Mittwoch, 22. April 2009

Bringt ein Netzwerbeportal der Antiquare neue Käuferschichten?




1)
Unser verehrtes stomchen schreibt in seinem besuchenswerten Blog


"Immer wieder wird in den diversen Foren, Runden und Blogs der Antiquare die Frage nach ehrenamtlicher oder hauptamtlicher Arbeit von Branchenfunktionären gestellt. Die Funktionäre selbst heben ihre aufopferungsvolle Arbeit hervor, die andere Seite beklagt fehlende oder falsche Öffentlichkeitsarbeit etc. Wie soll nun ein Kollege neben seiner eigentlichen Arbeit als Antiquar auch noch ein erfolgreicher Lobbyist sein? Er wird es zeitlich unmöglich schaffen können, selbst wenn er über ausreichende Kenntnis in den für die Lobbyarbeit wichtigen Bereichen hat. (Von Büchern braucht er dazu nämlich nicht viel zu wissen) Wir brauchen also dringend einen hauptamtlichen Lobbyisten für unsere Branche"

Er kommt dann im weiteren Verlauf aber auf ironische Abwege - das Thema entgleitet ihm unter der Hand. Die Anregung gilt.

2)
In Redakteur Biesters erznüchterner, bierernster, preußisch-ordentlicher und gänzlich humorloser Netzzeitung für Trappistenmönche und rationalistische Antiquare schreibt ein sehr begabter Newcomer, Chinaski, zur gleichen Stunde dies:

"...doch fehlt mir in der Diskussion ein für die Zukunft vielleicht ebenso wichtiger Punkt, der bisher nur am Rand erwähnt wurde: Die Sichtbarkeit, und das Bewusstsein für unser Angebot. Das antiquarische, das schöne, seltene, und rare Buch ist in der Welt da draußen kein Thema, und dadurch schwindet es zunehmend aus dem Bewusstsein der Menschen. Und dadurch nimmt unsere Käuferschicht immer mehr ab. Was dem Objekt unseres Handels fehlt ist ein Platz auf dem es präsentiert, zur Schau getragen und gefeiert wird...."

"Ein weiterer Punkt der mir am Herzen liegt ist der schwere Zugang zum „Sammelgebiet“ Buch. (...) Etwas derartiges fehlt mir beim Buch. Eine Richtschnur, wenn auch eine wage, die mir aufzeigt das die Bücher die ich sammele auch für andere von Wert sind. Sicher gibt es derartiges in der ein oder anderen Form, aber es ist mir nichts bekannt das für den Einsteiger geeignet wäre. Und natürlich ist mir klar das ein derartiger Katalog, oder eine derartige Datenbank für Bücher sehr viel schwerer zu realisieren ist als für den relativ überschaubaren Comic Bereich. Trotzdem denke ich das ein Katalog unserem Handel von nutzen wäre, jedes andere Sammelgebiet besitzt einen...".

http://www.boersenblatt.net/317163/template/b4_tpl_antiquariat/#comments

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Bei soviel richtigen Frage kann ich mich kurz fassen mit der richtigen Antwort:

Natürlich müssen wir uns, angesichts der dauernd unverkäuflichen Altbuchwalze von gefühlten 10 Millionen Titeln im deutschen Sprachbereich, zuerst Gedanken machen über die Erfassung neuer Käuferschichten. Alle Probleme lösen sich dann, wenn wir wieder zum Standard vor der Internetzeit zurückkommen, als etwa 20 %, also ein gutes Fünftel, aller regelmäßigen Neubuchkäufer auch alte Bücher gewohnheitsmäßig erwarben. Am Beispiel der für den Bundesdurchschnitt recht typischen Universitätsstadt Freiburg und seinen Antiquariaten kann ich diese Schätzung einigermaßen belegen, bin ich hier doch seit 30 Jahren tätig.

Wir sind also von etwa 20 % auf 5 % zurückgefallen, haben 3/4 unserer früheren Kunden verloren. Diese Aussage gilt natürlich für den heutigen Laden- u n d den Netzverkauf.

Es gibt, von dem schwierig einzuschätzenden Faktor der kontinuierlich abnehmenden Lesefreude an der Fraktur einmal abgesehen, keinen Grund, warum wir nicht wieder den alten Gewöhnungsgrad, die frühere Bekanntheit unter den Neubuchkäufern zurückerobern könnten. Das Internet sollte es uns eigentlich sehr leicht machen - mit dem Rückgang der Ladengeschäfte hat das absolut nichts zu tun.

In einer Zeit, wo selbst tatterige Klosterschwestern und zahnlose Oberlehrergreise mit Lust stundenlang im Internet surfen, kann der Weg dahin nur lauten:

wir brauchen ein gemeinsames, gutes Portal.


Dieses Portal muß in jeder nur denkbaren Hinsicht für das alte Buch werben. Es muß neutral einherkommen und darf weder mit Fremdwerbebotschaften noch mit Verbandspropaganda zugemüllt sein. Es muß Hilfestellung geben, was den Buchwert, die Arten des Büchersammelns, die bibliographischen Hilfsmittel angeht, es muß eine Vielzahl von Aktionen starten, um im Netz Aufmerksamkeit zu erregen. Es darf keineswegs zu seriös sein - das Netz liebt Skandale.

Propaganda für das alte Buch, in jedem nur denkbaren Sinn, das bringts. Wäre Redakteur Biester nicht so knochentrocken, dann würde er diese Aufgabe in seiner Postille zur Diskussion stellen und im Hinterkopf haben, daß natürlich nur eine allgemeine Berufsvereinigung, dem Börsenverein nachgebildet, solches leisten könnte.

Oder muß ein Einzelner daherkommen und uns vormachen, wie das geht? Eins sage ich gleich - die kommerziellen Geschäftemacher sollten hier keine Pfründe wittern. Unsere Kunden, auch die potentiellen, sind äußerst klug, wach und kritisch eingestellt. Bei Äußerlichkeiten fängts an: Einige Grammatikschnitzer à la Prolibri, und man kann das Ganze vergessen.

Wie auch immer, eine interessante Frage. Ich danke Stormchen und Chinaski herzlich für ihre Anregungen.


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