Montag, 14. September 2009

Webseitenkritik des Angebotsbündnisses, Folge 1 > Wir ahnen Schreckliches

Vorspruch:
Jeder Webring ist so stark wie sein schwächstes Glied







Unter einem wenig gloriosen Sammeltitel ("Webseitenbündnis") und in mustergültig chaotischer Desorganisation haben sich einige deutsche Antiquariate zu dem zusammengeschlossen, was man am ehesten noch als einen "Webring" bezeichnen könnte - auch wenn die werten Kollegen noch Lichtjahre von den funktionalen Erstklässlerweisheiten entfernt sind, die einem Webring zugrundeliegen.

Der Blog, den Sie gerade lesen, hat, wie Sie wissen, die selbstverschuldete Blödheit der deutschen Antiquare (mich nicht ausgeschlossen) als nahezu einziges Thema. Um so lieber künde ich gern und lauthals das Lob der zugrundeliegenden Idee des Webseitenbündnisses, mit dem Zusatz: Es könnte viel draus zu machen sein, so man nur wollte.

Aber man will lieber mauscheln, intrigieren, Katzenbüsis streicheln, selbstquälerisch seine Lebensfrist mit Titeleingaben verbringen - auch wenn elementare Zeit-Ertragsrechnungen uns zeigen, daß man als Putzfrau beim Kaufhof mehr verdient... jedenfalls solang die grauenhaften Organisationsmängel in unserem schönen Gewerbe nicht beseitigt werden.


Sehen wir uns doch einmal an, wie die Antiquare in Gestaltung und Funktionalität ihrer Webseiten vorangekommen sind. Ich kann das ganz erbarmungslos tun, denn ich bin in Sachen Webseitenabsatz als alter Ebay-Mann kein direkter Konkurrent zu diesem Kollegenring, Schmähkritik ist auch nicht beabsichtigt, denn jedes meiner zu erwartenden Urteile beruht, nach bestem Wissen und Gewissen, auf Fakten, und die Kollegen müssen in Gottes Namen damit rechnen, daß ihr Webangebot, solang es sich als Verkaufsofferte an eine breite Öffentlichkeit richtet, gnadenlos getestet wird. Auch hat mein Blog minimale Zugriffszahlen und ist außerhalb unseres Fachbereichs völlig unbekannt. Manchmal ist das gut so...

Ich kritisiere im Interesse der Antiquare, die Kunden dagegen sind mir an und für sich egal. Wir quälen sie, unsere Kunden, durch unsere organisatorische Zersplitterung und Inkonsequenz ohnehin bis aufs Blut. Mir geht es für heute um das Wohl und Wehe der Kollegen. Man kann nur dann besser werden, wenn offen geredet wird. Die ätherischen Pflasterflügel und die sanft-tückischen Damen mit dem alten Tintenfaß mögen dann Retourkutschen fahren - ich habe einen breiten Rücken.

Die Reihenfolge der Webseiten entspricht dem Alphabet.


Angelibri

Die Sachgliederung ist höchst kurios. Der Antiquar muß sich schon etwas mehr Gedanken dazu machen, so geht es nicht. Wir wissen ja, was er meint, aber die Hälfte der Gruppen überschneiden sich, sind in sich enthalten oder ganz einfach unvernünftig. So darf ein Antiquar seinen Bestand nicht aufgliedern wollen.

Das Postgelb, auch noch in mehreren abgeblaßten Farbnuancen, ist hier unschön. Überhaupt, siehe SFB, Vorsicht mit bestimmten Gelb-, Rot- und Brauntönen...

Die Vorstellung der werten Person des Antiquars ist zu prominent, auch wenn Angeli das nett formuliert. - "Büchersalon" ist eine hübsche Idee; freilich auch - Frisiersalon... - "Mein Name ist Rudolf Angeli" - bitte so nicht. Sehen wir die Tagesschau?

"Anspruchsvolle Literatur" , igitt. Bitte ein für alle mal Vorsicht mit dem Wort "anspruchsvoll". Arrogant, eingebildet, hochtönend, wollen wir so wirken? - Die Idee mit dem Riesenfeld einer Listung vorhandener Autoren ist gut, freilich muß dann das Namensmeer dann (Heidenarbeit, ich weiß) auch verlinkt werden. Sonst wirkt es, wie hier, peinlich. - Noch mehr gilt dies für die Rubrik "neu gelistet". Ohne Verlinkung ist das Kundenveralberung.

Die ersten Sätze in "Was Sie von mir erwarten dürfen" empfinde ich als uneinheitlich - ein wenig Selbstbeweihräucherung, aber auch Hausierengehen mit Selbstverständlichkeiten. Daß es so nicht läuft, muß Ihnen, lieber Kollege, ihr guter Geschmack schon sagen.

Die Rechtsbedingungen sind von erfrischender Kürze, Kompliment! Dito ein tadelloses Impressum.

Ihre Riesenrubrik "Hilfe" ist das Musterbeispiel einer unsinnigen Antiquariatsseite. Lassen Sie den Kinderkram doch weg, wenn Sie das nicht klarer und besser sagen können. In dieser Form ist es - ganz überflüssige - Kundenveralberung. Sofort herausnehmen, ersatzlos!

Die Aufteilung und Darbietung Ihres Felds "Suchaufträge" ist kafkaesk - Absurdistan hoch2. Jeder Kollege wird mir da beipflichten. Sofort herauswerfen! - Ihre Rabatt-Rechenkünste bei "Sonder-Angebote", auf deutsch "Sonderangebote", wirken erst erheiternd, dann oberpeinlich. Was sollen diese Mätzchen?

Nun ans Eingemachte. Ihre Titelaufnahmen sind schlicht und ergreifend unleserlich. Mit dieser tabellarischen Form beleidigen Sie ihre Kunden, anstatt sie zu erfreuen. Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, daß und weshalb die gute alte, durchgängig lesbare Titelaufnahme unersetzbar ist. Angesichts dieser Misere erspare ich mir weiteres Eingehen auf die teils merkwürdigen Inhalte der Titelaufnahmen.

Benotung der Webseite:

Äußere Gestaltung/ Eingangsseite ... 4
Einführungs-, Vorstellungs- und Erklärungstexte ... 2-3
Titeldarstellung, Titelaufnahmen ... 6

Zur Ermittlung der Gesamtnote zählen jeweils

Äußere Gestaltung/ Eingangsseite ... 40 %
Einführungs-, Vorstellungs- und Erklärungstexte ... 20 %
Titeldarstellung, Titelaufnahmen ... 40 %

Damit kommt die Angelibri-Webseite auf die Gesamtnote 4,5

Lieber Kollege, ich gehe davon aus, daß Sie ihre Webseite sehr schnell und gründlich umbauen und Ihre Titeldarstellungen an Haupt und Gliedern reformieren werden. Sonst bleiben Sie im nächsten Frühjahr sitzen.

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Antiquariat Bergische Bücherstube

Wollen mal sehen, was der altbewährte Kollege auf die Beine gestellt hat. - Nach wie vor sympathisch wirkt die Formulierung "Bücherstube", da schwingt viel Positives mit. Die drei Eingangssätzchen lassen sich in besserem Deutsch in einen Satz zusammenziehen, wirken dann freilich weniger affig. Bitte nicht beeindrucken wollen mit übergroßen Verbandssigneten. Copyright-Vermerke zur eigenen Webseite wirken peinlich, besonders dann, wenn der Vermerk sachlich falsch ist und juristisch unnötig wie ein Kropf.

Das unschöne Signet "Saferpay" ist nicht verlinkt und wirkt auf der Eingangsseite deplaziert. Auch bei den blauen "Schwerpunkten" erwartet man Verlinkungen. Das animierte lesende Männlein erfreut unser Herz. Gute Idee: Englischer Text - nur reicht die englische Flagge zur Kenntnisnahme nicht aus (und: es gibt Leser aus den USA). Diese Einzelkritik soll nicht verbergen, daß die Gestaltung der Eingangsseite formal und farblich außerordentlich gut gelungen ist.

Im "Informationsteil" taumelt der Verfasser zwischen Vergangenheits- und Gegenwartsform hin und her. Auch sollte man Wischiwaschiworte wie "Information" hier vermeiden - schließlich ist alles im Web Information. - Daß Kollege Mewes einen Verlag unterhält, sollte er nicht nur im Nebensatz mitteilen. Auch fehlt beim Ankauf vorn ein Registerpunkt. - Wieder gefällt hier die ausgezeichnete graphische Gestaltung der Seite.

Die "Geschäftsbedingungen" würde ich in dieser ausführlich-quälenden Form auf den Müll kippen, aber falsch sind sie nicht und wir dürfen hoffen, daß sich kein Kunde bis hierher verirrt. -

Höchst unklar ist die Navigation. Der Gestalter hat zugunsten des schönen Bildes der Seite ganz versäumt, uns zu sagen, wie wir von welchem Punkt zum nächsten kommen. Da ist ziemlich böse und muß subito geändert sein. Kein leser kann z.B. wissen, wie er von der Seite "Geschäftsbedingungen" zur "Online-Bestellung" kommt - der Link ist dort tot.

Nanu, was ficht uns an - -: Wir rufen hoffnungsvoll die Seite "Katalog" auf, und was finden wir, nur und lediglich? - Eine Suchmaske!!!

Haben wir Kölner Karneval, oder soll hier Dadaismus praktiziert werden? Wer seine Kunden, immer nach meiner persönlichen Einschätzung, derart veralbert, hat für die (schrecklichen) Folgen geradezustehen. Gebe ich in das Suchformular "Goethe" ein, werden mir 294 Titel an den Kopf geknallt. Kennen wir nicht die blödsinnigen durch Punkte unterstrichenen Titelaufnahmen? Richtig - - das ist doch das Prolibri-Elend vom Dienst!

Sagen tut uns das alles der werte Kollege nicht. Notabene: Es ist nicht dumm, die eigenen Bestände aus einem großen Webkatalog in die Webseite hineinzueskamotieren. Dann muß ichs dem Kunden, der einen statischen Katalog erwartet - m e i n e n statischen Katalog - aber deutlich sagen.

Ich darf nie und nimmer unter meiner eigenen Rubrik "Katalog" nur mit einem - - Suchformular antraben.

Das geht aus einem tieferen Grund nicht. Der Kunde erwartet auf der Webseite des Händlers einen

*flüssig lesbaren Katalog

studieren zu dürfen. Darin besteht die wichtigste Funktion der Webseite des einzelnen Antiquars für den Kunden - - daß sie ihm den Papierkatalog ersetzt. Was solls sonst, bitte, sein - einfach nur ein Zugangsportal zum großen Katalog, eingegrenzt auf die eigenen Einlieferungen? Dann kann ich als Kunde auch gleich an den Katalog gehen (und tippe dann ein, man weiß weshalb, www.zvab).

Kollege Mewes, das ist, wie ich meine, Kundenveräppelung, die Sie da betreiben. Ich weiß, daß die Pflege statischer Kataloge eine mühselige Sache ist. Aber entweder Sie tun sich das an - oder Sie lassen es ganz. Auf diese Weise sich um die Bereithaltung eines statischen Katalogs herumzudrücken, das ist, weiterhin immer nach meiner persönlichen Einschätzung, gegenüber dem Kunden nicht fair. Weil Sie Erwartungen wecken, die Sie dann nicht erfüllen.

Und nun zur Gesamtnote:
Äußere Gestaltung/ Eingangsseite ... 1-2
Einführungs-, Vorstellungs- und Erklärungstexte ... 2
Titeldarstellung, Titelaufnahmen ... 6

Daraus ergibt sich nach dem oben genannten Schlüssel eine Gesamtnote von 3,5
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Fazit: Eine im Ansatz recht gute Seite, die aber mit einem strategischen Kardinalfehler behaftet ist.



Für das Webring-Bild danken wir http://derekhorne.tripod.com. Es bleibt Eigentum der zitierten Webseite.