Freitag, 11. September 2009

Die deutschen Antiquare als Herren ihres Monopols








1.
Die Abschottung des deutschsprachigen Altbuchmarkts vom Rest der Welt ist eine Tatsache. Man hat immer wieder versucht, diesen Sachverhalt zu relativieren. Und tatsächlich sind Seltenheiten im mittleren und hohen Versteigerungsbereich auch international handelbar, hochkarätige Graphik sowieso. Und es mag auch sein, daß Maremagnum freudestrahlend italienische Handschriften nach Polen vermitteln konnte, und wirklich kaufen Japaner, so sie sich nicht verheddern im Porto- und Zollprozedere, recht gern ältere deutsche Philosophie.

Was alles aber nichts ändern kann an der Gültigkeit jenes Gesetzes, auf dem ich seit Jahren herumreite: Abgesehen von zu vernachlässigenden Randerscheinungen ist der deutschsprachige Lese- und Käufermarkt von den anderen Sprachbereichen im Altbuchsektor absolut abgeschottet.

Nun ist das schon ein Phänomen. Wir haben seit jeher nämlich eine sehr große deutsche Titelzahl, weltweit früher lange Zeit an erster oder zweiter Stelle, aber keine früheren Kolonien, eine unendlich schwer zu erlernende Grammatik und, nicht zuletzt, unsere Frakturschrift. Unser abgeschotteter Altbuchmarkt ist eine angesichts unserer Millionen von Titeln eine international kein zweites Mal vorkommende Besonderheit.

Ich bitte doch jene wenigen Kollegen, die mit Edeltiteln zu handeln das schöne Vorrecht haben, hier nicht gleich wieder, mit oder ohne ILAB-Datenbanken, die Internationalität auf Messen und in Versteigerungen hervorzuheben. Ebenso mögen die wenigen echten Fachantiquare den Bedarf englischsprachiger Fachtitel in Deutschland, der ja durchaus da ist, nicht verallgemeinern. Tatsächlich sind, vorsichtig geschätzt, 95 % des deuschsprachigen Altbuchmarkts peinlich genau von der übrigen Welt abgeschottet.


2.
Was bedeutet das? Zunächst natürlich ist das eine Erschwerung des Verkaufs, da wir eine weltweite Kundschaft uns beim besten Willen nicht erwerben können. Das ist nicht unbedingt negativ, denn im Umkehrschluß bleiben wir auch von der weltweiten Konkurrenz der Kollegen verschont.

Bei näherem Hinsehen schenkt uns diese Situation ganz erstaunliche Möglichkeiten, die kaum ein anderes Land hat - die wir nur erkennen und dann nützen müssen.

Die Gefahr einer Monopolsituation im deutschsprachigen Datenbankbereich, die Möglichkeit einer Übernahme des ZVAB durch Abebooks, also durch Amazon, ist hier oft und mit Grund diskutiert worden. Darum soll es heute nicht gehen, sondern ich lade Sie ein, in einer vielleicht etwas verblüffenden Wendung den Umkehrschluß zu wagen: Wer hindert uns denn unsererseits, diese Möglichkeit einer Monopolisierung im deutschen Sprachbereich zu nutzen?

Mit knappen Worten - es ist ohne weiteres machbar, den deutschsprachigen Altbuchmarkt monopolartig zu dominieren, ihn in jeder Hinsicht, vor allem auch publizistisch und werbetechnisch, so zu beherrschen, daß den anderen Portalen nur noch der übliche (und juristisch notwendige) Alibi-Sektor im einprozentigen Absatzbereich übrigbleibt.


3.
Ich schätze den Absatz unserer Titel jeglicher Art und quer durch alle Wertstufen zur Zeit innerhalb eines Jahres auf höchstens rund 5 %. Auch hier wieder die herzliche Bitte, daß jene Kollegen, die viel bessere Absatzzahlen haben, sich doch still freuen mögen - denn die betrübliche Tatsache bleibt trotzdem bestehen, daß fast alle Kollegen bei dieser 5 %-Marge herumdümpeln. Abgesichts der ärgerlich hohen festen Abonnements-Grundgebühren etwa beim ZVAB ist diese geringe Absatzmarge höchst peinlich, noch nicht zu reden von der immer fragwürdiger werdenden Zeit-Ertragsrechnung für die Eingabe neuer Titel. Es ist das Riesenmeer unserer bereits vor Jahren aufgenommenen Alttitel, das uns den Blick vernebelt auf die Absatzmisere jetzt und hier.

Wie aber kann der Absatz verbessert werden? Um es gleich zu sagen, nur durch einen M i x von Maßnahmen. Es gibt da kein Patentrezept. Eine Mehrzahl von Möglichkeiten muß diskutiert und angewendet werden.

Was aber eisern feststeht, jeder Kollege sollte diesen Satz auswendig lernen: Alle unsere Förderungsmaßnahmen greifen nicht, wenn sie nicht auf ein großes, allgemeines Modell mit Tendenz hin zur Monopolisierung angewendet werden.

Es wird nie etwas aus den vereinten Bemühungen der Antiquare, ehe wir nicht eine geeignete große Plattform haben, mit der wir uns identifizieren können!

Im Lauf der Zeit sind viele gute (und auch weniger gute) Vorschläge zur Absatzförderung gemacht und in Ansätzen auch verwirklicht worden. Das alles aber geschah zersplittert, marginal, an irgendwelchen Eckchen oder in kleinen Randdatenbänklein. Paradebeispiel für solche Vernutzung, Vergeudung, Verdummung einer Reihe sehr guter Einfälle ist das Geschehen rund um das Webseitenbündnis. Von der Seitenvernetzung bis zur Rabattidee sehen wir manches Goldkörnchen, das aber in einer so törichten und unbegabten Rahmenorganisation im Sande sich verlieren mußte. Auch in der Runde des Kollegen Weinbrenner wurden erstaunlich viele gute Ideen geboren, nur um dann gleich wieder erstickt zu werden in seiner Xing-Manie, Öffentlichkeits=Google-Furcht und anderen täppischen Fehlern. Das hatten wir schon in der ZVAB-Vorplanung vor 10 Jahren besser gemacht, organisatorisch. Nicht heiterer wird das Bild durch nicht klar beendete, weiterdümpelnde Projekte wie die Hoefsche Runde. Die ganz unerträgliche Vereinsführung beim Verband, mit mieser Informationspolitik und stetigem Untergrundkampf, führt auch nicht weiter. Und Philobiblos = Biester, der manches hätte bewirken können über den Börsenverein, kommt von seiner Liebe zum Edelantiquariat nicht los und von seiner zaghaften Unentschlossenheit auch nicht. Über die Genossenschaft lasset uns gnädig schweigen an dieser Stelle.

Die Meta-Projekte hätten in dieser Situation einiges bewirken können. Ich meine da besonders SFB = Eurobuch. In Wien sitzen sie aber seit Jahren gemütlich beim Heurigen und versenken alle Chancen integrativer und organisatorischer Art geradezu kindlich-täppisch. - Wer das Pilotprojekt einer Schule für Antiquare vermischt mit der Bestallung von Ausbildungskräften, die ausgerechnet beim ZVAB fest angestellt sind, der muß sich fragen lassen, ob er von Strategie im Altbuchmarkt überhaupt irgendeine Ahnung hat.

4.
Wir können also feststellen, daß organisatorisch bei Null angefangen werden muß. Das ist nicht weiter schlimm, kann sich sogar als nützlich erweisen, denn so werden alte Seilschaften, Zweckbündnisse, Freund- und Feindschaften entschärft.

Ich würde organisatorisch folgende Anregungen geben wollen:

A.
Der abgeschottete deutschsprachige Altbuchmarkt umfaßt Deutschland, Schweiz und Österreich. Jeder Kollege aus den beiden kleineren Ländern muß mit eingebunden werden. Das ist verkaufspsychologisch wichtig - und übrigens berufliche Ehrensache. Schwächere läßt man nicht im Regen stehen.

B.
Es gibt - in den Köpfen der Kunden, der Kulturwelt, der Kollegen - nur Platz für e i n Portal. Ich hoffe, daß wir die beharrlichen Freunde einer netten "Vielfalt", die in jeder Diskussion auftreten und alle Planung zunichte machen wollen, hier doch überzeugen können. Der Kunde hat wirklich nur Platz in seinem Kopf für e i n e Netzadresse, für e i n e n Datenbanknamen. Ich würde sehr gern die Meta-Schiene mit in die Planung einbeziehen, man könnte ein Dutzend Meta-Datenbanken, Meta-Sammelportale usw. überdenken, wenn da nicht die eiserne Feststellung wäre, daß zumindest im deutschen Bereich alle Meta-Lösungen von stupender Erfolglosigkeit gekrönt waren. Es geht einfach nicht. Weshalb es so ist, weiß ich nicht so recht. Aber facta loquuntur, es ist nun einmal so.

C.
Dieses Portal muß in erster Linie zur Absatzwerbung dienen. Der neue Altbuchkunde - aus der großen Zahl derer, die regelmäßig Neubücher kaufen, sich aber dem Kauf alter Titel noch nicht zugewendet haben - , dieser neue Kunde muß durch ein einfaches, sehr überzeugendes Datenbanksystem gebunden, sozusagen gefangengenommen werden. In der ersten Zeit würde ich dazu raten, das Rabattprizip der Bündnisidee unseres verehrten RFMeyer anzuwenden. Es macht schon was her. 10 % würden dann genügen, wenn die kostenfreie Lieferung hinzukäme, eine Regel, die schon zur Ebay-Abwehr sehr nützlich wäre. "10 % billiger und portofrei", das ist ein ganz gutes Argument.

Auf der psychologischen Schiene muß natürlich erreicht werden, daß man von (fast) a l l e n Antiquaren sprechen kann, deren Bücher hier angeboten werden. Es gibt nichts besseres, werbetechnisch, als das Portal d e r Antiquare anzupreisen.

Weniger wichtig, aber nicht ohne Bedeutung, ist die Datenbank i m B e s i t z der Antiquare, also deren eigene. Dafür haben die Leute durchaus Sinn, vorausgesetzt, meine unselige Genossenschaftsidee wird endlich in den Rhein oder in die Spree versenkt. Dann können "alle" vereinsmäßig locker organisierten Kollegen an der neuen Datenbank teilnehmen und je nach Gusto Anteile aran erwerben. Auch ein Anteil von 10 Euro kann dann werbepsychologisch die "eigene" Datenbank konstituieren. Ich sehe übrigens keinen Grund, warum, nicht die - graphisch überarbeitete - Quack-Datenbank genommen wird, freilich nicht mit dem sprachlich falschen auch sonst unglücklichen Namen. Sollte diese Lösung gewählt werden, müßte sich die Genossenschaft wohl selber auflösen.

D.
Das neue Portal muß absolut die Monopolstellung im abgeschotteten deutschsprachigen Altbuchmarkt anstreben. Dieses Ziel dient der Absicherung gegen drohende ZVAB-Gefahren - die jetzige Tendenz des ZVAB, über seinen Ableger Chosebooks scheinbar expandieren zu wollen, kann auch ein heuchlerischer "sting" sein, damit Abebooks= Amazon etwas regeres Kaufinteresse am ZVAB zeigen möge.


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Eine Handvoll Namensideen für das neue Portal = die neue Datenbank habe ich auch schon. Aber davon später.



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