Sonntag, 20. September 2009

Die Webseiten der Antiquare - wie machen wirs besser?








Nun habe ich ein gutes Dutzend anstrengende Arbeitsstunden zugebracht mit der Analyse des Erscheinungsbilds und der inneren Zugangswege von zehn willkürlich ausgewählten Webseiten.

Nach Vorgabe der alphabetischen Auflistung in der Webseite unserer streitbaren Moment's-Dame bin ich vorgegangen, nicht etwa nach Sympathie oder Antipathie. Wenn ich die Untersuchungen jetzt einstelle, dann deshalb, weil ausreichend verwertbare Ergebnisse vorliegen. Auch wenns weh tut, ausgerechnet knapp vor Weinbrenners Seite abzubrechen - aber ich hab zugesichert, Freund und Feind für diesmal nicht zu kennen.

So ist die Testreihe, ich hoffe es zuversichtlich, neutral abgearbeitet worden. Zur Erinnerung: Weder Buchpreisansätze noch Titelauswahl habe ich bewertet. Es ging tatsächlich "nur" um das äußere Erscheinungsbild und die Hinführung des Kunden, mit allem, was dazugehört, bis unmittelbar vor den Kern des ganzen, bis zum Studium der Titel selber. Wenn trotzdem allerlei Intimes und gelegentlich leider auch Kränkendes herübergekommen ist, so war das unvermeidlich - hat doch der Kunde, der auf die betreffende Webseite stößt, die gleichen Freuden und Leiden auszustehen wie ich, nur darf er nicht klagen. Ich aber darf.

Ich möchte das Ergebnis in jenem unvergleichlichen Tonfall zusammenfassen, den Gert Fröbe als Polizeifeldwebel in "Spion zwischen zwei Fronten" draufhat: "Wissen Sie, ich bin wirklich enttäuscht, sehr enttäuscht".

Gerade weil hin und wieder durchschimmert, daß es die Kollegen ja doch könnten, wenn sie wollten, finde ich es belämmernd, zumeist auf dümmliche, dumpfe, verkorkste und hingeschluderte Webseiten zu stoßen im Bereich des Antiquariats. Und es sind ja nicht die unbegabtesten Kollegen, die sich zur Teilnahme an dem (unpassendes Pfadfinderwort:) "Webseitenbündnis" entschlossen hatten.

Der ernsthafte Kunde, und um den allein geht es uns doch, also der kaufwillige, gibt sich ja nicht mit oberflächlichem Blick zufrieden. Er studiert die Webseite ähnlich wie ich, denn er vertraut sein Geld und seine Zeit einem ihm fremden Händler an. Da schaut man näher hin! Es ist viel Gefühlsmäßiges dabei: Bin ich "zuhause" in dieser Webseite, friert es mich, fühle ich mich veralbert, eingezwängt, kontrolliert, mißachtet, von oben herab behandelt - oder freundlich und sachkundig an die Hand genommen?

Legen wir also diesen Maßstab an, den des kaufwilligen Kunden, dann ist das Ergebnis des Tests wirklich unter aller Sau. Man muß ernste Konsequenzen daraus ziehen.

1.
Überlegungen, durch eine Vernetzung dieser Ungeheuer an Häßlichkeit, Gleichgültigkeit, Faulheit und Dummheit , "Webseiten der Antiquare" genannt, irgendetwas zu erreichen (außer schallendem Gelächter und peinlicher Verärgerung) müssen sofort und ohne Diskussion eingestellt werden. Ich gehe gleich einen Schritt weiter und sage: Von - ungemein wohltuenden - Ausnahmen abgesehen ist der deutsche Antiquar ganz offensichtlich unfähig, eine eigene Webpräsenz auf die Beine zu stellen. Auch mit Crashkursen und Lern-Wochenenden beim braven Björn Biester geht das nicht - zu tief ist das Unwissen, die Faulheit und Interesselosigkeit der Kollegen in dieser Hinsicht.

2.
Hier drängt sich sofort der Gedanke auf, ein Franchise- oder Mustermodell hinzustellen. Diese Muster-Webseite müßte gebrauchsfertig ausgearbeitet sein. Um den Eindruck einer Vielfalt zu gewährleisten, wäre in der ersten Seite grundsätzlich jenes faszinierende Modell vorzusehen, das die Frankfurter Zauberkünstler uns gestern hingestellt haben - einen informativen, intuitiven, ehrlichen und anregenden Fleckerlteppich aus montierten Pixelfotos, entweder nur als Einblick in das Geschäft und die Tagesarbeit oder aber als ein sehr tiefgründiges Bilderrätsel, das der Kunde verstehen und dann lieben soll. Auf Seite 2 dann die *individuelle* Systematik, die verlinkt ist mit den nachfolgenden statischen Angeboten.

So wie die Kollegen mindestens wöchentlich ihre CSV-Tabellen austauschen=modernisieren bei den Bücherdatenbanken, würden sie auch, bei geschickter Vorgabe, ihre eigenen statischen Bücherlisten austauschen können. Das muß natürlich Hand in Hand gehen, und die interessante Frage, wie wir unsere Datenbankeinträge und die heimischen Webseitenlisten verknüpfen sollten, wird sehr spannend sein und uns diese Woche beschäftigen.

Mit eisernem Besen muß bei dieser Gelegenheit im Bereich der Juristerei ausgekehrt werden. Es kümmert mich dabei einen Dreck, wenn man mich wegen "Rechtsberatung" anzeigen will, sollen sies tun, Geld hat er olle Mulzer sowieso nicht. Aber wie auch immer, ich kann als Antiquar und Mensch nicht länger zusehen, wie hier aus trüben Quellen unsäglicher, verquaster Müll zusammengekarrt und in die Webseiten gestellt wird, der juristisch zu nichts, zu gar nichts dient - und strategisch unsere Kunden vertreibt, zumindest befremdet.

Ich denke mir das ja nun nicht aus. In den entsprechenden Fach-Foren (etwa im Beck-Blog) wird von Amtsrichtern, Fachanwälten und Universitätsprofessoren ganz deutlich und freimütig dazu Stellung genommen. Unsere kleineren Firmen, bis etwa 3 Angestellte, brauchen zwei, drei mittelgroße Absätze. Das wars. Alles andere - Müll, hinaus! - Dagegen vermisse ich, das ist ein interessantes Randergebnis, die Leit- und Grundsätze der ILAB über den Verkehr zwischen Antiquar und Kunden und unter den Antiquaren selbst gänzlich. Sie (und nicht den AGB-Müll) möchte ich auf jeder Kollegen-Webseite lesen können.

Es gibt noch viele andere Ergebnisse meiner kleinen Untersuchung. Da wird z.B. in unerträglicher Weise von Prolibri und ZVAB geschwafelt und "organisiert" in Sachen internationaler Datenbank-Zusammenarbeit, daß sich die Balken biegen. Aber keiner der Antiquare denkt daran, eine vernünftige Zweisprachigkeit durchgehend zu gestalten in der Weise, daß nicht etwa nur stur "übersetzt" wird (das kann Google-Translate längst besser), sondern in Ton und Problemverarbeitung die anglo-amerikanischen Bräuche angesprochen und veständlich gemacht werden. Das ist kein Hexenwerk; es kann uns nur nützen, einmal die Kollegen-AGBs, die "Qualitätsrichtlinien" und Handelsbräuche in London oder San Francisco anzusehen. Jedenfalls dürfen wir nicht von Internationalität schwadronieren und träumen, dann aber unsere eigene Webseite treudoofdeutsch halten.

Überraschend war auch, daß die guten unter den Bücherdatensatz-Beispielen der Webseiten denen aller Buchportale optisch-lesetechnisch weit überlegen sind. In einer ganz gewöhnlichen Brotschrift, ohne Durchschuß, mit zurückhaltenden Notationen von Bestellnummer usw., mit klug gewählter Stelle für Preisansatz, sind lange Reihen von Titelaufnahmen ungemein gut querzulesen. Die Umsetzung der Portaldaten, die wir ja grundsätzlich vorsehen werden, muß also eine typographische Verbesserung dergestalt "automatisch" ermöglichen, daß die Kunden gern zu unseren Webseiten zurückkehren und das Querlesen in den Portalen gar nicht mehr mögen.

Soviel fürs erste aus den Ergebnissen der Untersuchung, die mich, nach recht ordentlichen ersten Eindrücken, bei näherem Hinsehen tief erschreckt, teils sogar ("Qualitätswebseiten") angewidert, angeekelt, fast immer aber tief enttäuscht hat.



Das gute Foto der "Verzweifelten" entnehmen wir - mit Dank - der Webseite http://galabau-azubis.heim.at/schule.html, in deren Eigentum es verbleibt.