Montag, 28. September 2009

Ein deutsches TomFolio - oder antbo redivivus?

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1.
Wir besitzen nun zwei in dieser Form bisher nicht greifbar gewesene Arbeitsunterlagen.

Die eine ist unvollständig, nicht sehr systematisch und bewußt feuilletonistisch gehalten - die Untersuchung einiger Kollegenseiten des "Webseitenbündnisses" vor 10 Tagen. Als Instrument weitaus besser brauchbar ist der Portal- und Datenbanktest, den Sie hier in den letzten Tagen nachlesen konnten.

Zunächst noch eine Randbemerkung zum Portaltest. Es gibt eine Vielzahl von Performance-Untersuchungen im allerweitesten Sinn, mit denen ich Stockungen bei der Stichwortabfrage, Probleme beim Seitanaufbau oder Unvollkommenheiten im Abruf bestimmter Datensatzelemente hätte registrieren können. Bei solchen - rein technischen - Fragen hüpft das Herz unserer denkfaulen EDV-Techniker, gleich sind sie zur Hand und müllen uns mit gigantischen Tabellen voll.

Solches wäre vor wenigen Jahren noch sinnvoll gewesen. Heute aber hat die Datenbanktechnik einen hohen Grad an Perfektion erreicht. In aller Regel hakt es heute nicht bei den technischen Datenbank-oder Portalproblemen, sondern an vernünftiger Usability fehlt es, am pfleglichen Umgang mit den Kunden und an elementarem gutem Geschmack. Weil das so ist, habe ich gern auf den technisch-funktionalen Teil der Untersuchung verzichtet. Eine technisch gut funktionierende Datenbank auch unter hoher Belastung ordentlich zu führen, das traut sich heute, zurecht, jeder Dresdner oder Karlsruher Fachabsolvent zu.

Ich hätte auch munter aus den vereinigten Skandalchroniken plaudern können, denn die Entwicklung bestimmter Portale, etwa die von Chapitre, Abebooks, Antbo, Prolibri, TomFolio gleicht streckenweise einem Kriminalstück oder auch einer Provinzposse, besonders gilt das für unser ZVAB, das von einer genialen Datenbank mit einfachen, klaren Formen zu einem problematischen, graphisch versauten und taktisch verdummbeutelten Gebilde im untersten Mittelfeld der Portale verkommen ist, jedenfalls lehrt uns dies das Testergebnis. Aber durch Reminiszenzen dieser Art wäre die Untersuchung, die von mir altem Dampfplauderer ohnehin eine ungewohnte Disziplin abgefordert hat, in ihrer Objektivität gefährdet worden.

Wir sind vom "Antiquariats-Anzeiger", der meine Testserie bis zur Stunde angstvoll verschwiegen hat, in letzter Zeit mit einigen interessanten strategischen Daten zur Rangfolge und Abfragefrequenz der deutschen Portale versorgt worden. Das ist nicht nutzlos, hat aber mehrere problematische Fragezeichen eingebaut.

Exkurs: Ich rufe in technischen Fällen stets meine Gewährsperson auf, die recht hoch angesiedelt im Dienste der Wirtschaft EDV- und Internetfragen beruflich bearbeitet. Das gestaltet sich in der Regel so, daß ich mir, nach knapper Anfangsfrage, halbstundenlange Kurzeinführungen in die Problematik bestimmter technischer Ansätze anhören darf.

Einiges davon bleibt auch in meinem armen Kopf hängen. Ich habe erfahren, daß ich weder mit Google-Ranking noch mit Alexa-Daten noch mit Zugriffs- und Klickdaten in unserem - sehr besonderen - Fall eines

*Referenz- u n d Verkaufsportals

mit überwiegend n i c h t standardisierten Angeboten besonders weit komme. Ich darf sie, ohne nähere Untersuchung, nur als nebelhafte Ansatz m ö g l i c h k e i t e n nutzen. Meiner Gewährsperson sind, um ein Beispiel zu nennen, sowohl ZVAB als Abebooks gut vertraut. Die unterschiedlichen "typischen" Anfrageprofile seitens der "typischen" Nutzergattungen beider Datenbanken in Deutschland gestatten einen technischen Vergleich, so höre ich, sozusagen gar nicht.

Was da zählt, was wir suchen, aber nicht erfahren, sind die altmodischen, simplen und schlichten Umsätze. Darum geht es.

Daß wir über noch so fleißige Kollegenabfragen die Umsätze nicht erfassen könen, auch nicht ansatzweise, haben wir immer wieder betrübt feststellen müssen. Das liegt an der Auswahl unserer befragten Kollegen, nicht so sehr an ihrer Auskunftsfreudigkeit, denn zuverlässige Antworten bekämen wir schon, wenn wir denn nur einen echten Durchschnitt unserer etwa 500 "Aktiven" ermitteln und befragen könnten. Das ist uns bisher noch nie gelungen, nicht einmal in Ansätzen.

Angesichts dieser Probleme, die sich noch weiter aufzählen und aufdröseln ließen, habe ich den Portal- und Datenbanktest auf das beschränkt, was wir ermitteln k ö n n e n. Es sind zugleich die Fragen, die den Nutzer, den Kunden interessieren. Der Test wurde aus der Sicht des Kunden gemacht, das darf nicht vergessen werden.


2.
Nun wird in der bekannten Weise versucht, die Ergebnisse des Tests und vor allem die peinlichen Einzelheiten zu unterdrücken und zu verschweigen. Weder die Xing-Gruppe noch das Häuflein Unentwegter um Kollegen Hoefs noch gar die niederrheinische Allianz mit protestantischen Antiquaren und weitaus weniger christlichen Berliner Kollegen können daran interessiert sein, daß das Gros der Antiquare von den Ergebnissen erfährt. Nur eben, da lobe ich mir Tante Google: Dieses Schweigekartell läßt sich ganz und gar nicht durchhalten. Ich will Schiller nicht bemühen, diverse Textstellen fallen mir ein mit dem Grundtenor "...kommt doch ans Licht der Sonnen".

Die Datenbanken ihrerseits werden, nach anfänglichem überheblichem Lächeln über das neueste Produkt des alzheimerdebilen Greisen Mulzer aus Freiburg, den man ja kennt, nichtwahr, sich in die Untersuchung einlesen und zwei angeregte Stunden damit verbringen. Denn dort sitzen ja Fachleute, und die interessiert das allemal. Die Auswertung findet im stillen Kämmerlein statt, wir erfahren davon wenig. Das Lächeln wird ihnen ebenso vergehen wie mir - denn das Erlebnis der Vielfalt der Portale, die unsäglichen Stümpereien im Datensatz-Darbietungsbereich, die Menge an Takt- und Lieblosigkeiten, an Stil- und Usabilitysünden hat nicht nur mich baff gemacht, sowas hätte ich nicht erwartet.


3.
Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube und sage offen, wie es nun weitergehen soll. Denn irgendetwas müssen wir schon machen aus den Ergebnissen, die wir so nicht erwartet hatten, ich am wenigsten. Daß TomFolio recht nett anzusehen war, ist mir früher, bei gelegentlichen, nach Sekunden zählenden Besuchen, schon aufgefallen; auch ist mir deren "coop"-Geschichte natürlich bekannt. Niemals hätte ich erwartet, daß das Ergebnis für TomFolio derart glänzend und so weit abgehoben vor allen anderen Portalen sein würde. TomFolio ist die echte Überraschung des Tages.

Die zweite ist "antbo", über das wir in nächster Zeit noch einiges zu besprechen haben werden, das gilt auch für jenes seltsame, teils geniale, teils aber auch ein wenig konfuse "bibliophile.net", über das ich noch separat recherchieren werde. - Ganz enttäuscht und sehr ernstaunt bin ich über die ZVAB-Misere, und auch meinen alten Stolperstein, das (Sprachfehler:) Prolibri hätte ich doch nicht so tief in der Rangliste vermutet. Bei den Franzosen freilich war ich auf Fürchterliches gefaßt. Auch Maremagnum hatte ich in ganz elend schlechter Erinnerung.

Es gibt nun zwei neue Wege, zwei Möglichkeiten für die deutschen Antiquare.

Sie scheinen mir beide vernünftig, und es ist ja ganz gut, wenn man zwei Möglichkeiten parallel untersucht.

TomFolio versteht sich ausdrücklich als "international". Als genossenschaftliche Bücherdatenbank (Vorsicht: "coop" deckt sich nicht ganz mit unserem deutschen "genossenschaftlich") steht sie in einsamem, scheints recht verzweifeltem Abwehrkampf gegen die großen Kraken im US-Markt. Man könnte die Datenbank, fast 1:1, ins Deutsche übersetzen und von Stund an gäbe es zwei Teile in einem, den deutschen Zweig und den US-Zweig. ZVAB macht es mit seinem englischen Ableger ja ebenso.

Der andere Weg wäre, antbo zur deutschen gemeinsamen Datenbank im Besitz der Antiquare zu machen.

Beide Punkte werde ich in den nächsten Tagen hier weiterdiskutieren. Da es mir erfolgreich gelungen ist, sowohl aus dem (zur Zeit scheintoten) Antiquariatsableger des Börsenblatts wie auch aus der Xing-Gruppe hinausgeworfen zu werden, im wesentlichen wegen fehlender sittlicher Reife, soweit ich das überblicke - gestaltet sich diese Diskussion etwas einseitig. Das hat aber auch Vorteile: Allein denkt sich origineller (leider nicht etwa besser).

In diesem Sinne freundlichen Gruß.