Mittwoch, 15. April 2009

Orwell am Golf / Redakteur Biester



Quellenzitat Redakteur Biester aus Börsenblatt.net, letzter Abschnitt, stellvertretend für viele ähnliche Zeilen:

Positiv bewerteten die Aussteller die Medienberichterstattung sowie das Publikumsinteresse; die Lage der Antiquariatsabteilung sorgte für optimale Wahrnehmung. Die Organisation der Messe funktionierte einwandfrei, abgesehen von Unstimmigkeiten mit der Spedition am Aufbautag und der kurzfristigen Änderung der Öffnungszeiten – die tägliche vierstündige (!) Mittagspause wurde für die letzten beiden Tage gestrichen, so dass sich die Aussteller unverhofft mit einer Präsenzpflicht von 9 bis 22 Uhr konfrontiert sahen.
Wie immer man die Zukunftsaussichten der Veranstaltung beurteilt, die Beteiligten dieses Erstdurchgangs leisteten Pionierarbeit. Der Gesamtumsatz lag geschätzt bei einer Million US-Dollar (Detlef Thursch). Die Reise an den Golf haben aber wohl auch die Aussteller nicht bereut, deren Umsätze hinter den Erwartungen zurückblieben.
Folgende Anmerkungen eines Antiquars sollten Redakteur Biesters Blütenträume nicht zerstören dürfen, sie verfielen einer kommentarlosen Totalzensur:

Sind die Zeiten, da sich Buchantiquare auch als moralische Avantgarde, als politisches Gewissen, ja überhaupt als - - denkende Menschen verstanden haben, endgültig vorbei und verweht?

Wie kann ein durchschnittlicher Leser politischer Magazine, von tieferen Einsichten wollen wir schweigen, mit solcher Naivität an einer Messe teilnehmen, die durch ihre reine Existenz schon die Werbetrommel rührt - rühren muß - für ein Regime, das

- politisch jedem Demokratieverständnis H o h n spricht,
- sozial auf einem spätmittelalterlichen Rollenverständnis beruht,
- die dritte Welt via Benzinpreise ihrem Untergang ein gutes Stück näherbringt?

Es soll uns nicht gehen um die Tatsache, daß auch wir satte Europäer von den Emiraten als nahezu hilflose Milchkühe gehalten werden, da machen die anderen OPEC-Staaten ja fröhlich mit. Vielmehr bitte ich Herrn Biester, dessen politische Blauäugigkeit leider scheints auch durch den täglichen Blick auf die Frankfurter P a u l s k i r c h e nicht behoben wird, die politischen, noch mehr die sozialen i n n e r e n Strukturen der Emirate endlich zu sehen, zu benennen und zu brandmarken.

Man hat der Welt, weißgott zurecht, vorgeworfen, gerade durch Teilnahme an Messen, Olympiaden und anderen Feiern das unselige, vor allem aber

z u t i e f s t u n d e m o k r a t i s c h e

NS-Regime von außen unterstützt und gefördert zu haben. Was tun wir, bitte, durch derart n a i v e Teilnahme "unpolitischer" Antiquare und Redakteure in den Emiraten heute anderes? Die von Redakteur Biester, so flink wie vernebelnd, so benannte "arabische Welt" zerfällt in unendlich arme, aber doch um Demokratie bemühte Staaten und in den gerade seitens fast aller Araber bestgehaßten Klüngel der Emirate.

Nochmals, es geht zuerst nicht um soziale Ungerechtigkeiten, auch wenn die Verteilung der ganz unvorstellbaren Gelder in den Familienklüngeln widerlich und scheußlich erscheint - es geht um ganz einfache

f r e i h e i t l i c h e Strukturen.

1848, werter Herr Biester: Sehen Sie einfach zum Frankfurter Fenster hinaus!

Antiquare, die an Messen in solch grauenhaften, Freiheit und Menschenwürde mit Füßen tretenden Oligarchien teilnehmen, besudeln die Würde unserer Urgroßväter in der Frankfurter Paulskirche.

Aber vielleicht merken das die teilnehmenden Kollegen einfach nicht. Was solls, Geschäft ist Geschäft. Und doch, von der Redaktion hätte ich mir mehr erwartet.

(Ein Blick auf die grauenhaften Plakatwände mit Riesengesichtern des Herrscherklüngels könnte die Antiquare doch wenigstens veranlassen, ihren O r w e l l hervorzusuchen...)




Bildquelle: Bundesarchiv / Wiki commons