Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Sonntag, 31. Mai 2009
Der Gemeinschaftskatalog - eine publizistische Täuschung?
Was mag nur in den Köpfen der verantwortlichen Redaktion vorgegangen sein? Daß sie nicht Deutsch schreiben können, ist ja nicht so wichtig. Trotzdem tut es weh, wenn man sehen muß, daß die Verantwortlichen flugs eine eigene Webseite gegründet haben, um den Text ihres bei näherem Hinsehen höchst seltsamen Vorworts - siehe die Kritik vor 10 Tagen hier im Blog - der Ewigkeit anheimzugeben. Ich fasse es nicht.
Nun, nach drei vorhergegangenen Kritiken, noch einige Anmerkungen zu dem Geist, der hinter diesem Katalog steckt, der uns bisher schon so viel Mühe und Ärger bereitet hat. Neudeutsch heißt das, nach dem wir nun fragen, Strategie oder gar "Philosophie".
Mein Verdacht ist: Es soll hier der Eindruck erweckt werden, als handle es sich um den "Gemeinschaftskatalog der Antiquare". Dies wäre vom üblichen Sprachgebrauch her nahezu Etikettenschwindel, und nimmt man den Zusatztitel hinzu, "veranstaltet von der Genossenschaft der Internet-Antiquare", wird der Verdacht des Etikettenschwindels nicht abgeschwächt, sondern noch verstärkt.
Das ist eine harte Formulierung, und doch muß sie im Rahmen einer berufsständischen Kritik ausgesprochen werden.
Ich grenze den von mir vermuteten Tatbestand ein. Reklamiert werden "die Antiquare". Tatsächlich aber veröffentlicht hier eine Gruppe aus dem obersten Zirkel der deutschen Edelantiquare einen Auswahlkatalog, der fast ausschließlich Spitzenstücke und obere Mittelware zeigt.
900 der rund 1000 Antiquare im deutschen Sprachgebiet verfügen über Ware dieser Art nicht oder nur ausnahmsweise. Es handelt sich also nicht um einen "Querschnitt", es wird auch kein typisches Bild vermittelt, es konnten 90 % der deutschen Antiquare beim besten Willen erst gar nicht an einem Katalog dieser Art teilnehmen.
Darum ist dieser Katalog, wie ich einschätze, schon vom Anspruch her publizistisch *unwahr*. Der flüchtige Leser kann, so meine Auffassung weiterhin, getäuscht werden. Das muß keine Absicht der Herausgeber gewesen sein, vermutlich war es die übliche Dummheit.
Die Auswirkungen aber sind geradezu katastrophal. Denn dieser Katalog vermittelt absolut nicht das Bild des deutschen Antiquariats. Er ist vielmehr eine Zusammenstellung dessen, was in den Glasschränkchen der werten Kollegenschaft, in der Zimelienecke und im Reservatschrank sorgsam gehütet und nur mit begleitenden Argusaugen dem Kunden vorgelegt wird.
Dagegen ist zunächst nichts zu sagen: Warum nicht eine "Schau der Spitzenleistungen ausgewählter deutscher Antiquariate" in Buchform veranstalten?
Dann muß ich es aber auch sagen! Denn im zweiten Untertitel wird die (weiterhin: meine Einschätzung) publizistische Unwahrheit ja nicht ausgebessert, sonern eher noch verschlimmert: Die "Mitglieder der GIAQ" können sich ebensowenig als Querschnitt oder typischerweise in diesem Edelkatalog wiederfinden.
Ich werde mich hüten, den Herausgebern jenes Motiv zu unterschieben, das für böswillige Betrachter dieses Trauerspiels allerdings auf der Hand liegen muß: Daß sie sowohl ihre Kollegen als auch und vor allem ihr Publikum mit diesem Katalog getäuscht haben.
Nochmals: Es ist sehr sinnvoll, eine solche Schau der Spitzenleistungen ausgewählter Antiquariate zu veranstalten. Ich muß das dann aber korrekt etikettieren. Etikettenschwindel ist keine läßliche, sondern mitunter eine Todsünde.
Ich darf nur sehr begrenzt und mit großer Vorsicht das Goodwill und das Image einer *allgemeinen* Genossenschaft der Buchantiquare dazu verwenden, um *einzelnen Spitzen-Kollegen* die Gelegenheit zu geben, sich auf (moralische, nicht finanzielle) Kosten *aller* Genossen zu profilieren.
Die kleineren Kollegen fühlen sich ohnehin untergebuttert und unterrepräsentiert gegenüber den "besseren" Antiquaren. Sie müssen pfleglich behandelt werden. Die Kollegen Schäfer, Rudolph und Kretzer haben sich mit diesem von der GIAQ verantworteten Katalog nach meiner persönlichen Einschätzung als Totengräber des Genossenschaftsgedankens betätigt, ja - sie haben der Genossenschaft so etwas wie den moralischen Todesstoß versetzt.
Die Rolle des Verbands ist unter dem unklaren Vorsitzenden Köstler mit seinem unklaren Vorwort wieder einmal - - unklar. Dazu hier nichts weiter.
Was die Antiquare insgesamt und als Berufsstand anbetrifft, so ist auch er, wie ich einschätze, publizistisch verraten und unzulässig instrumentalisiert worden durch dieses Unternehmen. Ich darf nicht auf den Titel knallen "Gemeinschaftskatalog der Antiquare", wenn ich dann ein knappes Zehntel der Kollegen und diese nur mit teuren Spitzenstücken abbilde.
Gewiß, von Anfang an war es schwierig, dieses historische Kataloggebilde in der heute so ganz anderen Landschaft des Antiquariats vernünftig anzusiedeln - als Mittelding zwischen großem Messekatalog und kleinerem Versteigerungskompendium. Auf gar keinen Fall aber hätte das mit publizistischem Etikettenschwindel durchgeführt werden dürfen. Denn mit über 90 % des deutschen Antiquariats hat dieser Edelkatalog - man mag sagen leider - sehr wenig zu tun.
Wie hätte ichs gemacht? An der sehr schweren Aufgabe, echte Querschnitte durch das Angebot besonders des mittleren deutschen Antiquariats einzufordern und zu redigieren, hätte ich Abstriche nicht machen wollen. Auch dann wäre feilich eine Sammlung der besseren Stücke entstanden, aber im mittleren Niveau, im ehrlichen, tatsächlich vorhandenen guten Standard der deutschen Kollegen.
Damit würde auch unserer kommenden Hauptaufgabe, der Absatzförderung, gedient gewesen sein. Die hier vorgestellten Spitzenstücke verkaufen sich immer - der guten Mittelware muß unsere Hauptsorge gelten. Inwieweit dann an die Stelle der aufgelisteten Zimelien etwa auch oder sogar nur Portraits der jeweiligen Firmen hätten treten müssen, das lasse ich dahingestellt.
Etikettenschwindel jedenfalls ist eine Form der Unwahrheit, auf die das Netz heute sehr sensibel reagiert. Dieser Fisch stinkt vom Kopfe her - die Grundplanung stimmt nicht, und bei den Titeleien wurde, wie ich einschätze, publizistisch gesehen herumgeschwindelt. Sowas zahlt sich nie aus.
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