Freitag, 5. August 2011

Öffentliches Bibliotheksgut in den Fängen privater Verlage



Die große Schande - Öffentliches Bibliotheksgut in den Fängen privater Verlage




Man muß das Börsenblatt nicht lieben, aber wir respektieren seine korrekte Berichterstattung. Leider gibt es dabei auch böse Ausrutscher.

Heute macht uns Redakteur Biester in, die Bemerkung sei gestattet, gespielter Naivität auf eines der übelsten Projekte aufmerksam, die sich die Auslieferung öffentlicher Bibliotheksbestände in die Hände privater Verleger zum Ziel gemacht haben.

Der reine Hohn ist schon die Überschrift, die gewählt wird: "Deutsch-niederländische Kooperation zur Digitalisierung", denn natürlich denkt  der Leser hier an eine löbliche Zusammenarbeit im Wissenschafts- oder Bibliothekskontext.

Was aber findet in Wahrheit statt? Ein ehrenwerter Verlag scannt /fotographiert /digitalisiert Bestände, die sich in

*öffentlichen Bibliotheken befinden, mit
*öffentlichen oder für die Öffentlichkeit gedachten Geldern oder Sponsorenzuwendungen erworben wurden,

die also  a l l e n  gehören.

Soweit, so gut. Er will aber daran verdienen, und zwar in ganz unglaublichem, Sie gestatten mir die persönliche Meinungsäußerung: in  schändlichem  Ausmaß. Das Possenspiel geht weiter: Nicht nur ein Verlag will sich seine Arbeit bezahlen lassen (Harald Fischer in Erlangen), ein zweiter, bekannt für ebenso gute wie in der Regel exorbitant teure Veröffentlichungen, Brill in Leiden, "koordiniert" die, wie ich wiederum für mich privat in den Bart murmele, "Mauschelei" mit der beteiligten Bibliothek - und sahnt seinerseits ab.

Natürlich weiß das Börsenblatt das, die Herren können ja lesen. Aber  k e i n  W o r t  fällt über den Reibach, der da gemacht wird, mit öffentlich erworbenem und öffentlich bewahrtem Bibliotheksgut.

Das "Lizenzsystem" ist fast so grausam wie die Abzocke, der die Bibliotheken derzeit von einigen naturwissenschaftlichen Verlagen im Bereich der Zeitschriftenabonnemente ausgesetzt sind. Es sind aber auch hier, im herangezogenen Beispiel, ganz lachhafte, völlig unrealistisch konstruierte Unsummen, die gefordert werden.

So lassen sich öffentliche Bibliotheken zu  B ü t t e l n  privater Verleger machen, sie prostituieren sich. Und weil wir alle Träger der Bibliotheken sind, wir alle dafür zahlen - werden wir als Steuerzahler und akademische Bürger Mitgefangene solcher Prostitution der öffentlichen Hand.

Öffentliche Bibliotheken dürfen sich nicht dazu hergeben, Ausnützungsobjekte privater Verlagsunternehmungen zu werden!

Und das Börsenblatt sollte sich schämen, uns diese Fakten zu verhehlen. Das nenne ich nämlich - Heuchelei.

Für die Ausleihe des hübschen Buchdeckels bedanke ich mich bei Tomi Ungerer, der die Rechte daran besitzt. Bild wird auf formlose Aufforderung hin entfernt.

Unsere Datenbank der a k t i v e n Bibliotheks- Desiderata



Unsere Datenbank der  a k t i v e n  Bibliotheks-
Desiderata im Abwehrkampf gegen die Amazon-
Abebooks-ZVAB-Monopolkrake




1.
Die Antiquare verhalten sich angesichts der Tatsache, daß  ein einziger Monopolist, A m a z o n, gut 90 % des Internetabsatzes der Antiquare im deutschen Sprachbereich kontrolliert, wie furchtsame Kaninchen gegenüber der riesigen Schlange - sie ducken sich regungslos in Schockstarre.

Sie wissen, daß es wohl keinen Ausweg mehr gibt, also trösten sie sich mit irgendwelchen Kinkerlitzchen im Messewesen und durch Verbesserung ihrer persönlichen Webseiten. Beides kann die Hand der Amazon-Entscheider aber nicht am quälend langsamen Zuziehen der Garrotte hindern. Der Weg kann nur mit der wirtschaftlichen Versklavung der vom ZVAB  an Amazon schmählich und unter Bruch etlicher Zusagen  v e r k a u f t e n  Antiquare enden, entweder durch ein Franchisesystem mit Scheinselbständigkeit der Antiquare oder durch noch raffiniertere Systeme, die, darauf verwette ich meinen Hut,  bei Amazon in Vorbereitung sind - Momox läßt grüßen.

Am Beispiel des sprachlich abgeschotteten deutschen Antiquariatsmarkt, dem der Export als Ausweg praktisch verschlossen bleibt, kann Amazon nun beispielhaft durchexzerzieren, wie es sich die Eroberung des Buchweltmarktes vorstellt.

Amazon entwickelt sich zum  G o o g l e  des deutschen Antiquariats. Unter freundlichem Säuseln und Einlullen wird jeder Altbuchhändler zur Marionette des ZVAB-Abebooks-Amazon-Verbunds niedergeführt.

Wer mithilft, dieses fürchterliche Marktgeschehen zu vertuschen, zu verschweigen, der macht sich mitschuldig an der wirtschaftlichen Entmündigung, die dem deutschen Antiquariat unmittelbar bevorsteht. Hier klage ich neben der Genossenschaft, die in letzter, entscheidender Stunde in ganz grotesker Weise versagt, auch das Börsenblatt an. Es wird unter Redakteur Dr. Biester seiner Verantwortung nicht gerecht. Verschweigen ist auch eine Form des Vertuschens.

2.
Wir Alemannen im alten Südwesten des Reichs geben aber so schnell nicht auf. Unsere Dickschädel halten manches aus, was Preußen und Bayern zu Angsthasen macht. Das war schon immer so. Deshalb rege ich an, daß wir - wenn es schon zu größeren Aktionen nicht reicht - wenigstens eine beharrliche und zähe Politik der kleinen Schritte versuchen.

Dazu gehört zum Beispiel die Einrichtung einer berufseigenen Datenbank der Suchgebiete unserer Bibliotheken, Archive, Museen und anderen staatlichen Einrichtungen, auch der Länder, Städte, Universitäten, privaten Forschungsreinrichtungen usw.

Die Ansätze zu Datenbanken und Registern gesuchter Bücher sind, soweit sie mir seit 30 Jahren untergekommen sind, allemal und ohne Ausnahme töricht, ungenügend, stümperhaft und weitgehend unwirksam geblieben. Auch die privat organisierten Suchdienste, Besorgungsunternehmen usw. waren und sind im Lichte der technischen Entwicklung inzwischen tölpelhaft. Weshalb?

Es geht vor allem darum, die Bibliotheken, Archive, Museen usw. dazu zu bringen,

- ihre Sammelgebiete nach einer vorgegebenen Gliederung, die mindestens 100 Sachgruppen umfassen sollte, darzulegen  u n d, was fast noch wichtiger erscheint,

- mitzuteilen, welche der Gruppen  a k t i v  gesucht wird (und was als Suchgebiet zur Zeit eher nicht gepflegt werden kann).

Früher hatten sich die Bibliotheken, nicht ohne Grund, mitunter geweigert, solche Erwerbungswünsche publik zu machen, da sie befürchten mußten, dann besonders teure Angebote zu erhalten. Dieser Grund fällt mit der Nivellierung der Preise durch das Internet, verbunden mit einer fast perfekten Preistransparenz im Antiquariatsmarkt, inzwischen weg.

Die nachsuchende Bibliothek kann also darauf rechnen, daß sie marktkonforme, korrekte Angebote aus dem Antiquariat erhält.

Ich muß mich nun etwas unhöflich ausdrücken: Die Informationspolitik im Bereich

I u D (Informations- und Dokumentationsprogramm der Bundesregierung) und

S d D (Sammlung deutscher Drucke)

ist himmelschreiend schlecht. Ich habe zwei Aktenordner mit den Unterlagen kopiert und verkünde ex kathedra, daß  k e i n  Antiquar wirklich und praktisch verstehen kann, und wohl auch nicht verstehen soll, was dieser theoretische Wust eigentlich für seine praktische Arbeit bedeuten mag.

Denn wenn man als bibliothekarischer Laie schließlich mit Hilfe der (inzwischen auch schon mehrere tausend Seiten umfassenden) Universitäts- und Institutslisten, mit den SdD- und IuD-Unterlagen sich ein kompliziertes Angebotsprofil erstellt hat, nach dem man vorgehen könnte - da stürzt man in einen peinlich-lächerlichen Abgrund, der schlimmer und blöder nicht gedacht werden kann: Man erfährt jetzt erst durch Einzelanfrage, welches dieser zugewiesenen oder für sich postulierten/reklamierten Sachgebiete qua laufendem Etat wie und unter welchen (oft absurden) Voraussetzungen und Bedingungen überhaupt  a k t i v  ist als Ankaufswunsch. In der großen Mehrzahl der Fälle sind für den anbietenden Antiquar die Suchgebiete nur noch deklamatorisch und das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt worden sind.

Besonders ärgerlich ist dies dann, wenn sich der Antiquar die Mühe gemacht hat, selber Lücken im elektronisch erfaßten Bestand der suchenden Institution ausfindig zu machen. Er unterbreitet dem Sachreferenten quasi das Papier, das jener hätte erarbeiten müssen, schon fertig zum Gebrauch. Was ist die Folge? - Ablehnung mit kurzen Verlegenheits-Emails, die Arbeitszeit des Kollegen ist vertan. Ärger auf breiter Front!

Weil sich daran in nächster Zeit wenig ändern wird, müssen wir zu  a k t i v e n  Suchwünschen der Bibliotheken, Archive, Sammelstellen kommen. Will sagen, daß die Einrichtung mitteilt - und ihre Mitteilungen auch pflegt - , was sie wie unter welchen Bedingungen und Einschränkungen anzukaufen gewillt ist, womöglich teilt sie noch die Erfasssungstiefe ihrer elektronischen Nachweise mit, damit der Antiquar selber forschen kann.

Diese Datenbank muß, das ist zwingend, standardisiert geordnet werden. Irgendwelche Wischiwaschi-Suchwünsche, wie sie etwa die großen Buchportale aufzunehmen pflegen, sind in der Praxis kaum brauchbar. Auch sollten gesuchte Einzeltitel nur als Ausnahme vermerkt werden, viel nützlicher sind Suchgebiete, seien sie auch noch so eng gefaßt.

Diese Datenbank müssen wir als Grundmaske zur Verfügung stellen und sie dann aktiv andienen. Ich habe vor Jahren schon eine provisorische Liste größerer Fachbibliotheken, Archive usw. bei der Zahl 500 abgebrochen, in dieser Größenordnung werden auch die Einladungsschreiben versandt werden müssen.

Ich verspreche mir davon

- einen kleinen Beitrag zur Eingrenzung der Amazon-Abebooks-ZVAB-Krake im deutschen Antiquariat,
- einen Anstoß zu aktiverem Gedankenaustausch zwischen Bibliothek und Antiquariat,
- eine Unterstützung der Bibliotheken zur Überwindung ihrer grauenvollen Etatbeschränkungen, die gerade den Ankauf antiquarischer Titel ins Herz treffen,
- eine Gewöhnung des Antiquariats an gemeinsame, solidarische Projekte, die allen gratis zur Verfügung stehen.

Es ist Pfingstsonntag früh 3 Uhr, ich breche den Gedankengang hier ab. Nun steht der Samstagskrimi nachträglich auf dem Programm, per Festplatte mein geliebter Wilsberg.


Das Foto (Dank ans Bundesarchiv) zeigt Antiquare beim Bereitstellen eines neuen Angebots an die Inkunabelabteilung er Staatsbibliothek Pr.KB Berlin

Buchpreisbindung im Antiquariat?



Antiquariat, Buchpreisbindung, Titelaufnahme, Momox und die Folgen

Ein bisher wenig beachteter, strategisch interessanter Gesichtspunkt im weiteren Zusammenhang Antiqariat vs.Neubuchhandel ist der automatische Verlust der Buchpreisbindung beim Übergang neuerer Titel ins Antiquariat. Ich spreche hier nicht von Modernem Antiquariat, auch nicht von gestempelten Retourenbüchern und anderen Prozeduren, die der Neubuchhandel seit jeher intern durchführt, ohne daß wir Antiquare viel damit zu tun bekämen - bis auf die leidige Frage, inwieweit die Stempelung mit ihren teils widerwärtigen und gehässigen Zwangsformulierungen ein Buch dauerhaft entwertet.

Ich weigere mich hartnäckig, schnippisch durch Gummistempel "Preisreduziertes Mängelexemplar" zerstörte Titel auch nur anzufassen, und jedesmal neu hasse ich die Täter. Es hätte längst ein anderer, schonenderer Weg gefunden werden müssen, um unberechtigte Umtauschrückgaben und andere Manipulationen reduzierter Neubücher zu unterbinden. Wer neuwertige Titel mit Filzschreiberlinien oder Stempeln im Schnitt verunziert, dem gehört der Umgang mit Büchern verboten.

Das ist aber nicht unser Regiebereich. Wir Antiquare erhalten bei der Titelaufnahme immer häufiger quasi die originale Titelei des Neubuchhandels vorgeführt, durch ISBN-Nummerneingabe oder - weitaus klüger - das automatisierte Einscannen der Buchnummern. Damit haben wir - oder könnten wir doch haben - immer auch den seinerzeitigen oder, falls noch lieferbar, den aktuellen  N e u p r e i s.

Zwei Anmerkungen gleich hier: Wenn es zur Reform der Titelaufnahme nach System Mulzer im Antiquariat kommt ("Freiburger Modell"), dann besorgen die Antiquare das, was der Neubuchhandel töricht und dümmlich versäumt hat und weiterhin versäumt - die echte, eingehende und  n o r m i e r t e  F e i n - Gliederung nach den Sachgebieten des Inhalts. Wir werden also in einer Übergangszeit wieder vom schematischen Einkopieren  der Titeleien des Neubuchhandels abkommen müssen, bis die neuen Sachgruppen-Standardtiteleien vorliegen und alle Antiquare - außer Momox und der Amazon-Abebooks-ZVAB-Krake - die neuen normierten Titeleien wieder durch Mausklick einkopieren können /dürfen.

Und, Punkt zwei, die Antiquare kennen natürlich (hoffentlich) die Markttendenzen, sie unterscheiden zwischen Büchern, die 20 Mark gekostet hatten im Buchhandel und heute nur noch einen Euro wert sind - und anderen mit einstmals gleichem Buchhandlungsneupreis, die heute 20 Euro bringen im Antiquariat. Zwar helfen uns da automatisierte "Preisfindungstools" für Antiquare weiter, aber die sind immer auch ein Stück weit des Teufels, hochgefährliche und zerstörerische Netz-Tändeleien, wir müssen ihnen demnächst einmal auf die Finger schauen - und hauen -, aber das ist ein anderes Thema.

Zurück zum Grundgedanken: Wäre es möglich, auch im Antiquariat zu einer Art Semi-Preisbindung zu kommen? Wer sagt eigentlich, daß die Antiquare nicht unter veränderten Bedingungen in irgendeiner ähnlichen Form "ihre" Preisbindung einführen sollten und könnten? Dabei würde man als wichtigste formale Variable, die das Neubuch vom antiquarischen unterscheidet, den unterschiedlichen Erhaltungszustand haben, der ist aber sehr gut definierbar und dann durch alle Kollegen standardisiert nachzuvollziehen.

Das kann gravierende Rückwirkungen haben auf den Ankauf, zum einen. Aber müssten die Rückwirkungen zum Beispiel auf unsere Kundschaft unbedingt nur negativ sein? Wir kommen ohnehin noch mehr als bisher - hoffentlich - vom Einzelankauf gewöhnlicher neuerer Titel weg und forcieren den Ankauf ganzer Lose und Nachlässe, was eine Neubelebung des flächendeckenden Ankaufs und rege Fahr-Bereitschaft erfordert. Lohnt sich fast immer! Dann rechnet der Kunde nicht penibel nach, was er ohnehin nicht darf, auch nicht nach den neuen System - die Absetzbarkeit der Titel ist ja weiterhin ganz unterschiedlich, unabhängig von freiem oder gebundenem Preis.

Die Auswirkungen auf Momox und Nachahmer sind dabei zu diskutieren, auch auf die von der Schweiz herüberschwappenden Billigst-Schuppen, und natürlich redet der heimliche Herrscher von 90 % unserer Internetantiquare, Amazon, hier ein bestimmendes Wort mit. Oder könnten wir das als Waffe der unabhängigen Antiquare gegen Amazon verwenden?

Ich würde mir wünschen, daß diese Grundfrage, die vor allzulanger Zeit unter den Antiquaren diskutiert worden ist, einmal gründlich untersucht würde. Wo bleiben unsere Wochenendseminare zu solchen und anderen Fragen in Frankfurt, in der Buchhändlerschule, mit gutem Kaffee, spendiert vom Börsenverein des Neubuchhandels für die Antiquare, seine ungeliebten Schmuddelkinder?

Die muntere Kuh gehört scout-logic. Wir danken für die Ausleihe.

Kann eine Ladenpartnerschaft zwischen Neubuchhandel und Antiquariat gelingen?



Kann eine Ladenpartnerschaft zwischen Neubuchhandel und Antiquariat gelingen?





Es lohnt sich, aus der Antiquariatsabteilung des Börsenblatts zu den Neubuchhändlern hinüberzuschauen, wo noch lebendig diskutiert werden darf.

Das Interwiew mit Tchibo-Chef Markus Conrad habe ich mit Vergnügen studiert und schließe mich dem Leserkommentar von Michael Dreusicke an, der schreibt: "Auf so dichtem Raum so viele treffende Informationen unterzubringen, ist für mich sowohl sprachlich wie inhaltlich ein Hochgenuss. Ein großartiges Interview!"

Noch interessanter finde ich die Gedanken des Kollegen Markus Groß im gleichen Kommentarteil.

Schade, daß Dr. Biester solche für das Antiquariat hochwichtigen Überlegungen nicht in seine Sparte hinüberzieht. -  Ich darf zitieren:

"Es gibt ein flächendeckendes Sterben von Ladenantiquariaten. Neu-Buchhändler sehen zu selten, dass das sie betrifft oder betreffen könnte. Die Kunden von Antiquariaten sind Leser, sind zumindest buchaffin. Warum also nicht Neubuch und Gebrauchtbuch/antiquarisches Buch unter einem Dach. Wie auch immer das im Einzelfall aussieht. Ich habe 2 Buchhandlungen. In beiden gibt es auch (unterschiedlich in der Menge) gebrauchte und antiquarische Bücher. Gleichzeitig (demnächst aber räumlich getrennt) kaufen wir Altbücher an und bestücken diverse online-Plattformen. D.h. angekaufte Bücher können entweder online oder stationär angeboten werden - das verbessert die Margen und bringt mehr Kunden in den Laden. Aber: Jeder muß seine eigene Startegie finden. Übrigens: Warum ermöglichen es Antiquariate ihren Kunden nicht, auch mal ein Neubuch dort zu bestellen?"

"Kleiner Einschub: Warum gibt es eigentlich keinen kleinen 'Verlag der Antiquare', in dem (als Gegengewicht zu googlebook) vergiffene interessante Bücher neu aufgelegt werden. Für die, die sie lesen wollen ... und zB als BoD Titel weil preiswert. Das Naserümpfen der Edelantiquare ignoriere ich ... irgendwer Interesse?? Und: Ja, das bringt auch finanziell etwas und das Risiko ist begrenzt. Versuchen??"

Beide Punkte bergen in sich ausreichend Stoff für Wochenend-Tagungen (Buchhändlerschule Frankfurt, wir kommen), denn sie könnten wichtige Bausteine für einen Ausbau, ja für den N e u b a u  des Antiquariats werden und zugleich den krebsenden kleineren Buchhandlungen Anregungen bieten.

Sehen wir mal näher hin.

A.
Wie so oft müssen wir etwas Methodik in die Diskussion einbringen, sonst wird gar nichts klar. Es gibt, sagen wir ungeschützt, zwei Grundformen des Ladenantiquariats. Die eine nähert sich dem Flohmarkt an oder sie tut wenigstens so. Es gibt die Bücher, womöglich vor dem Laden, die in Bananenkartons oder, noch schlimmer, in Plastikcontainer gebiegt, zum "Grabbeln", auf rohen Atelier- oder Tapetezierbeinen. Auch gute, mittlere Kollegen meinen, auf solche Attribute nicht verzichten zu sollen, da sie Kunden anziehen würden. Das ist ein schädliches Ammenmärchen! Mittlere Antiquariate versauen sich das ganze Image, wenn sie sich dergestalt der Flohmarktebene anbiedern.

Ähnlich widerlich und schädlich ist das entgegengesetzte Extrem, in das peinlicherweise geade Billigantiquariate mit höchst fragwürdiger Ware verfallen - nämlich in Sauberkeit, Pingeligkeit und sonstiger Darbietung die Neubuchhandlung zu imitieren. Das hasse ich, weil es verlogen wirkt.

Wir sehen also im Laden-Antiquariat eine *Anbiederung nach unten (Flohmarktstil) und eine *Anschmusung nach oben (Neubuchhandlungsstil). Beides ist von Übel. Es muß vielmehr eine  m i t t l e r e  S c h i e n e  im Ladenantiquariat gefahren werden. Musterbeispiel für eine gute mittlere Schiene im Ladengeschäft des Antiquars ist das uns allen visuell ja bestens bekannte Wilsberg-Antiquariat in Münster. So - und nicht anders.

Wenn wir uns da einig sind, würde ich Thesen aufstellen, über die man streiten sollte.

1)
Das Antiquariat muß sauber und deutlich erkennbar abgetrennt werden vom Neubuchsortiment. Die mir bekannten, sehr wenigen Beispiele, in denen beide Sortimente vermischt wurden, waren völlig chaotisch und in jeder Hinsicht unbefriedigend. Das "Sauberkeitsimage" des Neubuchs kann nicht gewahrt werden, wenn daneben oder gleich darunter ein staubiges Gebrauchtbuch steht. Und auch das antiquarische Buch wirkt plötzlich schäbig und "alt" neben seinem verlagsneuen Bruder. Das geht nicht!

2)
Von den Preisen her sehe ich kein Problem. Der Kunde, auch der buchferne, hat es im Gefühl, daß gebrauchte Ware etwa die Hälfte, sehr benutzte nur ein Drittel der gleichen Neuware kostet. Solche Differenzen und Abstufungen werden als organisch empfunden - null Schwierigkeit.

3)
Ich muß die beiden Grundbereiche Neubuchhandlung und Antiquariat, sogar dann, wenn nur ein gemeinsamer größerer Raum zur Verfügung steht, auch einrichtungsmäßig abschotten, so gut es geht. Die Buchhandlung ist eher ein "Steh"-Bereich, das war sie schon immer und die Lesesessel und Leseecken sind zwar erfreulich und wünschbar, gehören aber nicht zwingend zur Neubuchhandlung vom Image her. - Anders beim Antiquariat. Hier ist die Leseecke, sind die Lesesessel fast die Seele des Ladens, hier lesen die Kunden viel länger und konzentrierter als in der Neubuchhandlung. Hat der Antiquar dafür keine Vorsorge getroffen, rächt sich solche Versäumnis bitter.

Es ist nun ein Ding der Unmöglichkeit, den Neubuchkunden neben einem Antiquariatskunden in der Sitzgruppe zu haben, denn auch und gerade beim Lesen in der Hand des Kunden stört sich die "alte" mit der "neuen" Ware. Ich muß also jedenfalls  z w e i  Erlebnisbereiche schaffen. Wenn mir das gelingt, und sei es nur durch zwei Lesebereiche in den entgegengesetzten Ecken des Ladens, dann kanns was werden.

4)
Nun ist aber das Geschäft des Antiquars ein völlig anderes als das des Neubuchhändlers. Dem verbreiteten Irrtum, es sei irgendeine Gemeinsamkeit zwischen dem Abarbeiten von Grosso-Neubestellungen und dem Ankaufen und Einordnen antiquarischer Literatur, muß man entgegentreten. In Wahrheit sind auch das zwei verschiedene Welten.

Das führt uns zu der Überlegung, ob die Kooperation zwischen Neubuchhandlung und Antiquariat nicht überhaupt besser als Zusammenarbeit zwischen zwei verschiedenen, durchaus getrennten Betrieben zu planen wäre. Dabei kommt uns ein wichtiges, ja ein - entscheidendes Merkmal zu Hilfe:

Der Neubuchhandel braucht zwingend Schaufenster und ebenerdige Lauflage. Im Antiquariat konnte man seit jeher, wenn - dies freilich als Bedingung - kleinere Schaukästen und Schaufensterteile zur Verfügung standen, auf großartige Schaufensterdekoration und Präsentation verzichten. Noch wichtiger ist die alte, inzwischen etwas vergessene Erfahrung, daß Ladenantiquariate in einem bequem zu erreichenden  e r s t e n  S t o c k  recht gut unterzubringen sind. Eine Treppe, falls sie nicht zu verwinkelt und gut ausgeschildert ist, wird akzeptiert.

Der Regelfall einer guten Kooperation des Neubuchhandels mit dem Antiquariat wird also darin bestehen, daß sich ein Neubuchhändler mit einem Antiquar in eine lockere, in jeder Hinsicht abgetrennte Art Betriebsgemeinschaft begibt, wobei der Antiquar die billigere Miete im ersten Stock (und natürlich eine Ecke des Neubuchladens zum "Appetitmachen") bezahlt, während die Neubuchhandlung unten wie bisher weitermacht.

Daß sich daraus eine neue gemeinsame Stärke, eine vielfältige Synergie ergibt, versteht sich von selbst. Auch in der Werbung wird man beide Betriebsformen immer säuberlich getrennt - bei gemeinsamem Auftritt - halten, um die schädliche Auswirkung des Antiquariats auf die Neubuchhandlung zu vermeiden.

Der Kunde will eine klare, saubere Neubuchhandlung, er darf nicht vermuten müssen, Neubücher mit Schmuddelcharakter zu erwerben. - Für das Antiquariat ist ein solches Abfärben nicht zu befürchten.

Vorteile also für beide!



Das Buchdeckelbild gehört dem Ökotopia-Verlag

Berufsschule im Antiquariat? Ein Lehrplan muß her!






Es ist keine Schande, Anleihen bei allgemeinen Schulwesen zu machen und sich zu erinnern, wie das geordnete Unterrichten in einem Kulturstaat organisiert ist. Das preußische System, das wir aus der "Feuerzangenbowle", aus "Professor Unrat" und Ecksteins "Besuch im Karzer" nur als Karikatur kennen, ist ein gutes Arbeitsvorbild.

Zunächst muß der Lehrstoff festgelegt werden. Das ist nicht ein nebuloses Gebilde aus Grundsätzen und Thesen, sondern eine überraschend präzise ausgeführte riesenhafte Tabelle, in der für alle Fächer der ganz konkrete Inhalt aufgelistet und in einen zeitlichen Ablauf gebracht wird. Womit fangen wir an? Welche Schritte sind unverzichtbar, welche nur am Rande wichtig?

Wir finden solche Ausarbeitungen in alten Schulprogrammen bis um die Jahrhundertwende 1900 oft als als Falttabellen. Es lohnt sich, da näher hinzusehen! Die Lehrer diskutierten in lange vorbereiteten Tagungen ernsthaft darüber, zum Teil sind auch gedruckte Protokolle veröffentlicht worden.

Erst dann wurden, nachdem das Kultusministerium (das schon in den Tagungen beteiligt gewesen war) seine Zustimmung gegeben und die Endfassung redigiert hatte, die Lehrpläne veröffentlicht.

So muß das natürlich auch bei berufsbezogenen Kursen gehen.

Ich habe den frischen Mut bewundert, mit dem vor zwei Jahren seitens eines - wie üblich recht intransparenten - Kreises rund um Dr. Biester, das ZVAB und einige interessierte Kollegen ein Kurs- bzw. Lehrprogramm zusammengestoppelt oder besser "hingemauschelt" worden ist. Das war aller Ehren wert in der Sache, in der Methode aber von kindlicher Naivität getragen - und in der Durchführung schauerlich.

Wie kommt man nun zu einem Lehrplan? Indem man sich klarmacht, daß es in unserem Gewerbe besonders wenig Standards gibt, die für alle Betriebsarten gelten. Bei welcher Gelegenheit gleich mit der irrigen Annahme aufgeräumt werden muß, der "Wendt" sei als Lehrbuch geeignet, oder gar das Plauderbuch meines alten Bekannten Bender-Freiburg. Auch sind Anleihen beim Neubuchhandel völlig unsinnig, zu unterschiedlich sind die Arbeitsmethoden.

Es mag lehrreich und sinnvoll sein im Einzelfall, wenn sich (wie in den ZVAB-Kursen) alte Hasen des Gewerbes einer kleinen Gruppe Lernwilliger annehmen und die Tricks und Erfahrungen ihrer eigenen Berufspraxis "lehren". Da haben wir in etwa auch das Prinzip der AG im Börsenverein - einige Tage hineinzuschnuppern in den Betrieb von Fachkollegen, Bibliotheken, Archiven, unter sehr sachkundiger Führung, das bringt eine ganze Menge - - aber durch das Fehlen einer methodischen Grundlage bleibt das Ganze

* beschränkt auf einen kleinen Kreis, wärend es der größeren Allgemeinheit nutzen könnte,
* subjektiv und willkürlich, nicht ausdiskutiert, notwendigerweise einseitig.

Die Erarbeitung eines Lehrstoff-Übersichtsplans mit Gewichtung der einzelnen Teile (beides gehört dazu, sonst entsteht nur eine Art lexikalischer Stoffübersicht) ist immer die Sache eines gewählten oder aus nachvollziehbaren Gründen ernannten Gremiums, eines  A u s s c h u s s e s.  Das sind 5-10 Fachleute des Gewerbes, möglichst aus verschiedenen Arten und Schichten des Berufs.

Sie tauschen sich meist schon im Vorfeld aus oder aber sie kommen mit ausgearbeiteten eigenen Entwürfen und diskutieren sie an einer Wochenendtagung in Frankfurt mit dem Ziel, einen

*gemeinsamen Kompromißentwurf mit dem gewichteten Gesamtstoff eines Lehrprogramms "Antiquariat"

zu erstellen, der dann auch gedruckt bzw. ins Internet gestellt wird. Es ist das wie in den alten Schulprogrammen eine große Tabelle, in den senkrechten Spalten die Hauptgattungen des Lehrstoffs, in jeder Spalte fettgedruckt die unverzichtbaren Wissens- bzw. Lehrstoffe, kleiner gedruckt das Ergänzende, weniger Wichtige, möglichst von oben nach unten in eine zeitliche Abfolge des Lehrkurses gebracht.

Für jeden Lehrer sind das Selbstverständlichkeiten, aber wir Hobbypädagogen müssen lernen, wie man sowas macht. Es spart viel Zeit und Mühe.

Ein weiterer Grundsatz, im Unterrichtswesen früher leider nur im Volksschulbereich durchgeführt, ist die allgemeine Zugänglichkeit für  j e d e r m a n n. Es geht nicht an, Lehrmaterial nicht zu veröffentlichen oder Kurse so teuer zu machen, daß sich lernwillige Kollegen ausgeschlossen fühlen.

Vor allem aber: Ich kann nicht von den Kollegen erwarten, daß sie Zeit und Grips aufwenden, um ein Lehrprogramm durchzudiskutieren und zu verabschieden, wenn die Früchte ihrer Arbeit dann nicht allgemein zugänglich gemacht werden. Die Verhehlung von Fachwissen, wie sie auf dem Campus mancher "Privatuniversitäten" und noch mehr im gehobenen Privat-Fachschulwesen zur Zeit immer ärgere Sumpfblüten treibt, ist ein himmelschreiender Blödsinn in der Sache und zugleich eine Sünde des Herzens. Der öffentliche Diskurs wird dadurch behindert, den jeder Fortschritt braucht wie die Pflanze Licht und Luft, das Gift der Kommerzialisierung schleicht sich ein und zerstört Goodwill und Idealismus.

Zur praktischen Durchführung der Kurse wollen wir uns hier demnächst Gedanken machen. Für heute bitte ich Sie, die großen Faltpläne der preußischen Lehrer im Kopf zu behalten und sich auch sonst in der weiteren Planung nicht zu schade zu sein, Anleihen beim Schulunterricht früherer Zeiten zu machen. Zur Erinnerung - es gibt auch ein Berufsschulwesen in Deutschland, das als weltweit führend gilt. Seitenblicke dorthin sind keine Schande.

Wir lernen: Ohne einen verabschiedeten, anerkannten L e h r p l a n  läuft schon gar nichts im beruflichen Unterricht. Und den müssen wir nun diskutieren.

Das Freiburger Modell als sachgebietsorientierte, kundenaktive Bücherdatenbank






1)
Im Abwehrkampf um die Freiheit der deutschen Antiquare gegen die 90 % -Monopolkrake Amazon-Abebooks-ZVAB darf uns kein Weg zu mühsam, keine Überlegung zu umständlich sein. Die Lage wird sich nach Ablauf der Einlullungsphase bald verschlechtern, denn Amazon wird, so müssen wir vermuten, nach altem Konzernbrauch  anfangen, seine Büttel und Agenten einzukaufen.

Der Tag wird kommen, an dem Amazon  M e s s e n  und  T a g u n g e n  sponsert, Bibliophilenvereinigungen neu gründet, Literaturpreise  auslobt und auf der ganzen Klaviatur der Heuchelei und Schönfärberei spielt, die unser Kulturbetrieb dem Monopolisten mit prall gespicktem Geldbeutel ermöglicht.

Einige Fragezeichen bleiben. So wissen wir noch nicht, ob Redakteur Biester das Börsenblatt, Abteilung Antiquariat, an die Amazon-Abebooks-ZVAB-Krake publizistisch verraten wird. Wir tun uns schwer damit, abzuschätzen, inwieweit das unglückliche Gebilde einer selbständigen Dienstleistungsgesellschaft, das sich der Börsenverein vor einigen Jahren hat einfallen lassen, gegen die Insertionsmacht der Krake frei, freimütig, freigeistig wird bleiben können. Geld schafft an, sagt man in Baden, auf preußisch: Wer zahlt, befiehlt. Dr. Biester, dessen redaktionelle Sätze ohnehin immer spärlicher werden und der so gut wie gar keine Meinungen mehr hat, wird uns da nicht aufklären.

Ähnlich nebulös, aber womöglich von noch größerer Bedeutung ist die Frage, wie sich Wiesler und w+h verhalten werden. Sie sind nolens volens mit dem ZVAB an Amazon-Abebooks verraten worden (welche Formulierung nur meine persönliche Wertung darstellt) und haben vielleicht gar keine Wahl: Wes Brot ich eß, deß Lied ich sing. Aber ehe ich Wiesler / w+h den Lakaien des 90 % - Monopolkraken zurechne, möchte ich eine Alternative aufzeigen.

2)
Das Freiburger Modell, Teil 2

Wir sprachen gestern von der Wünschbarkeit eines aktiven Desideratenkatalogs der Bibliotheken, Archive, Museen und anderer institututioneller Bücherkäufer im Antiquariatsbereich.

Denken wir das Modell weiter, dann kommen wir recht bald zur Frage: Könnten wir nicht auch private Sammler in das System einbauen? Noch einen Schritt weiter entwerfen wir dann noch ein Modell des Bücheranbietens, das ich neudeutsch geschwurbelt mit "just-in-time" bezeichnen darf.

Stellen wir uns zunächst vor, daß neben den öffentlich-rechtlichen Einrichtungen auch bedeutendere Sammler, oberhalb eines festzulegenden Mindestgrads an Ernsthaftigkeit, Stetigkeit und Kaufkraft, in ein

*elektronisches automatisiertes, täglich weitergeführtes Anbietemodell

einbezogen würden. In Ansätzen gibt es Vergleichbares natürlich längst, aber alle mir bekannten Systeme sind mehr als unvollkommen. Deshalb denken wir am besten neu.

In einer Feingliederung und Gewichtung, die über den gestern vorgestellten  Ansatz einer 100-Sachgruppen-Gliederung weit hinausgeht, werden die  S u c h p r o f i l e  von etwa 500 bücherkaufenden Institutionen und 500 privaten Büchersammlern gespeichert. Denken wir uns diese Speicherung als die rechte Seite des Modells.

Auf der linken Seite treffen nun unsere Titelaufnahmen ein. Sie entsprechen der Gliederung auf der rechten Seite. Jeder Titel wird sofort nach Eintreffen im Datenbanksystem den (einen, mehreren, vielfachen) Sammelprofilen zugeordnet. In Abständen, über die zu reden sein wird, gelangt die Angebotsliste p u n k t g e n a u  zu jenen instuitutionellen und privaten Interessenten, die sich für eines oder mehrere Suchprofile eingetragen haben.

Das gibt es schon beim ZVAB und anderswo, bei Amazon seit olims Zeiten? Ja - und nein. Im Antiquariat hat das Verfahren nur dann einen praktischen Sinn, wenn wirklich punktgenaue Zielangebote übermittelt werden können. Alles andere wäre S p a m oder Augenwischerei als sogenannte Zusatzleistung zum Portalbetrieb und würde fast wirkungslos verpuffen.

Ich kann da nicht genug warnen! Machen wir uns nicht die Mühe einer zielgenauen Angebotstechnik, wird bald ein Heer genervter Bibliotheksreferenten und hilflos zugemüllter Sammler die Einstellung des Angebotsdienstes einfordern. Es ist hier gar nix zu machen mit den ach so geliebten "Stichworten" und anderen Verblödungstechniken, die sich immer nur EDV-Fachleute einfallen lassen, die vom Antiquariat wenig verstehen. Es geht das nur mit sauberen, präzisen Sachgebiets r u b r i z i e r u n g e n.

Das erfordert einiges Nachdenken bei den Einrichtungen und Sammlern, die ihre Profile nach unseren Vorgaben ja einreichen müssen - und noch mehr Arbeit bei uns Antiquaren. Wir müssen endlich, endlich lernen, mit feingegliederten  s t a n d a r d i s i e r t e n  Sachgruppen zu arbeiten. Ich fordere das seit 10 Jahren, und immer noch lachen die Kollegen schallend über die Dummheit dieser meiner fixen Idee... ich weiß.

Ein fester Sachgebietskatalog hat mit "Sozialismus" oder "militärischem Kommandoton" wenig zu tun, um so mehr mit gesundem Geschäftssinn.

Wie sieht das "just-in-time"-Modell aus?

Kollege Plocher gibt um 18 Uhr, interessiert beäugt von seinem Antiquariatsbüsi, hinter dem Nordseedamm diesen Titel ein:

"Erfahrungen eines nordelbischen Geistlichen unter Napoleon I. . Seine Haft in der Oldenburger Zitadelle und die Verbrennung seiner Schriften. Aurich 1832"

Plocher fügt nun aus jenem Sachgebietsschlüssel, der auf dem Schreibtisch jedes Antiquars liegt und der offiziell beschlossen und verabschiedet worden ist, die Rubriken an für

"protestantische Kirche > Erinnerungen einzelner Geistlicher (Pfarrermemoiren)"
"Geschichte > Napoleonische Zeit (Befreiungskriege)"
"Zensur, Bücherverbot, Bücherverbrennung"
"Kriminologie > Gefängniswesen"
"Deutsche Landeskunde > Oldenburg und Ostfriesland"
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Auf diese Weise  e r s c h l i e ß t  Plocher das Buch, und das sollte in Zukunft die Hauptleistung des Antiquars sein. Natürlich kommt jede Indizierung, die nach dem neuen allgemeinen Schlüssel erfolgt ist, in die entsprechende Datenbank, aus der jeder Kollege die bereits erfaßten Titel mit Indizierung entnehmen und für sich wiederverwenden kann.

Soweit, so einleuchtend. Spannend wird es dann, wenn nun auf der anderen Seite, wie Schlüssel und Schloß, der neue Titel automatisch und zielgenau in den Angebotskorb der Nutzer gelangt.

Wie die Übermittlung und Präsentation der Titel stattfinden soll, das wird sehr gut zu überlegen sein. Ich tendiere dazu, eine Art

S c h l i e ß f a c h - System einzurichten,

wo jeder Nutzer "seine" neuen Titel "seiner" Interessensgebiete abholen, will sagen einsehen und bei Interesse auch gleich bestellen kann.

Da es auf Schnelligkeit ankommt und bei halbwegs besseren Titeln der Ärger jener Kunden, die zu spät gekommen sind, beträchtlich sein kann, wird ein allgemeines Gerenne stattfinden. Die Öffnungszeit der "Schließfächer" wird man täglich auf zwei Termine, etwa 12 Uhr und 18 Uhr, festlegen. Bis dahin angesammelte neue Titel werden zu genau dieser Zeit für alle eingetragenen Interessenten minutengenau gleichzeitig sicht- und bestellbar.

Für den Antiquar ist das Grundgefühl recht reizvoll - während er den Titel einträgt, weiß er, daß wenige Stunden später alle im Sachgebiet eingetragenen Interessenten seine Arbeit sehen werden.

Ich muß im übrigen warnen: Das System läßt sich  n i c h t   abspecken, auch nicht vereinfachen. Ohne die Feinmgliederung im obigen Beispiel funktioniert mein System überhaupt gar nicht, vor allem nicht von Seiten der institutionellen Kunden her.

Das hängt mit den Bibliotheksstrukturen der größeren Häuser zusammen. Ich verhehle nicht, daß ich vor allem dem Sachbearbeiter der größeren UB, des größeren MPI-Instituts usw. ein p u n k t g e n a u e s  Angebot, das ganz tagesaktuell ist, unterbreiten möchte. Das ist die Seele, ohne die mein Modell nicht funktionieren kann.

Es würde ein weiterer Laufgraben sein im Abwehrkampf gegen die drohende Monopolisierung unserer Absatzwegen, ein Beitrag zur Demokratisierung unseres Berufes und auch sonst ganz nützlich, wäre es nicht?



Für das nette Bild der Sau “Andalusia” nebst fürsorglicher Antiquarin danken wir http://www.trocknung-ostrach.de

Abooks und Antbo - Berliner Idylle näher betrachtet



Abooks und Antbo - Berliner Idylle näher betrachtet




Kunibert Kreuzberger, ein treuer Antbo-Kunde, mit seinem Blindenhund, aus dem Tractat über die erschröcklichen Folgen leseunfreundlich gestalteter Bücherportale

Wir stehen in nächster Zeit vor zwei Aufgaben, die wir entweder aus der Berufsgruppe heraus selber lösen - oder die andere für uns lösen werden: Die Gestaltung einer eigenen Bücherdatenbank / eines Bücherportals und die Verwirklichung jenes Verbunds der Webseiten, den Kollege RFMeyer zwar in die Welt gesetzt, dann aber schmählich vernachlässigt hat.

Der kommende Webseitenverbund erfordert von uns allen Loyalität und Gerechtigkeit gegenüber  a l l e n  Mitgliedern des Berufs und allen Bereichen, in denen Antiquare arbeiten. Die kommende Datenbank/ das Bücherportal muß eine Gemeinschaftsleistung sein, in die sich  a l l e  Kollegen mit ihren besten Einfällen einbringen und die sie mit ihrer wachen Kritik demokratisch begleiten.

Unser übermächtiger Gegner, die Krake Amazon-Abebooks-ZVAB mit ihren Agenten und Liebedienern - aggressive Marktdominanz führt immer auch käufliche Seelen zum Verrat - macht schnelles, zielstrebiges Handeln hier und heute erforderlich.

Ich möchte nun an zwei Beispielen zeigen, wie mit der Kritik in die Einzelheiten gegangen werden muß. Ich tue es auf meine Weise - schonungslos und etwas zynisch.  Kollege Plocher, um meinen formalen Gegenpol herbeizurufen, wird anders kritisieren, subtil und geistvoll, und zwischendrin arbeitet jeder auf seine Weise an der gemeinsamen Aufgabe. Die  S a c h f r a g e n  aber bleiben immer dieselben, und so bitte ich Sie die folgenden beiden Fälle mit ihren eigenen Augen nachzuprüfen, auch wenn Ihnen mein Sarkasmus auf die Nerven gehen mag.



Soeben erreicht mich eine Rundmail von Antbo und Abooks, ich werde da mit einer Einladungskarte zum 1. Berliner Antiquariatstag  beschenkt. Frohgestimmt klicke ich die Links der Spender an. Ach, hätte ich das doch unterlassen!

1.
Kollege Thursch hat eine Webseite aufgebaut, die - so vermute ich - Kollegen und/oder Themen vernetzen möchte, von der man aber nicht wissen soll, wozu sie eigentlich dient. Es gibt eine aufgeräumte, aber ziemlich sinnfreie Startseite, auf der einige Anzeigen von Büchermessen zu finden sind, inklusive einer Zeitreise zum längst stattgehabten Bonner Brückentag am 16. 1. 2011. Nun ja, klicken wir mal die Registerkarten an.

Was finden wir unter "Antiquariate"? Die Stichprobe "Freiburg" ergibt drei Adressen, von denen eine absolut blödsinnig erscheint, Herr Pütz ist ein ehrenwerter Mann, hat aber mit alten Büchern soviel zu tun wie ich mit Bankanleihen. Die anderen zwei sind willkürlich ausgewählt, in jeder Hinsicht ist eine solche "Auswahl" unzulässig angesichts der Vielzahl guter und wichtiger Kollegen in Freiburg. Das ist genau jener Unfug, den auch Kollege Höfs in seinem "Antiquariatsverzeichnis" anwendet. Bitte, was soll das?

Unter dem Link "Buchkunst-Datenbank" verbirgt sich nichts weiter als ein (übrigens kryptisch-frech gestaltetes, längere Klickstudien erforderndes) Inserat des Bartowiak-Unternehmens, zu dem ich mir hier jede Stellungnahme versagen will - ich habe nachher noch Ärger genug.

Die anderen Registerkarten sind ähnlich selektiv befüllt und insgesamt, werter Kollege, ist Ihre Abooksseite, verzeihen Sie, eine  Z u m u t u n g  für den Leser.  Sie haben keine Veranlassung, Ihre Leser so irrezuführen. Denn nichts anderes ist in meinem Augen Ihre Seite: Ein Instrument zur Zeitvernutzung des Lesers und zur Irreführung, was die Adressenauswahl angeht. Denn Sie müssen  s a g e n, daß und wie und warum Sie nach welchen Kriterien auswählen, Sie dürfen nicht den Eindruck entstehen lassen, das seien "die" oder gar alle Antiquariate.

Aber ich hab das Kollegen Höfs umsonst gepredigt (schon vor drei Jahren), warum sollte sich das bei Ihnen ändern. Ich schließe mit den Worten des Großen Vorsitzenden Dr.Biester: "Das ist nicht gut!".

2.
Antbo habe ich in guter Erinnerung. Das kommt so: Vor sehr vielen Jahren erschien Antbo frisch auf dem Markt. Ich amüsierte mich unendlich über den lustig-peinlichen Namen - alte Kämpfer wissen es, "Entenpopo" - , noch mehr aber enervierte ich mich über eine Vielzahl ganz schrecklicher formaler Fehler der jungen Datenbank. Die war für uns damals wichtig wie jedes Konkurrenzprodukt zum ZVAB, alle Antiquare hatten diskutiert darüber. Zu meiner Freude mauserte sich eine Woche später das Datenbänklein, alle Fehler waren ausgeräumt, wir hatten eine klare, gut gestaltete Bücherdatenbank, freilich immer noch unter dem Namen des "Entenpopo".

Seither gab es keinen Grund für mich, im Berliner Ententeich vorbeizuschauen, ich erinnere mich dunkel, anläßlich meines letzten Datenbanktests vor gut zwei Jahren zum letzten Mal dort gewesen zu sein, ich glaube, das Ergebnis war recht ordentlich gewesen.

Nun also komme ich, als mit Eintrittskarte Beschenkter in guter Stimmung, wieder auf Antbo an. Was sehen wir?

Die Kopfgestaltung ist von erfreulicher Klarheit, sehr gute Farbenwahl (im allzuleeren Mittelfeld oben wäre noch Platz für einen hübschen Entenpopo, aber lassen wir das).
Die Eingangsseite ist zwar in mehrfacher Hinsicht nicht ohne Probleme (bitte, was unterscheidet Stichwort- von Volltextsuche aus der Sicht des unbedarften Kunden, will er nicht beides - in einem - kombiniert auf der Eingangsseite?) , aber wir gehen aus Zeitmangel sofort zur eigentlichen Such-Seite, zu “Volltextsuche”.

In einer nicht ungefälligen, schreibmaschinenähnlichen Schrift - - beginnt leider schon mit dem ersten Satz ein in sich absurdes Kauderwelsch von "Erklärungen", ich zitiere:

"Die Ausgabe erfolgt sortiert nach der Relevanz der gefundenen Suchbegriffe, d.h. nach der Position der Suchbegriffe im Eintrag"

Erkläre mir, Prinz Orindur, dieses Rätsel der Natur... - Im Dada-Stil geht es weiter:

"Einträge, bei denen der Suchbegriff am Anfang steht, erscheinen zuerst".

N e i i n , bitte nicht... Das ist so formuliert unverständlich, ist absurd!

Auch nach Lektüre der folgenden Erklärung wird es nur wenig klarer. Ein Beispiel:

"Die Ausgabe zeigt dann alle die Einträge an, in denen exakt alle Suchbegriffe gefunden wurden (sog. UND Verknüpfung)."

Was soll hier das Wort "exakt"? Kein Leser hat jemals dieses "exakt" verstanden,  k e i n e r. Es ist einfach nur Wortmüll.

Unten, wo niemand mehr hinscrollt, beginnt eine zwar unglücklich formulierte, aber in der Sache überraschend gescheite Einführung in das "trunkierte" Suchen und in andere sehr praktische Abfragetricks. Also sie können, wenn sie wollen, die Antbo-Leute.

Lehnen wir uns zurück, geben wir ins Suchfeld hoffnungsfroh "Rosenberg Mythos" ein, jenes blödeste Buch, das ich kenne.

7 Titel werden angezeigt - - und nun beginnt die Todsünde. War die unverdauliche Eingangssequenz auf der Suchseite immerhin noch ein läßliches Vergehen (Antbo-Chef muß 100 Litaneien an Dr. Biester ableisten, mit Gesang), so springt uns nun jene Sünde wider den Heiligen Geist ins Gesicht, die kein Priester verzeihen kann und die den Datenbankmacher ins ewige Verderben führt:

*Die Texteinträge, die Datensätze der Bücher sind  - notabene unter den Bedingungen des schnellen Querlesens - nur mit Mühe, nur unter Schmerzen, nur mit Vergewaltigung aller beteiligten Sinne zu lesen, sie sind in einem tieferen Sinn  u n l e s e r l i c h.

Womit sich die Datenbank selber zum Tod verurteilt, zur Erfolglosigkeit. Alle anderen Sünden sind irgendwie zu kompensieren - aber nicht der Verstoß gegen die Grundgesetze eines angenehmen Querlesens der Titel.

Der Sünden sind bei näherem Hinsehen sehr viele. Der Satzspiegel ist viel zu breit. MIt Mühe findet das Auge den weiten Weg zum nächsten Zeilenanfang. - Der wenn auch läßliche Fehler, die Suchworte farblich und in Fettdruck hervorzuheben, zerstört den Lesefluß zusätzlich. - Die "Bestellnummern", in der Datenbankpraxis ganz unwichtig, sind am Ende jeder Titelaufnahme trotz kleinerer Type viel zu prominent, sie stören ungeheuer. - Kleinere Typen für die Kommentare sind an sich geschickt, sie aber zu nah an den Haupttitel zu rücken, stört. Das wird, da die schreckliche Zeilen-Überlänge auch hier stur beibehalten ist, zu einer wirklichen  Q u ä l e r e i  des Lesers. Auch mag man die unterschiedslose Vermischung von Kommentaren, Sachgliederungsfragmenten und Listentiteln dort nicht goutieren. - Viel zu prominent ist die Hervorhebung des besitzenden Antiquariats als freistehender, großgeschriebener Link. - "Das Angebot dieses Antiquariats einsehen" hätte unbedingt mit in den Link obendran eingegliedert werden müssen. - "Das Angebot dieser Rubrik einsehen" ist seltsam formuliert, gemeint ist ja, diese "Rubrik" (Grundgütiger, was ist das?) im Angebot (nur) des Händlers einzusehen. - Die Voransetzung des "incl. MWst" verwirrt, stört den Lesefluß. - "Versand" als Link wird durch die Blaufärbung zu prominent. Die Summe im Inlandsversand steht ja da; weitere Details sind dann ganz sekundär. - Die blauen Querstriche zwischen den Titelaufnahmen sind  t ö d l i c h, nicht nur, aber auch weil sie nicht bis zum Rand durchgezogen sind. Auf denn, wir quälen den Leser, indem wir rechts und links einen Zentimeter freilassen. Das Auge soll in bei uns in Antbo keinen Halt finden, nicht bei uns!

Ich sage als  Tester, der hier die Interessen der Kunden zu vertreten hat:

Antbo, Du  q u ä l s t  lebendige Menschen!

Gehe in dich, tue Buße, bessere dich.

3.
Bei der gemeinsamen Aufgabe,  u n s e r e  gemeinsame Datenbank, unser Verkaufsportal zu bauen, wird es sich um die Generalrevision eines bestehenden Portals handeln. Wozu etwas Neues bauen? Wenn doch: Weil ich ein großes Zutrauen in das Fachwissen der Experten habe, glaube ich unbesehen den mehrfachen Äußerungen von Universitäts- und Fachhochschulmenschen aus Dresden und Karlsruhe, daß heute "jeder neugebackene Informatik-Absolvent (einer Universität) eine gut funktionierende riesige Bücherdatenbank bauen kann, Serverleistung vorausgesetzt".

Was technisch vor zehn Jahren noch eine schwer lösbare Aufgabe war, ist heute - fast - eine Selbstverständlichkeit geworden. Die Probleme, die wir gemeinsam zu lösen haben, liegen also im Bereich des  T a k t i s c h e n.

Das fängt mit der formalen Gestaltung an, siehe die obige Antbo-Kritik, und hört mit dem Werbeargument , daß unser Portal das Portal "aller" Kollegen im Besitz "aller" Antiquare sein muß, noch lang nicht auf. Und parallel dazu, mit Seitenblick auf Abooks, sollten wir den Gedanken des Webseitenverbunds nicht vernachlässigen.

Er könnte, falls uns die Krake datenbankmäßig erwürgt, unsere letzte Zuflucht sein. Warte nur balde.