Dienstag, 9. Juni 2009

Das dynamische Reduktionsmodell - ein Beitrag zur Absatzförderung

Gegenüber der Erstfassung leiste ich mir immer einige Korrekturen. Aktualisieren Sie gegebenenfalls die aufgerufene Seite, um auf dem neuesten Stand zu sein. Ich habe leider nur begrenzte Zeit zur Verfügung, perfekte Endfassungen sollten Sie nicht erwarten.

1.

Bei näherem Hinsehen fällt auf, daß ausnahmslos alle guten Ratschläge, die das Buchantiquariat aus der

*allgemeinen Betriebswirtschaftslehre und von den
*Neubuchhändlern

im Lauf der Zeit erhalten hat, völlig unbrauchbar waren.

Wie kommt das? Im Antiquariat gelten, betriebswirtschaftlich gesehen, erstaunlich komplexe Regeln und Zusammenhänge, die ein Außenseiter kaum je richtig einschätzen kann. Auch wirkt sich hier das bekannte Schichtenmodell in unserem Gewerbe aus - Edelantiquare stehen wie der Ochs am Berg vor kleinen Flohmarkt- und Mensa-Antiquaren und begreifen von deren Geschäft - nichts.

2.
Noch komplizierter wird alles bei Ebay. Nicht umsonst sind bereits einige mathematische Doktorarbeiten über Ebay geschrieben worden und auch ich kann, nach mehreren Jahren Ebay-Praxis, nur ausrufen "ich verstehe es nicht". Wohl aber kann ich die Folgen des Sondermarktes der alten Bücher bei Ebay und die komplizierende Rolle der Privatanbieter und des neuen Shopsystems dort in etwa abschätzen. Das bedeutet aber nur, daß ich die Ursachen und die Folgen kenne, nicht aber die wahren Gründe.

Nach dieser langen Vorrede können wir, die ärgsten Verwirr-Faktoren sind fürs erste beiseite geschoben, auf eine Idee zu sprechen kommen, die mir heute beim Kaffee im Mensagarten, strahlender Sonnenschein und einige Schäfchenwölkchen, freundliche Gesellschaft von Germanistikstudenten und -innen, eingefallen ist. Ich halte sie im Prinzip nicht für neu - neu aber ist die Form der Anwendung, die ich vorschlage.

3.
Wir haben, ich komme aus den "notwendigen Vorreden" nicht heraus, Hl. Jean Paul, hilf mir, bekanntlich einen ungeheuren Stau dauernd unverkäuflicher Bücher in unseren Datenbanken liegen. Kontinuierlicher Zufallsabsatz tröstet zwar, macht den Braten aber nicht fett und ermöglicht höchstens den Datenbankmachern, ihren Zehnten weiterhin einzuziehen. Hier wurden schon viele Gründe benannt für den Bücherstau, sie mögen jeder für sich ihre Gültigkeit und ihren Wert haben - aber das alles entscheidende Kernargument fehlt noch.

Ich glaube, daß ich heute einen Teil davon entdeckt habe und auch gleich das Patentrezept zur Anwendung. Wobei ich meine Patentrezepte inzwischen selber fürche, aber das ist ein weites Feld.

4.
Wir haben ein künstlich konstruiertes, teils zwar historisch gewachsenes, längst aber irreales, völlig verkrustetes und qua Konstruktion offenbar unveränderliches, unbelehrbares Preismodell.

Technisch ist die völlig unmögliche Preisstruktur im Antiquariat nämlich die direkte Folge der Titeleingabe mit Preis über viele Jahre hinweg. Diese Titeleingaben werden, schon wegen der damit verbundenen Zeit und Mühe, nur äußerst selten überprüft und noch seltener erfolgt eine Preiskorrektur. Eine systematische Preisunterbieterei dagegen ist eher die Ausnahme, sie tritt fast nur bei Neueinträgen in die Datenbank auf. Millionen alter Titelaufnahmen aber bleiben unbearbeitet auf längere, auf lange Zeit stehen. Dies gilt auch für die geforderten Preise.

5.
Nun wäre es, wir sprachen schon davon, höchst gefährlich, ja töricht, allgemeine betriebswirtschaftliche Weisheiten anwenden zu wollen und daherzuschwadronieren von Marktregeln, von pauschalen Anpassungen, ob sachgruppenweise oder sonstwie. Das wäre alles Kokeklores und gehört den wohlmeinenden, aber praxisfernen Ökonomen um die Ohren gehauen.

Aber gibt es denn ein Rezept, eine Regel, eine Vorgehensweise, die es uns ermöglicht,

*mit den internen Methoden der Datenbank selbst und *unter Respektierung des Preisgestaltungswillens des einzelnen Antiquars

das aus den Fugen geratene, unordentliche, unglaubwürdige und hinderliche Preisgefüge des Altbuchmarkts zu korrigieren?

6.
Das im Folgenden zu schildernde System wäre, dann freilich sehr kompliziert, auf alle Verkaufsportale anwendbar. Seinen wirklichen Reiz entfaltet es aber nur, wenn die Antiquare ihre eigene Datenbank haben, die den Namen "Die Börse" dann auch wirklich verdient. Überdies gibt es kaum ein besseres Werbeargument für die neue gemeinsame Datenbank als folgendes Regelwerk:

7.
Die Preise solcher Titel, die vielfach angeboten werden, korrigiert die Datenbank automatisch prozentual nach unten. Das Ausmaß muß man noch diskutieren; Pi mal Daumen würde ich angemessen finden:

3-5 Titel gleichzeitig angeboten: 20 % billiger
6-10 Titel : 30 % billiger

10-20 Titel: 50 % billiger

über 20 Titel: 75 % billiger.


Der einzelne Antiquar kann sich auf Wunsch natürlich von solchen Korrekturen ausnehmen lassen. Da die Herabsetzungen prozentual vom ursprünglich geforderten Preis aus berechnet werden, bleiben die Qualitätsunterschiede weiterhin berücksichtigt.

8.
Natürlich sind das teils sehr hohe Werteinbußen für jeden Kollegen. Aber was nützen teuer angesetzte Titel, wenn sie im Lauf der Jahre schlicht und ergreifend nicht verkauft werden?

Andere Möglichkeiten sind rasch durchdiskutiert, sie taugen alle nichts. Ich kann gar nicht von der Zeitspanne ausgehen, in der Titel bisher unverkauft geblieben sind, denn gerade ausgefallene Themen gehen nach langer Wartezeit dann gern weg und sind typisch für den "tröpfelnden Dauerabsatz" im Netz. Ich werde den Teufel tun und etwa billige Titel herabsetzen, teure aber belassen. Je nach Thema, Ankauf und Kalkulation lebt der Antiquar vergnügt gerade von billigeren Preisstufen. Und auch im Bereich teurer Titel, Sven Hedin und Baedeker als Beispiel, sind ganz brutale Reduktionen vom Markt her dringend erforderlich.

Ich warne davor, bei extrem preisreduzierten Titeln davon zu sprechen, Angebot und Versand seien dann nicht mehr lohnend. Emil Ludwig: Napoleon ist auch zu 3 Euro + Porto zu verkaufen, vorausgesetzt, der Antiquar ist gut durchorganisiert und versteht Verkäufe dieser Art (auch) als Werbemöglichkeit. Natürlich gibt es hier Grenzwerte, von denen ab der Verkauf zur Groteske würde - solche Titel sollte man aber erst gar nicht einstellen. Nicht daß ich Kollege Heubergers radikalen Papiercontainer empfehlen möchte, in Köln verschwindet sowieso zur Zeit etwas viel im Boden, aber ein gutes Drittel bei fast jedem Ankauf sollte man zurücklassen, sogar auf Flohmarktniveau.

9.
Ich habs vor- und rückwärts durchdacht und komme immer wieder zum Resultat, daß diese Idee ein Teilbeitrag zur Überwindung unserer Absatzmisere ist. Und ein Beispiel dafür, wozu eine eigene Datenbank der Antiquare nützlich sein kann.

Das Foto zeigt den Verfasser in den Augen jener Kollegen, die den Beitrag bis hierher gelesen haben. Es ist Eigentum von vol.at und wird auf einfache Anforderung hin entfernt