Donnerstag, 17. September 2009

20 % Umsatzeinbruch der Antiquare durch Googles on-demand-Drucke




Es sei mir gestattet, aus der (wir staunen) sehr guten Zusammenfassung des Börsenblatts von heute zu zitieren:

"Google stelle damit seine zwei Millionen urheberrechtsfreie Titel aus der Google Buchsuche für den Druck bereit. Produziert werde mit der Espresso Book Machine, die On Demand Books schon vor einiger Zeit auf den Markt gebracht hat.

Bisher sind die Bücher bei Google nur in digitaler Form zugänglich. "Mit der Espresso Machine ermöglichen wir es den Kunden, alte Bücher wieder in den Händen zu halten, die seit Jahren nicht mehr gedruckt werden", zitiert Reuters ein Statement der beiden Kooperationspartner.

Die fertigen Bücher sollen rund acht Dollar kosten, ein Dollar gehe an Google, ein weiterer an Books on Demand."


Was lehrt uns dies, besonders im Hinblick auf den deutschen Altbuchmarkt?

Nach Klärung der teils absurden, teils aber auch wirklich komplizierten deutschen Urheberrechtssituation, also wenn Google seinen verzweifelten Schritt, bei uns um des lieben Friedens willen einfach "1900" als Pauschalgrenze anzusetzen, aufgibt und den dummfrechen Anwälten der deutschen Verleger Paroli bietet - wenn also endlich in jedem Einzelfall das deutsche Urheberrecht konsequent angewendet wird - - dann Gnade uns Buchantiquaren Gott.

Denn in der Praxis bedeutet das die pauschale Entwertung des größeren Teils unserer Altbestände hinunter auf 5 Euro. Einige Überlegungen dazu.

1.
Würde etwa der Börsenverein, die Quack, das Webseitenbündnis oder die Bundesregierung die Nachdruckgeschichte betreiben, dann könnten wir uns beruhigt zurücklehnen und einiger Jahre Schonung gewiß sein -bis das Unvermeidliche dann unsere Kindeskinder treffen würde. Ganz anders bei Google - ich bin aus einem kritischen Google-Beobachter zu einem begeisterten Google-Freund geworden nicht zuletzt durch die Schnelligkeit, mit der Google arbeitet. So muß es gehen!

Nur eben bedeutet das in unserem Fall, daß das Unglück schon vor der Tür steht im schwarzen Gewand, mit verhülltem Gesicht und einer Tafel in der Hand, auf der steht "Nemesis".

2.
Der echte Sammler, für den das alte Buch wirklich - im Sinne des Briefmarkensammlers - ein Dokument darstellt, der wird bei unseren alten Originalen bleiben (für die freilich auch dann ein mörderischer Preissturz zu erwarten ist). Aber alle anderen, auch viele Sammler mit dem erbärmlichen Tick, "saubere" Exemplare haben zu wollen, werden erst teilweise, dann ganz zu den Google-Büchern abdriften. Ich rechne bei mittleren Titeln mit einem Verlust von 75 % aller Käufe und einem Preisverfall bis etwa zum Doppelten der Google-Bücher, also bis zu rd. 10 Euro, immer im Bereich der urheberrechtsfreien Titel.

3.
Was ganz unbeschadet bleiben wird, ist der Seltenheitsmarkt. Ab etwa 100 Euro wird alles beim Alten bleiben. Wer überwiegend von den Seltenheiten lebt (ich zähle ebenso dazu wie z.B. meine geschätzten Diskussionspartner am unteren Rhein), der muß sich wenig Sorgen machen. Halten wir aber fest, daß die Kollegen, die von "Versteigerungsware" leben können, nur bei etwa 100 (von über 1000 Antiquaren insgesamt) zu zählen sind.

Randbemerkung: Ich hoffe, daß wir keine Neuauflage des ekelhaften Egoismus mancher Kollegen bekommen, die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit verwundert fragen "bei mir läuft alles bestens - was wollt Ihr eigentlich?"

4.
Versuchen wir das Elend zu quantifizieren. Der Anteil urheberrechtsfreier Bücher in Deutschland dürfte, quer über alle Antiquare gerechnet, absatz-wertmäßig ein knappes Viertel ausmachen. Nicht in Stückzahlen, da ist der Anteil geringer, wohl aber in der Wertrechnung, denn wenn wir Titel vor etwa 1929 verkaufen, dann sind diese in der Regel spürbar teurer als vergleichbare Titel späterer Jahre.

Dieses geschätzte Umsatzviertel "sinkt" dann nicht etwa auf 5 Euro herunter - sondern es verschwindet völlig, es ist nicht mehr da. Für 5 Euro kann ich etwas schwierigere Titel, die ich ja nicht einfach per ISBN-Nummer bearbeiten kann nach Schema, bei denen ich also etwas näher hinsehen muß, rentabel weder bereithalten noch versenden. Das geht nicht. Man kann da nur auf das (kleine) Häuflein der echten Originalstück-Sammler hoffen, aber auch deren Preise werden, wegen des dann eintretenden Überangebots, in tiefste Tiefen fallen, bei rd. 10 Euro aber doch noch erträglich bleiben.

Insgesamt dürfte der Umsatzrückgang für den Antiquar wertmäßig bei 20 % liegen.

Was diese auf den ersten Blick nicht tragische Zahl bei der knappen Rendite vieler Kollegen wirklich bedeutet, kann nur der ermessen, der sich vorstellt, vom Jahresertrag ganz einfach ein Fünftel abzuziehen. Ich kenne Kollegen, die dann zumachen müssen.

5.
Gibt es Gegenmaßnahmen? Hierüber sollten wir uns subito den Kopf zerbrechen. Juristische Wege gibt es nicht, und weil Google - nicht die völlig verstaubten, handlungsgelähmten, durch jahrelangen Umsatzabbau und Ladenkettenabwehr quasi kastrierten Buchhändler - hier am Werke ist, sind auch volkswirtschaftliche Gegenmaßnahmen nicht möglich. Was aber dann? Mit Redensarten wie "Stärkung des Sammelgedankens unter unseren Kunden" können wir nur Björn Biester erfreuen, also wirkungslose Fensterreden halten. Wir brauchen konkrete Ideen.


Anmerkung:
Auf die armen Buchhändler komme ich oben nicht ohne Hintergedanken zu sprechen. Ihnen wurde, vom Börsenblatt schön propagiert, ein Nachdruckgerät angeboten, das verzweifelte Ähnlichkeit mit der jetzigen Google-Nachdruckapparatur hatte, nur wohl wesentlich abgespeckter. So pfiffig die technische Seite auch gelöst war - die strategische wurde völlig, gottserbärmlich und ganz mitleidserregend vermüllt, verdummbeutelt und in den Sand gesetzt. Mir schien das so, als würde jemand einen Porsche als Traktor zum Düngerstreuen verwenden wollen.

Es wäre sehr wohl eine Chance gewesen - würden da nicht der Börsenverein, die Urheberrechtsklüngel und der Besitzwahn der Verleger im Wege gestanden haben. Als Objekte des Print-on-demand von Verlegers Gnaden waren dann nämlich nur noch kümmerlich-peinliche Ruinen übriggeblieben...



Herzlichen Dank an Kollegen RFMeyer für diesen Link: http://ow.ly/pQ3m

Das hübsche Deckelbild, für dessen Verwendungsmöglichkeit wir uns bedanken, gehört den Verlagen Thesis und Uranos. wird auf einfache Anforderung hin entfernt.