Mittwoch, 23. September 2009

Zwischenbericht aus der Werkstatt

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1.
Wer einen Blog für seine Kollegen schreibt, der hat eine Warn- und Wächterfunktion, ob er nun will oder nicht. Bei drohender Gefahr muß er bellen. Das ist kein Rufmord, auch keine Beleidigung, sondern berufsbezogenes kritisches Hinschauen, nicht mit dem Anspruch, Ewigkeitswerte zu schaffen, sondern aus der persönlichen Sicht des Augenblicks.

Ich warne in diesem Sinn weiterhin vor den Aktivitäten von Leander Wattig. Er setzt, immer nach meiner persönlichen Einschätzung, seine frischgebackenen Informatik-Kenntnisse mit einer beispiellosen Dreistigkeit um, ohne allzuviel Rücksicht auf Netz-Anstand und mit Methoden, die an eine Täuschung der Antiquare und Buchhändler grenzen. Bei der Lektüre einiger neuer Veröffentlichungen zu dem widerlichen Thema (von mir auf gut deutsch gesagt:) "Wie mißbrauche und manipuliere ich das Internet zu geschäftlichen und persönlichen Zwecken" bin ich fast wörtlich auf Anleitungen gestoßen, die er umzusetzen versucht.

Bei Gelegenheit werde ich mich zu einem Grundsatzbeitrag über ihn aufraffen. Bis dahin schaue ich noch zu - und erfreue mich, nicht ohne mitunter anerkennend zu grinsen, an so viel jugendlicher Chuzpe. Über seine Opfer kann ich nur bedauernd den Kopf schütteln: Die Naivität stirbt nicht aus auf dieser Welt.

2.
Wenn eine Bibliothek aus Adelskreisen wertvolle Titel erwerben darf, dann mögen wir nachdenklich den Millionen hinterhertrauern, die aus unseren Steuergeldern in die Taschen jener Herren fließen, die man nach dem ersten Weltkrieg zu enteignen leider versäumt hatte. Der Vorgang wird nicht unbedingt erfreulicher durch die Vermengung unserer Steuergelder mit der Penunse privater Sponsoren, die sich an Ankäufen dieser Art beteiligen - irgendwie ein düsteres, unklares, aber altbewährtes Verfahren, gegen das sich im Grunde nichts einwenden läßt.

Dann mag es geschehen, daß sich die erwerbende Bibliothek hinreißen läßt, den Adelsgeschlechtern, die gönnerhaft die Millionenbeiträge aus staatlicher und anderer Hand entgegennehmen, den Barscheck auch noch auf Knien zu überreichen. Da das Ganze in Bayern stattfindet, darf ichs etwas Deftiger formulieren: Die Bayerische Staatsbibliothek kriecht, nach meiner persönlichen Einschätzung, einem Geldadelsgeschlecht publizistisch in den - Arsch. Halten zu Gnaden. Wie anders kann der unbefangene Leser es beurteilen, wenn er in offiziellen Pressemitteilungen der Staatsbibliothek die Formulierung "Seine Durchlaucht" entdeckt, schamhaft mit "S.D." abgekürzt?

Über Würde kann man verschiedener Ansicht sein, und wer Spaß daran hat, vor geadelten Nachfahren eines der düstersten Bankiersfiguren der frühen Neuzeit in die Knie zu fallen, mag es getrost tun.

Wenn er aber Generaldirektor einer hochangesehenen staatlichen Einrichtung ist, also den Bürgern eines Freistaats und den deutschen Bürgern überhaupt verpflichtet ist, dann darf er das nicht.

Um dies gerichtlich untersuchen zu lassen, habe ich auf meine Herbstferien verzichtet und stattdessen, das Budget des Bürgerlichen Hauses Mulzer ist begrenzt, dem Verwaltungsgericht München einen nicht unerheblichen Prozeßkostenvorschuß, wie ich es laienhaft formulieren darf, angewiesen. Was tut man nicht alles, um deutschen Bibliotheken staatsbürgerlichen Anstand beizubringen.

Nochmals: Vor einer staatlichen Einrichtung sind alle gleich. Das haben wir 1789 eigentlich gelernt. 1918 ist diese Lektion vertieft worden. Dies gilt auch für Bayern. Und ich glaube fest daran: Wenn ich spontan und tief gekränkt worden bin in dem, was ich als mein Gefühl für die eigene staatsbürgerliche Würde empfinde, wenn ich wirklich *getroffen* wurde durch diese Formulierung, beleidigt in einem tieferen Sinn - und wenn der Generaldirektor, um Korrektur gebeten, windige Ausflüchte dergestalt macht, in Wiki stehe das halt so - dann muß ich auf meine Herbstferien verzichten und nachschauen lassen, ob in Bayern, in München staatsbürgerliche Rechte noch gelten.

3.
Das Ergebnis der Webseitenuntersuchung hat mich, was nicht häufig vorkommt, sprachlos gemacht. Ich sitze seither stundenlang da, trinke einen Kaffee nach dem anderen und versuche, Konsequenzen auszuloten und Rettungspläne aufzustellen. Gescheites kommt aber nicht dabei heraus. Weitere kursorische Vorprüfungen anderer Antiquariatswebseiten führen zu ähnlichen Ergebnissen - schauerlich, katastrophal, neben einigen sehr guten, herzerfrischenden Webseiten nur unterstes Mittelmaß im besten Fall, in der Regel aber lieblos zusammengestümperte Gebilde. Als Sympathieträger für unser Gewerbe völlig ungeeignet.

Aber was tun?

Ich habe mir füs Wochenende eine Analyse der Buchportale vorgenommen, diesmal etwas tiefer und radikaler angelegt als beim letzten Test vor einem halben Jahr. Vor allem werde ich auch internationale Datenbanken heranziehen. Es wird Abbildungen geben und Beurteilungen, die in Notenform nachzulesen sind.

Vielleicht kommen wir so weiter. Das Webseitenbündnis jedenfalls, so gut es als Grundidee war, ist für mich gestorben. Wie sagt man so schön beim Konkursverfahren: "Mangels Masse". Mit diesen überwiegend unsäglichen Seiten kann man kein Webseitenbündnis auf die Beine stellen.



Den sympathischen Bayerischen Löwen leihen wir mit Dank bei "Lesefüchse e.V." aus, in deren Besitz das Bild bleibt. Das Foto wird auf formlose Anforderung hin sofort entfernt.