Freitag, 19. Juni 2009

Die Antiquare und der Börsenverein in Berlin - eine verpaßte Chance




Wer die laufende Diskussion unter den Antiquaren in den letzten Monaten Revue passieren läßt und sich daraufhin den Bericht unseres verehrten Redakteurs Biester in börsenblatt.net ansieht, der wähnt sich in einem Roman von Kafka. Über alle wichtigen Fragen, über die Chancen und Projekte wurde in Berlin offenbar nicht geredet, stattdessen die etwas peinliche Bilanz der "Zusammenarbeit zwischen (AG und/ oder) Börsenverein und GIAQ" besprochen.

Was soll denn der Rekurs auf dieses totgeborene Kind? Die GIAQ ist ein unglücklich konstruiertes Segment aus der Gesamtheit der Antiquare. Sie kann sich qua Verfassung kaum erweitern und führt uns, mea culpa, eines der untauglichsten Anwendungsgebiete des Genossenschaftsgedankens vor Augen. Ihre aktiven Mitglieder kommen seit jeher überwiegend aus dem Kreis der Edelantiquare, die von ihren Kerninteressen her im Verband am besten aufgehoben sind. Würde nicht die eigene Datenbank das Hobby eines immer gleichen Dutzend Genossen der ersten Stunde sein, dann wäre die Genossenschaft längst tot.

Dieses durch ein kleines Kerngrüppchen mühsam am Leben erhaltene Gebilde soll nun, man betrachte sich nur einmal sinnend die beiden vorgeschlagenen neuen Vorstände, in einer

Personalunion vernetzt werden mit der AG und dadurch mit dem Börsenverein.

Was wäre damit gewonnen? Die Antiquare wünschen sich nicht unbedingt einen weiteren GIAQ-Ableger in Gestalt der neuen AG.

Wer auf neue Ideen gekommen ist, wem sich die Chance böte, das groteske Dreigestirn Verband-GIAQ-AG aufzubrechen oder doch wenigstens zu erweitern, der verdummt und verspielt offenbar zur Zeit seine Möglichkeiten. Das gilt für Hoefs, dessen ohnehin undeutliche Haltung zur GIAQ sich paart mit ganz erstaunlicher Antriebshemmung und Tatenlosigkeit, was seine Internet-Antiquare angeht. Es gilt ferner für den für meinen Geschmack taktisch wenig klugen neugebackenen Kollegen Weinbrenner - hab ich ihm nicht prophezeit, daß das Xing-Modell für uns freiheitsgewohnte Antiquare Gift sei -, und noch weit mehr, jetzt aber schon skandalös und oberpeinlich, gilt dies für unseren verehrten Konsistorialrat RF Meyer-Berlin.

Da kommt einer auf die Idee, eine Reihe von Webseiten, von Angeboten, von Datenbankteilen einer recht ansehnlichen Gruppe von Antiquaren zu vernetzen. Nach anfänglichem Widerstand, nicht zuletzt auch von meiner Seite, entwickeln sich die vielfältigen Möglichkeiten, die diese seine Grundidee birgt, es wird klar, daß da etwas zu machen sei.

Gerade weil hier verkrustete Strukturen aufgebrochen werden können und weil gewissermaßen querlaufende, zu den vorhandenen Organisationsmustern teils kompatible, teils erfreulichst belebende Möglichkeiten sich auftun, fiebern wir von Tag zu Tag dem Ausbau, der Diskussion, den Plänen und Projekten rund um das RF Meyersche Gebilde entgegen. Um so vergnügter, als sich auch Kollegen hineinverirrt haben, denen die Tragweite der Möglichkeiten gar nicht klar sein konnte, etwa in Bezug auf die Zukunft der GIAQ, die an diesem Meyerschen Stolperstein ihr Ende finden könnte....

Wie auch immer, was tut und denkt die teilnehmende Kollegenschaft angesichts dieser Chance? Sie tut nichts. Es ist grauenvoll.

Der verrückte Mulzer, der ja auch jede Woche eine neue Sau durchs Dorf treibt, hatte sich nun in den Kopf gesetzt, den Börsenverein als Motor neuer Organisationsformen dieser und anderer Art auszugucken. Herübergekommen bis nach Berlin zum Börsenvereinstag ist aber davon offenbar nichts. Die kleine AG-Versammlung hat, wenn Redakteur Biesters Zusammenfassung korrekt ist, woran wir zu zweifeln keinen Grund haben, auf ihre Weise alle Erweiterungspläne, jegliche Neubelebung einer Zusammenarbeit des Börsenvereins mit den Antiquaren zu Grabe getragen.

Was bleibt? Mir scheint, alle Karten hat nun Kollege RF Meyer. Er muß sofort ein Denkzentrum einrichten und mit allen bisherigen und manchen neuen Teilnehmern weiterdenken, Planspiele vielfältiger Art inszenieren.

Er muß also jene Arbeit leisten, die die AG und damit der Börsenverein zu leisten - - verhindert (worden) ist.

950 von 1000 Antiquaren warten auf neue Organisationsstrukturen, auf Arbeitserleichterung, Monopolfreiheit, Absatzsteigerung.


Das Foto zeigt den Berliner Tagungsraum der AG, wie er wirklich war... - Mit Dank an die ganz ausgezeichnete Webseite der "Berliner Unterwelten", der das Foto gehört und die zu besuchen ich jedem historisch Interessierten ans Herz legen möchte.