Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Donnerstag, 23. April 2009
Glanz und Elend der Spitzenantiquare
Die schöne heile Welt der Edelantiquare
Da hat man noch Zeit für geistreiche Spielchen in den opulent gedruckten Katalogen, die man sich und den Kunden zur Freude herausbringt, sogar mit besonderen Varianten für den stets verdächtig freundlich dreinblickenden Vorsitzenden; da schwadroniert man von einem angeblich begeistert aufgenommenen, tatsächlich aber längst bestgehaßten Verhehlungs- und Abkassierinstrument namens "Auktionspreise online"; da zeigt sich jene heile Welt der Geldprotzen und Ästheten, von der Redakteur Biester so gern träumt, im hellen Licht.
Nirgendwo als in den Biographien der Antiquare dieses Schlages zeigt sich deutlicher, welche traurige Lebensauffassung bei den oberen 50 unseres Gewerbes vorherrscht - Liebedienerei, Scharwenzeln um potente Käufer, Dienstleistung für die Meistbietenden, Besorgungen und Eroberungen für einflußreiche Raffkes aus Wirtschaft und Gesellschaft. Das ist gefährlich nahe an Servilität und Prostitution.
Diese Kollegen merken das alles nicht oder tun wenigstens so. Die Instrumente der Eigenvernebelung, der Selbsttäuschung sind bekannt: Umfangreiche Handbibliotheken, die sich in aller Regel dadurch auszeichnen, daß in ihnen zwar eifrig nachgeschlagen wird, um T i t e l zu ermitteln, um ihren Geldwert festzustellen - in denen aber kaum oder gar nicht geforscht wird. Nichts ist quälender als der Gegensatz zwischen einer noch so bescheidenen Instituts- oder Gelehrtenbüchersammlung und den Handapparaten der Edelkollegen. Wer dem Gelde dient, wer weitgehend Lese- und Forschungsverbot hat, dessen Umgebung trägt den Stempel des Ungeistigen. Das ist in den Antiquariaten mit Händen zu greifen.
Aus welchem Grund die wenigen, freilich eindrucksvollen weißen Raben des Gewerbes, die sich zu einer wissenschaftlichen oder doch ernsthaft sammelnden Arbeit aufraffen konnten, dann pathetisch "sein Lebenswerk" genannt, als Gallionsfiguren des Antiquariats in meist peinlicher Weise vorangetragen und gepriesen werden. Solang man das tut, kann man die eigene Leere und das Erbärmliche der antiquarischen Tagesarbeit für einen Augenblick vergessen.
Die meisten Antiquare wissen durchaus um das Trostlose ihres Tuns - je klüger sie sind und je einsichtiger, desto mehr leiden sie unter dem Forschungs-, ja oft genug sogar dem Leseverbot, das ihnen auferlegt ist, im Dienste des Gewerbes.
Weit mehr nervend als das engere Arbeitsmilieu des Spitzenantiquariats ist jene halbblinde Entourage der Kunden, der Lobhudler und Seligpreiser, die aus dem raffend-bibliographisch-schachernden Tun der Antiquare ein weihevolles Mysterium zu schaffen sich nicht entblöden. Diese Zeitgenossen sonnen sich auf Messen jeder Art, sie nehmen stimmungsvolle Schwarzweißportraits alter Antiquare auf und heben ihr Lebenswerk hervor. Von der unendlich trostlosen Alltagspraxis des Edelantiquars nehmen sie einfach keine Notiz.
Die oberen 50 unseres Gewerbes leiden viel stärker unter dem Verbot, mit der von ihnen zusammengetragenen Literatur nicht arbeiten zu dürfen, als wir restlichen 950. Denn sie sind, Ausnahmen bestätigen die Regel, wirklich unsere klügsten Köpfe, und je mehr es Herz und Geist zu den alten Büchern zieht - desto mehr schmerzt der Refrain des Schlagers aus dem goldenen Berlin der 20er Jahre: "Keine Zeit, keine Zeit, keine Zeit".
Nun geht es ja Bibliothekaren ähnlich. Aber sie dürfen doch das schöne Bewußtsein haben, für die Allgemeinheit, für alle Menschen, da zu sein. Der Edelantiquar dagegen, das macht sein Tun auch vor ihm selbst so verächtlich und minderwertig, arbeitet nahezu gegenläufig - für Geld, für die Raffer ererbten, ergaunerten oder sonst recht- oder unrechtmäßig ihnen zugefallenen Geldwertes. Das Geld vergiftet die Tagesarbeit der Edelantiquare. Es ist eine fürchterliche, demütigende Aufgabe, sich und seine schönen Bücher prostituieren zu müssen für jene "Auserwählten", die, wie auch immer, zu Geld gekommen sind.
Wer, wie die Edelantiquare, geistige und künstlerische Werte durchaus gut einschätzen und präsentieren kann - sie dann aber für schnöden Mammon verschachern muß an Kunden, die er nach keinem anderen Kriterium als dem ihres Kreditkartenlimits beliefern muß - dem geht es nicht anders als der Edelhure im Bordell.
Nur daß die eher ihren Körper verkauft , der Antiquar aber seinen Geist und ein Stück seiner Seele.
Nur gut, daß Redakteur Biester, daß die Kreise um den Verband so tun können, als wüßten sie das alles nicht.
Nachsatz: Ich schreibe diesen Text nicht aus Gehässigkeit oder weil ich heute früh mit dem linken Fuß aufgestanden bin. Mir ist vielmehr aufgefallen, daß wir so ziemlich alle Faktoren auf der Verkaufstechnik- und der Kundenseite einbeziehen in die Überlegungen zu einer neuen Absatzerschließung - uns selbst aber ausklammern aus allen Reformüberlegungen. Das kann nicht gutgehen. Die inneren, seelischen Probleme unseres Berufsstands , von den Nöten des kleinen Kistenschiebers bis zum Fachantiquar, müssen benannt und in die Gesamtgleichung, die wir hoffentlich erarbeiten können, mit einbezogen werden. Um das zu erreichen, müssen wir uns streckenweise selber Erbsen in die Wanderschuhe tun. Das schmerzt, aber es befördert die Erkenntnis und die guten Werke.