Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Samstag, 30. Mai 2009
Schade um die Mühe oder: Wie setze ich einen Gemeinschaftskatalog in den Sand?
1.
Ein guter, wenn auch anonymer Geist hat mir nun mit dem Freistemplervermerk des Börsenvereins ein Handexemplar des Katalogs zugesandt. Die Quack dachte nicht im Traum daran, mir eines zu senden - die wissen, warum. Da ich mein Postfach nur am Samstag leere, kann ich erst heute auf den Inhalt eingehen. Das Vorwort und die Grundplanung hatte ich ja vor einigen Tagen hier schon in den Schmutz gezogen, Sie erinnern sich.
Noch ein methodischer Hinweis: Während ich es mir angelegen sein lasse, Personen nicht *emotional* zu beleidigen, tue ich ebendies mit Lust auf einer *sachbezogenen* Ebene immer dann, wenn ich eine Warn-, Verbesserungs- oder Abhilfefunktion zu erfüllen habe. Dies ist bekanntlich ein streng berufsorientierter fachlicher Blog.
Wer sich einliest, versteht meinen mitunter karikierenden, doppelbödigen Plauderstil und legt meine Zeilen nicht auf die Goldwaage. Ich werde von den Kollegen, wie jeder weiß, überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und verantworte, gemessen an der Vielzahl meiner Beiträge, einen der ungelesensten Blogs überhaupt.
Ich komme nicht so recht draus, wie Google die Zugriffe zählt, aber feststeht offenbar, daß sich meine Lesergemeinde im Tagesdurchschnitt auf 3 Klicks beläuft ,4 sind schon die Ausnahme. Da Redakteur Biester, Kollege Meyer und zu meiner Freude auch Kollege Schäfer hier täglich vorbeischauen, haben wir die ganze Leserschaft schon beisammen. Sonst verirrt sich fast niemand hierher.
Ich bin im übrigen seit jeher dafür bekannt, daß ich ganz gutmütig auf einfache Anforderung hin bestimmte Passagen streiche, wenns dem Seelenheil des Antragstellers dient. Meine Beiträge schreibe ich extrem schnell, korrigiere sie nur flüchtig und sitze also nicht wie der Drache Fafnir auf dem Goldschatz (oder saß er eher auf dem Venusberg? Wird zu klären sein). Man muß das locker sehen - wer was von mir will, soll mir schreiben. Er findet Gehör.
2.
Zur Einstimmung einige eher nebensächliche Anmerkungen. Die GIAQ hat, wie man weiß, in formaljuristischen Dingen noch nie ein glückliches Händchen gehabt. In diesem Katalog aber ist ihnen eine bisher unerreichte Spitzenleistung an juristischem Ungeschick gelungen:
Leutz, was ficht Euch an: Ihr weist, ganz richtig, unter der Spitzmarke "Geschäftsbedingungen" darauf hin, daß jeder teilnehmende Antiquar seine eigenen Geschäftsbedingungen hat und anwendet. Dann aber, so als wären wir im juristisch-dadaistischen Kabarett, betet Ihr, beginnend mit "Das Angebot ist freibleibend..." auf rund 70 Zeilen einen Sermon von Geschäfts- und Lieferbedingungen herunter. Das dürft Ihr beileibe nicht tun!
Verwirrung von Kollegen geht ja noch an. Der Gesetzgeber blickt großmütig auf den Rechtsverkehr zwischen, sagen wir, Ebenbürtigen. Er geht, nicht immer zurecht, davon aus, daß jeder Händler das gleiche Sachwissen hat oder doch haben kann. Wohlgemerkt gilt dies nur für Händler unter sich. - Hier leistet Ihr euch aber eine Verwirrung, wenn nicht gar eine Irreführung der Privatkunden. Denn welche Geschäftsbedingungen sollen für sie nun gelten - die 70 Zeilen, die ihr verbrochen habt, oder jene Klauseln, die der einzelne Kollege aufstellen muß und aufstellen wird?
Weil das so ist, habt ihr in den Zeiten des Versandabsatzrechts - notabene: Hier zwischen Händler und Privatmann - eine Todsünde begangen, die jede Kundenbestellung aus dem Katalog zu einem juristischen Abenteuer machen kann, wenn einer euch böse mitspielen will.
Ob eure rund 70(!) Zeilen der übergeschachtelten Geschäftsbedingungen ein fürchterlicher Salat aus richtigen und überflüssigen Klauseln darstellen, dies wäre meine Einschätzung, das wollen wir mit dem Mantel des Schweigens bedecken. Am Grauenvollsten ist für mein Rechtsgefühl die Verwendung des "uns" im juristischen Text - Himmelarschundzwirn, wer ist denn in diesem Fall "uns"? Mit wem geht denn nun der arme verwirrte Besteller einen Vertrag ein???
3.
Die beiden Vorworte wirken jetzt auf dem Papier noch viel aufgeplusterter als im Internet, gänzlich unmöglich - ach, lassen wir das, man kanns ja hier im Blog nachlesen, vor fünf Tagen. - Es ist höchst peinlich, wenn unter der schönen Überschrift "Inhalt" die Antiquariate aufgezählt werden, in einer ellenlangen Namensliste. Die Antiquariate sind eben nicht der Inhalt. Der Inhalt sind die Kataloge der Antiquariate. - Es ist albern und ziemlich angeberisch, im Fuß einer jeden Doppelseite anzupreisen "Gemeinschaftskatalog der Antiquare 2009". Das haben wir auf dem Deckel und im Titel gelesen, man braucht es uns nicht 150 mal vorzubeten.
Die Typographie wird, verbunden mit Merkmalen der Titelaufnahmen, den Hauptpunkt der heutigen Kritik bilden. Hier nur soviel im Voraus:
Der freie Rand innen, im Mittelfalz (ich drücke mich bewußt unfachmännisch aus) ist zu schmal. Das stört die Optik ungemein, ein peinlicher Anfängerfehler. Das bereitet dem Leser ein ästhetisches Grund-Magenweh, so lang er den Katalog in der Hand hält. Auch brachten es die unglücklichen Buchmacher fertig, ein im Licht sehr störend schimmerndes, reflektierendes Papier zu verwenden. Ganz grausig und unentschuldbar ist die durchgehende ausschließliche Verwendung von Schwarzweißfotos - es entsteht der Eindruck eines Trauerzirkulars oder einer Grufti-Friedhofspostille. Das wird keineswegs aufgehoben durch wenige schamvoll nachgeschobene Farbbildseiten. Gipfel der Peinlichkeit dann, angesichts dieses Trauermarsches in Katalogform, ein grellbuntes Quodlibet-Inserat.
Völlig verkorkst ist die Kenntlichmachung des jeweiligen Katalogtextes der teilnehmenden Antiquariate. Man bemühte sich zwar um eine hübsch minimalistische Kopfnotiz am Anfang jedes Kollegentextes - aber dann geht der einzelne Antiquar graphisch-optisch unter, es sei denn, man entdeckt (nach der unendlich wiederholten Angeberei mit "Gemeinschaftskatalog der Antiquare 2009" und einem Symbol, das grundsätzlich etwas über den Inhalt eines Buches aussagen will, niemals aber als Symbol für einen nachfolgenden Antiquariatsnamen taugen kann), winzig klein den jeweiligen Namen des Kollegen.
Der Katalog ist im Verhältnis zu seinem Umfang zu schlampig gebunden. Die Klebebindung scheint zwar haltbar, aber der verwendete Rückenkarton ist zu dünn. Schon jetzt, zwei Stunden nach dem ersten Anblättern, sieht er von hinten im Regal schäbig, billig, durchgelesen und wertlos aus. - Die Graphik des Einbands ist vom Teufel. Wie einfallslos das versetzte Aufeinanderstapeln von Buchsymbolen, im dritten Feld von oben eine jener dummfrechen, völlig unleserlichen Kunstschriften, die Einfaltspinsel in den Gebinden "1000 Schriften für die Hausfrau" für 4,95 Euro zu erwerben pflegen. - Der Gesamttitel "Bücher, Bücher, Bücher, Bücher..." paßt zwar in das Wolfskehl-Gedicht, ist aber im übrigen nur peinlich, oberpeinlich.
Ein Rattenschwanz kleinerer Peinlichkeiten sei diskret unter den Tisch gekehrt. Wer Wolfskehl nur "mit Genehmigung der Deutschen Schillergesellschaft e.V. in Marbach" abdrucken will, der macht sich der Effekthascherei und Anbiederung schuldig. Ganz grauenhaft der Untertitel "Wertvolle Autographen, Bücher, Graphik...", nicht (nur) wegen der unlogischen, doppelt und verquer moppelnden Zusammenstellung der Sachgebiete (siehe dazu meine Vorbesprechung), sondern weil das Beiwort "Wertvolle..." unendlich angeberisch wirkt, durch den Inhalt dann auch keineswegs immer bestätigt wird und von der Planung her auch gar nicht stets eingelöst werden sollte.
4.
Alles Äußerlichkeiten? Mag sein. Nun verziehe ich mich in meine chaotische WG-Küche, werfe das klapprige italienische Kaffeeapparätchen an, und wenn ich zurückkehre, gehts ans Eingemachte. -
Die verwendeten Typen sind grundsätzlich nicht schlecht ausgewählt. In anderem Zusammenhang würden wir uns freuen darüber - nicht aber hier. Woran liegt das? Eine an Serifen reiche Schrift, wie wir sie hier angewendet sehen, wirkt bei anspruchsvollen, fortlaufenden Texten immer gut. Ob man dort stattdessen eine nüchterne Helvetica oder gar einen Arial-Klon wählt, ist Geschmackssache. Soweit, so gut.
Nicht aber gilt dies bei komplizierten, sehr genau zu studierenden Texten, die zugleich von ihrer Natur her flüssig quergelesen werden müssen. Um solche genau zur Kenntnis zu nehmenden, jedoch auch rasch zu überfliegenden Notationen handelt es sich hier aber. Welcher Unglücksrabe hat diese verwickelte Serifenschrift ausgewählt, um ausgerechnet schwierige Titelaufnahmen damit auszuzeichnen? Das ist völlig unmöglich, eine Todsünde!
Die krottenfalsche Schrifttypenwahl macht das Lesen der Titelaufnahmen zur ausgemachten Quälerei. Das sind nun keine Äußerlichkeiten mehr - sowas kann für den Mißerfolg des Katalogs verantwortlich sein!
Dazu kommt, fast ebenso verheerend in den Auswirkungen, die Wiederholung eines alten Fehlers aus den ersten Zeiten der "Blocksatz"-Errungenschaft. Es ist, um es kurz zu machen, absolut verboten, Titelaufnahmen der anspruchvolleren Art in vordergründig "ästhetischem" oder "gefälligem" Blocksatz herunterzurotzen - - nur weils schön aussieht... Welche äußerste Barbarei! Ein vielfälig verschachteltes, ingeniöses Gebilde, hinter dem jeweils mehr als genug Schweiß des Antiquars steckt, wird in das Prokrustesbett eines geschmäcklerischen Blocksatzwahns gesperrt - in einem Aufwasch, ohne Absatz.
Detailfehler übergehe ich, deute nur an, daß die oft erfreulich langen und durchaus sachkundigen Anmerkungen in kleinerer Schrift nie als absatzlose Blöcke hingebreitet werden sollten. Ab etwa 20 Zeilen muß in Absätze gegliedert werden.
Ich breche hier ab. Die Titelbeschreibungen der meisten Kollegen sind ganz exzellent. Gerade deshalb ist es bedauerlich, daß - siehe die Besprechung letzte Woche - weder Strategie noch Taktik des Katalogs durchdacht erscheinen und daß, wie wir heute sehen, bedauerliche formale Mängel die Freude am Produkt nahezu verderben.
Das Bild verdanken wir der Webseite http://www.lwl.org/pressemitteilungen, in deren Eigentum es sich befindet. Es zeigt die beiden Katalogverantwortlichen vor ihrer letzten Redaktionssitzung.