Donnerstag, 7. Juni 2012

Das Börsenblatt des deutschen Buchhandels als Schreibknecht des Amazon-Konzerns



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Das Börsenblatt des deutschen Buchhandels als Schreibknecht des Amazon-Konzerns

Das Börsenblatt für den deutschen Buchhandel mitsamt seinem Netzdienst börsenblatt.net hat, hört man sich um, den Ruf einer erzkonservativen Fachzeitschrift.  Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie gnadenlos Aktivisten, aufgeklärte Gemüter von der Mitte bis nach links, gescheite Leute im Geistesleben überhaupt über die Mutter beider Medien, den Börsenverein des Buchhandels, urteilen. Ich für mein Teil habe eher Verständnis für die Versuche des Vereins, mit letzter Kraft absurde Pfründen und Positionen zu verteidigen, die schon auf mittlere Sicht unhaltbar erscheinen. Unser Urheberrecht in seiner jetzigen Form wird keinen Bestand haben, die Verleger werden immer mehr Texte an Publikationsformen im Internet verlieren, das Verscherbeln von Papieren, die mit staatlichen Geldern erstellt worden sind, zu exorbitanten Preisen und mit arroganten Allüren hat keine Zukunft. Auch die Vertriebsform des stationären Buchhandels geht ihrem Ende entgegen.

Nun könnte man sich auch eine progressive Form der Abwehr vorstellen, neue Bezahlmodelle im Internet etwa , ein neues Verständnis der Verlegertätigkeit, neue Impulse für den stationären Buchhandel. Aber Mutter Börsenverein hat eine Struktur, die nach 150 Jahren des Erfolgs in der jetzigen Lage verheerende, lähmende Folgen in sich birgt: Verleger und Buchhandel sitzen dort in einem Boot, müssen es miteinander aushalten und gemeinsame Taktiken entwerfen. Eine fast unmögliche Aufgabe in einer Zeit, in der Verleger wie auch Buchhändler jeweils für sich zu einem neuen Selbstverständnis finden müssen.

Als kleines Anhängsel treten in Frankfurt auch noch die Buchantiquare auf. Sie durften dort manches Jahr eine gar nicht so erfolglose Sondergruppe bilden. Absurde Beitragsforderungen und allzu elitäres Berufsverständnis führten im Lauf der Jahre zu einer Austrocknung des bescheidenen Grüppchens der Antiquare im Börsenverein, bis die Altbuchhändler kürzlich dort mit dem Versandhandel zusammengelegt  und faktisch beerdigt worden sind.

Eine sehr edel und vielleicht allzu wissenschaftlich geführte Fachzeitschrift, "Aus dem Antiquariat", hatte sich schon vor einigen Jahren von einem Beilagenteil des Börsenblatts zum selbständigen Medium gemausert. Was bleibt, ist die Sparte "Antiquariat" des Börsenblatt-Netzdienstes. Um sie geht es uns heute.

Die deutschen Antiquare finden sich dort, mangels besserem berufskundlichem Lesestoff, in erstaunlicher Beharrlichkeit ein. Man darf aus verschiedenen Anzeichen schätzen, daß gut 300 der rund 900 Buchantiquare dort sehr regelmäßig aufscheinen, wie man in Wien sagen würde. Zwar wurde der Antiquariatsteil systematisch ausgetrocknet und eingeschrumpft, meist erhält der Antiquar nur noch meinungsferne, fast beleidigend knappe Sachinformationen aus der täglichen Mailbox des Redakteurs - um so besser beachtet werden die nun spärlich gewordenen Beiträge mit redaktioneller Eigengestaltung.

Die Situation im deutschsprachigen Antiquariat ist bekannt und kann hier nur angedeutet werden: Dramatischer Rückgang der Ladengeschäfte, mangelhafte Selbstorganisation des kleinen Gewerbes in drei Berufsvertretungen und folglich keine zentrale Selbsthilfe beim Ausbau des Internetverkaufs über die Homepages der Antiquare, kaum Unterstützung durch den Börsenverein, kaum Verbindung zwischen den elitären Antiquaren ("Messeantiquare") und dem großen Rest des Gewerbes, brandgefährliches blitzartiges Wachstum von Großfirmen, die Bücher im Netz aufkaufen und sofort wieder zu Schleuderpreisen losschlagen.

Dramatischer als die bisher genannten Faktoren wirkt sich aber die Konzentration im Internetabsatz aus. Zwischen 75 und 85 Prozent des Internetverkaufs der deutschen Antiquare über Bücherdatenbanken gehören einem weltweiten Konzern, A m a z o n. Auch hier ersparen Sie mir hier die Einzelheiten, ich habe sie vorgestern in diesem Blog dargestellt und als Tatsache sind sie unbestritten. Der Datenbankverkauf ist nicht irgendein Absatzweg von mehreren, denn das besondere Medium des alten Buchs kann - aus vielerlei Gründen - nur in großen Portalen gebündelt und abgewickelt werden.

Amazon hat Abebooks, die weltweit führende Datenbank im Internetverkauf, für eine sehr hohe Summe erworben. Abebooks wiederum hat ZVAB, die mit Abstand bedeutendste Verkaufsdatenbank im deutschsprachigen Bereich, aufgekauft. Abebooks und ZVAB  g e h ö r e n  Amazon, eingestandenermaßen werden alle wichtigen Entscheidungen bei ZVAB und Abebooks allein vom Amazon bestimmt oder - man lehre uns Amazon kennen - von dem Weltkonzern  b e f o h l e n.

Eine Marktmacht, die Amazon derart eindeutig nach meinem Wissen in keiner anderen Ecke der Welt hat. Fakt ist, daß der durchschnittliche Buchantiquar im deutschen Sprachbereich, was den Internetabsatz angeht, schon zu weit über drei Vierteln ein willen- und hilfloser Knecht des Weltkonzerns ist. Meine Versuche, die deutschen Monopolbehörden zum Einschreiten zu bewegen, sind erfolglos geblieben. Ob es mir gelingt, Amazon auf Europaebene noch zu stoppen, wird sich zeigen. Das Fatale ist eben, daß es nicht verboten ist, ein Monopol zu  h a b e n.  Stoppen kann man eine Firme mit fast absoluter Marktbeherrschung in unserem Land nur zu dem Zeitpunkt, wo sie sich anschickt, ihr Monopol noch durch Zukäufe auszubauen.

Die Lage ist den Antiquaren durchaus bewußt. Kein längeres Gespräch mit einem mittleren Kollegen, in dem sich nicht blanke Angst und abgrundtiefes Mißtrauen gegenüber Amazon zeigt. Das jüngst wieder - bis auf weiteres - eingestellte Vorhaben von Ebay, Käufer und Verkäufer zu entmündigen, Zahlungswege in jährlicher Milliardenhöhe selbst als Quasi-Bank zu kontrollieren, weist sehr präzise die eine Richtung, in die es gehen soll: Der einzelne Antiquar wird zum macht- und hilflosen Franchisenehmer, zum Subunternehmer, zum Laufburschen und Stallknecht des Weltkonzerns.

Dies ist nun keine sozialistische Panikmache. Ich kenne aus meiner fernen Universitätszeit höchst konservative Volks- und Betriebswirtschaftler, denen ich die Mechanismen etwa von Abebooks auseinandersetzten konnte, mitsamt früherer Versuche im US-Bereich. Der Gegensatz von 900 kleinen und kleinsten, noch unabhängigen Unternehmern und der Marktmacht des Amazon=Abebooks=ZVAB-Konzerns im deutschen Spraschbereich hat sie erschreckt. Solche Konzentrations- und Monopolformen sind geeignet, unsere Marktwirtschaft zu zerstören, sie sind unerwünscht gerade auch aus konservativer Sicht.

Nun veranstaltete Dr. Biester, unter Dr. Casimir verantwortlich für die Sparte "Antiquariat" im börsenblatt-netzdienst, eine Umfrage unter deutschen Antiquaren zu genau dieser Frage. Er erhielt aufgrund einiger Undeutlichkeiten in der Formulierung der Netzumfrage zwar keine prägnanten, aber doch hinreichend klare Ergebnisse, die meine Darstellung des Sachverhalts grosso modo bestätigen. Biester hat die Wunde bloßgelegt - weigert sich aber offenkundig, sie zu verbinden, mehr noch, er  b e n e n n t  sie nicht einmal korrekt - nicht mit einem Wort!

Das ist erstens eine ungeheuerliche Illoyalität gegenüber den Antiquaren. Sie beteiligen sich an der Umfrage doch in der Erwartung, daß Biester die Ergebnisse fair und deutlich interpretiert auch in einem tieferen Sinn. Wir finden von Biester auch nicht ein Wort der Bewertung, der Auslegung, er zählt nicht einmal 1 + 1 zusammen. Er  v e r h e h l t, er verschweigt, daß ZVAB zu 100 % ein Geschäftsbereich von Abebooks ist, er unterschlägt, daß Abebooks auch in kleineren Geschäftsentscheidungen absolut von der Konzernmutter Amazon abhängt.

Amazon = Abebooks = ZVAB. Dieser einfache Sachverhalt ist Ihnen in diesem Beitrag nicht einen Nebensatz wert, werter Dr. Biester. Daß Sie in früheren, lang zurückliegenden Beiträgen den Sachverhalt dargestellt hatten, ist eine andere Sache. Hier durften Sie ihn nicht übergehen.

Das ist ganz einfach ungeheuerlich! Damit die Sache nicht so auffällt, fügen Sie einige (mehr oder minder gescheite) Kommentare von Kollegen an, in bunter Durcheinanderwürfelung.

Redakteur Dr. Biester, dieser Ihr Beitrag ist Parteien v e r r a t  an der Klientel, für die Sie zu schreiben haben, deren Interessen Sie nach Treu und Glauben wahren sollen.

Ich mache mich nicht auf, nun die üblichen Fragen zu stellen, wer wen zahlt, wer wessen Geschäfte betreibt. Ich darf Ihnen da nicht Unrecht tun, stelle nur fest - angesichts der Sachlage, der Verhältnisse ist Ihr Beitrag eine wenn nicht bewußte, so jedenfalls grob fahrlässige Verfälschung und Vernebelung des sachlichen Kerns, um den es hier geht.

Sie würden gut daran tun, dazu in Ihrem Blatt Stellung zu nehmen.




Das Abreißbildchen haben wir, mit Dank, bei der Webseite http://gedankenfrei.wordpress.com, ausgeliehen - deren Texte wir uns aber, in diesem Fall solls gesagt sein, nicht zu eigen machen.