Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Mittwoch, 16. September 2009
Die Individualität des Antiquars - nur ein eitler Popanz?
In der laufenden Diskussion, die sich aus dem Interview unseres Herrn Holzapfel von w+h derzeit im Börsenblatt entwickelt, treten einige Rätsler und Mystifizierer auf, die, verpackt in literarische Kunstformen, brandgefährliche Thesen vertreten.
Kaum stellt w+h eine wirklich nützliche Software zum Bucheinstellen bei mehreren Portalen zur Verfügung, wähnt ein Kollege die "Individualität" des Antiquariats in Gefahr. Das sei Gleichmacherei, und überhaupt verkaufe jetzt schon und in Zukunft noch viel mehr der Antiquar über seine eigene Handschrift. Der Kunde wolle den Antiquar als Individuum kennenlernen, dann werde er kaufen.
Wie belämmernd weltfremd diese Ansicht ist, sehe ich an den weißgott "individuellen" Webseiten der Kollegen, durch die ich mich jeden Tag hindurcharbeite, nicht immer zu meinem Vergnügen. Wir dürfen jene einzigartige Versammlung von Skurrilitäten und mehr oder weniger liebenswürdigen Fähigkeiten und Unfähigkeiten, die unser Berufsstand zusammenführt, doch nicht überschätzen Auch die Insassen der Wachstation eines Irrenhauses sind "indivuduell".
Dazu kommt die schlichte Tatsache, daß unsere Webseiten und damit unsere Individualität von den Kunden ums Verrrecken gar nicht aufgefunden, nicht entdeckt und aufgesucht werden können!
Eben weil es an dem fehlt, was angeblich so zu verteufeln ist - an einer machtvollen Gesamtorganisation.
w+h hat zum kleineren, das ZVAB zum größeren Teil die eine Hälfte der "machtvollen Organisation" aufgebaut - nur daß die Macht eben nicht in unseren eigenen, sondern in fremden Händen liegt. Die andere Hälfte, die notwendig ist, möchte ich mit "machtvoller Webring" umschreiben. Ich werde diesen Gedanken aber erst nach Abschluß der laufenden Webseitenkritiken hier vorstellen - sonst stümpert sich Kollege Weinbrenner in seiner Xing-Haftanstalt mit meinen Ideen irgendwas Fürchterliches zurecht.
Nota 1: Ich führe Prolibri jetzt mit Absicht nicht mehr unter den ernstzunehmenden Datenbanken. Mit ehrlichem Abscheu mußte ich gestern, bei der Webseiten-Kritik der "Bergischen Bücherstube", feststellen, daß dieser Schnarchverein noch nicht einmal in der Lage war, meinen harschen Tadel an den blödsinnigen gepünktelten Unterstreichungen, vor vielen Monaten feierlich geäußert, (sie sind unlogisch und deshalb irreführend) in irgendeine Tat umzusetzen, von den anderen Details zu schweigen. Eine, nach meiner persönlichen Einschätzung, so unfähige Datenbankverwaltung verdient ihr jämmerliches Dahinsiechen. Das ist eine Schande - dann aber noch große Sprüche klopfen von wegen "Qualität".
Nota 2: Die Ausführungen des Kollegen Herkner zu den hohen Ebay-Anforderungen an die Antiquare kann ich nur unterstreichen - sie sind absolut zutreffend. Etwa die Hälfte aller Ebay-Kunden, die für bessere Titel in Frage kommen, sind unauffällig und könnten auch typische ZVAB-Käufer sein. Die andere Hälfte aber will betreut, freundlich beraten und ziemlich korrekt behandelt sein. Wer nicht nette, aufrichtige Emails an die Kunden g e r n schreibt, ist für Ebay ungeeignet.
Ich bin ein ziemlicher Muffel im Umgang mit meinen Kundern, gehöre streckenweise sogar zum Typ "Kundenbeschimpfung". Der Kunde soll ein wirklich gutes Buch richtig erhalten - und im übrigen still sein. Das ist eigentlich meine Grundauffassung - - aber die darf man bei Ebay tatsächlich n i c h t haben. Ich bin in dieser Frage einen schweren Weg gegangen und weiß nun, daß ich wirklich nett zu den Kunden sein muß - nicht nur gespielt, sondern aufrichtig.
Dies können tatsächlich viele Antiquare (noch) nicht und deshalb hat Kollege Herkner absolut recht.
Es ist schon spät, und ich habe 12 (zwölf) Stunden Ankaufsfahrt mit 400 (vierhundert) Kilometer Landstraße hinter mir. Deshalb fasse ich diesen Beitrag kurz, bringe den Kern aber noch einmal am Schluß:
Die "Individualität" des Antiquars nützt ihm zur Zeit einen Dreck, weil er - mangels Organisation - mit seiner Webseite kläglich untergeht im Google-Meer. Vor allem braucht der Kunde bei unserer jetzigen hundsmiseraben Selbstorganisation viel zu lang, um unsere Webseiten zu enträtseln. Und, notabene, w+h arbeitet gut und ist nützlich. Leute mit gutem Gedächtnis wissen, daß ich das schon immer betont hatte.
Ich danke Waldemar Erdmann für das kluge Bild. Es bleibt sein Eigentum und wird nach formloser Aufforderung sofort entfernt.