Montag, 20. April 2009

Kampf den Nostalgikern - es führt kein Weg zurück




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Otto W. Pl. und Roman He. verbreiten im Börsenblatt-Webdienst wieder einmal Nostalgie. Sie verteilen bunte Andachtsbildchen und singen poetische Abendliedlein. Ringsum aber geht die Entwicklung weiter. Ehrwürdige Nostalgiker vom Schlage der Kollegen He. und Pl. behindern und lähmen unsere berufliche Fortentwicklung, sie torpedieren dringend notwendige Reformen.

In Klammern muß es Otto W. Pl. einmal gesagt werden, daß seine ganz überwiegend völlig unnötigen Fremdwörter, seine exquisiten Fachbegriffe aus Philosophie und Kulturwissenschaften viele Antiquare verärgern. Ich halte Herrn Pl. für einen wohlmeinenden Mann, aber merkt er denn nicht, wie seine Fremdwörtelei wirkt auf jene 950 von gefühlten 1000 Antiquaren, die sein Universitätsvokabular nicht beherrschen?

Das sind nicht nur Äußerlichkeiten. Die ewige Abgrenzerei und Grüppchenbildung in unserem Gewerbe muß ein Ende haben, sonst kommen wir überhaupt nicht weiter.

Inhaltlich sind beide, He. wie Pl., auf dem Ladentrip. He. sitzt saturiert in seinem Kölner Edelantiquariat und finanziert mithilfe einer jahrzehntelang zusammengetragenen guten Kundschaft die Ladenmiete, die ihm gewöhnliche Bücher ganz gewiß nicht einbringen könnten. Und Pl. träumt von seinem alten Laden, in den er ätherische Kunden hineinzaubert, die in der Wirklichkeit auch beim besten Willen Zeit und Weg nicht fänden, um zu ihm zu kommen.

Der Ladengedanke ist eine der zahlreichen Holzwege, auf die uns auch Redakteur Biester in regelmäßigen Abständen (ver)führen will. Sagt an, ist er nicht putzig und idyllisch, dieser oder jener "betretbare" Laden mit "haptisch" zu ergreifenden Büchern darin? Ohne auf Einzelheiten einzugehen - mein Kampf gegen das fürchterliche Mißverständnis, ein Antiquariat müsse so sauber und geordnet sein wie eine Neubuchhandlung, ist ja bekannt - , bitte ich einfach nur die große Linie einzuhalten und nüchtern zu rechnen.

Wir erinnern uns an jene Kollegin, die uns freudestrahlend aus einem friesischen Luftkurörtchen berichtete, daß ihre Mixtur aus Postkartenecke, Neubuchlädchen und Antiquariat die Miete sehr wohl trage und auch noch Gewinn abwerfe. Ansonsten haben wir Gegenrechnungen fast nur von Edelantiquariaten in sehr großen Städten.

Ich meine aber nicht (nur) die saubere Ertragsrechnung im Einzelfall, sondern das Rechnen mit der großen Linie. Wir werden, davon bin ich überzeugt, zu jener großen einheitlichen Datenbank kommen, die den deutschen, von der Welt abgeschotteten Altbuchmarkt beherrschen wird. Entweder ist das unsere eigene - oder die des von Amazon aufgekauften ZVAB, via Abebooks oder unter diversen Etikettierungen auf direktem Weg. Der Name ZVAB dürfte fürs erste dann sogar bleiben.

Wenn diese große Datenbank da ist, wird sie noch mehr als heute dazu führen, daß buchstäblich jeder Altbuchkäufer "erst einmal" im ZVAB nachsieht, nach welchem Buch er auch immer suchen mag. Und wenn die Datenbank einige Leseerleichterungen (siehe mein gestern geschildertes System der annotierten Gesamtdatenbank) und ein verbessertes Abbildungsmaterial enthält, vor allem auch eine bessere Sachgliederung zum Stöbern, ein schnelleres Liefersystem, kritische Kollegenbewertungen usw. - dann schmilzt das Häuflein der Ladenkäufer noch schneller dahin...

Es ist ein ganz unverantwortliches Bramabardisieren, mir kommt die Bibelstelle vom Mühlrad in den Sinn, wenn angesichts dieser Perspektive heute noch vom netten Einrichten netter Läden geschwärmt wird. So reitet man Kollegen nostalgisch in ihr Unglück!

Freilich könnte ein Berufsverband in Zusammenarbeit mit dem Neubuchhandel eine ganz neue Form des Ladenantiquariats auf die Beine stellen. Bis das aber gelingt, ist der durchschnittliche Ladenantiquar pleite.


Das Foto des Altkleiderhändlers verdanken wir der besuchenswerten Seite www.israelportraits.com. Bild wird auf einfache Anforderung hin entfernt.