Donnerstag, 28. Mai 2009

Die Nachdruckreihe der deutschen Antiquare




1.
Der kommende Verein der Antiquare (gestatten Sie, daß ich bei dieser Formulierung leise auf den Stockzähnen lächle - natürlich kommt er nie, Sie wissen es und ich weiß es auch) wird darauf bedacht sein müssen, handfeste Werbemittel einzusetzen, die ihn in den Kulturabteilungen der Medien bekanntmachen.

Seine Hauptaufgabe ist ja die Übernahme einer bestehenden bzw. die Gründung einer neuen allgemeinen Bücherdatenbank, die sich im Eigentum der Antiquare befindet oder doch von ihnen kontrolliert wird. Der Name dieses Berufsvereins ist ungeheuer wichtig, im Netz zählen nur Namen, von daher auch mein erbitterter Feldzug gegen die abstruse Mißgeburt des Quack-Namens. Meine persiflierende Bezeichnung dürfte inzwischen bekannter sein als das unsägliche, un-merkbare Kürzel GIAQ.

Aus Anlaß der jüngsten gigantischen Geldverschwendung zu Lasten der kleineren Kollegen, auch "Gemeinschaftskatalog" benannt, hier eine Anmerkung zur Finanzpolitik unserer Verbände. Während einerseits mit Projekten kurzgetreten wird, weil kein Geld für anzustellendes Personal da sei und ehrenamtlich doch nichts aus den meisten Vorhaben würde, neigt man dazu, auf bestimmte Stich- und Lockworte hin blind loszutraben, etwa bei "kulturelle Beachtung finden", "die Magie des gedruckten Katalogs wiedererwecken", "Kooperation mit italienischen, spanischen und saudiarabischen Bücherdatenbanken" - schöne Anlässe, um Geld zum Fenster hinauszuwerfen.

Was fehlt, ist eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Für mich heißt das: Wo immer es angeht, müssen alle Werbe- und Imageaktionen, muß auch die kommende Datenbank zum Selbstkostenpreis laufen, möglichst sogar Gewinn erzielen. Ideal sind also Projekte, die wirtschaftlich durchkalkuliert sind und etwas einbringen. Der Verein sollte also wie ein freier Unternehmer denken und handeln. Das wird nicht überall zu machen sein, wo es aber zu verwirklichen ist, muß man die Gelegenheit ergreifen.

Eine solche Image- und zugleich Geldidee darf ich vorstellen, die unserem Verein wohl anstehen würde.

2.
Mit berechtigtem Mißvergnügen sehen wir als Buchantiquare die neuesten Google-Scanunternehmungen. In bestimmten Teilbereichen werden sie uns brotlos machen, in anderen - uns durchaus noch auskömmliches Überleben gewährleistenden - Sektoren wird das "echte" Buch als Sammelgegenstand stetige Nachfrage erfahren. Die Verlagerung vom Gebrauchs- zum Sammlermarkt kommt.

Eine große Hilfe wird dabei die bisher äußerst ungeschickte, linkische, unpraktische Umsetzung der gescannten Bücher in ausgedruckte Laser-Bücher sein. Hier wird Google, zusammen mit der ohnehin absatzschwachen Geräteindustrie im Laserbereich freilich bald nachbessern, der "Volksbuch-Laserdrucker" mit integrierter Klebebinde-Möglichkeit wird kommen, dazu eine elegantere Anpassung der Ausdrucke an A4-Formate oder eine Umstellung der Drucker und Bindegeräte auf A5.

Wie auch immer: Auf eine hübsche Reihe von Jahren hin wird das Selber-Ausdrucken gescannter Titel für den Endnutzer keine befriedigende Alternative sein.

Unser Berufsverein sollte, wie ich meine, diese Chance nutzen.

Wer von uns im Fachgebietsbereich arbeitet und eher auf ältere Titel spezialisiert ist, der weiß, daß es eine Vielzahl oft kleinerer Schriften gibt, urheberrechtsfrei, die stetig nachgefragt werden, die wir aber nicht liefern können. Man möchte sich für Fachantiquare oder Heimat-Antiquariate geradezu Prüfungsfragen ausdenken zum Thema: Nenne mir aus dem Stand ein Dutzend stets gesuchter, aber fast nie lieferbarer kleinerer Schriften vor 1930 zu deinem Kerngebiet!

Es wäre nun eine kulturmedienwirksame, zugleich finanziell nicht ertragslose Sache, als Verein hübsch gestaltete Nachdruckserien aus allen Fachgebieten in steter Folge zu veröffentlichen. Jede neue Serie kann dann guten Gewissens bei den Kulturmedien vorgestellt werden, eine dezente, aber beständige Werbung für den Verein der Antiquare.

Man richtet dazu eine vereinseigene kleine Geschäftsstelle ein, zwei Kollegen leiten die Angelegenheit nebenberuflich, zwei akademische Hilfskräfte, am besten ältere ehemalige Instituts-Sekretärinnen, erledigen die Tagesarbeit.

3.
Ideal wäre es für die angestrebte psychologische Medienwirkung, wenn in einer ersten Stufe die alte Zeitung des Börsenvereins Leipzig und die bibliophilen / bibliographischen Zeitschriften aus dem alten Antiquariatsbereich ausgewertet und in interessanten Teilen nachgedruckt würden. Wer sich die Mühe macht und den Vorgänger unseres Börsenblatts, etwa um 1890, zur Hand nimmt, der ist überrascht über die Fülle, die sich in diesem toten, urheberrechtsfreien Steinbruch befindet. Buchgeschichtliches, literaturhistorisches usw. Material in Fülle, ähnliches gilt zumal auch für die alten bibliothekstechnischen Fachzeitschriften bei Hiersemann usw.

Ich wäre dafür, grundsätzlich in A4, immer etwas vergrößert wegen der bekannten Frakturnöte, nachzudrucken, eine ganz einheitliche Umschlagsgestaltung vorzusehen und die ehrwürdige, aber keineswegs überholte Chromolux-Technik mit Heißklebeverfahren zu verwenden.

Es wird dann psychologisch gesehen die Sache der Antiquare sein, preiswerte Neudrucke und Ausgrabungen herzustellen und zu vertreiben - eigentlich die natürlichste Sache der Welt, wenn mans recht bedenkt. Und da nur ein bescheidener Gewinn dabei herauskommen soll, wird das preiswert angeboten werden können. Es geht ja um den Werbezweck! Die Bände oder eigentlich Hefte werden hübsch einzeln ins VLB gesetzt.

Das ist natürlich nur eine Werbeaktion von mehreren für unseren Berufsstand und seine neue eigene Datenbank, sicher nicht die Wichtigste, aber Kleinvieh macht macht auch Mist - und unterschätzt mir das Wohlwollen der ernsthaften Büchersammler nicht! Wer ihnen Arbeitshilfsmittel liefert, der hat ihren Dank.

Das Bild gibt die erste Stellungnahme des Börsenvereins wieder zu der Überlegung, die Antiquare könnten seine alten Schätze nachdrucken (Bild gehört jener Kulturbesitz-Verwaltung, die für die Stabi Berlin keinen gescheiten Retro-Ankaufsetat mehr auf die Beine stellen kann - wir Antiquare habens zu büßen)