Dienstag, 5. Juni 2012

Buchhandel und Antiquariat Hand in Hand


Meine Voraussagen in Sachen Datenbank haben sich bisher leider bewahrheitet. Es wäre mir lieb gewesen, wenn ich öfter Unrecht gehabt hätte - vor allem meine erschreckend präzise Voraussage des ZVAB-Verkaufs durch von Rheinbaben und die Vorahnung der Dominanz von Amazon (ist gleich Abebooks ist gleich ZVAB) im Internetabsatz der deutschen Antiquare hatten einen allzu düsterem Hintergrund. Ist das altekrokodil (mein Ebay-Name) nur eine Kassandra, nur der Überbringer schlechter Nachrichten?

Mag sein, daß ich Imagefragen zu lässig nehme. Ich bin vom langjährigen Studium her Kriminologe - das sind Leute, die von Natur aus, wie meine liebe Tante Anna zu sagen pflegte, im Dreck wühlen. Die Nachtseite, das Unglück, die Verirrungen, Holzwege und Nöte anderer Menschen zu untersuchen und womöglich zu therapieren, das härtet ab. Vielleicht bin ich dadurch auch in meinem Brotberuf, im Antiquariat, unfreundlich, rüde und ungesellig geworden. Ich sage, was Sache ist, und Feingeister, als die sich die meisten Kollegen im Altbuchhandel sehen, müssen darunter leiden.

Gelegentlich habe ich auch positive, konstruktive Gedanken, nicht nur Warnungen und Schwarzmalereien.

Angesichts der neuesten Entwicklungen scheint es mir an der Zeit, eine uralte Buchhandelstechnik wieder neu zu beleben. Nur sehr alte Semester können sich noch daran erinnern: Ich spreche von den

*Sachgebietskatalogen der Neubuchgrossisten.

Noch vor vierzig Jahren gab es, nur für Neubücher gedacht, umfangreiche gedruckte Themenkataloge. Das waren Verkaufslisten jeweils für relativ enge, überwiegend (aber nicht nur) universitäre und berufliche Themen. Sie waren je nach Sachgebiet sehr umfangreich, ich sehe noch den Jura-Katalog vor mir, ein dickes Kompendium in engem Satz, saubere ausführliche Titeleien mit Buchhandelspreisangaben. Die Register waren ausgezeichnet, vor allem aber war eine sehr etaillierte Sachgliederung innerhalb des Gebiets ungeheuer nützlich, gerade auch für Studenten. Die Gliederung beim rechtswissenschaftlichen Katalog umfaßte zum Beispiel etwa 6 Seiten, Namens- und Sachregister gut deren 30. Das gesamte Taschenbuch dürfte 250-300 Seiten gehabt haben, Druck auf billigem Papier, aber sehr klar und sauber, kleinere Typen, einfacher Broschurenumschlag, zweispaltiger Satz, Format meist A5, es gab aber auch etwas kleinere Editionen.

In den Jahren vor etwa 1970 erinnere ich mich an kaum ein Institut, kaum einen Schreibtisch in Seminaren, Ämtern, bei Literaten oder Journalisten, wo die Fachkataloge nicht irgendwo herumlagen, abgenutzt oft, geradezu zerlesen, offensichtlich ganz unentbehrlich. Da die Lagerfristen in den Buchhandlungen wie auch die Lieferbarkeit von neuen Titeln weitaus länger war als heute üblich, enthielten viele Kataloge nahezu alle wichtigeren Titel seit 1945, mitunter sogar - notorisch war da etwa der Verlag Winter in Heidelberg - lieferbare "neue" Titel bis zum ersten Weltkrieg hinunter.

Es dürften etwa 20-30 Themenkataloge jeweils erschienen sein. Da zeitweise mehrere Grossohäuser  in Konkurrenz Fachlisten erstellten und mein Langzeitgedächtnis in Sachen Antiquariat besser funktioniert als in Neubuchhandelsdingen, kann ich weitere Einzelheiten aus dem Stand dazu nicht liefern.

Wichtig ist für das Antiquariat die Grundidee. Wenn wir Buchantiquare

*zusammen mit dem Neubuchhandel

solche Fachlisten, jetzt natürlich sowohl gedruckt als im Internet, erstellen und vertreiben würden, dann wäre eine neue Ebene der Zusammenarbeit möglich zwischen den so unähnlichen Geschwistern "Antiquariat und Neubuchhandel". Wie das im einzelnen aussehen kann, das müßte mit viel Phantasie ausdiskutiert werden. Die einfachste Lösung wäre wohl, für die jeweilige Sachkatalog-Rubrik, zum Beispiel im Katalog "Recht" das Unterthema "Rechtsgeschichte des Mittelalters", zuerst lieferbare Neubuchtitel, dann, deutlich abgesetzt und vielleicht in kleinerer Type gedruckt, antiquarische Werke zum gleichen Thema zu bringen.

Das so entstehende Bücheruniversum könnte in vielfältiger Weise im Internet und anderswo zur Propaganda eingesetzt werden. Die Druckkosten lassen sich durch neueste Rotationsverfahren, etwa in Spanien oder Indonesien, von China nicht zu reden, drastisch senken und sehr hohe Auflagen sind denkbar. Die Verteilung müßte "kontrolliert" erfolgen, aber immer gratis.

Die Fachkataloge wären eine gute Waffe gegen den gemeinsamen Feind. Für den Neubuchhandel heißt er "Amazon", für das Antiquariat "Abebooks" ist gleich ZVAB" - zwei Namen,  e i n  Gegner.