Dienstag, 21. April 2009

Warum wir Prolibri so lieben - Kritik eines Portals


Vorsicht: Dieser Beitrag wurde inzwischen - Mitte 2011 - schon weitgehend von der Entwicklung überholt


Die Empfangsseite präsentiert sich ungeschickt. Datenbanken werden oft und wiederholt genutzt, nach dem dritten Mal ärgert sich der Nutzer über "Herzlich willkommen" und den nachfolgenden Sermon. Man möchte als Nutzer einfach beginnen. Wirte, die den Gast auch nach dem x-ten Besuch mit langen Reden empfangen, nerven nur noch. Wenn aber schon die Anrede sein muß, dann wenigstens nicht "Herzlich willkommen bei prolibri.de, dem Verkaufsportal für antiquarische Bücher, Graphik und andere Artikel aus dem Umfeld des Antiquariats.".

"Andere Artikel..." und "Umfeld des Antiquariats" sind ungeschickte Formulierungen. Was mag man im Antiquariat noch an "Artikeln" suchen? WC-Papier, das Antiquariatsbüsi, Mottenpulver, Pfändungssiegel, alte Socken?

"Wollen Sie mehr über prolibri.de erfahren, klicken Sie bitte → hier", auch das wollen wir höchstens einmal erfahren und nicht bei jedem neuen Aufruf. Folgt man dem Pfeil, eröffnet sich ein grotesk zusammengestoppelter Text voller schiefer Bilder in einem Deutsch, das sich auf Hilfsschülerniveau bewegt . Jeder Deutschlehrer greift da nervös zuckend zum roten Kuli. Leute, was denkt Ihr euch eigentlich?

Zurück zur Portalseite.

"Suchen Sie beliebige Begriffe im gesamten Angebotstext". Nein, nicht so! Der Nutzer muß, wenn das schon nötig erscheint, ganz kurz aufgeklärt werden über Stich- und Schlagworte, die er suchen kann. "Beliebige Begriffe" ist Unfug. Warum nicht Verfasser- oder Worte aus dem Haupttitel vorschlagen? "Gesamtes Angebot" liest sich schwurbelig, siehe oben. Zuallererst handelt es sich um Bücher und Graphiken. - Im übrigen reicht das Wort "Volltextsuche" aus. Es ist deutsch und klar und deutlich.

"Verfeinern Sie die Suche durch genauere Angaben", hier ist das Wort "Angaben" nicht glücklich. - Der Link zu den "Tip(p)s" führt in ein unsägliches Dickicht von Argumentationen, verqueren Formulierungen und abstrusen Satzkonstruktionen.

Unter der Spitzmarke "Navigation Sitemap" beginnt das G r a u e n.

Zurück zur Eingangsseite.

Unter "Sortierung" voreingestellt den Fachbegriff "Relevanz" zu bringen, ist nicht gut - er gehört zu den weniger bekannten Fachtermini. Das schreckt nur ab.

"Suche starten" ist insoweit nicht glücklich formuliert, als der Nutzer ja mit der Eingabe bzw. Auswahl seiner Parameter schon, von sich her gesehen, die Suche "gestartet" hat. Sie wird jetzt ja nur "ausgeführt" oder "verwirklicht", notfalls reicht auch ein "Los!" oder sonstwas.

"Nach oben" ist blödsinnig, weil die Eingangsseite so kurz geraten ist, offenbar in einer Überanpassung an auch mittelalterliche Ur-Browser, daß der Kunde hier immer "oben" ist. Noch blödsinniger der interne Link zur "Startseite" - wir befinden uns auf der Startseite!

Der Ausdruck "Kontakt" ist nicht gut, denn der Kunde ist ja auf der Startseite schon in sehr engem "Kontakt" mit der Datenbank. Gemeint sind natürlich Emails. Die Funktion des Briefeschreibens/ der Anfragen ist zu wichtig, als daß man sie mit diesem mißverständlichen, flapsigen Modewort abtun sollte. "Datenschutz" gehört als Parallelgruppe neben die "AGB", wenn diese weitgehend unnötigen AGBs schon einmal heruntergebetet werden sollen. Der normale Benutzer will den juristischen Unfug möglichst kurz und knapp lesen (müssen), die Welt besteht nicht nur aus Anwälten. Normalerweise reichen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesttexte völlig aus, weitergehende AGBs für Antiquare sind Kokelores. Aber stellen wir das dahin. "Alle Rechte vorbehalten" ist juristisch Schwachfug.

Die "Links" sind zum Teil ganz pfiffig ausgewählt. Um aber irgendwelchen Nutzen daraus zu ziehen, müssten sie in eine sachliche Dienstleistungsseite eingebaut werden. Soviel Zeit muß sein. Sie wie Kraut und Rüben untereinanderzuknallen bringt gar nix.

Die Farben sind ganz scheußlich ausgewählt, die Startseite wirkt depressiv. Das Gelb der Kopfleiste geht ja noch an, die Grautöne des Hauptfelds sind unmöglich, so etwa war die graue Wandfarbe im Tränenpalast, Bahnhof Friedrichstraße. Sapienti sat. "Neueingänge, Sachgebiete" verschwindet optisch in hellgrauem Band, wäre aber hervorzuheben gewesen, dagegen dominieren die unnützen Kategorien "Bücher", "Graphiken" das Bild in einem Rotbraun, das hilflos zwischen Schokolade und hier nicht näher zu benennenden Ausscheidungsprodukten oszilliert.

Optischer Gesamteindruck des Eingangsportals der Datenbank: D e p r e s s i v.

Natürlich läuft die Seite ziemlich breit, aber das ist noch lang kein Grund, sie vollzumüllen mit Werbetexten, Werbebildchen und hilflos-großsprecherischem Eigenlob. Das "umfangreiche Hilfesystem" ist, wen wunderts, ein grotesker Irrgarten. Wer immer sich dieses Kabinett des Grauens ausgedacht hat, gehört dort täglich eine Stunde eingesperrt, bis er schreiend im Kreis läuft. Die fürchterlich kleine Schrift (eine Frechheit gerade auf Hilfeseiten) kombiniert mit viel zu weitem Zeilenabstand und einer dummfrechen, graphisch nicht gestützten Seiten"aufteilung" vervollständigen das hilflose Bild.

Die Buchdeckelabbildungen sind recht putzig, kommen aber, nur Prolibri kennt den Grund, allesamt in blassem Grau daher. Das wirkt so erbärmlich billig. Armselig.

Beim Aufruf des einzelnen Bücherdatensatzes entwickelt sich das volle Grauen. Hier ist nichts richtig, nahezu alles falsch gemacht. Die Braunfärbung der Verfassernamen, an sich nicht ungeschickt, wird beeinträchtigt durch weitere Braunfärbungen: Listennamen, Namen der Antiquariate, AGB (!) kommen gleichfalls braun einher. Warum nicht wenigstens in einem freundlichen Grün - die ideale Komplementärfarbe zum braun? So wird der Leser nur verwirrt. - Auch nicht uneben wäre an sich die kleinere Schrittype für Anmerkungen. Aber das alte Erbübel - die Antiquare können Kommentare und Haupttext der Titelaufnahme einfach nicht trennen. haben sie noch nie gekonnt, und deshalb geht es nicht an, "Anmerkungen" in kleinerem Schriftgrad zu bringen. Das Querlesen der Titelaufnahmen wird zur optischen Qual.

Zur haptischen Qual wird es durch viel zu viel Durchschuß in und zwischen den (Zeilen der) Datensätze(n) - der Nutzer scrollt sich mühsam nach unten oder quält sich mit hurtig springender Zeilentaste von (abgeschnittenem) Datensatz zum (abgeschnittenen) nächsten. Solang wir keine Funktion besitzen, wenigstens nur "ganze Datensätze" beim Durchscrollen der Seite zu sehen, müssen wir dem Nutzer soviel Datensätze je Bildschirmseite bieten wie irgend möglich. Das wird hier sträflich vernachlässigt. Vielleicht ist mein Zeigefinger besonders sensibel - aber schon solche Scrolltortur würde mich dieser Datenbank entfremden.

Bei Durchsicht einiger AGBs erfaßte mich das schiere Grauen (aber meine eigenen sind auch nicht besser). " Frage zu diesem Angebot stellen" ist kreuzunglücklich formuliert.

Das Einführen mehrerer Absätze innerhalb der Datensätze in dieser Form ist ungemein leseunfreundlich, überdies ganz unnötig. Der weiße Hintergrund ermüdet die Augen. - Kurios die Funktion der Pünktchen-Unterstreichung - mal führt sie weiter, als Link, etwa beim unterstrichenen Verfassernamen; bei unterstrichenen Haupttitelwörtern nicht. Beispiel:

GOETHE, J.W. v: Willkomm und Abschied. Gedichte des jungen Goethe.

Bei GOETHE führt der Link zu allen Goethes, bei Gedichte und dem zweiten Goethe - - nirgendwohin. Das ist irgendwie absurder Kokelores, es verwirrt.


Gesamtwertung (im Vergleich mit unseren anderen Portalen):

Eingangsseite: ganz ungenügend, psychologisch verheerend, Note 4
Der gesamte "Beratungs", Erklärungs- und Benutzerhilfetext: Unter aller Kritik, nur noch peinlich, Note 5
Gestaltung der Titelaufnahmeseiten (Datensätze): Wegen starken Lesemängeln, unerträglicher Scrollanforderungen und der kurios-blödsinnigen Unterstreichungspraxis erhebliche Abwertung, Note 4
Mechanische Funktionalität mitsamt der Bilddarstellung: Gut bis sehr gut, Note 2.

Es ergibt sich eine Gesamtnote "4+".

Fazit: Prolibri ist mit großem Abstand die schlechteste Portalseite im deutschen Altbuchangebot.


Dank für das Foto an Lothar Sauer. Bild wird nach formloser Aufforderung sofort entfernt.