für unser Antiquariat, weiteste Verbreitung. Gerade deswegen, das sollte nun doch ein Blinder verstehen, ärgert es mich bis zu Weißglut, wie töricht, leichtfertig, verantwortungslos hier diese ausgezeichnete Quelle, dieses geschätzte Grundlagenwerk einem (hier nicht näher zu qualifizierenden) Verleger in den Rachen geworfen wird, der mit seiner Preisgestaltung nach meiner persönlichen Einschätzung eines ganz gewiß tut - - - die Verbreitung des ihm anvertrauten Werks nach Kräften zu behindern.
Das ist ein Verrat am Inhalt der Jahrbücher. Wenn ich so tue, als könne ich dieses Jahrbuch nicht anders vertreiben als zu 98 Euro, dann bin ich, von einer höheren Warte betrachtet, dem Inhalt, den Verfassern gegenüber - - gewissenlos. Das ist, wie eingangs bemerkt, meine persönliche Wertung, aber Sie dürfen Gift darauf nehmen, lieber Herr Erlemann, daß in einem Prozeß, den der Verleger gegen mich anstrengen würde, Medienfachleute und Antiquariatskollegen als Gutachter bereitstünden, um zu bestätigen: Da hat der Mulzer Recht, so geht es nicht, so darf ein Verleger Informationen dieser Art nicht verhehlen, verbergen. Das ist nicht sachgerecht, nicht gerecht dem vorzüglichen Inhalt gegenüber.
Die eigentliche Schande aber bei diesem Trauerspiel fällt auf die verantwortliche Herausgeberschaft. Wie um alles in der Welt will sie, sach- und fachkundig, eine solch unsägliche Preispolitik rechtfertigen? Ihr gegenüber sage ich, anders als dem Verleger, der Geschäftsmann ist und sein darf: Frau Professor, Sie haben durch diese Art des "Herausgebens" wichtiger Texte Ihrem Fach nicht gedient, sondern geschadet, Sie haben Wissenschaft damit nicht verbreitet, sondern verhehlt.
Daß das Börsenblatt mitsamt dem verschüchterten Redakteur Biester, daß "Aus dem Antiquariat" und der bis in die Haarspitzen arrogante, versnobte Verband der Antiquare keinen Widerspruch anmeldet und die Überlegungen des alten Mulzer totschweigt - das wundert den Kenner der Szene nicht.
Das Foto gehört der informativen Webseite www.wallstreet.de. Wir danken für die Verwendungsmöglichkeit und entfernen das Foto auf formlose Anforderung hin sogleich.
Freitag, 26. Juni 2009
Dreigegliedertes Verkaufsportal der Antiquare - Sequel 1
Nachtrag zum Vorschlag eines dreigegliederten Portals:
Noch nie ist irgendein Kollege auf das Bündel meiner Thesen zur Verkaufsstrategie und zur Gewinnung neuer Käuferschichten eingegangen. Liegt das darin begründet, daß dem Antiquar strategisch-gesellschaftliches Denken besonders fern liegt? Wie auch immer, hier sind sie gleich nochmal:
Der mittlere Nutzer unserer Verkaufseinrichtungen im Netz, ob Webseiten, Datenbanken oder Metasucheinrichtungen, ist nicht in der Lage, vor allem aber nicht willens, mehrere Portale abzufragen. Er kann und will sich nur eine Anlaufadresse merken, der er dann treu bleibt.
Die Gründe für diese seine *Unwilligkeit*, ein begabter und geübter Kreuz- und Quereinkäufer im Netz zu sein, sind vielschichtig. Wichtig ist für uns nur, daß der Kunde sich so verhält. Ich halte zwei Motive dafür verantwortlich:
Einmal ist dem Sammler alter Bücher sein Hobby zwar lieb, aber er hat noch einen Rattenschwanz anderer, beruflicher und privater, Verpflichtungen im Netz - also bleibt ihm nur eine sehr begrenzte Aufmerksamkeitsspanne zum Netzthema "Antiquariat". Zum anderen ist as ZVAB eben doch unangefochtener Marktführer, und sehr viele Sammler kommen mit ZVAB bisher gut hin.
Wir brauchen ein psychologisches Argument, um die Trägheit und Ungeübtheit des Käufers in den Griff zu bekommen. Das kann, nun folgt der Kern meiner Theorie, die Sie ja alle kennen, nur sein, daß in der neuen dreifachen Datenbank
*alle oder doch sehr viele Antiquare vertreten sind.
"Vertreten sein" reicht aber nicht hin. Die eigentlich doch sehr überraschende Misere, man möchte von einem Scheitern sprechen, die die Meta-Verkaufsportale befallen hat und aus der sie nicht herauskommen, lehrt uns, daß es psychologisch eines weiteren Argumentes bedarf.
Hier ist nun das dreigeteilte System des neuen Portals qua Konstruktion sehr hilfreich, denn es geht ja von RF Meyers Webseitenbündnis aus - hier sind sehr viele Antiquare nicht nur "irgendwie auch vertreten", sondern sie stehen verantwortlich, sie firmieren unter diesem gemeinsamen Dach. Das ist etwas viel Wertvolleres und Aussagekräftigeres für den Kunden, denn noch immer ist Netzkauf alter Bücher Vertrauenssache in hohem Maß.
Die Vielseitigkeit der Einzelwebseiten der Antiquariate muß so überzeugend sein wie ihre Menge. Vom Edelantiquariat bis zum MA-Wühlmäuschen, vom Fachantiquar bis zur ästhetischen Jungfrau, die Kinderbücher bei Kerzenlicht anbietet - alles muß da sein.
Nun ein weiterer Schritt meiner Argumentation, auch den kennen Sie ja längst: Um eine Vielzahl von Kollegen einbringen, versammeln zu können, müssen die Bedingungen der Teilnahme quasi ohne Eintrittsschwelle gestaltet sein. Das heißt, daß wir unsere Musterwebseiten verschenken sollten und auch in der Entgeltfrage der Datenbank stur auf Selbstkostenniveau fahren müssen. Wir sollten das so hinbekommen, daß jeder Antiquar mit ärgerlicher Handbewegung murmelt - naja, warum nicht, kostet ja fast nischt, schadt nischt, machen wir.
Also nicht mit hohen Ansprüchen, auch nicht mit jener bedeutungsvollen Sprache antraben, die mich bei der GIAQ so aufregt. Das Bedeutungsvolle kommt dann später schon noch, denn die Antiquare waren stets auch heimliche Zeremonienmeister und Hohepriester. Aber zunächst einmal müssen wir tiefstapeln, nicht fordern, ganz selbstverständlich-beiläufig agieren.
Wir haben also folgendes zu diskutieren:
Vor- und Randbemerkung: Am besten führt RF Meyer die Feder, wenn mein Name auftaucht, laufen die Kollegen ja doch wieder schreiend davon. Diesen Blog hier liest ja keiner, und ich wünsch mir durchaus, daß das so bleibt. Denn dann kann RF Meyer sozusagen auf einem weißen Blatt Papier anfangen.
1.
Entwurf und Diskussion einer Rahmen-Webseite. Das fertige Modell kann und soll jeder Kollege für seine Bedürfnisse ändern, er kann Teile davon übernehmen, auch nur die juristischen Texte, wie er will, nur muß er die Standards einhalten, durch die gewährleistet wird, daß er Angaben für die Sachgebietsportale besonders kennzeichnet, ebenso Fachkataloge usw. - Das ist gratis und steht allen frei.
2.
Erarbeitung und Diskussion der Fachportale. Die könnte man, angelehnt an jene Sachgliederung, die irgendwo unten in diesem Blog vergraben ist, erst einmal verbindlich thematisch festlegen. Dann stoppelt man eine Art Wiki zusammen, bringt einige gute Scans mit typischen Bücherarten aus dem Themengebiet, damit der potentielle Büchersammler Lust bekommt und angeregt wird. Sozusagen ein Gang ins Fachantiquariat, visuell.
3.
Die gemeinsame Datenbank. Dazu übernimmt man eine gute schon bestehende, betreibt sie still und leise - - um dann am Tag x den Massentransfer dorthin zu unternehmen. Die Vernetzung der drei Teile muß natürlich schon vorher klappen. Ich finde es lustig, daß die neue ILAB-Datenbankplanerin jetzt ähnliche Vernetzungen machen will. Im Prinzip hatte das ja auch die Quack mal ganz gut angedacht, dann aber so ziemlich vertan, schade. Es bleibt also nicht ewig Zeit, sowas zu entwickeln, die Konkurrenz schläft nicht. Die kommerziellen Datenbanken können ein Modell dieser Art nicht anbieten, weil sie damit den Traffic über ihr Abmelksystem schnell verlieren würden. Das kann (sich) nur ein Portal leisten, das grundsätzlich keinen Gewinn machen soll. Die Arbeitsstunden sind aber gut zu löhnen; das nicht überall und immer vorgesehen zu haben, war ein Denkfehler der Quack, der bestimmt viel geschadet hat. Ehrenamt ist gut, Stundenlohn ist besser.
Die Graphik ist Eigentum des Herausgebers der DVD. Wir bedanken uns für die Illustrationsmöglichkeit. Wird auf formlose Anforderung hin sogleich entfernt.
Für alle Antiquare: Die neue dreigliedrige Portal-Datenbank
1.Bild: Schema-Übersicht
2.Bild: Auf dem Dreifuß links sitzt, ganz ohne Hutnadel, unsere Kollegin aus Kiel - rechts bewundern wir Oberkonsistorialrat RF Meyer
1.
Es gibt kaum etwas Peinlicheres als jene Gaukler, die sich - mit allen Tricks ihres Fachs - als Berater, Psychologen, Soziologen, kurz: seelenkundliche Marktwirtschaftler in unser Wirtschaftssystem einklinken wollen. Redakteur Biester nimmt gerade, wie er uns freudestrahlend mitteilt, an einem solchen "Seminar" teil. Wer durch die nach meiner Einschätzung infam manipulativen Fotos des Leiters auf der Seminar-Webseite noch nicht abgeschreckt worden ist, der soll - - zum Augenarzt gehen.
Die Frage stellt sich schon: Bringen betriebs- und marktwirtschaftliche Lehren irgendetwas für unser höchst eigenwilliges, kompliziertes und einmaliges Gebiet, das Antiquariat? Trennt man die einzelnen Bereiche auf, nach Edel-, Laden-, Fach-, Kistenschieber-Antiquariat usw., dann mag es die eine oder andere Erkenntnis geben. Da aber so gut wie immer alle oder doch mehrere dieser Aspekte vermischt sind in jeder Firma und noch höchst individuelle Ankaufs-, Lager- und Absatzstrukturen hinzukommen, kann uns die Expertenwelt der Marktwirtschaft nicht helfen.
Was übrigens auch für den Neubuchhandel gilt. Aber das ist ein anderes Kapitel. Ich habe selten so schwache, schlechte und primitive Abhandlungen gelesen wie die im allgemeinen Börsenblatt immer dann, wenn es um Absatz, Psychologie und Marktgesetze des Buchhandels geht. Auch hier kommen wir ganz offensichtlich nicht mit allgemeinen Regeln der Wirtschaft, sondern nur mit hochspezialisiertem Fachwissen weiter. Wenn wir gerade dabei sind: Warum gelingt es der - brillianten - Buchwissenschaft so selten, brauchbare Anwendungsmodelle für den Neubuchhandel zu liefern?
Aber zurück zum Antiquariat. Ich sagte vor einigen Tagen schon, wie rührend sich unser neugebackener Kollege Weinbrenner, und mit ihm andere Leute aus der allgemeinen Betriebswirtschaft, in ihrer XING- Zwangsanstalt vertan hatten im Sachbereich "Antiquariat". (hatte ich "XING-Raubritterburg" gesagt? Nein - ich dachte nur gerade daran, daß XING das Nutzungsrecht für alle dort geschriebenen Beiträge beansprucht - wer dort schreibt, muß das wissen. Sagen tut es ihm vorher keiner, Weinbrenner zu allerletzt. Ich erfuhr es erst, schadenfroh angegrinst, im Nachhinein). Wir kommen, ich wiederhole es, mit allgemeinen Lehren aus dem Wirtschaftsleben, so gut sie gemeint sein mögen, in unseren speziellen Bereichen nicht weiter.
2.
Ich wäre zu gern dabeigewesen in Berlin, als das schüttere Grüppchen der Sieben Schwaben von der AG im Börsenverein am Tisch saß, Kollege Dumjahn hätte mit mir über Schmalspurbahnen in Ostpreußen gefachsimpelt und Kollege Gruber zorngrollend meine unsäglich unkorrekten Rechnungen moniert. Spaß beiseite, irgendwann mag sich unser aller Redakteur Biester an mein Arbeitspapier erinnert haben, in dem ich die AG zum Hoffnungsträger einer neuen Dachvereinigung aller Antiquare ernannt und verschiedene sehr praktische und unmittelbar durchführbare Szenarien für den Weg dahin aufgestellt hatte.
Nach beiläufiger Erwähnung meines Namens laufen zwei der Genossenschaft eng verbundene Herren knallrot an, Kollege M. vom Rhein bekommt einen Zufall, Gruber rollt die Augen gen Himmel, Dumjahn seufzt vernehmlich auf. Ein Engel geht durchs Zimmer, noch einer... Der arme Biester versinkt im Boden, tütet die Mulzerschen Vorschläge geschwind ganz unten in der Mappe wieder ein - das Unsägliche ist vorbei. Weiter zur Tagesordnung.
Einige Minuten noch lastet der Schatten des Verworfenen aus Freiburg über der Szene, alle fühlen sich wie bei der Familienfeier, wenn ein Unglückswurm an Onkel Theobald erinnert, der als schwarzes Schaf der Familie zwischen Irren- und Zuchthaus hin- und herverschubt wird. Nicht erwähnen! Aber irgendein Trottel findet sich immer, der sich nicht an das Schweigegebot hält.
Ich halte jenen Aufsatz für das mit Abstand Beste, was mir je eingefallen ist. Sie können es bei Bedarf ja nochmal nachlesen.
3.
Nun stellt sich die Frage, was wir Antiquare unmittelbar, sofort, ohne lange Vorplanung unternehmen sollen und können.
Das geht nicht ohne Wiederholung von längst Gesagtem und gut Bekanntem ab.
Man kann meine Portal-Datenbank in 3 Arbeitsteile gliedern:
a) Handreichung/ Grundmodelle für gute Antiquariatswebseiten - diskutieren und dann als Muster ins Netz stellen - -
b) diese Kollegenseiten von den enthaltenen Titeln her vernetzbar machen mit einer allgemeinen Bücherdatenbank im Eigenbesitz aller Antiquare - -
c) gute Sachgebietsportale erstellen, die ihrerseits wieder vernetzt sind sowohl mit den Antiquariatswebseiten als auch mit der allgemeinen Datenbank.
Der Kunde kann dann, das muß durch entsprechende Hinweise und Buttons gefördert werden, beständig hin- und herwechseln zwischen diesen 3 Bestandteilen der Datenbank. Vom Sachgebietsportal "Eisenbahn" her kommt er sowohl zum Fachantiquariat Dumjahn als auch zu den kleineren Fachbeständen anderer Antiquariatsseiten - aber das Sachgebietsportal enthält auch alle Eisenbahntitel aller Antiquariate als Ausschnitt aus der allgemeinen Datenbank.
Dadurch ist die Webseitenbündnis-Methode des Kollegen RF Meyer verbunden mit meiner Theorie, daß in Zukunft der Sachgebietssammler immer wichtiger wird für unseren Absatz der alten Bücher und daß für jedes denkbare Altbuch-Sammelgebiet Fachportale eingerichtet werden sollten. Im Mittelpunkt aber steht nach wie vor die allgemeine Datenbank unter der Kontrolle aller Antiquare.
4.
Ich bin bereit, mich einzubringen in den Sachbereich Standardwebseiten / Webseitengestaltung. Hier liegt sehr vieles ganz fürchterlich im Argen. Ich sag ja nichts, wenn es sich, wie es mitunter der Fall ist, um selbstgebastelte Webseiten kleiner Kollegen handelt. Aber es sind gerade die größeren, teils teuer bezahlten, "ausgesurzten" Webseiten, die ich, sorry, zum Kotzen finde und wo ich mit dem Anstreichen gröbster Fehler in Graphik, Psychologie und Text gar nicht nachkomme.
Da es so ist, bitte glauben Sie mir - es ist noch viel schlimmer -, scheint mir das Entwerfen mehrerer Musterseiten höchst nützlich. Die diskutieren wir dann gemeinsam durch. Die Endfassungen darf jeder Kollege in der hergestellten oder auch in veränderter Form für sich selber verwenden - vorausgesetzt, daß er sich zur Teilnahme am "Webseitenbündnis" und an der allgemeinen Datenbank verpflichtet.
Hier müssen endlich auch die Pflichttexte in Sachen Fernabsatz, Geschäfts- und Lieferbedingungen diskutiert und festgelegt werden. Man watet da bei den Kollegen durch kniehohen Müll, das muß ja nicht sein, muß es nicht?
2.Bild: Auf dem Dreifuß links sitzt, ganz ohne Hutnadel, unsere Kollegin aus Kiel - rechts bewundern wir Oberkonsistorialrat RF Meyer
1.
Es gibt kaum etwas Peinlicheres als jene Gaukler, die sich - mit allen Tricks ihres Fachs - als Berater, Psychologen, Soziologen, kurz: seelenkundliche Marktwirtschaftler in unser Wirtschaftssystem einklinken wollen. Redakteur Biester nimmt gerade, wie er uns freudestrahlend mitteilt, an einem solchen "Seminar" teil. Wer durch die nach meiner Einschätzung infam manipulativen Fotos des Leiters auf der Seminar-Webseite noch nicht abgeschreckt worden ist, der soll - - zum Augenarzt gehen.
Die Frage stellt sich schon: Bringen betriebs- und marktwirtschaftliche Lehren irgendetwas für unser höchst eigenwilliges, kompliziertes und einmaliges Gebiet, das Antiquariat? Trennt man die einzelnen Bereiche auf, nach Edel-, Laden-, Fach-, Kistenschieber-Antiquariat usw., dann mag es die eine oder andere Erkenntnis geben. Da aber so gut wie immer alle oder doch mehrere dieser Aspekte vermischt sind in jeder Firma und noch höchst individuelle Ankaufs-, Lager- und Absatzstrukturen hinzukommen, kann uns die Expertenwelt der Marktwirtschaft nicht helfen.
Was übrigens auch für den Neubuchhandel gilt. Aber das ist ein anderes Kapitel. Ich habe selten so schwache, schlechte und primitive Abhandlungen gelesen wie die im allgemeinen Börsenblatt immer dann, wenn es um Absatz, Psychologie und Marktgesetze des Buchhandels geht. Auch hier kommen wir ganz offensichtlich nicht mit allgemeinen Regeln der Wirtschaft, sondern nur mit hochspezialisiertem Fachwissen weiter. Wenn wir gerade dabei sind: Warum gelingt es der - brillianten - Buchwissenschaft so selten, brauchbare Anwendungsmodelle für den Neubuchhandel zu liefern?
Aber zurück zum Antiquariat. Ich sagte vor einigen Tagen schon, wie rührend sich unser neugebackener Kollege Weinbrenner, und mit ihm andere Leute aus der allgemeinen Betriebswirtschaft, in ihrer XING- Zwangsanstalt vertan hatten im Sachbereich "Antiquariat". (hatte ich "XING-Raubritterburg" gesagt? Nein - ich dachte nur gerade daran, daß XING das Nutzungsrecht für alle dort geschriebenen Beiträge beansprucht - wer dort schreibt, muß das wissen. Sagen tut es ihm vorher keiner, Weinbrenner zu allerletzt. Ich erfuhr es erst, schadenfroh angegrinst, im Nachhinein). Wir kommen, ich wiederhole es, mit allgemeinen Lehren aus dem Wirtschaftsleben, so gut sie gemeint sein mögen, in unseren speziellen Bereichen nicht weiter.
2.
Ich wäre zu gern dabeigewesen in Berlin, als das schüttere Grüppchen der Sieben Schwaben von der AG im Börsenverein am Tisch saß, Kollege Dumjahn hätte mit mir über Schmalspurbahnen in Ostpreußen gefachsimpelt und Kollege Gruber zorngrollend meine unsäglich unkorrekten Rechnungen moniert. Spaß beiseite, irgendwann mag sich unser aller Redakteur Biester an mein Arbeitspapier erinnert haben, in dem ich die AG zum Hoffnungsträger einer neuen Dachvereinigung aller Antiquare ernannt und verschiedene sehr praktische und unmittelbar durchführbare Szenarien für den Weg dahin aufgestellt hatte.
Nach beiläufiger Erwähnung meines Namens laufen zwei der Genossenschaft eng verbundene Herren knallrot an, Kollege M. vom Rhein bekommt einen Zufall, Gruber rollt die Augen gen Himmel, Dumjahn seufzt vernehmlich auf. Ein Engel geht durchs Zimmer, noch einer... Der arme Biester versinkt im Boden, tütet die Mulzerschen Vorschläge geschwind ganz unten in der Mappe wieder ein - das Unsägliche ist vorbei. Weiter zur Tagesordnung.
Einige Minuten noch lastet der Schatten des Verworfenen aus Freiburg über der Szene, alle fühlen sich wie bei der Familienfeier, wenn ein Unglückswurm an Onkel Theobald erinnert, der als schwarzes Schaf der Familie zwischen Irren- und Zuchthaus hin- und herverschubt wird. Nicht erwähnen! Aber irgendein Trottel findet sich immer, der sich nicht an das Schweigegebot hält.
Ich halte jenen Aufsatz für das mit Abstand Beste, was mir je eingefallen ist. Sie können es bei Bedarf ja nochmal nachlesen.
3.
Nun stellt sich die Frage, was wir Antiquare unmittelbar, sofort, ohne lange Vorplanung unternehmen sollen und können.
Das geht nicht ohne Wiederholung von längst Gesagtem und gut Bekanntem ab.
Man kann meine Portal-Datenbank in 3 Arbeitsteile gliedern:
a) Handreichung/ Grundmodelle für gute Antiquariatswebseiten - diskutieren und dann als Muster ins Netz stellen - -
b) diese Kollegenseiten von den enthaltenen Titeln her vernetzbar machen mit einer allgemeinen Bücherdatenbank im Eigenbesitz aller Antiquare - -
c) gute Sachgebietsportale erstellen, die ihrerseits wieder vernetzt sind sowohl mit den Antiquariatswebseiten als auch mit der allgemeinen Datenbank.
Der Kunde kann dann, das muß durch entsprechende Hinweise und Buttons gefördert werden, beständig hin- und herwechseln zwischen diesen 3 Bestandteilen der Datenbank. Vom Sachgebietsportal "Eisenbahn" her kommt er sowohl zum Fachantiquariat Dumjahn als auch zu den kleineren Fachbeständen anderer Antiquariatsseiten - aber das Sachgebietsportal enthält auch alle Eisenbahntitel aller Antiquariate als Ausschnitt aus der allgemeinen Datenbank.
Dadurch ist die Webseitenbündnis-Methode des Kollegen RF Meyer verbunden mit meiner Theorie, daß in Zukunft der Sachgebietssammler immer wichtiger wird für unseren Absatz der alten Bücher und daß für jedes denkbare Altbuch-Sammelgebiet Fachportale eingerichtet werden sollten. Im Mittelpunkt aber steht nach wie vor die allgemeine Datenbank unter der Kontrolle aller Antiquare.
4.
Ich bin bereit, mich einzubringen in den Sachbereich Standardwebseiten / Webseitengestaltung. Hier liegt sehr vieles ganz fürchterlich im Argen. Ich sag ja nichts, wenn es sich, wie es mitunter der Fall ist, um selbstgebastelte Webseiten kleiner Kollegen handelt. Aber es sind gerade die größeren, teils teuer bezahlten, "ausgesurzten" Webseiten, die ich, sorry, zum Kotzen finde und wo ich mit dem Anstreichen gröbster Fehler in Graphik, Psychologie und Text gar nicht nachkomme.
Da es so ist, bitte glauben Sie mir - es ist noch viel schlimmer -, scheint mir das Entwerfen mehrerer Musterseiten höchst nützlich. Die diskutieren wir dann gemeinsam durch. Die Endfassungen darf jeder Kollege in der hergestellten oder auch in veränderter Form für sich selber verwenden - vorausgesetzt, daß er sich zur Teilnahme am "Webseitenbündnis" und an der allgemeinen Datenbank verpflichtet.
Hier müssen endlich auch die Pflichttexte in Sachen Fernabsatz, Geschäfts- und Lieferbedingungen diskutiert und festgelegt werden. Man watet da bei den Kollegen durch kniehohen Müll, das muß ja nicht sein, muß es nicht?
Dienstag, 23. Juni 2009
Warum ich so gern Antiquar bin
Wir Buchantiquare sind Leichenfledderer mit Leseverbot und Schacherzwang.
1)
Wir siedeln nah am Reich der Toten, den Aasgeiern und den dicken weißen Würmern verwandt.
2)
Wir dürfen die Texte, die durch unsere Hand gehen, nur in Ausnahmefälle lesen, fast nie mit ihnen arbeiten.
3)
Wir müssen am Baalstanz ums goldene Kalb teilnehmen; nicht der Würdige erhält unser Buch, sondern der, der am besten zahlt.
Wir sind schlimmer dran als Bibliothekare, weil wir Schacherer sein müssen. Wir sind stärker belastet als Neubuchhändler, weil wir abgelegte Strümpfe und Unterhemden aufstapeln - Modergeruch, Trödler Abraham. Es geht uns schlechter als den Antiquitätenhändlern, weil die Bücher reden, weil sie uns auffordern zum Lesen, zum, Verstehen, zum Denken, sie sind nicht still wie Möbel und Bilder.
Indem das so ist, regt mich unsäglich auf die ästhetische Philosophie des Kollegen RF Meyer, kann ich die naive soziale Blindheit von Redakteur Biester im Börsenblatt, nicht ausstehen, werde ich fuchsteufelswild bei sogenannten guten Kaufleuten in Köln, Düsseldorf. Undsoweiter.
Was gibts Positives? Auch dreierlei:
1)
Das Jagdfieber besonders auf Einkaufsreisen. Da wird ein uralter Männerinstinkt befriedigt. Trouvaillen machen!
2)
Pfiffige, findige Beschreibungen, Bewertungen schwieriger Bücher. Sie recht eigentlich erst erschließen.
3)
Sammler, die man glücklich machen kann, die uns ihr Glück mitteilen.
Ansonsten: Kanalräumer und Toilettenwächter sind glücklicher als wir Antiquare - Leichenfledderer mit Leseverbot und Schacherzwang.
Montag, 22. Juni 2009
Das Buch als Hure, seine Zuhälter - und wir Antiquare
Das gedruckte Buch ist tot - es lebe das digitalisierte Buch!
Es ist schon erstaunlich, welch engagierte Verteidiger *) jene todkranke Schöne findet, die Gutenberg vor fünf Jahrhunderten und einigen Jahrzehnten ins Leben geführt hat und die nun sterben muß, nachem sie uns gute - und böse Dienste geleistet hat.
Die Schöne hatte zwei Erbübel mit auf die Welt gebracht, beide zeigten sich schon wenige Wochen nach der Geburt, sie begleiten Fräulein Buch seither bis heute und sie sind es, die uns ihr nahes Ende freudig erwarten lassen.
1.
Die Schöne war und ist nämlich käuflich. Wer wüßte uns das besser zu berichten als die Herren Gutenberg, Schöffer und Fust. Schon als Wickelkind war sie auf widerlichste Weise eingebunden in groteske, schmähliche Geldhändel. Die Frühgeschichte des Buchdrucks ist eine Lastergeschichte der Beutelschneiderei, der Ausnützerei, der Zins-, Schuldturm- und Prasserwirtschaft.
Dieses Eingebundensein in die Jagd nach dem Golde hat das Buch, den Umgang mit ihm, das Sammeln und Handeln damit vergiftet - bis heute. In dieser neuesten und Spät-Zeit des Buchs wird uns das Gipfel des Widerlichen vorgeführt, Ertragssteigerung der Verlage durch Erpressungsmanöver, Wissensvermittlung, meist aus staatlich bezahlter Forschung, als Schutzgeld-Manövermasse - Führungskräfte aus dem Umkreis der Universitätsbibliothek Basel brandmarken die Absatzschacherei niederländisch-britisch-amerikanischer Naturwissenschaftskraken im Verlagswesen als Erpressung - diese Bezeichnung ist angebracht. Im Biologie-, Physik- und Medizinbereich wird das moderne Verlagswesen ekelerregend. Aus dem Geistesprodukt Buch wird dergestalt, während seine Agonie schon heraufdämmert, rasch noch ein Gewinnobjekt gemacht, dessen Ertrag die Hundertmillionengrenze überschreitet.
Das gedruckte Buch hat alle Stadien der Gold- und Geldperversion mitgemacht, und hätten wir nicht einige soziale Großtaten wie Pfennig-Bibliothek, Reclam, Bertelsmann-Buchklub (o ja, durchaus), Taschenbücher usw. zu verzeichnen, der Ekel würde uns überkommen beim Aussprechen des verächtlichen Namens "Buch".
2.
Die andere Norne, die an der Wiege des Buches stand, hat mit ihm nichts Besseres im Sinn gehabt. Das gedruckte Wort ließ sich ja köstlich manipulieren, zensieren, fälschen und lenken. Die Macht über die Drucker und Offizinen war einfacher und wirkungsvoller zu erlangen und einzusetzen als die über die Schriftsteller. Und so kommt es, daß das gedruckte Buch fast durchgängig folgsamer Büttel, feile Dienstmagd, kurzum die Nutte, die Dirne der Herrschenden war. Rasch sichtbar wird dies in vergifteten Bücherzeiten, ob NS-Regime, Väterchen Stalin oder Axel Springer, ob Salazar oder Metternich, aber durch die unselige Vermischung mit dem Geldfaktor zieht sich die geistige Vergiftung und Unfreiheit auch durch scheinbar unschuldige Zeitläufte.
Wiederum würden wir uns mit Ekel vom Buch abwenden, wären da nicht die Aufmüpfigen, die Mutigen unter den Buchherstellern gewesen, könnten wir uns nicht freuen über Exilliteratur, Freiheitsliebe und klandestine Drucker jeder Art.
3.
Das Internet, sehr poetisch geboren in der tiefsten, krudesten Todesgefahr, im Augenblick des unmittelbar drohenden Selbstmords der Menschheit, aus den Bedürfnissen der Verwalter der Missiles und Neutronenbomben, aus dem Ungeist der Weltvernichtungsmachinen nach Art der "Kursk" oder der "Corpus Christi" (Sie lesen richtig) - es hat uns, keiner hätts gedacht, die beiden bösen Nornen verscheucht. Aus dem nahen Untergang der spezies Mensch hat sich ein Instrument der geistigen Freiheit entwickelt, ein wundervolles, freilich sorgsam zu hütendes Pflänzchen - das digitalisierte Buch im Netz.
Da mag Kollege RF Meyer noch so barmen und pixeln über Qualitätsstufen bei der technischen Reproduktion - er übersieht offenbar den größten Nutzen, den das digitalisierte Buch mit sich bringt. Vielleicht weil er solche nur vermeintlich bescheidenen Aspekte für eine quantité négligeable hält? Oder weil wir, freilich eine Schande das, keinen rechten deutschen Ausdruck dafür haben?
Ich spreche vom Zauberwort "copy and paste". Indem wir mit blitzschneller Markierung, Übertragung, Neuzusammenstellung Herr über die geistige oder ungeistige Urmasse des Textes werden, wandeln wir uns vom Abschreiber, vom Kompilierer, vom ewig Nachschlagenden - zum souveränen Neugestalter, Sammler und Vergleicher der Texte. Frühere mühsame Kärrnerarbeit langer Stunden schrumpft zusammen zu wenigen Minuten copy and paste - und dann kann sogleich das Denken beginnen.
Daß gewisse Regeln beim Zitieren, bestimmte Vorschriften geistiger Natur über die Integrität der Texte beachtet werden müssen, das ist zu machen, muß aber auch durchgesetzt werden. Nichts ist leichter zu vereinbaren und einzuhalten als ein Regelwerk, das die weltweit vernetzte Wissenschaft einmal vereinbart hat.
4.
Die Verleger sind selbst schuld. Nicht daß es nicht rührende Kleinverleger, bemühte Wissenschaftsverleger und andere Idealisten zuhauf geben würde im Bereich der Buchproduktion - aber der Regelfall sieht anders aus. Das internationale Verlagsgeschäft der Großkonzerne ist über weite Strecken zu einer wahren Eiterbeule des Geldschachers, der Ausnutzerei und der Beutelschneiderei geworden - - von der der Autor in aller Regel lächerlich wenig sieht.
Ihm wäre mit einem Abgeltungssystem im Internet weitaus besser gedient. Die ganze widerliche Mischpoke von Großverlegern soll der Teufel holen.
Da kann auch der Börsenverein mit seinen kulturellen und moralischen Zirkusveranstaltungen der Öffentlichkeit nicht weiter Sand in die Augen blasen, wir sehen zu klar, daß in Frankfurt im Rückzugskampf der Verleger gegen das Publizieren im Internet nun
*Geist dem Geld unterworfen
werden soll - das widerlichste Geschäft, das sich denken läßt.
Jeder denkende und fühlende Mensch fordert daher: Schluß mit den Büchern als Geldobjekt. Geistesfreiheit, Lesefreiheit ohne aufgehaltenen Schacherbeutel, im Internet ! Nun kann jeder, auch der Ärmste in Afrika oder Indien, zu den gleichen Bedingungen Teilhabe am Wissen, an der Geistesüberlieferung der Menschheit erlangen.
5.
Fassen wir zusammen:
Die jetzt kommende Entwicklung ist gut. Sie ist nicht ungefährlich, wie alles Neue will sie beobachtet und behutsam geregelt werden. Man muß das neue Bäumchen der Geistesfreiheit (der Befreiung des Geistes vom Gelde und von der Zensur ) treulich hüten, ein wenig beschneiden und regelmäßig gießen.
Zum Teufel geht der Neubuchhandel. Das bedauere ich aufrichtig. Aber er mußte ahnen, er konnte wissen, daß seine unheilige Allianz mit den Verschacherern, mit den Beutelschneidern, mit den "Hütern" des Geistes in Gestalt der Großverleger nicht gutgehen konnte. Mitgefangen, mitgehangen.
Zum Teufel geht das Verlagswesen. Die Mitarbeiter dort werden fast alle gebraucht werden in jenen Verwaltungs- und Regulierungsinstanzen, die Wissenschaftler, Dichter, Künstler, Museen und andere Selbstorganisationen des Netzes einzurichten haben. Da ist mir gar nicht bange.
Und was ist mir uns Antiquaren?
Wir bedienen einmal den Sammlermarkt. "Büchersammeln" muß so allgemein werden wie es früher einmal das Briefmarkensammeln war. Es ist an uns, gemeinsam oganisiert diesen neuen Sammler- und Käufermarkt anzukurbeln. Und zwar nicht (nur) auf der arrogant-elitätren Ebene der Edelantiquare, sondern auf weitaus breiterer Ebene, bis hin zu einfachen Kinderbüchern und billigen Autobiographien.
Es gibt jene interessante Kosten- und Nutzenkurve, die zwischen dem Laser-Selbstdruck mitsamt allen Zeitfaktoren einerseits und dem fertigen, wenn auch gebrauchten Altbuch festgelegt werden kann. Das sind ganz simple Rechnungen. Ich habe da, den Kollegen dient es freilich meist nur zum Ablachen, Pionierarbeit geleistet im Planerischen - etwa durch mein "Haus der alten Bücher" könnten wir auf lange Zeit hinaus auch aus unseren Billigbüchern noch eine bescheidene, aber sichere Nebeneinkommensquelle machen.
Immer aber ist es das "Sammlerbuch", bis hinunter zum 5 Euro-Bereich, das uns auf lange Sicht rettet und das wir mit allen Mitteln ankubeln müssen.
------------------
*) Kollege RF Meyer hat soeben auch eine erweiterte Fassung in seinem eigenen Blog veröffentlicht, 21.6.09
Das Schnappi verdanken wir der Webseite http://www.pet-resimleri.com, und/oder der ehrwürdigen US-Monatszeitschrift für Geographie (Abonnement hatte ich lange Jahre, kann ich empfehlen), deren Eigentum das Foto bleibt. Wird auf einfache Anforderung hin entfernt.
Freitag, 19. Juni 2009
Arbeitspapier zur Schaffung eines vernetzten doppelten Verkaufsportals
Liebe Kollegen, aus aktutem Zeitmangel habe ich diesen Text automatisch diktiert. Ins Mikrofon spricht man anders, als man schreibt. Bitte versuchen Sie, über sprachliches Ungeschick hinwegzusehen und halten Sie sich an den Inhalt, nicht an die Form. .
Wie immer das Modell unserer zukünftigen Zusammenarbeit auch aussehen mag, es kann nur von einem wirklich durchschlagenden Werbeargument getragen sein, nämlich von der aktiven Unterstützung nahezu aller Antiquare im deutschen Sprachgebiet. Das ist eine werbetechnische, werbepsychologische Frage.
Hier wurde schon öfter und durchaus zutreffend festgestellt, daß der Bau und Betrieb einer Bücherdatenbank in unseren Zeiten keine Hexenwerk mehr darstellt. Das kann im Grunde jeder machen der es möchte, ins Netz gestellt ist es dann auch schnell. Jede neue Bücherdatenbank muß aber gegen zwei große Einrichtungen angehen, ZVAB und abebooks/ Amazon. Dies betrifft nicht nur die allgemeine Kenntnis von der neuen Datenbanken im Netz, sondern weit mehr noch das Zutrauen, das Vertrauen in das neue Bücherportal.
Hier spielt neben einigen Sachargumenten das Image des Verkaufsportals eine zentrale Rolle. Sowohl als Sachargument wie auch im Bereich des gefühlsmäßigen Vertrauens ist die behauptete und nachweisbare Vielheit der beteiligten Antiquare von unschätzbaren Wert. Dabei interessiert den Kunden übrigens wenig, ob die Datenbank, das Verkaufsportal den Antiquaren wirklich gehört. Der Kunde will vielmehr wissen, wer hinter dem Verkaufsportal steht, wer es garantiert, wer seinen guten Ruf dafür in die Waagschale legt.
Wir dürfen nicht annehmen, daß der Kunde mit den internen Gewerbefehden, mit unseren absurden Verbands- und Vereinsstrukturen vertraut ist. Der Bücherkäufer will weder von Verbänden, noch von Arbeitsgemeinschaften hören - nur fest eingerichtete Größen wie etwa der Börsenverein könnten hier imagemäßig von Vorteil sein. Für den Kunden zählt einfach nur, daß und ob eine Mehrzahl, möglichst sogar eine überwältigende Mehrheit der Antiquare hinter dem Verkaufsportal steht.
Die Antiquare sind sich ihres exzellenten Rufs in der weiteren Öffentlichkeit oft nicht bewußt. Sie tun jedoch gut daran, ihre ungewöhnlich gutes Bild in der Öffentlichkeit einzusetzen, wenn es um die Einrichtung eines neuen gemeinsamen Portals geht.
Was das ZVAB und jede andere Datenbank dieser Art mit sehr hohen Summen an Werbung und anderen Maßnahmen ausgeben muß, kann sich das gemeinsame Gebilde der Antiquare sparen - es setzt seinen unbezahlbaren guten Ruf ein.
Um in den Genuß dieses psychologischen Vorteils zu kommen, muß der Name des Verkaufsportals zwingend den Sachverhalt kundtun. Das ist ganz selbstverständlich.
Die Antiquare müssen, auch aus psychologische Sicht, ihre Artillerie doppelt einsetzen. In ein und demselben Gebilde, vielfach untereinander vernetzt, treten die Buchantiquare sowohl als individuelle Betriebseinrichtungen von jeweils ganz besonderem Charakter auf, wie sie in ihrer Gesamtheit ein eindrucksvolles Portal all ihrer Bücher anbieten. In dieser parallelen Anordnung liegt das faszinierende neue RF Meyersche Konzept begründet.
Wie das Instrument, mit dem die einzelnen Kollegenseiten aufgefunden werden können, im einzelnen aussieht, scheint mir weniger wichtig. Hier können sachliche, aber auch geographische Kriterien angewendet werden. bedeutsam ist nur, daß der Kunde bis zur Einheit des einzelnen Antiquars herunter ohne Mühe sich durchfinden kann, andererseits blitzschnell zur Gesamtdatenbank aller Bücher wechseln kann - und wieder zurück zur einzelnen Web-Seite des teilnehmenden Antiquars.
Dies ist, ich wiederhole es, keineswegs nur eine technische Möglichkeit. Dies ist die Visualisierung des größten Kapitals, das das neue gemeinsame Verkaufsportal besitzt, nämlich seine Bildung aus sehr vielen, möglichst allen Antiquariaten im deutschen Sprachgebiet. Es läßt sich gar nicht überschätzen, wie sympathisch und vertrauenserweckend dies wirkt.
Die Mobilisierung aller rund 1000 Kollegen ist ungeheuer wichtig. Daß sie bisher noch nicht vorgenommen worden ist, gehört zu den großen Versäumnissen, ich zögerte nicht zu sagen zum Kapitel unserer Dummheit, ja der tragischen Bosheit in unserem Gewerbe. Da in den mittleren und unteren Bereichen des Antiquariats, insbesondere im Versandbereich, sehr wenig Kapital, oft sogar eine gewisse Armut zu finden ist, muß die Eintrittsschwelle so niedrig wie möglich gehalten sein. Hier gilt es, sich radikal abzuwenden von den Bräuchen und Vorstellungen in Börsenverein, in der Genossenschaft usw.
Niedrigschwellig, also preiswert für den einzelnen Teilnehmer schon deshalb, weil ja jeder Antiquar, unabhängig von seinem beigesteuerten Kapital, an sich schon einen Werbewert mitbringt, an dem alle teilhaben können. So gesehen sollte man selbst die Möglichkeit einer vorläufigen Gratismitgliedschaft ins Auge fassen. Lieber ein Kollege, der kostenlos teilnimmt, als einer, der fehlt.
Über die praktische Ausgestaltung der zwei Teile des Portals als Verkaufsorganisation der Deutschen Antiquare muß diskutiert werden. Meine persönliche Auffassung, daß Billiglösungen ins Auge zu fassen wären, muß nicht richtig sein. Eine gewisse Würde, ein selbst- und standesbewußtes Auftreten kann durchaus vorteilhaft sein. Ich neige dazu, solche Faktoren zu unterschätzen.
Wie die Vernetzung der Kollegenseiten technisch vor sich gehen kann, das läßt sich klären und es sollte auch im Auge behalten werden, daß uns immer noch einen lokales und überhaupt ein geografisches Nachschlageportal zum leichten schnellen Auffinden der Ladenantiquariate im deutschen Sprachgebiet fehlt. Das neue vernetzte Webseitenbündnis kann in seinen Webseitenteil solche Wünsche elegant erfüllen.
Man wird nun fragen, ob diese nicht besonders berauschenden Neuerungen ein eigenes Projekt rechtfertigen. Ich würde die Frage verneinen, wenn da nicht der eingangs erwähnte ungeheuer große und sehr wertvolle Werbeeffekt des gemeinsamen Verkaufsportals einer überwältigenden Mehrheit aller Antiquare als Tatsache in Raum stehen würde.
Ich wiederhole: das Bündnis der Web-Seiten muß zum Bündnis möglichst aller Buchantiquare im deutschen Sprachgebiet erweitert werden. Das neue Portal im Internet muß diesen riesengroßen Wettbewerbsvorteil rücksichtslos einsetzen, dann haben die Deutschen Antiquare praktisch kostenlos das doppelte Arbeitsinstrument, daß ihnen Unabhängigkeit, niedrigste Selbstkosten - und ihre Würde garantiert.
Der Weg dazu führt allein und ganz aus schließlich über die niedrigschwellige Erfassung möglichst aller 1000 Buchantiquare im deutschen Sprachgebiet. Nicht irgendwann, sondern jetzt.
Zwischenruf: Gehn wir Kollegen ausnehmen im Park
Hurra:
Der Verband der Antiquare, unter Federführung des Koll. Munsch, bietet uns zum Vorzugskauf an den Neudruck eines (übrigens wirklich anregenden) Schriftchens, das 1916 erschienen ist:
Schattenrisse deutscher Antiquare : persönliche Erinnerungen aus den Jahren 1870 - 1915 / von Max Ziegert
Autor: Ziegert, Max
Erschienen: Leipzig : Ramm & Seemann, 1916
Umfang: 32 S.
Dies ist der bibliographische Eintrag des Originals. Wir wollen gern annehmen, daß der Verband in einem hübschen Vor- oder Nachwort dem Werklein noch einige Seiten und/ oder Fotos hinzugefügt hat.
Wenn uns jemand, dazu noch mit dem Lockvogel "limitierter Exemplare", diese Sammlung von, sagen wir, 40 Seiten zu - - 20 Euro andrehen will, dann ist das unbescheiden.
Es ist, nach meiner persönlichen Einschätzung, dreist, und da man es mit Kollegen zu tun hat, die die Herstellungspreise kennen, überdies - dumm.
Reprokosten mit PDF sozusagen 0 Euro,
Seitenausdruck mit Laser rd. 1,50 Euro
ordentlicher Offsetdruck mit Bindung maximal 5 Euro (bei Auflage 500 x), dazu Porto und Versandtasche 2 Euro
Der Rest ist - - Schweigen.
Der Verband der Antiquare, unter Federführung des Koll. Munsch, bietet uns zum Vorzugskauf an den Neudruck eines (übrigens wirklich anregenden) Schriftchens, das 1916 erschienen ist:
Schattenrisse deutscher Antiquare : persönliche Erinnerungen aus den Jahren 1870 - 1915 / von Max Ziegert
Autor: Ziegert, Max
Erschienen: Leipzig : Ramm & Seemann, 1916
Umfang: 32 S.
Dies ist der bibliographische Eintrag des Originals. Wir wollen gern annehmen, daß der Verband in einem hübschen Vor- oder Nachwort dem Werklein noch einige Seiten und/ oder Fotos hinzugefügt hat.
Wenn uns jemand, dazu noch mit dem Lockvogel "limitierter Exemplare", diese Sammlung von, sagen wir, 40 Seiten zu - - 20 Euro andrehen will, dann ist das unbescheiden.
Es ist, nach meiner persönlichen Einschätzung, dreist, und da man es mit Kollegen zu tun hat, die die Herstellungspreise kennen, überdies - dumm.
Reprokosten mit PDF sozusagen 0 Euro,
Seitenausdruck mit Laser rd. 1,50 Euro
ordentlicher Offsetdruck mit Bindung maximal 5 Euro (bei Auflage 500 x), dazu Porto und Versandtasche 2 Euro
Der Rest ist - - Schweigen.
Die Antiquare und der Börsenverein in Berlin - eine verpaßte Chance
Wer die laufende Diskussion unter den Antiquaren in den letzten Monaten Revue passieren läßt und sich daraufhin den Bericht unseres verehrten Redakteurs Biester in börsenblatt.net ansieht, der wähnt sich in einem Roman von Kafka. Über alle wichtigen Fragen, über die Chancen und Projekte wurde in Berlin offenbar nicht geredet, stattdessen die etwas peinliche Bilanz der "Zusammenarbeit zwischen (AG und/ oder) Börsenverein und GIAQ" besprochen.
Was soll denn der Rekurs auf dieses totgeborene Kind? Die GIAQ ist ein unglücklich konstruiertes Segment aus der Gesamtheit der Antiquare. Sie kann sich qua Verfassung kaum erweitern und führt uns, mea culpa, eines der untauglichsten Anwendungsgebiete des Genossenschaftsgedankens vor Augen. Ihre aktiven Mitglieder kommen seit jeher überwiegend aus dem Kreis der Edelantiquare, die von ihren Kerninteressen her im Verband am besten aufgehoben sind. Würde nicht die eigene Datenbank das Hobby eines immer gleichen Dutzend Genossen der ersten Stunde sein, dann wäre die Genossenschaft längst tot.
Dieses durch ein kleines Kerngrüppchen mühsam am Leben erhaltene Gebilde soll nun, man betrachte sich nur einmal sinnend die beiden vorgeschlagenen neuen Vorstände, in einer
Personalunion vernetzt werden mit der AG und dadurch mit dem Börsenverein.
Was wäre damit gewonnen? Die Antiquare wünschen sich nicht unbedingt einen weiteren GIAQ-Ableger in Gestalt der neuen AG.
Wer auf neue Ideen gekommen ist, wem sich die Chance böte, das groteske Dreigestirn Verband-GIAQ-AG aufzubrechen oder doch wenigstens zu erweitern, der verdummt und verspielt offenbar zur Zeit seine Möglichkeiten. Das gilt für Hoefs, dessen ohnehin undeutliche Haltung zur GIAQ sich paart mit ganz erstaunlicher Antriebshemmung und Tatenlosigkeit, was seine Internet-Antiquare angeht. Es gilt ferner für den für meinen Geschmack taktisch wenig klugen neugebackenen Kollegen Weinbrenner - hab ich ihm nicht prophezeit, daß das Xing-Modell für uns freiheitsgewohnte Antiquare Gift sei -, und noch weit mehr, jetzt aber schon skandalös und oberpeinlich, gilt dies für unseren verehrten Konsistorialrat RF Meyer-Berlin.
Da kommt einer auf die Idee, eine Reihe von Webseiten, von Angeboten, von Datenbankteilen einer recht ansehnlichen Gruppe von Antiquaren zu vernetzen. Nach anfänglichem Widerstand, nicht zuletzt auch von meiner Seite, entwickeln sich die vielfältigen Möglichkeiten, die diese seine Grundidee birgt, es wird klar, daß da etwas zu machen sei.
Gerade weil hier verkrustete Strukturen aufgebrochen werden können und weil gewissermaßen querlaufende, zu den vorhandenen Organisationsmustern teils kompatible, teils erfreulichst belebende Möglichkeiten sich auftun, fiebern wir von Tag zu Tag dem Ausbau, der Diskussion, den Plänen und Projekten rund um das RF Meyersche Gebilde entgegen. Um so vergnügter, als sich auch Kollegen hineinverirrt haben, denen die Tragweite der Möglichkeiten gar nicht klar sein konnte, etwa in Bezug auf die Zukunft der GIAQ, die an diesem Meyerschen Stolperstein ihr Ende finden könnte....
Wie auch immer, was tut und denkt die teilnehmende Kollegenschaft angesichts dieser Chance? Sie tut nichts. Es ist grauenvoll.
Der verrückte Mulzer, der ja auch jede Woche eine neue Sau durchs Dorf treibt, hatte sich nun in den Kopf gesetzt, den Börsenverein als Motor neuer Organisationsformen dieser und anderer Art auszugucken. Herübergekommen bis nach Berlin zum Börsenvereinstag ist aber davon offenbar nichts. Die kleine AG-Versammlung hat, wenn Redakteur Biesters Zusammenfassung korrekt ist, woran wir zu zweifeln keinen Grund haben, auf ihre Weise alle Erweiterungspläne, jegliche Neubelebung einer Zusammenarbeit des Börsenvereins mit den Antiquaren zu Grabe getragen.
Was bleibt? Mir scheint, alle Karten hat nun Kollege RF Meyer. Er muß sofort ein Denkzentrum einrichten und mit allen bisherigen und manchen neuen Teilnehmern weiterdenken, Planspiele vielfältiger Art inszenieren.
Er muß also jene Arbeit leisten, die die AG und damit der Börsenverein zu leisten - - verhindert (worden) ist.
950 von 1000 Antiquaren warten auf neue Organisationsstrukturen, auf Arbeitserleichterung, Monopolfreiheit, Absatzsteigerung.
Das Foto zeigt den Berliner Tagungsraum der AG, wie er wirklich war... - Mit Dank an die ganz ausgezeichnete Webseite der "Berliner Unterwelten", der das Foto gehört und die zu besuchen ich jedem historisch Interessierten ans Herz legen möchte.
Sonntag, 14. Juni 2009
Wie uns Katalogdrucker und Fachanwälte quälen
1.
http://www.amdo-gmbh.de/0.1/info1.html
Unser aller Redakteur Biester verschweigt uns, daß sein brandrot eingefärbter Link in börsenblatt.net - - auf einen Beitrag derjenigen Druckerei verweist, die für die Produktion des Grufti-Katalogs der GIAQ verantwortlich ist. Der Produzent dieses - in vielerlei Hinsicht und nicht nur nach meiner Einschätzung - zumindest formal höchst unerfreulichen Druckerzeugnisses hat einen Text verfaßt, der sich durch so fürchterliches Schwafeldeutsch und auch inhaltlich derart peinliche Floskeln auszeichnet, daß ich meine Ferien vom Dienst unterbreche und ausrufe: Mein Gott, wertes börsenblatt.net, guckt ihr euch Eure Links denn rein gar nicht an?
Die Situation auf dem Internet-Druckmarkt wird im Klippschulniveau referiert, unter Verwendung einer Batterie von deplazierten Schwurbel- und Plusterfremdwörtern, daß es Gott erbarm. Haben wir uns durch den verhunzten Text eine Schneise gehauen, diesen Urwald an selbstverständlichen, überwiegend nichtssagenden Überlegungen etwas gelichtet, bleibt ein kümmerliches Häuflein dürrer Zweige übrig.
Natürlich geht die werte Firma AMDO mit keinem Sterbenswörtchen auf die Katalogverrisse ein. Was will sie uns eigentlich sagen? Eine Fünfminutenrecherche in Google karrt mehr und nützlicheres Material zur gestellten Frage herbei.
Werbung ja, meinethalben auch Schleichwerbung - aber bitte nicht mit solchen Texten. Merke: Wir Buchantiquare sind keine Marktfrauen. Wobei ich davor warne, Marktfrauen zu unterschätzen...
2.
http://www.amdo-gmbh.de/0.1/info1.html
Sagte ich es nicht schon oft, daß die seltsame Vereinigung "Antiquariatsrecht" keine glückliche Hand habe, mußte ich mich nicht schon vor Jahresfrist durch wahrhaft fürchterliche Textwüsten der für Nichtjuristen rührend-unverständlichen niederrheinischen Kanzlei quälen?
Damals, ich war noch nicht aus dem Börsenblatt hinausgeworfen worden, beschrieb ich die Irrwanderung des entsetzten Lesers durch ein krudes, völlig verwildertes und zerworfenes Drahtverhau gutgemeinter, tatsächlich aber wohl nicht nur für juristische Laien unverständlicher Salbaderei.
Heute beschert uns Redakteur Biester einen neuen Link dorthin, und siehe da, mittlerweile haben die Texter gelernt. Sie schreiben, immer nach meiner persönlichen Einschätzung, kein Gemenge aus Entscheidungen und komischen Herleitungen mehr - sie schreiben, bei näherer Prüfung muß mans so formulieren, "eigentlich nichts".
Ich habe selten ein so allgemein gehaltenes, verwässertes Statement gelesen wie dieses, immer eingedenk, daß es ja praktische Hilfestellung für Antiquare geben sollte. Die eine Hälfte ist, wie der Link unter 1), hastig zusammengeschriebenes Wiki-Material, das in solcher Verallgemeinerung wenig nützlich sein kann. Der andere, ärgerlichere Teil handelt von Fragen, die speziell den Antiquar nur ganz am Rande oder gar nicht betreffen.
Vor einem Jahr habe ich der neuen Gruppe schon vorausgesagt, daß unser Beruf allzuwenig juristischen Gehalt böte, um eine vertiefte Behandlung zu rechtfertigen. Ich warnte davor, dort eine Bewegung "herauszuquälen", wo die präzise, verständliche Abhandlung weniger Fachfragen hingereicht hätte.
Genau dies ist seither geschehen. Ich halte solche Suppen, bei denen der eine vorhandene Teller bis zum Wassergehalt eines Hordentopfs verdünnt wird, nicht für empfehlenswert. Der verlinkte Text ist in Form und Inhalt eine Zumutung, hier wird uns Antiquaren Zeit gestohlen.
Ich behalte mir in beiden Fällen eine eingehende Besprechung vor. Aber die würde fürchterlich.
Nachtrag, spezieller und allgemeiner:
Einerseits reizt es mich - jeder Journalist der alten Schule wird mich verstehen -, die beiden in meinen Augen ganz unerträglichen Texte auseinanderzunehmen. Von beiden Sachthemen glaube ich was zu verstehen. Während der unseres Internet-Druckers einfach dünn, einseitig und nichtssagend ist und ich im Grunde nicht weiß, warum ihn der gute Mann geschrieben hat, ist der juristische Text zugemüllt mit an sich nicht Falschem, aber Unnötigem, an diesem Ort und zu diesem Zweck Unpassendem - mit wenigen Abänderungen wäre er auch für Käse- oder Möbelhändler brauchbar. Die spezifischen Bezüge zum Antiquariat, es gibt deren sehr viele zu fast jedem Ihrer Stichwörter, konnten Sie offenbar nicht herstellen. Schade.
Beide Autoren wollen ihr Pöstchen, ihren Broterwerb, ihr Ansehen bewahren und mehren - soll ich ihnen das vergällen? Was, o Kroko, was bitte wird auf dieser Welt besser durch zwei Verrisse, von denen ich, exempla docent, weiß, daß sie auf Monate hin nachwirken und Existenzen gefährden können, wenns schlimm kommt. Will ich das erreichen? Gewiß nicht.
Böse bin ich den beiden Autoren nur, daß sie, jeder auf seine Weise, unsere Zeit vergeudet haben. Weitaus böser bin ich Redakteur Biester, der mit dem Kopf in Edelware und kulturvollen Handels- und Messebelangen steckt und praktische Fragen für den Unter- und Mittelbau mal wieder mit Nichtachtung straft. Offene Frage an Herrn Biester:
1) haben Sie beide Texte aufmerksam gelesen?
2) haben Sie nicht, wie ich auch, bemerkt, daß hier zwei verschiedene Formen von - - Stuß vorliegen?
Wenn ja, warum haben Sies kommentarlos verlinkt? Ist das Redaktionsbrauch in Frankfurt?
Bei dieser Gelegenheit ein kleines Wörtchen an meinen niederrheinischen Lieblingsantiquar, dessen Namen nicht mehr zu nennen ich mich verpflichtet habe : Sie greifen meine, feierlich an mehreren Orten, Redakteur Biester sei mein Zeuge, ausgebreitete Idee, die Aufsätze aus den vielen Jahren von "Aus dem Antiquariat" zu erschließen, zu digitalisieren und ins Netz zu stellen, freudig auf. Das dürfen Sie. Aber dann nennen Sie bitte Roß und Reiter. Von Xing muß ich mir meine Ideen, so meine Einschätzung, klauen lassen (genauer gesagt deren "Nutzung und Verwertung"). Macht das jetzt allgemein Schule? Die Quelle zu nennen tut doch nicht allzuweh. Halten zu Gnaden.
Dienstag, 9. Juni 2009
Das dynamische Reduktionsmodell - ein Beitrag zur Absatzförderung
Gegenüber der Erstfassung leiste ich mir immer einige Korrekturen. Aktualisieren Sie gegebenenfalls die aufgerufene Seite, um auf dem neuesten Stand zu sein. Ich habe leider nur begrenzte Zeit zur Verfügung, perfekte Endfassungen sollten Sie nicht erwarten.
1.
Bei näherem Hinsehen fällt auf, daß ausnahmslos alle guten Ratschläge, die das Buchantiquariat aus der
*allgemeinen Betriebswirtschaftslehre und von den
*Neubuchhändlern
im Lauf der Zeit erhalten hat, völlig unbrauchbar waren.
Wie kommt das? Im Antiquariat gelten, betriebswirtschaftlich gesehen, erstaunlich komplexe Regeln und Zusammenhänge, die ein Außenseiter kaum je richtig einschätzen kann. Auch wirkt sich hier das bekannte Schichtenmodell in unserem Gewerbe aus - Edelantiquare stehen wie der Ochs am Berg vor kleinen Flohmarkt- und Mensa-Antiquaren und begreifen von deren Geschäft - nichts.
2.
Noch komplizierter wird alles bei Ebay. Nicht umsonst sind bereits einige mathematische Doktorarbeiten über Ebay geschrieben worden und auch ich kann, nach mehreren Jahren Ebay-Praxis, nur ausrufen "ich verstehe es nicht". Wohl aber kann ich die Folgen des Sondermarktes der alten Bücher bei Ebay und die komplizierende Rolle der Privatanbieter und des neuen Shopsystems dort in etwa abschätzen. Das bedeutet aber nur, daß ich die Ursachen und die Folgen kenne, nicht aber die wahren Gründe.
Nach dieser langen Vorrede können wir, die ärgsten Verwirr-Faktoren sind fürs erste beiseite geschoben, auf eine Idee zu sprechen kommen, die mir heute beim Kaffee im Mensagarten, strahlender Sonnenschein und einige Schäfchenwölkchen, freundliche Gesellschaft von Germanistikstudenten und -innen, eingefallen ist. Ich halte sie im Prinzip nicht für neu - neu aber ist die Form der Anwendung, die ich vorschlage.
3.
Wir haben, ich komme aus den "notwendigen Vorreden" nicht heraus, Hl. Jean Paul, hilf mir, bekanntlich einen ungeheuren Stau dauernd unverkäuflicher Bücher in unseren Datenbanken liegen. Kontinuierlicher Zufallsabsatz tröstet zwar, macht den Braten aber nicht fett und ermöglicht höchstens den Datenbankmachern, ihren Zehnten weiterhin einzuziehen. Hier wurden schon viele Gründe benannt für den Bücherstau, sie mögen jeder für sich ihre Gültigkeit und ihren Wert haben - aber das alles entscheidende Kernargument fehlt noch.
Ich glaube, daß ich heute einen Teil davon entdeckt habe und auch gleich das Patentrezept zur Anwendung. Wobei ich meine Patentrezepte inzwischen selber fürche, aber das ist ein weites Feld.
4.
Wir haben ein künstlich konstruiertes, teils zwar historisch gewachsenes, längst aber irreales, völlig verkrustetes und qua Konstruktion offenbar unveränderliches, unbelehrbares Preismodell.
Technisch ist die völlig unmögliche Preisstruktur im Antiquariat nämlich die direkte Folge der Titeleingabe mit Preis über viele Jahre hinweg. Diese Titeleingaben werden, schon wegen der damit verbundenen Zeit und Mühe, nur äußerst selten überprüft und noch seltener erfolgt eine Preiskorrektur. Eine systematische Preisunterbieterei dagegen ist eher die Ausnahme, sie tritt fast nur bei Neueinträgen in die Datenbank auf. Millionen alter Titelaufnahmen aber bleiben unbearbeitet auf längere, auf lange Zeit stehen. Dies gilt auch für die geforderten Preise.
5.
Nun wäre es, wir sprachen schon davon, höchst gefährlich, ja töricht, allgemeine betriebswirtschaftliche Weisheiten anwenden zu wollen und daherzuschwadronieren von Marktregeln, von pauschalen Anpassungen, ob sachgruppenweise oder sonstwie. Das wäre alles Kokeklores und gehört den wohlmeinenden, aber praxisfernen Ökonomen um die Ohren gehauen.
Aber gibt es denn ein Rezept, eine Regel, eine Vorgehensweise, die es uns ermöglicht,
*mit den internen Methoden der Datenbank selbst und *unter Respektierung des Preisgestaltungswillens des einzelnen Antiquars
das aus den Fugen geratene, unordentliche, unglaubwürdige und hinderliche Preisgefüge des Altbuchmarkts zu korrigieren?
6.
Das im Folgenden zu schildernde System wäre, dann freilich sehr kompliziert, auf alle Verkaufsportale anwendbar. Seinen wirklichen Reiz entfaltet es aber nur, wenn die Antiquare ihre eigene Datenbank haben, die den Namen "Die Börse" dann auch wirklich verdient. Überdies gibt es kaum ein besseres Werbeargument für die neue gemeinsame Datenbank als folgendes Regelwerk:
7.
Die Preise solcher Titel, die vielfach angeboten werden, korrigiert die Datenbank automatisch prozentual nach unten. Das Ausmaß muß man noch diskutieren; Pi mal Daumen würde ich angemessen finden:
3-5 Titel gleichzeitig angeboten: 20 % billiger
6-10 Titel : 30 % billiger
10-20 Titel: 50 % billiger
über 20 Titel: 75 % billiger.
Der einzelne Antiquar kann sich auf Wunsch natürlich von solchen Korrekturen ausnehmen lassen. Da die Herabsetzungen prozentual vom ursprünglich geforderten Preis aus berechnet werden, bleiben die Qualitätsunterschiede weiterhin berücksichtigt.
8.
Natürlich sind das teils sehr hohe Werteinbußen für jeden Kollegen. Aber was nützen teuer angesetzte Titel, wenn sie im Lauf der Jahre schlicht und ergreifend nicht verkauft werden?
Andere Möglichkeiten sind rasch durchdiskutiert, sie taugen alle nichts. Ich kann gar nicht von der Zeitspanne ausgehen, in der Titel bisher unverkauft geblieben sind, denn gerade ausgefallene Themen gehen nach langer Wartezeit dann gern weg und sind typisch für den "tröpfelnden Dauerabsatz" im Netz. Ich werde den Teufel tun und etwa billige Titel herabsetzen, teure aber belassen. Je nach Thema, Ankauf und Kalkulation lebt der Antiquar vergnügt gerade von billigeren Preisstufen. Und auch im Bereich teurer Titel, Sven Hedin und Baedeker als Beispiel, sind ganz brutale Reduktionen vom Markt her dringend erforderlich.
Ich warne davor, bei extrem preisreduzierten Titeln davon zu sprechen, Angebot und Versand seien dann nicht mehr lohnend. Emil Ludwig: Napoleon ist auch zu 3 Euro + Porto zu verkaufen, vorausgesetzt, der Antiquar ist gut durchorganisiert und versteht Verkäufe dieser Art (auch) als Werbemöglichkeit. Natürlich gibt es hier Grenzwerte, von denen ab der Verkauf zur Groteske würde - solche Titel sollte man aber erst gar nicht einstellen. Nicht daß ich Kollege Heubergers radikalen Papiercontainer empfehlen möchte, in Köln verschwindet sowieso zur Zeit etwas viel im Boden, aber ein gutes Drittel bei fast jedem Ankauf sollte man zurücklassen, sogar auf Flohmarktniveau.
9.
Ich habs vor- und rückwärts durchdacht und komme immer wieder zum Resultat, daß diese Idee ein Teilbeitrag zur Überwindung unserer Absatzmisere ist. Und ein Beispiel dafür, wozu eine eigene Datenbank der Antiquare nützlich sein kann.
Das Foto zeigt den Verfasser in den Augen jener Kollegen, die den Beitrag bis hierher gelesen haben. Es ist Eigentum von vol.at und wird auf einfache Anforderung hin entfernt
1.
Bei näherem Hinsehen fällt auf, daß ausnahmslos alle guten Ratschläge, die das Buchantiquariat aus der
*allgemeinen Betriebswirtschaftslehre und von den
*Neubuchhändlern
im Lauf der Zeit erhalten hat, völlig unbrauchbar waren.
Wie kommt das? Im Antiquariat gelten, betriebswirtschaftlich gesehen, erstaunlich komplexe Regeln und Zusammenhänge, die ein Außenseiter kaum je richtig einschätzen kann. Auch wirkt sich hier das bekannte Schichtenmodell in unserem Gewerbe aus - Edelantiquare stehen wie der Ochs am Berg vor kleinen Flohmarkt- und Mensa-Antiquaren und begreifen von deren Geschäft - nichts.
2.
Noch komplizierter wird alles bei Ebay. Nicht umsonst sind bereits einige mathematische Doktorarbeiten über Ebay geschrieben worden und auch ich kann, nach mehreren Jahren Ebay-Praxis, nur ausrufen "ich verstehe es nicht". Wohl aber kann ich die Folgen des Sondermarktes der alten Bücher bei Ebay und die komplizierende Rolle der Privatanbieter und des neuen Shopsystems dort in etwa abschätzen. Das bedeutet aber nur, daß ich die Ursachen und die Folgen kenne, nicht aber die wahren Gründe.
Nach dieser langen Vorrede können wir, die ärgsten Verwirr-Faktoren sind fürs erste beiseite geschoben, auf eine Idee zu sprechen kommen, die mir heute beim Kaffee im Mensagarten, strahlender Sonnenschein und einige Schäfchenwölkchen, freundliche Gesellschaft von Germanistikstudenten und -innen, eingefallen ist. Ich halte sie im Prinzip nicht für neu - neu aber ist die Form der Anwendung, die ich vorschlage.
3.
Wir haben, ich komme aus den "notwendigen Vorreden" nicht heraus, Hl. Jean Paul, hilf mir, bekanntlich einen ungeheuren Stau dauernd unverkäuflicher Bücher in unseren Datenbanken liegen. Kontinuierlicher Zufallsabsatz tröstet zwar, macht den Braten aber nicht fett und ermöglicht höchstens den Datenbankmachern, ihren Zehnten weiterhin einzuziehen. Hier wurden schon viele Gründe benannt für den Bücherstau, sie mögen jeder für sich ihre Gültigkeit und ihren Wert haben - aber das alles entscheidende Kernargument fehlt noch.
Ich glaube, daß ich heute einen Teil davon entdeckt habe und auch gleich das Patentrezept zur Anwendung. Wobei ich meine Patentrezepte inzwischen selber fürche, aber das ist ein weites Feld.
4.
Wir haben ein künstlich konstruiertes, teils zwar historisch gewachsenes, längst aber irreales, völlig verkrustetes und qua Konstruktion offenbar unveränderliches, unbelehrbares Preismodell.
Technisch ist die völlig unmögliche Preisstruktur im Antiquariat nämlich die direkte Folge der Titeleingabe mit Preis über viele Jahre hinweg. Diese Titeleingaben werden, schon wegen der damit verbundenen Zeit und Mühe, nur äußerst selten überprüft und noch seltener erfolgt eine Preiskorrektur. Eine systematische Preisunterbieterei dagegen ist eher die Ausnahme, sie tritt fast nur bei Neueinträgen in die Datenbank auf. Millionen alter Titelaufnahmen aber bleiben unbearbeitet auf längere, auf lange Zeit stehen. Dies gilt auch für die geforderten Preise.
5.
Nun wäre es, wir sprachen schon davon, höchst gefährlich, ja töricht, allgemeine betriebswirtschaftliche Weisheiten anwenden zu wollen und daherzuschwadronieren von Marktregeln, von pauschalen Anpassungen, ob sachgruppenweise oder sonstwie. Das wäre alles Kokeklores und gehört den wohlmeinenden, aber praxisfernen Ökonomen um die Ohren gehauen.
Aber gibt es denn ein Rezept, eine Regel, eine Vorgehensweise, die es uns ermöglicht,
*mit den internen Methoden der Datenbank selbst und *unter Respektierung des Preisgestaltungswillens des einzelnen Antiquars
das aus den Fugen geratene, unordentliche, unglaubwürdige und hinderliche Preisgefüge des Altbuchmarkts zu korrigieren?
6.
Das im Folgenden zu schildernde System wäre, dann freilich sehr kompliziert, auf alle Verkaufsportale anwendbar. Seinen wirklichen Reiz entfaltet es aber nur, wenn die Antiquare ihre eigene Datenbank haben, die den Namen "Die Börse" dann auch wirklich verdient. Überdies gibt es kaum ein besseres Werbeargument für die neue gemeinsame Datenbank als folgendes Regelwerk:
7.
Die Preise solcher Titel, die vielfach angeboten werden, korrigiert die Datenbank automatisch prozentual nach unten. Das Ausmaß muß man noch diskutieren; Pi mal Daumen würde ich angemessen finden:
3-5 Titel gleichzeitig angeboten: 20 % billiger
6-10 Titel : 30 % billiger
10-20 Titel: 50 % billiger
über 20 Titel: 75 % billiger.
Der einzelne Antiquar kann sich auf Wunsch natürlich von solchen Korrekturen ausnehmen lassen. Da die Herabsetzungen prozentual vom ursprünglich geforderten Preis aus berechnet werden, bleiben die Qualitätsunterschiede weiterhin berücksichtigt.
8.
Natürlich sind das teils sehr hohe Werteinbußen für jeden Kollegen. Aber was nützen teuer angesetzte Titel, wenn sie im Lauf der Jahre schlicht und ergreifend nicht verkauft werden?
Andere Möglichkeiten sind rasch durchdiskutiert, sie taugen alle nichts. Ich kann gar nicht von der Zeitspanne ausgehen, in der Titel bisher unverkauft geblieben sind, denn gerade ausgefallene Themen gehen nach langer Wartezeit dann gern weg und sind typisch für den "tröpfelnden Dauerabsatz" im Netz. Ich werde den Teufel tun und etwa billige Titel herabsetzen, teure aber belassen. Je nach Thema, Ankauf und Kalkulation lebt der Antiquar vergnügt gerade von billigeren Preisstufen. Und auch im Bereich teurer Titel, Sven Hedin und Baedeker als Beispiel, sind ganz brutale Reduktionen vom Markt her dringend erforderlich.
Ich warne davor, bei extrem preisreduzierten Titeln davon zu sprechen, Angebot und Versand seien dann nicht mehr lohnend. Emil Ludwig: Napoleon ist auch zu 3 Euro + Porto zu verkaufen, vorausgesetzt, der Antiquar ist gut durchorganisiert und versteht Verkäufe dieser Art (auch) als Werbemöglichkeit. Natürlich gibt es hier Grenzwerte, von denen ab der Verkauf zur Groteske würde - solche Titel sollte man aber erst gar nicht einstellen. Nicht daß ich Kollege Heubergers radikalen Papiercontainer empfehlen möchte, in Köln verschwindet sowieso zur Zeit etwas viel im Boden, aber ein gutes Drittel bei fast jedem Ankauf sollte man zurücklassen, sogar auf Flohmarktniveau.
9.
Ich habs vor- und rückwärts durchdacht und komme immer wieder zum Resultat, daß diese Idee ein Teilbeitrag zur Überwindung unserer Absatzmisere ist. Und ein Beispiel dafür, wozu eine eigene Datenbank der Antiquare nützlich sein kann.
Das Foto zeigt den Verfasser in den Augen jener Kollegen, die den Beitrag bis hierher gelesen haben. Es ist Eigentum von vol.at und wird auf einfache Anforderung hin entfernt
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