Samstag, 18. April 2009

Absatzförderung im Antiquariat: E i n e Datenbank


Vorsicht: Dieser Beitrag wurde inzwischen - Mitte 2011 - schon weitgehend von der Entwicklung überholt






Vorbemerkung:

Redakteur Biester stellt uns ein neues Konzept der Bücherplattform Abebooks vor, in dem den Mitgliedern einige Muster für eigene Webseiten zur Verfügung gestellt werden. Ich gehe nicht näher darauf ein, erwähne nur der Vollständigkeit halber, daß ich per Zufall schon vor einigen Monaten ein ganz überraschendes Webseitenkonzept für Mitglieder-Homepages dieser Plattform entdeckt und diese Beobachtung im Börsenblatt veröffentlicht hatte, im Rahmen einer kleinen Antiquariats-Webseitenkritik, Buchstabe A-B. Mir fiel auf, daß mindestens ein Kollege eine solche sehr gute, in jeder Hinsicht erfreuliche und pfiffige Abe-Vorlagenseite für seine eigene Homepage verwendet hatte. Das ist also offenbar nicht so neu, wird in Deutschland aber bisher nur zögernd ausprobiert. Abebooks hat ja auch in der Tat den Zugangslink zu seinem Homepage-Webseitenangebot so kunstvoll verborgen, formuliert den zugehörigen Text so verhältnisblödsinnig, daß er außerhalb des Mitgliederbereichs gar nicht entdeckt und innerhalb - kaum verstanden werden kann.

Die Öffentlichkeitsarbeit von Abebooks Deutschland ist unsäglich schlecht.

Wie auch immer: Das Webseitenkonzept von Abebooks für Homepages der einzelnen Mitglieds-Antiquariate zeugt graphisch-ästhetisch wie auch werbetaktisch von absoluter Spitzenklasse und ist offenbar in den USA von ersten Fachleuten entworfen worden. Das merkt man.

Bei dieser Gelegenheit darf ich Redakteur Biester daran erinnern, daß er nicht irgendwelche kryptischen Ankündigungen von Abebooks fast unkommentiert übernehmen und sie den verdutzten Lesern an den Kopf knallen sollte - es ist seine Aufgabe, die Meldungen selber zu hinterfragen und ihnen nachzugehen. Halten zu Gnaden, soviel Zeit muß sein, auch am Freitag Nachmittag. Mit ähnlich verwickelten "Ankündigungen" meiner lieben Tante Ebay hat er es gestern genauso gehalten. So geht das nicht. Die Frage "und was halten Sie davon, lieber Leser?" kann nicht an die Stelle eigener Recherche treten.

Ende der Vorbemerkung. Und nun zur Sache.

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Von Zeit zu Zeit entwickelt sich unter den Antiquaren eine emsige Plattformen-Diskussion. Das erinnert uns an leichtere Grippe-Anfälle, die periodisch auftreten, aber keinen tieferen Sinn haben als den, uns abzulenken von der Kernfrage, die hinter den Verkaufsplattformen lauert.

Was Wunder, daß die notorischen Unterhalter, Vernebler, die Interessierten, die unglücklichen Genossenschaftsbastler, die Puppenköche mit ihren rührenden Miniaturdatenbänklein, die traurigen Ritter von den unbekannten Meta-Datenbanken, die vernebelnden und verhehlenden Abkassierer vom Schlage (nein, ich benenne die Softwareschmiede hier nicht), die ängstlich ihr längst staatlicherseits zu unterbindendes Quasimonopol kaschierenden ZVAB-Leute, der stündlich nach u n g e f ä h r l i c h e m Spielmaterial für seine Antiquare suchende Redakteur Biester - - daß sie alle begierig darauf eingehen. Und von dem hochfahrenden Schwadronierern der Quack mit ihrer Qualitätsmanie bis zur eiskalten, naiv-tüchtigen Masseneinstellerin rühren sie alle emsig im Kochtopf.

Kann man das unter "erfreulicher Teilnahme" eintüten und ablegen? Jene beiden Kollegen, die dann immer, mit tödlicher Präzision, gegen Ende der Diskussion mit ihrem "eigentlich ist es doch gut so, wie es ist - viele kleinere Plattformen bringen ein gutes Marktgefüge - jeder Kollege muß sich seinen Absatzweg selber suchen, jeder Kunde findet schon seine ihm zusagende kleine Datenbank" den genasführten Leser zur Weißglut bringen - - sie führen uns schließlich auf den rechten Weg.

Denn irgendetwas kann an der ganzen Plattformen-Reformdiskussion nicht stimmen!

Wie so oft liegt auch hier das erlösende Zauberwort im Begriff der A b s a t z f ö r d e r u n g.
Wenden wir diese Kernfrage unseres Gewerbes einmal auf unsere kleinkarierten Plattformen-Reformdiskussion an. Die Voraussetzungen sind rasch zusammengezählt. Wir haben einen Bestand von etwa 10-12 Millionen gebrauchter deutschsprachiger Bücher in unseren Datenbanken. Wegen der ebenso grotesken wie - ein spannendes Kapitel! - tückisch-absichtlich herbeigeführten Zumüllung insbesondere des ZVAB mit weiteren Millionen fremdsprachigen Bücher (die dort keine Seele sucht oder gar kauft), ist die Zahl nur zu schätzen.

Von diesen geschätzten 10-12 Millionen deutschsprachigen Titeln sind gut 95 % dauernd unverkäuflich, worunter wir einen Null-Absatz in einem bestimmten Zeitraum, zwei Jahre würde ich ansetzen, verstehen wollen. Der gesamte Umsatz über die Plattformen generiert sich also aus 5 % verkäuflicher Titel, wozu noch die in der Alltagspraxis des Antiquars gar nicht so unwichtigen Zufallstreffer aus "entdeckten" Altbeständen kommen. Aber es bleibt dabei - - eine ungeheure Altpapierwalze von etwa 10 Millionn Büchern m ü l l t die Plattformen dauerhaft zu.

Wir wissen, welche Tragödie sich dahinter verbirgt. Unzählige Arbeitsstunden der Kollegen, irrwitziger Platzbedarf zur Bereitstellung des Bücherbergs, blödsinnige Logistik bei den meisten Antiquaren, quälende Probleme bei Inventur, ein geradezu zynisches Abzocken seitens der Datenbanken à conto "Grundgebühren" - der Büchermüll kostet mehrfach, bei uns zuhause und bei den müllverwaltenden Plattformen.

Was tun? Jedes andere Gewerbe, schon Fischweiber und Besenbinder machen es besser, würde sich organisieren und gemeinsam nur eine Sorge haben: A b s a t z f ö r d e r u n g.

Soweit, so einsehbar, viel diskutieren kann man über die Notwendigkeit nicht, sich Gedanken zur Verkaufsförderung zu machen. 10 Millionen dauernd unverkäuflicher Bücher sprechen eine unüberhörbare Sprache, oder besser gesagt, sie müffeln unüberriechbar vor sich hin.

Wir haben vorgestern angedeutet, daß wir ein Reservoir von 90 % der Neubuchkäufer haben, die noch nicht einmal auf die I d e e gekommen sind, ein antiquarisches Buch zu kaufen. Das ist eine ungeheure Chance, und nur wir (nicht aber Fischweiber etc., siehe oben) bringen es fertig, solch wundervolle Chancen zur E r w e i t e r u n g unseres K ä u f e r k r e i s e s ungenutzt zu lassen.

Womit wir, haben Sie es gemerkt, flugs wieder bei der Plattformenfrage angekommen sind. Abgesehen von der hochwichtigen Frage einer Kundengewinnung für das Antiquariat über die Neubuchhandungen ist die eiserne Vorbedingung jeder Kundengewinnung im Netz die Bewerbung e i n e r zentralen Datenbank, die a l l e lieferbaren Titel führt.

Jede Zersplitterung des Angebots ist werbetechnisch tödlich, besonders wenn wir uns, was wir tun müssen, um jene 90 % der Neubuchkäufer mühen wollen, die noch nicht einmal auf die I d e e gekommen sind, sich (auch) einmal ein antiquarisches Buch zu kaufen.

An sich sollte es klar sein, daß wir nur dann neue Käuferschichten aufschließen können, wenn wir im Netz mit e i n e r Datenbank a l l e s anzubieten in der Lage sind. Die Begründung dafür muß ihrerseits ausdiskutiert werden (wo? wie organisiert?), ich gehe aber davon aus, daß es unmittelbar einsichtig ist, wenn wir den Blickwinkel des vom Antiquariat bisher unberührten Neubuchkäufers einnehmen.

Wenn dem so ist, dann erscheint die Diskussion über einzelne Plattformfragen äußerst läppisch - solang wir nicht die wirklich wichtige, die Gretchen- und Herzensfrage des Antiquariats diskutiert und gemeinsam gelöst haben, die des ZVAB mitsamt den dahinterstehenden Monopol-, Werbe- und Absatzfragen.



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