Mittwoch, 15. April 2009

"Antiquar und Sport" - die Re(d)aktion marschiert



Die Wege und Umwege, die sich unser verehrter Redaktor Biester einfallen lassen muß, um die Antiquare zu unterhalten, nehmen immer lustigere Formen an. Im "Twitter"-Fach, das er geschickt als Teil seines "Börsenblatt-Net" verkauft, legt er sich und uns heute die bedeutsame Frage vor: "Antiquare und Sport, da weiß niemand was drüber, oder?"

Nicht daß mancher altgedienter Kollege, so auch ich, nicht allerlei Geschichten zu erzählen wüßte über bergsteigende, segelnde und fliegende Kollegen, in Zürich stellte ein - kluger und sachkundiger - Antiquar zum Beweis besonderer Sportlichkeit sein Foto in Netz "FKK im Laden". Aber die Rolle des Sports in unserem Gewerbe ist äußerst unwichtig, auch Redaktor Biester weiß das.

Geht es ihm nur um (neudeutsch:) Entertainment? Humoristisch oder gar ironisch kann ers nicht gemeint haben, denn auf Gottes Erdboden ist mir, nach der Lektüre von mehreren hundert Beiträgen aus seiner Feder, noch kein derart humorloser und der Ironie fernstehender Journalist vorgekommen wie er. Diese Gaben wurde ihm nicht in die Wiege gelegt, so gut und sachkundig er sonst auch schreibt. Sachlich sind die meisten seiner Texte mit Genuß zu lesen. Aber der T o n bedarf dringend der Aufhellung - schwermütig, ernst, siehe die Loriot-Szene (in Ödipussi) "mausgrau, aschgrau, taubengrau - oder doch lieber steingrau?".

Will er für uns Themen an den Haaren herbeiziehen? Das erinnert mich an meine Studentenzeit, die ich mit allerlei künstlich geschaffenen Aktualitäten per Zeilenhonorar finanzierte, nach dem Motto "Die Malermeister der Zentralschweiz und die neuen Alpentunnels" oder "Hundertfünf Jahre strategische Eisenbahn Waldshut-Immendingen - ein bedeutsames Jubiläum".

Das wäre ja dann alles recht ehrenwert. Leider aber scheint mir die Sache anders zu laufen. Seit vielen Monaten drückt sich die Redaktion von börsenblatt.net um eine wirklich offene, freimütige, vorurteilsfreie Diskussion nahezu aller Fachthemen, die für die Antiquare wirklich wichtig sind.

Im Buchhändler-Teil scheint es ähnlich zu laufen, anders kann ich mir die duckmäuserische, schieche, halblaute, kirchenmausbrave Haltung von Redaktion und Lesern zum Skandal der Kettenladen-Kraken und zum quälend langsamen Tod der freien Buchhändler nicht erklären.

Sicher bin ich mir aber im Antiquariatsteil mit meinem Urteil: Die Redaktion ist bestrebt, fast alle brisanten, wichtigen Fragen aus einer ernsthaften Diskussion herauszuhalten. Redakteur Biester verhält sich nicht nur in Zensurfragen so schofel wie Metternich - er betreibt eine so fürchterliche Beruhigungspolitik, eine Besänftigung und Verhehlung der brennenden Sorgen unseres Gewerbes, daß die ganze R e a k t i o n des Vormärz vor unseren Augen wiederersteht.

Das Börsenblatt als reaktionäres, zensierendes Netzportal?




--------

Den Scan verdanke ich Antiquariat Hochgrebe. Wird auf einfache Aufforderung hin sofort entfernt.