Dienstag, 21. April 2009

Wirtschaftswoche/Stölzel: Ein Verriß in 16 Teile(n)




http://www.wiwo.de/unternehmer-maerkte/gefangen-im-netz-394178/

1.
"Bisher waren Buchauktionen unspektakuläre Vormittags-Veranstaltungen, die hauptsächlich Antiquare anlockten, die ihre Bestände auffüllen wollten."

Völliger Unsinn.

2.
"Bieten Sammler mit, geht der Preis oft in Höhen, bei denen als Zwischenhändler bietende Antiquare nicht mithalten können"

Das ist seit 100 Jahren so. Eine selbstverständliche Quisquilie.

3.
"Allen hochpreisigen Antiquariaten droht aus einer weiteren Ecke Konkurrenz: von den Auktionshäusern."

Schon seit OIims Zeiten. Was bitte ist daran neu?

4.
"Gewinner des Internet-Zeitalters sind vor allem die Spezialisten. Dazu gehört das Ex-Zentralantiquariat der DDR in Leipzig – mit 165.000 Titeln, elf Mitarbeitern, einer Million Euro Jahresumsatz"

Die Grundaussage stimmt so nicht. Das Zentralantiquariat ist weniger ein "Spezialist", als vielmehr einfach nur groß. - In der Folge wird dann wieder die "Spezialisten"-These verquickt mit der Ladenfrage (Laden vs. Internet). Beides hat aber nix miteinaner zu tun.

5.
"Die Marktplatz-Plattform Amazon etwa kassiert meist drei Euro für den Versand. Einen Euro behält der Portalbetreiber, zwei bekommt der Händler. Abzüglich der tatsächlichen Kosten für Verpackung und Porto bleiben so 35 bis 40 Cent je Buch. Leben kann davon nur, wer viele Hundert Bücher am Tag verkauft."

Es gibt nur ganz wenige berufsmäßige Antiquare, die von/mit diesem Modell leben. Die Branche selber berührt das fast gar nicht.

6.
"Den Portalbetreibern sind die Massenverkäufer, die ihnen reichlich Einstellgebühren bringen, willkommen."

Das Gegenteil stimmt. Der Kampf der Antiquariats-Portale gegen Billig-Masseneinsteller ist schon alt und sehr beständig (siehe schon Wölki versus ZVAB).

7.
"Denn Hochpreishändler verkaufen Bücher nicht selten an den Portalen vorbei, um die Umsatzprovision – bei teuren Büchern bis zu 30 Euro – zu sparen. Da das Antiquariat im Web-Angebot meist genannt wird, können Bücherfreund und Antiquar das Geschäft direkt abwickeln."

Das sind Einzelfälle. Die Portale haben natürlich Test- und Kontrollkäufer. Jeder Antiquar riskiert Probleme mit der Datenbank, von der der auf Gedeih und Verderb abhängt. Überdies sind die Gebühren nach obenhin gedeckelt.

8.
„Sind sich die Händler bei bestimmten Werken einig, nicht unter Wert zu verkaufen, funktioniert das Geschäft“, sagt Wolfgang Höfs.

Hätte er besser nicht sagen sollen. Wir sind nicht im Hotel Drouot in Paris. Absprachen dieser Art sind in Deutschland selten, aus mehreren Gründen.

9.
"In den USA erzielen Antiquare so Traumpreise. Eine Erstausgabe von Herman Melvilles Roman „Moby Dick“ beispielsweise gibt es nicht unter 28.000 Dollar"

Vergleiche des deutschen mit dem US-Altbuchmarkt gehen fast immer völlig in die Irre. So auch hier.

10.
"Doch nicht alle können es sich leisten, im teuren Segment aktiv zu sein. Manche Bücher liegen Jahre, ehe sie verkauft werden. Das bindet Kapital. Für viele Anbieter bleibt daher nur das zweite Extrem: Sie mieten Lager, um den Markt mit Massen an Billigbüchern zu fluten."

Das eine Argument hat mit dem anderen absolut nichts zu tun. Das ist ganz skurril um die Ecke gedacht.

11.
"Denn seltene Bücher sind anders als Nachkriegsliteratur im Internet-Zeitalter teurer geworden."

Vollkommener, lustiger Unsinn. Absolut falsch!

12.
"Ein Teil der Händler, darunter das Düsseldorfer Heinrich Heine Antiquariat, zieht sich aus dem Internet zurück und druckt wie früher wieder Antiquariatskataloge und Listen für Sammler"

Das ist nicht "ein Teil der Antiquare", sondern sind extreme, einsame Ausnahmen, insoweit damit der "Rückzug aus dem Netz" verbunden ist. Den Kollegen möchtre ich mal sehen!

13.
"Andere Händler nehmen nur noch um die 1000 sehr hochkarätige Bücher ins Programm, um sie im Laden, per Katalog, auf Antiquariatsmessen oder online anzubieten"

Das war schon immer so. Was soll das als "aktuelles" Argument?

14.
„Zum Teil erzielen wie nicht mal unsere Einkaufspreise“, berichtet der Berliner Antiquar Manfred Gast."

So gesagt und als Argument verwendet ist das Schwachfug. Schon mal was von der Mischkalkulation, gerade beim Einkauf, gehört?

15.
"Die meisten Mitspieler der Branche, die nach Schätzungen 300 Millionen Euro im Jahr umsetzt"

Nimmt man die Versteigerunghäuser, den Kunsthandel und die Ebay-Laien einmal weg, ist das eine groteske Mondzahl. Die Wirtschaftswoche sollte besser rechnen können.

16.
"Mitunter senkt eine Software automatisch den Preis, sobald die Konkurrenz ein billigeres Angebot einstellt. Preisstürze sind die Folge."

Das gilt absolut nicht generell, im Gegenteil. Interessant wird es erst dann, wenn Sie uns sagen, wo und warum - und wo und warum nicht.

Der gesamte Artikel ist seltsam konfus, nur punktuell recherchiert und leidet darunter, daß praktisch keine Fachquellen verwendet worden sind. Wenigstens Redakteur Biesters Börsenblatt-Netzdienst hätte man gelesen haben können.



Das aussagekräftige Foto von Kerkeling als "Journalist Schlämmer" stammt von der stets lesenswerten Netzseite des Spiegel / dpa. Es wird auf einfachen Aufforderung hin hier sofort entfernt.